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EuGH 07.05.2024 - C-115/22
EuGH 07.05.2024 - C-115/22 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) - 7. Mai 2024 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Zulässigkeit – Art. 267 AEUV – Begriff ‚Gericht‘ – Nationale Schiedskommission, die für die Dopingbekämpfung im Bereich des Sports zuständig ist – Kriterien – Unabhängigkeit der vorlegenden Einrichtung – Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes – Unzulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens“
Leitsatz
In der Rechtssache C-115/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Unabhängigen Schiedskommission Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 21. Dezember 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Februar 2022, in dem Verfahren
SO,
Beteiligte:
Nationale Anti-Doping Agentur Austria GmbH (NADA),
Österreichischer Leichtathletikverband (ÖLV),
World Anti-Doping Agency (WADA),
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Kammerpräsidentinnen A. Prechal und K. Jürimäe, der Kammerpräsidenten C. Lycourgos, T. von Danwitz, F. Biltgen und Z. Csehi, der Kammerpräsidentin O. Spineanu-Matei sowie der Richter J.-C. Bonichot, S. Rodin, J. Passer (Berichterstatter), D. Gratsias, der Richterin M. L. Arastey Sahún und des Richters M. Gavalec,
Generalanwältin: T. Ćapeta,
Kanzler: D. Dittert,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Mai 2023,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von SO, vertreten durch Rechtsanwalt J. Öhlböck,
der Nationalen Anti-Doping Agentur Austria GmbH (NADA), vertreten durch A. Sammer als Bevollmächtigten im Beistand der Rechtsanwälte P. Lohberger und A. Schütz,
der World Anti-Doping Agency (WADA), vertreten durch D. P. Cooper, Solicitor, im Beistand von A.-S. Oberschelp de Meneses, Avocate, K. Van Quathem, B. Van Vooren, Advocaten, und L. Waty, Avocat,
der belgischen Regierung, vertreten durch P. Cottin und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,
der französischen Regierung, vertreten durch R. Bénard und A.-L. Desjonquères als Bevollmächtigte,
der lettischen Regierung, vertreten durch E. Bardiņš, J. Davidoviča und K. Pommere als Bevollmächtigte,
der luxemburgischen Regierung, vertreten durch A. Germeaux und T. Schell als Bevollmächtigte,
der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Bouchagiar, M. Heller und H. Kranenborg als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. September 2023
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und c, Art. 6 Abs. 3 sowie der Art. 9 und 10 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1, berichtigt in ABl. 2018, L 127, S. 2, im Folgenden: DSGVO).
Es ergeht im Rahmen eines Schiedsverfahrens zwischen SO, einer Wettkampfsportlerin, und der Nationalen Anti-Doping Agentur Austria GmbH (NADA) wegen deren Entscheidung, die Sanktionen zu veröffentlichen, die gegen SO aufgrund ihres Verstoßes gegen die nationale Anti-Doping-Regelung verhängt wurden.
Rechtlicher Rahmen
Regeln der IAAF
Die International Association of Athletics Federations (Internationaler Verband der Leichtathletikverbände, im Folgenden: IAAF) erließ die IAAF Competition Rules 2014-2015 (Wettkampfregeln der IAAF für 2014-2015), deren Regel 32.2 Buchst. b und f ebenso wie die Art. 2.2 und 2.6 der IAAF Anti-Doping Rules (Anti-Doping-Regeln der IAAF) von 2017 den „Gebrauch oder Versuch des Gebrauchs einer verbotenen Substanz oder einer verbotenen Methode“ und den „Besitz einer verbotenen Substanz oder einer verbotenen Methode“ verbieten.
Unionsrecht
Art. 5 DSGVO enthält die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten, während Art. 6 dieser Verordnung die Bedingungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung festlegt. Die Art. 9 und 10 der Verordnung enthalten Vorschriften über die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten und die Verarbeitung personenbezogener Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten.
Art. 77 („Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde“) Abs. 1 DSGVO lautet:
„Jede betroffene Person hat unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, insbesondere in dem Mitgliedstaat ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts, ihres Arbeitsplatzes oder des Orts des mutmaßlichen Verstoßes, wenn die betroffene Person der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen diese Verordnung verstößt.“
Art. 78 („Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen eine Aufsichtsbehörde“) Abs. 1 DSGVO sieht vor:
„Jede natürliche oder juristische Person hat unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen einen sie betreffenden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde.“
Art. 79 („Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter“) Abs. 1 DSGVO bestimmt:
„Jede betroffene Person hat unbeschadet eines verfügbaren verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs einschließlich des Rechts auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde gemäß Artikel 77 das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf, wenn sie der Ansicht ist, dass die ihr aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte infolge einer nicht im Einklang mit dieser Verordnung stehenden Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verletzt wurden.“
Österreichisches Recht
ADBG
§ 5 („Unabhängige Dopingkontrolleinrichtung“) Abs. 1 des Anti-Doping-Bundesgesetzes 2021 vom 23. Dezember 2020 (BGBl. I 152/2020, im Folgenden: ADBG) sieht vor, dass diese Einrichtung u. a. die Aufgabe hat, Prüfanträge bei der Österreichischen Anti-Doping Rechtskommission (im Folgenden: ÖADR) gemäß § 18 ADBG einzubringen, wenn sie der Ansicht ist, dass gegen das ADBG verstoßen wurde, und in den Verfahren vor der ÖADR und vor der Unabhängigen Schiedskommission (Österreich) (im Folgenden: USK) gemäß § 20 Abs. 2 und § 23 Abs. 2 ADBG die Parteistellung wahrzunehmen.
§ 5 Abs. 5 ADBG bestimmt:
„Zur Wahrnehmung der Aufgaben der Unabhängigen Dopingkontrolleinrichtung besteht eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit der Firma [NADA]. … Als Verantwortliche gemäß Art. 4 Abs. 7 DSGVO verarbeitet [NADA] personenbezogene Daten.“
§ 6 („Datenschutzrechtliche Bestimmungen“) Abs. 1 ADBG sieht vor:
„Die Unabhängige Dopingkontrolleinrichtung ist als Verantwortliche gemäß Art. 4 Z 7 DSGVO ermächtigt, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach [dem ADBG] und zum Zweck der Vollziehung [des ADBG] erforderlich ist, insbesondere im Rahmen der Aufgaben der [ÖADR] und der [USK], personenbezogene Daten zu verarbeiten. …“
§ 7 („[ÖADR]“) Abs. 1 ADBG bestimmt u. a., dass die ÖADR Disziplinarverfahren für den jeweils zuständigen Bundes-Sportfachverband gemäß den geltenden Anti-Doping-Regelungen des zuständigen internationalen Sportfachverbands (Doping-Verfahren) durchzuführen hat. Nach § 7 Abs. 7 ADBG ist die ÖADR bei der Unabhängigen Dopingkontrolleinrichtung eingerichtet. Nach § 7 Abs. 8 ADBG ist § 6 ADBG sinngemäß anzuwenden.
In § 8 („[USK]“) ADBG heißt es:
„(1) Die [USK] ist eine von staatlichen Organen, Privaten und der Unabhängigen Dopingkontrolleinrichtung unabhängige Kommission. Die Mitglieder der USK dürfen weder an den Ermittlungen gegen eine Sportlerin bzw. einen Sportler oder eine sonstige Person oder an der Entscheidung beteiligt gewesen sein, ob gegen eine Sportlerin bzw. einen Sportler oder eine sonstige Person ein Prüfantrag einzubringen war, noch an der von ihnen überprüften Entscheidung durch die ÖADR selbst. Unbeschadet der Bestimmungen des § 23 Abs. 10 Z 1 und 2 ist sie für die Überprüfung der Entscheidungen der ÖADR in Anti-Doping-Verfahren bei der Unabhängigen Dopingkontrolleinrichtung eingerichtet.
(2) Die USK hat, unter Berücksichtigung bei der Besetzung von zumindest 50 vH Frauen, aus einer oder einem Vorsitzenden und sieben Mitgliedern mit folgender Qualifikation zu bestehen:
die bzw. der Vorsitzende und deren bzw. dessen Stellvertretung müssen die Richteramts- oder Rechtsanwaltsprüfung aufweisen;
zwei Mitglieder müssen ein abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften und Erfahrung in der Durchführung von förmlichen Ermittlungsverfahren aufweisen;
zwei Mitglieder müssen Expertinnen oder Experten der analytischen Chemie oder Toxikologie sein;
zwei Mitglieder müssen Expertinnen oder Experten der Sportmedizin sein.
Für jedes Verfahren hat die bzw. der Vorsitzende oder deren bzw. dessen Stellvertretung aus den Mitgliedern der USK zumindest ein Mitglied mit abgeschlossenem Studium der Rechtswissenschaften und Erfahrung in der Durchführung von förmlichen Ermittlungsverfahren, zumindest eine Expertin oder einen Experten der analytischen Chemie oder Toxikologie und zumindest ein Mitglied als Expertin oder Experten der Sportmedizin für die Durchführung des Verfahrens zu benennen.
(3) Die bzw. der Vorsitzende und die Mitglieder gemäß Abs. 2 Z 1 bis 4 sind von der Bundesministerin oder vom Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport [Österreich] auf vier Jahre zu bestellen. Aus dem Kreis der Mitglieder ist ein Mitglied als Stellvertretung der oder des Vorsitzenden zu bestellen. Neuerliche Bestellungen sowie ein vorzeitiger Widerruf der Bestellung aus wichtigen Gründen sind zulässig. Die oder der Vorsitzende und die Mitglieder können jederzeit die Funktion zurücklegen. Scheidet die bzw. der Vorsitzende oder ein Mitglied vorzeitig aus, ist auf die Restdauer der jeweiligen Funktionsperiode eine neue Person zu bestellen. Die USK entscheidet mit Stimmenmehrheit und ist beschlussfähig, wenn die bzw. der Vorsitzende und mindestens zwei Mitglieder anwesend sind. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der oder des Vorsitzenden. Die USK kann Beschlüsse auch im Umlaufverfahren fassen, wenn aufgrund der klaren Sachlage eine Erörterung in einer Sitzung nicht erforderlich ist und weder die bzw. der Vorsitzende noch ein Mitglied einer Beschlussfassung auf diesem Wege widerspricht. Die Bestimmungen des § 5 Abs. 3 sind auf die USK anzuwenden.
…
(6) § 6 [ADBG] ist sinngemäß anzuwenden.“
§ 20 („Verfahren vor der [ÖADR]“) ADBG bestimmt im Wesentlichen, dass die ÖADR dafür zuständig ist, nach Prüfantrag durch die Unabhängige Dopingkontrolleinrichtung ein Anti-Doping-Verfahren einzuleiten und im Fall eines Verstoßes gegen die Anti-Doping-Regelungen des zuständigen internationalen Sportfachverbands in erster Instanz zu entscheiden.
§ 21 Abs. 3 ADBG sieht vor:
„Die ÖADR hat spätestens 20 Tage nach Rechtskraft des Erkenntnisses die [Bundes-Sportorganisation], die Sportorganisationen, Sportlerinnen bzw. Sportler, sonstige Personen und Wettkampfveranstalterinnen und -veranstalter sowie die Allgemeinheit über verhängte Sicherungsmaßnahmen (z. B. Suspendierungen) und Entscheidungen in Anti-Doping-Verfahren unter Angabe des Namens der jeweils betroffenen Person, der Dauer der Sperre und Gründe hiefür, ohne dass auf Gesundheitsdaten der jeweils betroffenen Person rückgeschlossen werden kann, zu informieren. Bei besonders schutzbedürftigen Personen, Freizeitsportlerinnen und Freizeitsportlern sowie Personen, die durch die Bekanntgabe von Informationen oder sonstigen Hinweisen wesentlich an der Aufdeckung von potentiellen Anti-Doping-Verstößen beigetragen haben, kann diese Information unterbleiben. Eine Offenlegung bei Freizeitsportlerinnen und Freizeitsportlern ist aus Gründen der öffentlichen Gesundheit vorzunehmen, wenn ein Anti-Doping-Verstoß gemäß § 1 Abs. 2 Z 3, 9 bis 11 festgestellt wurde.“
§ 23 („Verfahren vor der [USK]“) Abs. 1 ADBG bestimmt:
„Gegen Entscheidungen gemäß § 20 können die Parteien gemäß Abs. 2 innerhalb von vier Wochen ab Zustellung deren Überprüfung durch die USK begehren. Die Entscheidung ist von der USK auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen und kann wegen Rechtswidrigkeit ersatzlos behoben oder in jede Richtung abgeändert werden. Das Begehren auf Überprüfung hat keine aufschiebende Wirkung auf die Entscheidung gemäß § 20, außer eine solche wird von der USK festgelegt.“
Nach § 23 Abs. 2 ADBG ist die Unabhängige Dopingkontrolleinrichtung Partei des Verfahrens vor der USK.
Nach § 23 Abs. 3 ADBG finden auf das Verfahren vor der USK § 580 Abs. 1 und 2, § 588 Abs. 2, § 592 Abs. 1 und 2, die §§ 594, 595, 597 bis 602 und 604, § 606 Abs. 1 bis 5, § 608 Abs. 1 und 2 sowie § 610 der Zivilprozessordnung (im Folgenden: ZPO) sinngemäß Anwendung. Die USK hat das Verfahren unter Zugrundelegung der geltenden Anti-Doping-Regelungen des zuständigen internationalen Sportfachverbands durchzuführen. Außerdem können die Parteien dieses Verfahrens die Öffentlichkeit des Verfahrens beantragen.
§ 23 Abs. 4 ADBG bestimmt:
„Die USK hat binnen sechs Wochen ab Erhalt des Überprüfungsantrages entweder eine Entscheidung zu treffen oder eine mündliche Verhandlung auszuschreiben. Nach dem mündlichen Verfahren ist die endgültige Entscheidung binnen vier Wochen schriftlich und begründet zu erlassen. Das Verfahren ist binnen sechs Monate nach Erhalt des Überprüfungsantrages abzuschließen, wobei von der Partei gemäß Abs. 2 Z 1 verursachte Verzögerungen in diese Frist einzurechnen sind. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der oder des Vorsitzenden. Entscheidungen haben schriftlich zu ergehen und sind zu begründen. Ungeachtet des Schiedsspruchs der USK können die [Welt-Doping-Agentur (WADA)], das Internationale Olympische Komitee, das Internationale Paralympische Komitee und der jeweils zuständige internationale Sportfachverband beim [Schiedsgericht für Sport (CAS) mit Sitz in Lausanne (Schweiz)] Berufung gegen die Entscheidung der USK einlegen. In Fällen, die im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem internationalen Wettkampf stehen oder in Fällen von internationalen Sportlerinnen bzw. Sportlern, können Entscheidungen unmittelbar vor dem CAS angefochten werden. Für die Lösung zivilrechtlicher Streitigkeiten steht nach Ausschöpfung des internen Instanzenzuges im Anti-Doping-Verfahren der Zivilrechtsweg weiterhin offen.“
§ 23 Abs. 14 ADBG bestimmt:
„Die USK hat die [Bundes-Sportorganisation], Sportorganisationen, Sportlerin bzw. Sportler, sonstige Personen und Wettkampfveranstalterin bzw. Wettkampfveranstalter sowie die Allgemeinheit über ihre Entscheidungen unter Angabe der Namen der betroffenen Personen, der Dauer der Sperre und Gründe hiefür, ohne dass auf Gesundheitsdaten der betroffenen Person rückgeschlossen werden kann, zu informieren. Bei besonders schutzbedürftigen Personen, Freizeitsportlerinnen und Freizeitsportlern sowie Personen, die durch die Bekanntgabe von Informationen oder sonstigen Hinweisen wesentlich an der Aufdeckung von potentiellen Anti-Doping-Verstößen beigetragen haben, kann diese Information unterbleiben. Eine Offenlegung bei Freizeitsportlerinnen und Freizeitsportlern ist aus Gründen der öffentlichen Gesundheit vorzunehmen, wenn ein Anti-Doping-Verstoß gemäß § 1 Abs. 2 Z 3, 9 bis 11 festgestellt wurde.“
Verfahrensordnung der Unabhängigen Schiedskommission nach dem Anti-Doping-Bundesgesetz 2021
Die Verfahrensordnung der Unabhängigen Schiedskommission nach dem Anti-Doping-Bundesgesetz 2021 vom 1. Januar 2021 bestimmt in Punkt 1 Abs. 3, dass die Mitglieder der USK in Ausübung ihrer Funktion unabhängig sind. In Punkt 5 der Verfahrensordnung ist geregelt, aus welchen Gründen in Bezug auf ein oder mehrere Mitglieder Parteilichkeit geltend gemacht werden kann und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.
Nach Punkt 9 Abs. 1 der Verfahrensordnung können sich die Parteien des Verfahrens sämtlicher Beweismittel im Sinne der ZPO bedienen.
ZPO
Von den Paragrafen der ZPO in der Fassung vom 23. Dezember 2020 (BGBl. I 148/2020), die das Schiedsverfahren regeln, betrifft § 597 die Vorschriften über die Klage und die Klagebeantwortung im Schiedsverfahren, während § 598 die Möglichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung und § 599 insbesondere die Regeln für die Beweisaufnahme vor dem Schiedsgericht vorsieht.
§ 607 ZPO sieht im Wesentlichen vor, dass ein Schiedsspruch eines Schiedsgerichts zwischen den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils hat.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
SO war von 1998 bis 2015 Wettkampfsportlerin. Sie ist auch Funktionärin eines Vereins, der Mitglied beim Leichtathletikverband Wien (Österreich) ist.
Im Jahr 2021 stellte NADA bei der ÖADR auf der Grundlage der Ergebnisse von Ermittlungen des Bundeskriminalamts (Österreich) einen Antrag auf Prüfung des Falles von SO, da diese gegen die Anti-Doping-Regelungen verstoßen habe.
Mit Beschluss vom 31. Mai 2021 erklärte die ÖADR SO für schuldig, gegen die Rule 32.2 (b) und (f) der Wettkampfregeln der IAAF für 2014/2015 sowie gegen die Art. 2.2 und 2.6 der Anti-Doping-Regeln der IAAF von 2017 verstoßen zu haben (im Folgenden: streitiger Beschluss). Im Einzelnen stellte die ÖADR fest, dass SO zwischen Mai 2015 und April 2017 Substanzen besessen habe, deren Verwendung durch Berufssportler, die den Wettkampfregeln der IAAF unterlägen, von der WADA während dieses Zeitraums verboten gewesen sei, nämlich Erythopoetin (auch EPO genannt), Genotropin (Omnitropin) sowie Testosteron (Androgel), und dass SO sie zumindest teilweise im Jahr 2015 angewendet habe.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen erklärte die ÖADR im streitigen Beschluss alle zwischen dem 10. Mai 2015 und dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Beschlusses von SO erzielten Ergebnisse für ungültig und erkannte ihr alle Start- und/oder Preisgelder ab. Weiter verhängte sie über SO für die Teilnahme an jeglicher Art von sportlichen Wettkämpfen eine Sperre für die Dauer von vier Jahren ab dem 31. Mai 2021.
Im Verfahren vor der ÖADR hatte SO beantragt, den streitigen Beschluss gemäß § 21 Abs. 3 ADBG nicht der Allgemeinheit bekannt zu geben, insbesondere nicht durch Bekanntgabe und Veröffentlichung ihres Namens und sonstiger individueller Merkmale. Dieser Antrag wurde von der ÖADR im streitigen Beschluss abgewiesen.
SO stellte bei der USK einen Überprüfungsantrag, in dem sie die Abänderung des streitigen Beschlusses dahin begehrte, dass die Information der Allgemeinheit über die Dopingverstöße und die verhängte Sanktion durch Veröffentlichung ihres vollen Namens auf einer frei zugänglichen Internetseite zu unterbleiben habe.
Mit Beschluss vom 21. Dezember 2021 bestätigte die USK die Annullierung aller von SO erlangten Wettkampferkenntnisse samt Aberkennung aller Titel, Medaillen, Preise, Start- und Preisgelder ab dem 10. Mai 2015 und ihre Sperre für die Dauer von vier Jahren ab dem 31. Mai 2021 für alle (nationalen und internationalen) Wettkämpfe.
Die Entscheidung über den Antrag auf Unterlassung der Veröffentlichung der von SO begangenen Doping-Verstöße und der sich daraus ergebenden Sanktionen hat die USK jedoch einer gesonderten Beschlussfassung vorbehalten.
Unter diesen Umständen hat die USK beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Handelt es sich bei der Information, dass eine bestimmte Person einen bestimmten Dopingverstoß begangen hat und wegen dieses Verstoßes an der Teilnahme an (nationalen und internationalen) Wettkämpfen gesperrt ist, um ein „Gesundheitsdatum“ im Sinne von Art. 9 DSGVO?
Steht die DSGVO – insbesondere im Hinblick auf Art. 6 Abs. 3 zweiter Unterabsatz DSGVO – einer nationalen Regelung entgegen, welche die Veröffentlichung des Namens der von der Entscheidung der USK betroffenen Personen, der Dauer der Sperre und Gründe hierfür vorsieht, ohne dass auf Gesundheitsdaten der betroffenen Person rückgeschlossen werden kann? Spielt es dabei eine Rolle, dass eine Veröffentlichung dieser Informationen gegenüber der Allgemeinheit laut der nationalen Regelung nur dann unterbleiben kann, wenn es sich beim Betroffenen um einen Freizeitsportler, eine minderjährige Person oder eine Person handelt, die durch die Bekanntgabe von Informationen oder sonstigen Hinweisen wesentlich an der Aufdeckung von potenziellen Anti-Doping-Verstößen beigetragen hat?
Verlangt die DSGVO – insbesondere im Hinblick auf die Grundsätze des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und c DSGVO – vor der Veröffentlichung in jedem Fall eine Interessenabwägung der mit einer Veröffentlichung für den Betroffenen berührten Persönlichkeitsinteressen einerseits und dem Interesse der Allgemeinheit an der Information über den von einem Sportler begangenen Anti-Doping-Verstoß andererseits?
Handelt es sich bei der Information, dass eine bestimmte Person einen bestimmten Dopingverstoß begangen hat und wegen dieses Verstoßes an der Teilnahme an (nationalen und internationalen) Wettkämpfen gesperrt ist, um eine Verarbeitung persönlicher Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten im Sinne von Art. 10 DSGVO?
Bei Bejahung der Frage 4: Handelt es sich bei der gemäß § 8 ADBG eingerichteten USK um eine Behörde im Sinne von Art. 10 DSGVO?
Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
Das in Art. 267 AEUV vorgesehene Verfahren ist ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen (Urteil vom 9. März 2010, ERG u. a., C-378/08, EU:C:2010:126, Rn. 72, und Beschluss vom 9. Januar 2024, Bravchev, C-338/23, EU:C:2024:4, Rn. 18).
Folglich muss die vorlegende Stelle, um zur Anrufung des Gerichtshofs im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens befugt zu sein, als „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV eingestuft werden können, was der Gerichtshof auf der Grundlage des Vorabentscheidungsersuchens zu prüfen hat (Beschlüsse vom 13. Dezember 2018, Holunga, C-370/18, EU:C:2018:1011, Rn. 13, und vom 19. Mai 2022, Frontera Capital, C-722/21, EU:C:2022:412, Rn. 11).
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt dieser bei der Beurteilung der rein unionsrechtlichen Frage, ob es sich bei der vorlegenden Einrichtung um ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV handelt, auf eine Reihe von Merkmalen ab, zu denen u. a. die gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ihr ständiger Charakter, die obligatorische Gerichtsbarkeit, das streitige Verfahren, die Anwendung von Rechtsnormen durch die Einrichtung sowie ihre Unabhängigkeit gehören (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Juni 1966, Vaassen-Göbbels, 61/65, EU:C:1966:39, S. 602; vom 3. Mai 2022, CityRail, C-453/20, EU:C:2022:341, Rn. 41, und vom 21. Dezember 2023, Krajowa Rada Sądownictwa [Verbleib eines Richters im Amt], C-718/21, EU:C:2023:1015, Rn. 40).
Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs können die nationalen Gerichte ihn nur anrufen, wenn bei ihnen ein Rechtsstreit anhängig ist und sie im Rahmen eines Verfahrens zu entscheiden haben, das auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt. Die Vorlageberechtigung einer Einrichtung ist also sowohl anhand struktureller als auch anhand funktioneller Kriterien zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Mai 2022, CityRail, C-453/20, EU:C:2022:341, Rn. 42 und 43 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
In Bezug auf diese strukturellen Kriterien ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten und insbesondere aus den Bestimmungen des ADBG, dass die USK die Kriterien der gesetzlichen Grundlage, des ständigen Charakters, der obligatorischen Gerichtsbarkeit und des streitigen Verfahrens erfüllt.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob die USK dem Unabhängigkeitskriterium genügt.
In Bezug auf dieses Kriterium ist hervorzuheben, dass die Unabhängigkeit der nationalen Gerichte, die für einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz unerlässlich ist, dem Auftrag des Richters inhärent ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses, C-64/16, EU:C:2018:117, Rn. 41 und 42). Sie ist daher für das reibungslose Funktionieren des Systems der justiziellen Zusammenarbeit, das durch den Mechanismus des Vorabentscheidungsersuchens gemäß Art. 267 AEUV verkörpert wird, von grundlegender Bedeutung, da nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Vorlageberechtigung von Einrichtungen, die mit der Anwendung des Unionsrechts betraut sind, u. a. daran geknüpft ist, dass sie unabhängig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2020, Banco de Santander, C-274/14, EU:C:2020:17, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Der Begriff der Unabhängigkeit umfasst zwei Aspekte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. September 2006, Wilson, C-506/04, EU:C:2006:587, Rn. 49 und 50, sowie vom 21. Januar 2020, Banco de Santander, C-274/14, EU:C:2020:17, Rn. 57).
Der erste, das Außenverhältnis betreffende Aspekt erfordert, dass die betreffende Einrichtung ihre Funktionen in völliger Autonomie ausübt, ohne mit irgendeiner Stelle hierarchisch verbunden oder ihr untergeordnet zu sein und ohne von irgendeiner Stelle Anordnungen oder Anweisungen zu erhalten, so dass sie vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteils ihrer Mitglieder gefährden und deren Entscheidungen beeinflussen könnten (Urteil vom 21. Januar 2020, Banco de Santander, C-274/14, EU:C:2020:17, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Unabsetzbarkeit der Mitglieder der betreffenden Einrichtung eine wesentliche Garantie für die richterliche Unabhängigkeit darstellt, da sie die mit der Aufgabe des Richtens Betrauten in ihrer Person schützen soll (Urteil vom 21. Januar 2020, Banco de Santander, C-274/14, EU:C:2020:17, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im Einzelnen erfordert der Grundsatz der Unabsetzbarkeit, dessen entscheidende Bedeutung hervorzuheben ist, insbesondere, dass die Richter im Amt bleiben dürfen, bis sie das obligatorische Ruhestandsalter erreicht haben oder ihre Amtszeit, sofern diese befristet ist, abgelaufen ist. Dieser Grundsatz beansprucht zwar nicht absolute Geltung, doch dürfen Ausnahmen von ihm nur unter der Voraussetzung gemacht werden, dass dies durch legitime und zwingende Gründe gerechtfertigt ist und dabei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet wird. So ist allgemein anerkannt, dass Richter abberufen werden können, wenn sie wegen Dienstunfähigkeit oder einer schweren Verfehlung nicht mehr zur Ausübung ihres Amtes geeignet sind, wobei angemessene Verfahren einzuhalten sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2020, Banco de Santander, C-274/14, EU:C:2020:17, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Die Unabsetzbarkeit der Mitglieder eines Gerichts ist somit nur dann gewährleistet, wenn die Fälle, in denen die Mitglieder der Einrichtung abberufen werden können, in besonderen Regelungen durch ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen festgelegt sind, die Garantien bieten, die über das hinausgehen, was die allgemeinen Regeln des Verwaltungs- und des Arbeitsrechts im Fall einer missbräuchlichen Abberufung vorsehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Januar 2020, Banco de Santander, C-274/14, EU:C:2020:17, Rn. 60, und vom 26. Januar 2023, Construct, C-403/21, EU:C:2023:47, Rn. 44).
Der zweite, das Innenverhältnis betreffende Aspekt der Unabhängigkeit steht mit dem Begriff der Unparteilichkeit in Zusammenhang und bezieht sich darauf, dass den Parteien des Rechtsstreits und ihren jeweiligen Interessen am Streitgegenstand mit dem gleichen Abstand begegnet wird. Dieser Aspekt verlangt, dass Sachlichkeit obwaltet und neben der strikten Anwendung der Rechtsnormen keinerlei Interesse am Ausgang des Rechtsstreits besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2020, Banco de Santander, C-274/14, EU:C:2020:17, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
So bedeutet der Begriff der Unabhängigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs vor allem, dass die betreffende Stelle gegenüber der Stelle, die die mit einem Rechtsbehelf angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Eigenschaft eines Dritten hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2020, Banco de Santander, C-274/14, EU:C:2020:17, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Diese Garantien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit setzen voraus, dass es Regeln insbesondere für die Zusammensetzung der Einrichtung, die Ernennung, die Amtsdauer und die Gründe für Enthaltung, Ablehnung und Abberufung ihrer Mitglieder gibt, die es ermöglichen, bei den Rechtsunterworfenen jeden berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit der genannten Stelle für Einflussnahmen von außen und an ihrer Neutralität in Bezug auf die einander gegenüberstehenden Interessen auszuschließen (Urteil vom 21. Januar 2020, Banco de Santander, C-274/14, EU:C:2020:17, Rn. 63).
Insoweit ist in Bezug auf die USK festzustellen, dass sich aus Punkt 1 Abs. 3 und Punkt 5 ihrer Verfahrensordnung nach dem Anti-Doping-Bundesgesetz 2021 ergibt, dass ihre Mitglieder in Ausübung ihrer Funktion unabhängig sind und dem Grundsatz der Unparteilichkeit unterliegen.
Nach § 8 Abs. 3 ADBG werden die Mitglieder der USK jedoch vom Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport für eine Funktionsperiode von vier Jahren bestellt, wobei Wiederbestellungen zulässig sind. Die Bestellung kann „aus wichtigen Gründen“ vorzeitig widerrufen werden, ohne dass dieser Begriff im nationalen Recht definiert wird.
Insbesondere gibt es keine spezielle Vorschrift, die die Unabsetzbarkeit der Mitglieder der USK gewährleistet.
Insoweit unterscheidet sich die Situation der Mitglieder der USK beispielsweise von der Situation der vorlegenden Einrichtung in der Rechtssache, in der das Urteil vom 6. Oktober 2015, Consorci Sanitari del Maresme (C-203/14, EU:C:2015:664), ergangen ist, da – wie sich aus den Rn. 11 und 20 jenes Urteils ergibt – für die Mitglieder dieser Einrichtung im Unterschied zu den Mitgliedern der USK während der Dauer ihrer Amtszeit eine Garantie der Unabsetzbarkeit besteht, von der nur aus den Gründen abgewichen werden kann, die in der für ihre Funktionsweise geltenden Regelung ausdrücklich aufgezählt sind.
Außerdem ist für die Entscheidung über den Widerruf der Bestellung der Mitglieder des USK allein der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport zuständig, d. h. ein Mitglied der Exekutive, ohne dass zuvor genaue Kriterien oder Garantien festgelegt worden wären.
Folglich gewährleisten die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften nicht, dass die Mitglieder der USK vor unmittelbarem oder mittelbarem Druck von außen, der Zweifel an ihrer Unabhängigkeit aufkommen lassen könnte, geschützt sind, so dass diese Einrichtung dem Erfordernis der Unabhängigkeit eines Gerichts hinsichtlich des externen Aspekts nicht genügt.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die USK nicht als „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV eingestuft werden kann.
Dieser Umstand befreit sie jedoch nicht von der Verpflichtung, beim Erlass ihrer Entscheidungen die Anwendung des Unionsrechts zu gewährleisten und erforderlichenfalls nationale Vorschriften, die im Widerspruch zu unmittelbar anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts stehen, gegebenenfalls unangewendet zu lassen, da diese Verpflichtungen für alle zuständigen nationalen Behörden gelten und nicht nur für Gerichte (Urteil vom 21. Januar 2020, Banco de Santander, C-274/14, EU:C:2020:17, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im Übrigen ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten und den von NADA in der mündlichen Verhandlung übermittelten Informationen, dass SO bei der Österreichischen Datenschutzbehörde gemäß Art. 77 Abs. 1 DSGVO eine Beschwerde wegen Verletzung des Datenschutzes eingelegt hat. Diese Behörde hat einen ablehnenden Bescheid erlassen, der Gegenstand eines Rechtsbehelfs nach Art. 78 Abs. 1 DSGVO vor dem Bundesverwaltungsgericht (Österreich) ist (vgl. insoweit Urteil vom 7. Dezember 2023, SCHUFA Holding [Restschuldbefreiung], C-26/22 und C-64/22, EU:C:2023:958, Rn. 52 und 70). Dieser Rechtsbehelf ist bis zur Beantwortung der in der vorliegenden Rechtssache gestellten Fragen durch den Gerichtshof ausgesetzt worden.
Nach alledem ist das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen unzulässig.
Kosten
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei der vorlegenden Einrichtung anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Einrichtung. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
Das von der Unabhängigen Schiedskommission Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 21. Dezember 2021 eingereichte Vorabentscheidungsersuchen ist unzulässig.
Lenaerts
Bay Larsen
Prechal
Jürimäe
Lycourgos
von Danwitz
Biltgen
Csehi
Spineanu-Matei
Bonichot
Rodin
Passer
Gratsias
Arastey Sahún
Gavalec
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Mai 2024.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident
K. Lenaerts
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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