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EuGH 19.12.2019 - C-16/18
EuGH 19.12.2019 - C-16/18 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) - 19. Dezember 2019 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 56 und 57 AEUV – Freier Dienstleistungsverkehr – Richtlinie 96/71/EG – Anwendbarkeit – Art. 1 Abs. 3 Buchst. a – Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen – Erbringung von Dienstleistungen an Bord internationaler Züge – Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die verwaltungsrechtliche Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Entsendung von Arbeitnehmern vorschreiben“
Leitsatz
In der Rechtssache C-16/18
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 15. Dezember 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Januar 2018, in dem Verfahren
Michael Dobersberger
gegen
Magistrat der Stadt Wien
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, M. Vilaras, E. Regan, M. Safjan und S. Rodin sowie der Richter L. Bay Larsen (Berichterstatter) und T. von Danwitz, der Richterin C. Toader, der Richter D. Šváby, C. Vajda und F. Biltgen, der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters C. Lycourgos,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von M. Dobersberger, vertreten durch Rechtsanwältin A. Werner,
der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Schmoll und G. Hesse als Bevollmächtigte,
der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und J. Pavliš als Bevollmächtigte,
der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch T. Henze und D. Klebs, dann durch D. Klebs, als Bevollmächtigte,
der französischen Regierung, vertreten durch R. Coesme und E. de Moustier als Bevollmächtigte,
der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós und M. M. Tátrai als Bevollmächtigte,
der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer und L. Malferrari als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Juli 2019
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 und 57 AEUV sowie der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1), im Besonderen ihres Art. 1 Abs. 3 Buchst. a.
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Michael Dobersberger und dem Magistrat der Stadt Wien (Österreich) über Verwaltungsstrafen, die gegen Ersteren wegen mehrerer Verstöße gegen verwaltungsrechtliche Verpflichtungen aus österreichischen sozialrechtlichen Bestimmungen über die Entsendung von Arbeitnehmern in das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats verhängt wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Nach dem 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 96/71 „[sind i]n bestimmten Einzelfällen von Montage- und/oder Einbauarbeiten … die Bestimmungen über die Mindestlohnsätze und den bezahlten Mindestjahresurlaub nicht anzuwenden“.
Art. 1 („Anwendungsbereich“) dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Diese Richtlinie gilt für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer gemäß Absatz 3 in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden.
(2) Diese Richtlinie gilt nicht für Schiffsbesatzungen von Unternehmen der Handelsmarine.
(3) Diese Richtlinie findet Anwendung, soweit die in Absatz 1 genannten Unternehmen eine der folgenden länderübergreifenden Maßnahmen treffen:
einen Arbeitnehmer in ihrem Namen und unter ihrer Leitung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags entsenden, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht, oder
einen Arbeitnehmer in eine Niederlassung oder ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht, oder
als Leiharbeitsunternehmen oder als einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellendes Unternehmen einen Arbeitnehmer in ein verwendendes Unternehmen entsenden, das seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder dort seine Tätigkeit ausübt, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitsunternehmen oder dem einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht.
…“
Art. 2 („Begriffsbestimmung“) dieser Richtlinie lautet wie folgt:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie gilt als entsandter Arbeitnehmer jeder Arbeitnehmer, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet.
(2) Für die Zwecke dieser Richtlinie wird der Begriff des Arbeitnehmers in dem Sinne verwendet, in dem er im Recht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird, gebraucht wird.“
Art. 3 („Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“) der Richtlinie 96/71 sieht vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird,
durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder
durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche im Sinne des Absatzes 8, sofern sie die im Anhang genannten Tätigkeiten betreffen,
festgelegt sind:
Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten;
bezahlter Mindestjahresurlaub;
Mindestlohnsätze einschließlich der Überstundensätze; dies gilt nicht für die zusätzlichen betrieblichen Altersversorgungssysteme;
Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen;
Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz;
Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Schwangeren und Wöchnerinnen, Kindern und Jugendlichen;
Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen.
…
(2) Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstaben b) und c) gilt nicht für Erstmontage- und/oder Einbauarbeiten, die Bestandteil eines Liefervertrags sind, für die Inbetriebnahme der gelieferten Güter unerlässlich sind und von Facharbeitern und/oder angelernten Arbeitern des Lieferunternehmens ausgeführt werden, wenn die Dauer der Entsendung acht Tage nicht übersteigt.
Dies gilt nicht für die im Anhang aufgeführten Bauarbeiten.
(3) Die Mitgliedstaaten können gemäß ihren üblichen Verfahren und Praktiken nach Konsultation der Sozialpartner beschließen, Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe c) in den in Artikel 1 Absatz 3 Buchstaben a) und b) genannten Fällen nicht anzuwenden, wenn die Dauer der Entsendung einen Monat nicht übersteigt.
(4) Die Mitgliedstaaten können gemäß ihren Rechtsvorschriften und/oder Praktiken vorsehen, dass durch Tarifverträge im Sinne des Absatzes 8 für einen oder mehrere Tätigkeitsbereiche in den in Artikel 1 Absatz 3 Buchstaben a) und b) genannten Fällen von Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe c) sowie von dem Beschluss eines Mitgliedstaats nach Absatz 3 abgewichen werden kann, wenn die Dauer der Entsendung einen Monat nicht übersteigt.
(5) Die Mitgliedstaaten können in den in Artikel 1 Absatz 3 Buchstaben a) und b) genannten Fällen eine Ausnahme von Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstaben b) und c) vorsehen, wenn der Umfang der zu verrichtenden Arbeiten gering ist.
Die Mitgliedstaaten, die von der in Unterabsatz 1 gebotenen Möglichkeit Gebrauch machen, legen die Modalitäten fest, denen die zu verrichtenden Arbeiten entsprechen müssen, um als Arbeiten von geringem Umfang zu gelten.
…
(7) Die Absätze 1 bis 6 stehen der Anwendung von für die Arbeitnehmer günstigeren Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen nicht entgegen.
…
(10) Diese Richtlinie berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, unter Einhaltung des Vertrags für inländische und ausländische Unternehmen in gleicher Weise
Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für andere als die in Absatz 1 Unterabsatz 1 aufgeführten Aspekte, soweit es sich um Vorschriften im Bereich der öffentlichen Ordnung handelt,
Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die in Tarifverträgen oder Schiedssprüchen nach Absatz 8 festgelegt sind und andere als im Anhang genannte Tätigkeit betreffen,
vorzuschreiben.“
Österreichisches Recht
Der zur Umsetzung der Richtlinie 96/71 in nationales Recht erlassene § 7b des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (BGBl. Nr. 459/1993) in der im BGBl. I Nr. 152/2015 veröffentlichten Fassung (im Folgenden: AVRAG), hatte folgenden Wortlaut:
„Ansprüche gegen ausländische Arbeitgeber/innen mit Sitz in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat
(1) Ein/e Arbeitnehmer/in, der/die von einem/einer Arbeitgeber/in mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, hat unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts für die Dauer der Entsendung zwingend Anspruch auf
zumindest jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen von vergleichbaren Arbeitgebern/Arbeitgeberinnen gebührt …
…
Ein/e Beschäftiger/in mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich gilt hinsichtlich der an ihn/sie überlassenen Arbeitskräfte, die zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, in Bezug auf die Abs. 3 bis 5 und 8 [sowie] § 7d Abs. 1 … als Arbeitgeber/in. …
…
(3) Arbeitgeber/innen im Sinne des Abs. 1 haben die Beschäftigung von Arbeitnehmer/innen, die zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, spätestens eine Woche vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung … zu melden …
(4) Die Meldung nach Abs. 3 hat für jede Entsendung gesondert zu erfolgen und hat folgende Angaben zu enthalten …:
Name, Anschrift und Gewerbebefugnis oder Unternehmensgegenstand des/der Arbeitgebers/in im Sinne des Abs. 1 …,
…
Zeitraum der Entsendung insgesamt sowie Beginn und voraussichtliche Dauer der Beschäftigung der einzelnen Arbeitnehmer/innen in Österreich, Dauer und Lage der vereinbarten Normalarbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer/innen,
die Höhe des dem/der einzelnen Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts und Beginn des Arbeitsverhältnisses bei dem/der Arbeitgeber/in,
Ort (genaue Anschrift) der Beschäftigung in Österreich (auch andere Einsatzorte in Österreich),
die Art der Tätigkeit und Verwendung des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin unter Berücksichtigung des maßgeblichen österreichischen Kollektivvertrages,
…
(5) Arbeitgeber/innen im Sinne des Abs. 1 haben, sofern für den/die entsandten Arbeitnehmer/innen in Österreich keine Sozialversicherungspflicht besteht, Unterlagen über die Anmeldung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument E 101 nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 [des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. 1971, L 149, S. 2)], Sozialversicherungsdokument A 1 nach der Verordnung (EG) Nr. 883/04 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1)]) sowie eine Abschrift der Meldung gemäß den Abs. 3 und 4 am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitzuhalten oder diese den Organen der Abgabebehörden … unmittelbar vor Ort in elektronischer Form zugänglich zu machen. …“
Hinsichtlich der Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen bestimmt § 7d AVRAG, der ebenfalls der Umsetzung der Richtlinie 96/71 in nationales Recht dient, u. a., dass Arbeitgeber während des Zeitraums der Entsendung insgesamt den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel, Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem entsandten Arbeitnehmer für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache am Arbeitsort bereitzuhalten haben.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Die Österreichischen Bundesbahnen (im Folgenden: ÖBB) vergaben für den Zeitraum 2012 bis 2016 einen Dienstleistungsauftrag für die Bewirtschaftung der Zugrestaurants bzw. des Bordservice in bestimmten von ihr betriebenen Zügen an die D. GmbH mit Sitz in Österreich. Die Erfüllung dieses Auftrags wurde allerdings im Wege einer Reihe von Subaufträgen über die ebenfalls in Österreich ansässige H. GmbH an die Henry am Zug Hungary Kft. (im Folgenden: H. Kft.), eine Gesellschaft ungarischen Rechts mit Sitz in Ungarn, weitergegeben.
H. Kft. führte die Dienstleistungen in bestimmten Zügen der ÖBB, die Salzburg (Österreich) bzw. München (Deutschland) mit Budapest (Ungarn) als Ausgangs- oder Endbahnhof verbanden, mittels in Ungarn wohnhafter Arbeitskräfte durch, von denen der Großteil der H. Kft. von einem anderen ungarischen Unternehmen überlassen wurde und die Übrigen unmittelbar bei H. Kft. beschäftigt waren.
Sämtliche zur Erbringung dieser Dienstleistungen herangezogenen Arbeitskräfte waren in Ungarn wohnhaft und sozialversichert und hatten dort ihren Lebensmittelpunkt, außerdem hatten sie auch ihren Dienst in Ungarn anzutreten und dort zu beenden. In Budapest mussten sie die dort gelagerten Waren, nämlich Speisen und Getränke, ausfassen und in die Züge bringen. Ebenfalls in Budapest hatten sie die Kontrollen des Warenstands und die Abrechnungen der Umsätze durchzuführen. Somit wurden alle im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arbeitsleistungen mit Ausnahme jener, die in den Zügen durchzuführen waren, in Ungarn erbracht.
In Folge einer in Österreich auf dem Wiener Hauptbahnhof am 28. Januar 2016 durchgeführten Kontrolle wurde der Geschäftsführer der H. Kft., Michael Dobersberger, für schuldig erkannt, dass diese in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin von Arbeitnehmern mit ungarischer Staatsangehörigkeit, die von dieser Gesellschaft nach Österreich zur Arbeitsleistung des Bordservice in Zügen der ÖBB entsandt worden seien,
„1. entgegen § 7b Abs. 3 AVRAG bis eine Woche vor der Arbeitsaufnahme in Österreich keine Meldung an die zuständige österreichische Behörde betreffend die genannte Beschäftigung der entsendeten Arbeitnehmer erstattet habe,
2. entgegen § 7b Abs. 5 AVRAG am inländischen Einsatzort … Unterlagen über die Anmeldung der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung … nicht bereitgehalten habe und
3. entgegen § 7d Abs. 1 AVRAG am genannten Einsatzort den Arbeitsvertrag, Lohnzahlungsnachweise und Unterlagen über die Lohneinstufung in deutscher Sprache nicht bereitgehalten habe.“
Infolgedessen wurden gegen Herrn Dobersberger Verwaltungsstrafen wegen Verstößen gegen verwaltungsrechtliche Verpflichtungen verhängt.
Dieser focht die Straferkenntnisse vor dem Verwaltungsgericht Wien (Österreich) an, das die Beschwerden abwies. Gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien legte Herr Dobersberger Revision beim vorlegenden Gericht, dem österreichischen Verwaltungsgerichtshof, ein.
Dieser ist der Auffassung, dass die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 96/71, konkret ihres Art. 1 Abs. 3 Buchst. a, sowie der Art. 56 und 57 AEUV aufwerfe.
Unter diesen Umständen hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Erfasst der Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71, insbesondere deren Art. 1 Abs. 3 Buchst. a, auch die Erbringung von Dienstleistungen wie die Verpflegung der Fahrgäste mit Speisen und Getränken, den Bordservice oder Reinigungsleistungen durch die Arbeitnehmer eines Dienstleistungsunternehmens mit Sitz im Entsendemitgliedstaat (Ungarn) zur Erfüllung eines Vertrages mit einem Schienenverkehrsunternehmen mit Sitz im Aufnahmemitgliedstaat (Österreich), wenn diese Dienstleistungen in internationalen Zügen, die auch durch den Aufnahmemitgliedstaat fahren, erbracht werden?
Erfasst Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 auch den Fall, dass das Dienstleistungsunternehmen mit Sitz im Entsendemitgliedstaat die in der ersten Frage genannten Dienstleistungen nicht in Erfüllung eines Vertrages mit dem im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Schienenverkehrsunternehmen, dem die Dienstleistungen letztlich zugutekommen (Dienstleistungsempfänger), erbringt, sondern in Erfüllung eines Vertrages mit einem weiteren im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Unternehmen, das seinerseits in einem Vertragsverhältnis (Subauftragskette) mit dem Schienenverkehrsunternehmen steht?
Erfasst Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 auch den Fall, dass das Dienstleistungsunternehmen mit Sitz im Entsendemitgliedstaat zur Erbringung der in der ersten Frage genannten Dienstleistungen nicht eigene Arbeitnehmer einsetzt, sondern Arbeitskräfte eines anderen Unternehmens, die ihm noch im Entsendemitgliedstaat überlassen wurden?
Unabhängig von den Antworten zu den ersten drei Fragen: Steht das Unionsrecht, insbesondere die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 und 57 AEUV), einer nationalen Regelung entgegen, die den Unternehmen, welche Arbeitskräfte in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zur Erbringung einer Dienstleistung entsenden, die Einhaltung von Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 und die Einhaltung begleitender Verpflichtungen (wie insbesondere jene zur Erstattung einer Meldung betreffend die grenzüberschreitende Entsendung von Arbeitskräften an eine Behörde des Aufnahmemitgliedstaats und jene zur Bereithaltung von Unterlagen über die Höhe der Entlohnung und über die Anmeldung zur Sozialversicherung dieser Arbeitskräfte) zwingend auch für jene Fälle vorschreibt, in denen erstens die grenzüberschreitend entsendeten Arbeitskräfte zum fahrenden Personal eines grenzüberschreitend tätigen Schienenverkehrsunternehmens oder eines Unternehmens, das typische Dienstleistungen eines Schienenverkehrsunternehmens (Verpflegung der Fahrgäste mit Speisen und Getränken; Bordservice) in dessen die Grenzen der Mitgliedstaaten überquerenden Zügen erbringt, gehören, und in denen zweitens der Entsendung entweder überhaupt kein Dienstleistungsvertrag oder zumindest kein Dienstleistungsvertrag zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in einem anderen Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger zugrunde liegt, weil die Leistungspflicht des entsendenden Unternehmens gegenüber dem in einem anderen Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger im Wege von Subaufträgen (einer Unterauftragskette) begründet wird, und in denen drittens die entsendete Arbeitskraft nicht in einem Arbeitsverhältnis zum entsendenden Unternehmen steht, sondern in einem Arbeitsverhältnis zu einem Drittunternehmen, das seine Arbeitnehmer dem entsendenden Unternehmen noch im Mitgliedstaat des Sitzes des entsendenden Unternehmens überlassen hat?
Zur Zulässigkeit der ersten drei Vorlagefragen
Die französische Regierung zweifelt an der Zulässigkeit der ersten drei Vorabentscheidungsfragen und verweist dazu auf das Urteil vom 3. Dezember 2014, De Clercq u. a. (C-315/13, EU:C:2014:2408), in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass die Richtlinie 96/71 keine Anwendung auf innerstaatliche Rechtsstreitigkeiten finde, in denen es nicht unmittelbar um die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der entsandten Arbeitnehmer gehe, sondern um Kontrollmaßnahmen, die von den nationalen Behörden zur Sicherstellung der Einhaltung dieser Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen eingerichtet worden seien. Dies scheine vorliegend der Fall zu sein.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es allein Sache des nationalen Gerichts ist, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der Fragen zu beurteilen, die es dem Gerichtshof vorlegt. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 10. Dezember 2018, Wightman u. a., C-621/18, EU:C:2018:999, Rn. 26 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Folglich gilt für Fragen, die das Unionsrecht betreffen, eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. u. a. Urteil vom 10. Dezember 2018, Wightman u. a., C-621/18, EU:C:2018:999, Rn. 27 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Wie der Generalanwalt in Nr. 17 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, gehört der vorliegende Fall zu keiner der Kategorien, in denen der Gerichtshof die Beantwortung von zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen verweigern darf. Überdies betraf das Urteil vom 3. Dezember 2014, De Clercq u. a. (C-315/13, EU:C:2014:2408), wie die deutsche Regierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof zutreffend hervorgehoben hat, Kontrollmaßnahmen zur Einhaltung der innerstaatlichen Umsetzungsbestimmungen der Richtlinie 96/71, während es bei den ersten drei Vorabentscheidungsfragen im vorliegenden Verfahren um die Anwendbarkeit dieser Richtlinie selbst auf Dienstleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden geht.
In diesem Zusammenhang ist noch zu betonen, dass der Einwand der Unanwendbarkeit eines Rechtsakts der Union auf das Ausgangsverfahren nicht die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens betrifft, sondern den Inhalt der Fragen, wenn nicht offensichtlich ist, dass die Auslegung dieses Rechtsakts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juli 2019, Kirschstein, C-393/17, EU:C:2019:563, Rn. 28).
Folglich sind die ersten drei Fragen zulässig.
Zur Beantwortung der Fragen
Zu den ersten drei Fragen
Mit seinen ersten drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 dahin auszulegen ist, dass er die Erbringung von Dienstleistungen wie den Bordservice, Reinigungsleistungen oder die Verpflegung der Fahrgäste im Rahmen eines Vertrags zwischen einem Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat und einem Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, das vertraglich an ein Schienenverkehrsunternehmen mit Sitz in demselben Mitgliedstaat gebunden ist, durch Arbeitnehmer des erstgenannten Unternehmens oder durch diesem von einem ebenfalls im erstgenannten Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen überlassene Arbeitnehmer in internationalen Zügen, die durch den zweitgenannten Mitgliedstaat fahren, erfasst, wenn diese Arbeitnehmer einen wesentlichen Teil der mit den betreffenden Dienstleistungen verbundenen Arbeit im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats leisten und ihren Dienst dort antreten bzw. beenden.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der freie Dienstleistungsverkehr im Verkehrsbereich nicht durch Art. 56 AEUV geregelt wird, der den freien Dienstleistungsverkehr im Allgemeinen betrifft, sondern durch die Sondervorschrift des Art. 58 Abs. 1 AEUV, wonach „[f]ür den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs … die Bestimmungen des Titels über den Verkehr [gelten]“ (Urteil vom 22. Dezember 2010, Yellow Cab Verkehrsbetrieb, C-338/09, EU:C:2010:814, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung), d. h. die Art. 90 bis 100 AEUV.
Die Dienstleistungen auf dem Gebiet des Verkehrs umfassen nicht nur jede körperliche Handlung der Beförderung von Personen oder Waren von einem Ort zum anderen mit Hilfe eines Transportmittels, sondern auch jede Dienstleistung, die naturgemäß mit einer solchen Handlung verbunden ist, auch wenn sie diese nur ergänzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Oktober 2015, Grupo Itevelesa u. a., C-168/14, EU:C:2015:685, Rn. 46 und 47, sowie Gutachten 2/15 (Freihandelsabkommen mit Singapur) vom 16. Mai 2017, EU:C:2017:376, Rn. 61).
Nun stellen sich in Zügen erbrachte Dienstleistungen wie Bordservice, Reinigung oder Verpflegung zwar als Ergänzung der Beförderungsleistung von Fahrgästen in Zügen dar, jedoch sind sie mit dieser nicht naturgemäß verbunden. Eine solche Beförderungsleistung kann nämlich unabhängig von diesen ergänzenden Dienstleistungen durchgeführt werden.
Folglich sind auf solche Dienstleistungen, die nicht unter die Bestimmungen des Titels des AEU-Vertrags über den Verkehr fallen, die Art. 56 bis 62 AEUV über die Dienstleistungen mit Ausnahme von Art. 58 Abs. 1 AEUV anwendbar, so dass sie als Dienstleistungen auch der Richtlinie 96/71 unterliegen können, die auf der Grundlage der Art. 57 Abs. 2 und Art. 66 EG über die Dienstleistungen erlassen wurde.
Allerdings ist zu prüfen, ob solche Dienstleistungen gemäß Art. 1 dieser Richtlinie in ihren Anwendungsbereich fallen, wenn sie unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erbracht werden.
In dieser Hinsicht ist die Richtlinie 96/71, wie sich aus ihrem Art. 1 Abs. 3 Buchst. a, auf den sich das vorlegende Gericht in seinen ersten drei Fragen speziell bezieht, insbesondere auf eine Situation anwendbar, in der ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen für eine staatenübergreifende Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer in seinem Namen und unter seiner Leitung in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags entsendet, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht (Urteil vom 3. April 2008, Rüffert, C-346/06, EU:C:2008:189, Rn. 19).
Gemäß Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie „gilt als entsandter Arbeitnehmer jeder Arbeitnehmer, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet“.
In diesem Sinne kann im Hinblick auf die Richtlinie 96/71 ein Arbeitnehmer nicht als in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsandt angesehen werden, wenn seine Arbeitsleistung keine hinreichende Verbindung zu diesem Hoheitsgebiet aufweist. Diese Auslegung folgt aus der Systematik der Richtlinie 96/71, insbesondere ihres Art. 3 Abs. 2, in Verbindung mit ihrem 15. Erwägungsgrund, der bei Leistungen von sehr beschränktem Umfang in dem Hoheitsgebiet, in das die betreffenden Arbeitnehmer entsandt werden, vorsieht, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Mindestlohnsätze und den bezahlten Mindestjahresurlaub nicht anzuwenden sind.
Derselbe Gedanke liegt im Übrigen den fakultativen Ausnahmebestimmungen nach Art. 3 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 96/71 zugrunde.
Nun unterhalten Arbeitnehmer wie jene im Ausgangsverfahren, die einen wesentlichen Teil ihrer Arbeitsleistung, nämlich sämtliche Tätigkeiten im Rahmen dieser Arbeit mit Ausnahme des Bordservice während den Zugfahrten, im Sitzmitgliedstaat des Unternehmens erbringen, das sie für die Leistung von Diensten in internationalen Zügen einsetzt, und die ihren Dienst in diesem Mitgliedstaat antreten bzw. beenden, keine hinreichende Verbindung zu dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats bzw. der Mitgliedstaaten, das diese Züge durchqueren, um als dorthin „entsandt“ im Sinne der Richtlinie 96/71 gelten zu können.
In diesem Zusammenhang ist es nicht von Bedeutung, dass die in Rede stehenden Dienstleistungen im Rahmen eines Vertrags erbracht werden, der zwischen diesem Unternehmen und einem Unternehmen mit Sitz in demselben Mitgliedstaat wie dem des Schienenverkehrsunternehmens, das wiederum mit diesem in vertraglicher Verbindung steht, abgeschlossen wurde, und dass das Dienstleistungsunternehmen diese Leistungen nicht durch seine eigenen Arbeitnehmer, sondern durch ihm von einem in seinem eigenen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen überlassene Arbeitskräfte erbringen lässt.
Im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen ist auf die ersten drei Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 dahin auszulegen ist, dass er die Erbringung von Dienstleistungen wie Bordservice, Reinigungsleistungen oder die Verpflegung der Fahrgäste im Rahmen eines Vertrags zwischen einem Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat und einem Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, das vertraglich an ein Schienenverkehrsunternehmen mit Sitz in demselben Mitgliedstaat gebunden ist, durch Arbeitnehmer des erstgenannten Unternehmens oder durch diesem von einem ebenfalls im erstgenannten Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen überlassene Arbeitnehmer in internationalen Zügen, die durch den zweitgenannten Mitgliedstaat fahren, nicht erfasst, wenn diese Arbeitnehmer einen wesentlichen Teil der mit den betreffenden Dienstleistungen verbundenen Arbeit im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats leisten und ihren Dienst dort antreten bzw. beenden.
Zur vierten Frage
Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die unter Androhung von Verwaltungsstrafen einem Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, das seine eigenen Arbeitnehmer oder von einem anderen Unternehmen mit Sitz in demselben Mitgliedstaat überlassene Arbeitnehmer für die Erbringung von Dienstleistungen wie Bordservice, Reinigung oder Verpflegung von Fahrgästen in internationalen Zügen, die das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats durchqueren, im Rahmen eines von dem erstgenannten Unternehmen mit einem Unternehmen mit Sitz in diesem anderen Mitgliedstaat als Subunternehmen eines ebenfalls in diesem anderen Mitgliedstaat ansässigen Schienenverkehrsunternehmens abgeschlossenen Vertrags einsetzt, vorschreibt, die in diesem Mitgliedstaat geltenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 einzuhalten und bei dessen zuständiger Behörde spätestens eine Woche vor der Arbeitsaufnahme der betreffenden Arbeitnehmer deren Beschäftigung zu melden sowie am Einsatzort im Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaats zum einen die Unterlagen über die Anmeldung der Arbeitnehmer zum System der sozialen Sicherheit des erstgenannten Mitgliedstaats und zum anderen die Arbeitsverträge, die Lohnzahlungsnachweise sowie die Unterlagen betreffend die Lohneinstufung in der Amtssprache des zweitgenannten Mitgliedstaats bereitzuhalten.
Hierzu geht aus Rn. 35 des vorliegenden Urteils hervor, dass Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 dahin auszulegen ist, dass er Dienstleistungen wie die in der vorstehenden Randnummer angeführten nicht erfasst.
Unter diesen Umständen sowie angesichts der Ausführungen im Vorlagebeschluss, dass die von dieser vierten Frage erfassten innerstaatlichen Rechtsvorschriften speziell der Umsetzung dieser Richtlinie dienen und eine Reihe von begleitenden Verpflichtungen zur Kontrolle der Einhaltung dieser Bestimmungen insbesondere im Bereich des Mindestlohns vorsehen, ist diese Frage nicht mehr zu beantworten.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen ist dahin auszulegen, dass er die Erbringung von Dienstleistungen wie Bordservice, Reinigungsleistungen oder die Verpflegung der Fahrgäste im Rahmen eines Vertrags zwischen einem Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat und einem Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, das vertraglich an ein Schienenverkehrsunternehmen mit Sitz in demselben Mitgliedstaat gebunden ist, durch Arbeitnehmer des erstgenannten Unternehmens oder durch diesem von einem ebenfalls im erstgenannten Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen überlassene Arbeitnehmer in internationalen Zügen, die durch den zweitgenannten Mitgliedstaat fahren, nicht erfasst, wenn diese Arbeitnehmer einen wesentlichen Teil der mit den betreffenden Dienstleistungen verbundenen Arbeit im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats leisten und ihren Dienst dort antreten bzw. beenden.
Lenaerts
Silva de Lapuerta
Bonichot
Vilaras
Regan
Safjan
Rodin
Bay Larsen
von Danwitz
Toader
Šváby
Vajda
Biltgen
Jürimäe
Lycourgos
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. Dezember 2019.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident
K. Lenaerts
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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