Stress
Magenschmerzen durch Stress: Das können Sie tun
Veröffentlicht am:27.09.2021
6 Minuten Lesedauer
Das schlägt mir auf den Magen ist nicht nur eine Redensart. Zu viel Stress oder starke Belastungen können tatsächlich zu Magenschmerzen, Übelkeit oder Durchfall führen. Doch wie kann man Magenschmerzen am besten begegnen und wie sehen Notfall-Tipps aus? Frau Dr. Viola Andresen ist Expertin der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und Oberärztin der Medizinischen Klinik am Israelitischen Krankenhaus in Hamburg. Im Interview spricht sie darüber, was Stress im Magen auslöst und wie eine geeignete Behandlung aussehen kann.
Inhalte im Überblick
- Magenschmerzen und Stress – wie oft gibt es das?
- Warum und wie reagiert der Magen auf Stress?
- Welche Rolle spielt die Psyche bei Magen-Darm-Erkrankungen?
- Welche Tipps helfen ganz konkret, um stressbedingte Magenschmerzen zu vermeiden?
- Ist Stressmanagement ein Fall für den Arzt?
- Wie werden Magenschmerzen durch Stress behandelt?
- Gibt es Notfall-Tipps für akute Magenschmerzen durch Stress?
- AOK-Online-Programm: Stress im Griff
Magenschmerzen und Stress – wie oft gibt es das?
Hier ist zunächst einmal zu differenzieren, was unter Stress verstanden wird: Stress beschreibt strenggenommen die Belastung des Organismus durch (potenziell) krankmachende Faktoren, sogenannte Stressoren. Diese lösen Reaktionen in vielen Organsystemen aus, unter anderem die Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter und Stresshormone. Diese Art von „organischem“ Stress tritt auf bei schwer Erkrankten (mit Infektionen oder Tumorkrankheit), aber auch bei anderen Intensivpatienten (Unfallopfer, nach großen Operationen, nach schweren Verbrennungen usw.).
Davon abzugrenzen ist der „negative psychische“ Stress, wie er üblicherweise verstanden wird, nämlich meist durch Drucksituationen im Alltag. Dies betrifft zum Beispiel das Arbeiten unter Termindruck oder ungünstigen äußeren Bedingungen, familiäre Konfliktsituationen, finanzielle oder gesundheitliche Sorgen und vieles mehr.
Beide Stressformen können Reaktionen des Magens auslösen: Die „organischen“ Stressformen führen zu den gefürchteten Stressgeschwüren des Magens mit möglichen schweren Organkomplikationen wie Blutungen oder Durchbruch. Alltagsstress kann Magenschmerzen ohne erkennbare Schädigung auslösen; die Ursachen der Beschwerden sind hier vielmehr harmlose, aber lästige Funktionsstörungen wie Verkrampfungen der Muskulatur. Im Übrigen drückt der Begriff „Magenschmerzen“ nicht aus, dass diese Schmerzen tatsächlich aus dem Magen selbst stammen; ebenso oft entstehen sie im Darm oder aber auch in der unteren Speiseröhre, was der Betroffene aber nicht unterscheiden kann.
„Alltagsstress kann Magenschmerzen ohne erkennbare Schädigung auslösen; die Ursachen der Beschwerden sind hier vielmehr harmlose, aber lästige Funktionsstörungen wie Verkrampfungen der Muskulatur.“
Dr. Viola Andresen
DGVS-Expertin und Oberärztin der Medizinischen Klinik am Israelitischen Krankenhaus in Hamburg
Warum und wie reagiert der Magen auf Stress?
Der Verdauungstrakt, vor allem auch der Magen, ist sowohl mit dem Gehirn als auch mit den körpereigenen Hormonsystemen vielfältig und eng funktionell verbunden. Das bedeutet, dass alle der oben erwähnten Stressformen auch Reaktionen im Magen auslösen können. Dies betrifft die Muskelarbeit des Magens (Motilität) ebenso wie die Absonderung von Verdauungssäften und nicht zuletzt die Empfindlichkeit. Konkret kann sich das zum Beispiel so auswirken, dass Stresssituationen die Magentätigkeit hemmen, sodass eine Mahlzeit „wie ein Stein“ im Magen liegt, weil sie nicht regulär in den Darm abgegeben wird.
Andere Reaktionen sind Magenkrämpfe oder Übelkeit und Brechreiz (beispielsweise schon beim Anblick eines grausigen Bildes). Aber dieses Zusammenwirken ist keine Einbahnstraße: Auch Störungen in den normalen Abläufen des Magens, wie ein unverträgliches Essen, unverträgliche Medikamente oder das Ausbrechen einer Magenschleimhautentzündung können das Wohlbefinden des gesamten Organismus erheblich reduzieren, wie jeder aus eigener Erfahrung weiß.
Hilfe finden bei Stresssymptomen
Kennen Sie schon die Stressbewältigungskurse der AOK? Bei diesen können Sie lernen, wie Sie ganz bewusst Entspannung und Ruhe in den Alltag integrieren – für weniger stressbedingte Probleme im Alltag.
Welche Rolle spielt die Psyche bei Magen-Darm-Erkrankungen?
Durch die enge Verbindung von unserem Gehirn mit dem Verdauungstrakt wird auch dessen Funktion durch psychische Einflüsse beeinflusst. Typische Beispiele sind die Veränderungen der üblicherweise meist normalen Darmfunktion bei verschiedenen harmlosen Stressformen. So leiden viele Menschen bei Reisen in fremde Umgebungen, besonders auch bei ungewohnten, möglicherweise als unhygienisch wahrgenommenen Toilettensituationen, oft unter hartnäckiger Verstopfung. Andererseits ist der „Schiss“ bei Prüfungsstress, z.B. vor einer wichtigen Klausur oder einer Fahrprüfung, geradezu in den allgemeinen Wortschatz übergegangen. Beides sind harmlose und sehr typische Stressreaktionen des Verdauungstrakts.
Es muss aber ausdrücklich betont werden, dass die überwiegende Mehrzahl der sogenannten nicht-organischen Störungen des Verdauungstrakts, die mit Magen- und Darmsymptomen einhergehen, wie zum Beispiel Dyspepsie, Reizdarmsyndrom und chronische Verstopfung nicht durch die Psyche ausgelöst werden, das heißt, nicht psychosomatischer Natur sind. Bei diesen sogenannten funktionellen Störungen liegen vielmehr mikroskopische organische Veränderungen der Schleimhäute und Magen-Darm-Muskulatur zugrunde. Sie werden in der Routinediagnostik nicht ohne Weiteres entdeckt und lassen sich mit einfachem Stressmanagement meist nicht ausreichend behandeln.
„Es muss aber ausdrücklich betont werden, dass die überwiegende Mehrzahl der sogenannten nicht-organischen Störungen des Verdauungstrakts, die mit Magen- und Darmsymptomen einhergehen, wie zum Beispiel Dyspepsie, Reizdarmsyndrom und chronische Verstopfung nicht durch die Psyche ausgelöst werden, das heißt, nicht psychosomatischer Natur sind.“
Dr. Viola Andresen
DGVS-Expertin und Oberärztin der Medizinischen Klinik am Israelitischen Krankenhaus in Hamburg
Welche Tipps helfen ganz konkret, um stressbedingte Magenschmerzen zu vermeiden?
Nicht-organische Magenschmerzen infolge von Alltagsstress können gerade auch durch ein gezieltes Stressmanagement verhindert oder zumindest abgemildert werden. Das bedeutet, dass Stresssituationen möglichst von vornherein vermieden werden sollten. Dies betrifft zum einen ganz banale Faktoren des Lebensstils.
Hierzu zählen unter anderem:
- ausreichend Schlaf
- Verzicht auf Rauchen
- nur mäßig Alkohol
- rechtzeitiges Aufstehen und Sich-auf-den-Arbeitsweg-machen
- regelmäßige und ausreichende Mahlzeiten ohne Hetze
- Einteilen der Arbeitsbelastung in einer Weise, die aus dem lästigen „negativen“ Distress einen positiven Eustress macht.
Darüber hinaus ist es für viele Betroffene sehr lohnend, sich mit Entspannungsverfahren, Stressmanagement-Programmen und ähnlichen Möglichkeiten zu beschäftigen, die nach anfänglicher Anleitung dann eigenständig durchgeführt werden können und die oft sehr erfolgreich sind.
Passende Artikel zum Thema
Ist Stressmanagement ein Fall für den Arzt?
Eine Grundregel muss in jedem Fall beachtet werden: Alle chronischen Magenbeschwerden, egal, in welchem Alter sie auftreten, sind spätestens nach einigen Wochen ein Grund, den Magen einmal medizinisch zu untersuchen. Dies erfolgt typischerweise durch eine Magenspiegelung, die heutzutage ambulant und tatsächlich „stressfrei“ durchgeführt werden kann. Nur hierdurch gewinnt der Betroffene ebenso wie der Arzt Sicherheit und ist eben nicht nur auf eine Vermutung angewiesen. Er erfährt so womöglich, dass es sich wirklich um nicht-organische Stressbeschwerden und nicht etwa um eine ernsthafte Magenerkrankung handelt, wie zum Beispiel ein Magengeschwür oder gar einen Tumor. Mit dieser Sicherheit wird auch die Behandlung der Beschwerden selbst wesentlich erfolgreicher, weil die dahinter schwebende Sorge um das Übersehen einer gefährlichen Grundkrankheit vom Tisch ist – und diese Sorge ist eben ein weiterer, starker Stressfaktor, der die Beschwerden dann noch eher verstärkt.
Fazit ist also, dass eine sichere Ausschlussdiagnose mit organischer "Entwarnung" bereits einen wichtigen therapeutischen Schritt darstellt. Das anschließende Stressmanagement ist dann in aller Regel kein Fall für den Arzt; hierfür gibt es effektive Schulungsprogramme zur Anleitung für die Betroffenen.
Wie werden Magenschmerzen durch Stress behandelt?
Wenn Magenschmerzen, die nachgewiesenermaßen nicht auf einer organischen Ursache beruhen, so stark sind, dass eine Behandlung erforderlich wird, dann sprechen diese bei verschiedenen Patienten auf unterschiedliche Dinge an. Oft wirken allein schon eine eingeschobene Ruhepause und regelmäßige körperliche Bewegung wie beispielsweise Spaziergänge.
Treten die Beschwerden vor allem bei leerem Magen auf, wirkt oft eine leichte und „kleine“ Mahlzeit lindernd. Umgekehrt sollte bei Beschwerdezunahme nach dem Essen am besten eine längere Essenspause eingelegt werden, in der lediglich warme, nicht-reizende Getränke wie Magentee zugeführt werden. Generell empfehlenswert sind:
- eine leichte Kost
- kleine Mahlzeiten
- gutes Kauen
- ausreichend Zeit für die Mahlzeiten
- Meiden extremer Temperaturen (zu kalt oder zu heiß)
- Verzicht auf Kohlensäure, Alkohol und starken Kaffee
Nicht selten werden allerdings unterstützende medikamentöse Maßnahmen erforderlich. In diesen Fällen steht eine breite Auswahl an Mitteln zur Verfügung, bei denen aber im Einzelfall meist nicht vorausgesagt werden kann, ob sie ausreichend wirken. Zu den Maßnahmen, die oft helfen, zählen unter anderem eine Reihe pflanzlicher Mittel (Phytotherapeutika), die zum Beispiel Extrakte auf Basis von Ingwer, Kümmel, Artischocken, Pfefferminze, Melisse, Kamille etc. enthalten. Manche Beschwerden sprechen auch auf Antazida oder Säurehemmer an.
„Treten die Beschwerden vor allem bei leerem Magen auf, wirkt oft eine leichte und „kleine“ Mahlzeit lindernd. Umgekehrt sollte bei Beschwerdezunahme nach dem Essen am besten eine längere Essenspause eingelegt werden, in der lediglich warme, nicht-reizende Getränke wie Magentee zugeführt werden.“
Dr. Viola Andresen
DGVS-Expertin und Oberärztin der Medizinischen Klinik am Israelitischen Krankenhaus in Hamburg
Gibt es Notfall-Tipps für akute Magenschmerzen durch Stress?
Hier gibt es keine allgemeingültigen Maßnahmen. In der Akutsituation sind meist Entspannung und ein geruhsam genossener warmer Tee, unterstützt durch feucht-warme Kompressen oder eine Wärmflasche auf dem Oberbauch hilfreich. Im Anschluss hilft bei vielen Patienten dann auch ein gemächlicher Spaziergang für 15–30 Minuten, der die Situation meist stabilisiert.
AOK-Online-Programm: Stress im Griff
Stress ist ein mächtiger Faktor, der zweifelsfrei mit Magenschmerzen in Verbindung stehen kann. Wer gezielt im Bereich Stressmanagement ansetzt, tut nicht nur etwas für seine allgemeine Gesundheit, sondern kann auch für mehr Wohlbefinden im Magen sorgen. Die AOK hat hierzu ein besonderes Programm ins Leben gerufen. Das Online-Programm „Stress im Griff“ verfolgt das Ziel, Stress zu lindern und wirksam vorzubeugen. Nach der Anmeldung geht es darum, die Grundlagen im Bereich Stress zu verstehen.
Da Stress immer etwas Individuelles ist, schenkt das Programm den persönlichen Stressmustern Aufmerksamkeit. Nach der Analyse begleitet die Initiative „Stress im Griff“ Versicherte über vier Wochen lang mit konkreten Empfehlungen – so sieht moderne Stressbewältigung heute aus. Das Online-Programm steht Versicherten kostenlos zur Verfügung.
So hilft die AOK
Stress im Griff: Finden Sie Ihren Weg zu mehr Gelassenheit
Die AOK hilft Ihnen, Stresspotentiale zu erkennen und entspannter damit umzugehen.