Stress
Was sind Stresshormone und wie wirken sie im Körper?
Veröffentlicht am:16.02.2023
4 Minuten Lesedauer
Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol zählen zu den wichtigsten Stresshormonen. Sie bereiten den Organismus im Ernstfall auf Flucht- oder Kampfsituationen vor. Doch wann sind Stresshormone schädlich und wie baut der Körper sie ab?
Dr. Susanne Fischer ist Psychologische Psychotherapeutin und Stressforscherin. Sie arbeitet am Psychologischen Institut der Universität Zürich. Im Interview erklärt sie, warum der Körper Stresshormone braucht und wie sie sich messen lassen.
Welche Stresshormone gibt es?
Die bekanntesten Hormone, die der Körper bei einer Stressreaktion freisetzt, sind Noradrenalin, Adrenalin und Cortisol. Noradrenalin und Adrenalin gehören zum sogenannten sympatho-adrenomedullären System. Dieses System aktiviert sich sofort, wenn der Mensch einem Stressfaktor ausgesetzt ist. Sowohl Noradrenalin als auch Adrenalin gelangen innerhalb weniger Minuten aus dem Nebennierenmark in den Blutkreislauf, über den sie im gesamten Körper verteilt werden. Cortisol gehört hingegen zur sogenannten Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse. Hier erfolgt die Ausschüttung etwas langsamer. In der Nebennierenrinde gebildet, erreicht auch dieses Stresshormon den Blutkreislauf und so alle Organe im Körper.
Eine zentrale Aufgabe bei der Koordinierung der Stresshormone übernimmt die Amygdala. Dabei handelt es sich um eine mandelförmige Struktur im Gehirn. Die Amygdala nimmt Informationen über die Sinnesorgane auf und bewertet diese anschließend. Immer dann, wenn eine Person etwas als ungewöhnlich einstuft, aktiviert die Amygdala ihre Nervenzellen. Überschreitet die Nervenaktivität eine bestimmte Schwelle, leitet sie die Ausschüttung von Stresshormonen und somit die Stressreaktion ein. Die Amygdala schüttet die Stresshormone aber nicht selbst aus, sondern informiert die Nebenniere mithilfe des sympathischen Nervensystems und des Hypothalamus über die drohende Gefahr – die Nebenniere setzt dann die Stresshormone frei.
In welchen Situationen empfinden Menschen Stress?
Psychologischer Stress entsteht immer dann, wenn eine Person die Situation als wichtig empfindet und sich nicht sicher ist, ob sie genügend Ressourcen für die Bewältigung besitzt. Das kann der Fall sein, wenn Menschen eine Situation als bedrohlich einstufen, sie einen Verlust oder eine Herausforderung bedeutet. Gleiche Lebenssituationen sind aber nicht automatisch für jeden stressreich oder nicht, vielmehr kommt es auf die individuelle Bewertung an. Ein junger, gesunder Mensch würde einen ärztlichen Check-up vermutlich nicht als bedrohlich einschätzen und deshalb keinen Stress im Wartezimmer verspüren. Eine ältere, gesundheitlich vorbelastete Person könnte einen solchen Arztbesuch aber durchaus als stressig empfinden. Vielleicht deshalb, weil sie mit einem negativen Befund rechnet – es steht also eine gewisse Bedrohung im Raum, die die Stressreaktion auslösen kann.
„Psychologischer Stress entsteht immer dann, wenn eine Person die Situation als Bedrohung, Verlust oder Herausforderung empfindet und nicht sicher ist, ob sie genügend Ressourcen für die Bewältigung besitzt.“
Dr. Susanne Fischer
Psychologische Psychotherapeutin und Stressforscherin
Welche Wirkung haben Stresshormone wie Cortisol auf den Körper und die Psyche?
Die körperliche Stressreaktion dient dazu, Menschen auf eine möglichst gute Bewältigung des Stresses vorzubereiten. Wenn Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen sich beispielsweise bei einem wichtigen Meeting verspäten, sind Hormone wie Noradrenalin und Adrenalin sehr hilfreich – sie unterstützen dabei, den Zeitverzug möglichst gut aufzuholen. Die Stresshormone führen im Organismus dazu, dass sich die Pupillen vergrößern, sich der Herzschlag beschleunigt oder sich die Bronchien erweitern. Außerdem kann unter Stress Blut schneller in die Muskeln fließen und die Leber Zucker freisetzen – das alles sorgt dafür, dass die gestresste Person aufmerksamer und energiegeladener ist.
Dabei reagieren Menschen unter Stress noch immer wie in längst vergangenen Zeiten – egal, ob sie gefährliche Tiere jagen oder ein Vorstellungsgespräch bewältigen.
Sind Stresshormone schädlich?
Es ist wichtig, akuten Stress von chronischem Stress zu unterscheiden. Eine akute Stresssituation ist innerhalb von Sekunden, Minuten oder Stunden vorüber. Die durch die Stresshormone ausgelösten Reaktionen wie ein beschleunigter Herzschlag sind dabei nützlich – mit der zur Verfügung gestellten Energie können Betroffene stressreiche Situationen wie Verspätungen besser bewältigen. Chronischer Stress kann hingegen gesundheitsschädlich sein. Er kann beispielsweise bei lang anhaltenden finanziellen Sorgen, Arbeitslosigkeit oder bei der Pflege von Angehörigen entstehen.
Problematisch ist, dass chronischer Stress zu Abnutzungserscheinungen des Stresssystems führen kann. Das ist möglich, wenn am Stress beteiligte Körpersysteme und Organe wie die Nebenniere dauerhaft verstärkt im Einsatz sind. Durch die Abnutzungserscheinungen steigt das Risiko für körperliche Beeinträchtigungen, zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder psychische Störungen wie Depressionen. Gleichzeitig führt chronischer Stress oft dazu, dass Menschen weniger auf ihre Gesundheit achten. Womöglich treiben sie weniger Sport, ernähren sich ungesund, rauchen mehr oder konsumieren verstärkt Alkohol – auch diese Verhaltensweisen können Krankheiten begünstigen.
Passende Artikel zum Thema
Was deutet auf einen erhöhten Stresshormonspiegel hin?
Bei akutem Stress entfalten die Stresshormone im Körper ihre Wirkungen – viele davon können Betroffene bei sich beobachten. Steht eine wichtige Präsentation an, können gestresste Menschen bei sich vergrößerte Pupillen beobachten oder einen verstärkten Herzschlag spüren. Vielleicht bemerken sie auch, dass sie vermehrt schwitzen. In andere körperliche Vorgänge haben Betroffene nur einen indirekten Einblick. Womöglich machen sie sich rückblickend bewusst, dass sie durch die Stressreaktion enorme körperliche und geistige Leistungen vollbracht haben. Auch chronischer Stress hinterlässt seine Spuren. Zeichen hierfür können körperliche Anspannung, Konzentrationsprobleme, Nervosität, Gereiztheit, sozialer Rückzug, Appetitstörungen oder Schlafstörungen sein. Immer dann, wenn Menschen diese Warnsignale verspüren, halten sie im besten Fall inne. Jetzt ist es wichtig, dass sie sich fragen, was sie gerade überfordert und was sie tun können, um dem Stress entgegenzusteuern.
„Auch chronischer Stress hinterlässt seine Spuren. Zeichen hierfür können Nervosität, Gereiztheit, körperliche Anspannung, Appetitverlust oder Schlafstörungen sein.“
Dr. Susanne Fischer
Psychologische Psychotherapeutin und Stressforscherin
Wie gelingt es, Stress abzubauen?
Um stressabhängigen Erkrankungen vorzubeugen, sollten sich stressreiche Phasen mit Phasen der Erholung abwechseln. Hierbei ist es wichtig, regelmäßig positive Aktivitäten in den Alltag einzubauen. Dazu können körperliche Aktivitäten wie Spaziergänge, Gartenarbeit oder Sport zählen. Auch geistige Anregung wie die Beschäftigung mit Kunst, Musik oder Literatur und eigene kreative Betätigung können sich erholsam auswirken.