Die ePA aus Sicht eines Arztes: „Sie kann einen wertvollen Überblick liefern“

Alle Versicherten erhalten ab 2025 eine elektronische Patientenakte. Der Arzt und Digitalisierungs­experte Pascal Nohl-Deryk erklärt, wie die ePA dazu beitragen kann, die medizinische Versorgung und die Zusammenarbeit im Gesundheits­wesen zu verbessern.
Das Bild zeigt einen Arzt mittleren Alters mit grauen Strähnen in Vollbart und Haaren,  der einer Patientin gegenüber sitzt und ihr ihre Röntgenaufnahmen auf einem digitalen Tablet zeigt.© iStock / Kobus Louw

Inhalte im Überblick

    Die ePA in der Praxis

    Alle Versicherten erhalten ab 2025 eine elektronische Patientenakte – sofern sie nicht widersprechen. Sie soll einer optimalen Patientenversorgung dienen und medizinischem Personal den Zugang zu den Gesundheitsdaten ihrer Patientinnen und Patienten erleichtern. Die Zusammenarbeit zwischen behandelnden Ärztinnen und Ärzten und Krankenhäusern wird vereinfacht, Zeit und Ressourcen eingespart. Wie blicken Gesundheitsfachkräfte auf diese Veränderung?

    Porträtfoto Pascal Nohl-Deryk, Arzt und Digitalisierungsexperte© DEGAM / Antje Boysen
    Pascal Nohl-Deryk, Arzt und Sektionssprecher Digitalisierung bei der DEGAM

    Pascal Nohl-Deryk ist im letzten Jahr seiner Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin und arbeitet in einer Hausarztpraxis. Er ist außerdem Sektionssprecher im Bereich Digitalisierung und Präsidiums-Mitglied bei der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Zu Beginn der flächendeckenden Einführung der ePA werde sich in den Praxen erstmal nicht so viel verändern, glaubt Nohl-Deryk. Der Ball läge erstmal bei den Versicherten, die automatisch eine ePA angelegt bekommen, wenn sie nicht widersprechen. Die Versicherten sind es, die entscheiden, was in ihrer Akte gespeichert wird und wer darauf Zugriff hat. Das bedeutet, dass die ePA zu Beginn noch relativ leer sein und sich erst nach und nach füllen wird. Das werde sich im Laufe der nächsten ein bis drei Jahre rasch ändern, davon ist Nohl-Deryk überzeugt: „Und dann hätten wir gut durchsuchbare, filterbare Inhalte, die wir unbedingt bräuchten.“ Nohl-Deryk könnte sich dann – mit einer guten technischen Struktur – zum Beispiel problemlos alle Arztbriefe aus der Kardiologie aus den Jahren 2012 bis 2024 eines Patienten anzeigen lassen oder fix nach dem acht Jahre alten CT-Vergleichsbild suchen.

    Medikationssicherheit durch die ePA

    Je mehr relevante Gesundheitsdaten auf der ePA gespeichert werden, desto mehr kann sich ihr Potential entfalten. „Die ePA ist besonders dann interessant, wenn Patientinnen und Patienten in einem unbekannten Versorgungskontext auftauchen, also zum Beispiel in der Notaufnahme eines Krankenhauses oder bei der Urlaubsvertretung des Hausarztes oder der Hausärztin“, erklärt Nohl-Deryk. Dann kann die ePA einen wertvollen Überblick über bereits gestellte Diagnosen, aktuelle Medikation oder Untersuchungsbefunde von Fachärztinnen und Fachärzten liefern. Insbesondere beim Thema Medikation würden auch Patientinnen und Patienten profitieren, die sich überwiegend im gleichen Rahmen bewegen, ist sich Nohl-Deryk sicher. Denn für alle behandelnden Ärztinnen und Ärzte sei es nie ganz klar, wer eigentlich welches Medikament verordnet habe. Dieses Wissen sei aber zentral, wenn es um mögliche Wechselwirkungen gehe. „Für die Medikationssicherheit ist die ePA ein klarer Vorteil,“ so Nohl-Deryk.

    Sorge vor Mehrarbeit

    Zu den Themen, die Ärztinnen und Ärzte im Zusammenhang mit der ePA beschäftigt, gehört auch die Sorge vor Mehrarbeit. Wieviel Mehrarbeit auf sie zukommt, sei noch unklar, meint Nohl-Deryk. Es werde allerdings immer eine Doppeldokumentation geben. „In der ePA wird praktisch ein Abriss der medizinischen Informationen gespeichert. Meine eigene Dokumentation in meinem eigenen Verwaltungssystem wird ausführlicher sein,“ erklärt Nohl-Deryk. „Das liegt daran, dass die ePA ein reiner Patientenspeicher ist, über den die Patientin oder der Patient die Hoheit hat.“ Die ärztlichen Informationen werden also im eigenen Praxissystem gesammelt und bei Bedarf und Wunsch zusätzlich in der ePA gespeichert. Im ersten Schritt eine Mehrarbeit. Für die zukünftige Versorgung eine Erleichterung.

    Weiterentwicklung der ePA

    Die ePA ist und bleibt in Bewegung. Sie soll sich auch in Zukunft den Bedürfnissen von Patientinnen und Patienten und ihren versorgenden Ärztinnen und Ärzten anpassen und stetig erweitern. Der Status quo der ePA ist also nur der Anfang. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), für die auch Nohl-Deryk tätig ist, ist im gematik-Fortentwicklungsprojekt der ePA involviert. Die gematik ist die nationale Agentur für digitale Medizin und trägt die Gesamtverantwortung für die Telematikinfrastruktur in Deutschland. Da jeder Arzt und jede Ärztin mit einem eigenen Praxis-Verwaltungssystem arbeitet, wird auch die Nutzung der ePA bei allen Beteiligten anders aussehen. Das erschwere die Vorbereitung auf diese Umstellung etwas. Außerdem gebe es die Forderung seitens der DEGAM nach einer Art grafischen Benutzeroberfläche in der ePA, auf der die wichtigsten Informationen auf einen Klick zu finden sind: Diagnosenübersicht, Medikation oder Shortcuts zum Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung. Von einer guten Übersicht der vorhandenen Daten profitieren auch die Patientinnen und Patienten. Und: der Datenschutz ist das A und O. „Das Wichtigste ist ein höchstmöglicher Schutz vor unbefugtem Zugriff“, sagt Nohl-Deryk. Es sei gut, dass Deutschland ein relativ datenschutzkritisches Land sei. Denn wenn es hier zu Beginn Patzer gäbe, brächte es das Projekt ePA ins Wanken, dabei biete es so viele Vorteile.

    Nohl-Deryk hatte in seiner Hausarztpraxis bisher noch keine Berührungspunkte mit der elektronischen Patientenakte. Er spricht hier von einer sich selbst-befeuernden Spirale. Bisher nutzen weniger als ein Prozent der Versicherten die ePA, daher denke man im Gespräch nicht daran, danach zu fragen. Und weil nicht danach gefragt werde, interessiere sich auch kaum jemand dafür, eine ePA anzulegen. Das wird sich im nächsten Jahr ändern. Selber danach gefragt, ob er seine ePA ab nächstem Jahr nutzen wird, antwortet Nohl-Deryk mit einem klaren Ja.

    Über Pascal Nohl-Deryk

    Pascal Nohl-Deryk ist als Arzt in einer Hausarztpraxis tätig und Sektionssprecher Digitalisierung sowie Präsidiums-Mitglied bei der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Er hat an den Universitäten Bochum und Bonn Medizin studiert. Als Sektionssprecher Digitalisierung bei der DEGAM engagiert er sich dafür, dass die Digitalisierung in der Allgemeinmedizin sinnvoll vorangetrieben wird und informiert Ärzte und Patienten über die Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation im Gesundheitswesen.

    Aktualisiert: 13.06.2024

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