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EuGH 19.12.2018 - C-552/17
EuGH 19.12.2018 - C-552/17 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) - 19. Dezember 2018 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerrecht – Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 2006/112/EG – Sonderregelung für Reisebüros – Bereitstellung einer von anderen Steuerpflichtigen gemieteten Ferienwohnung – Zusätzliche Leistungen – Wesen einer Leistung als Haupt- oder Nebenleistung – Ermäßigte Steuersätze – Von einem Reisebüro im eigenen Namen zur Verfügung gestellte Unterkunft“
Leitsatz
In der Rechtssache C-552/17
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 3. August 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 21. September 2017, in dem Verfahren
Alpenchalets Resorts GmbH
gegen
Finanzamt München Abteilung Körperschaften
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász (Berichterstatter) und C. Vajda,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Alpenchalets Resorts GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Laukemann und durch E. Meilinger,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. Noort als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Gossement und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. September 2018
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 1 und Art. 306 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Alpenchalets Resorts GmbH (im Folgenden: Alpenchalets) und dem Finanzamt München (Deutschland) wegen der Besteuerung der Bereitstellung von Ferienunterkünften.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Nach dem zu Titel VIII („Steuersätze“) der Mehrwertsteuerrichtlinie gehörenden Art. 98 Abs. 1 und 2 können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden, die nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III der Richtlinie genannten Kategorien anwendbar sind.
Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält das „Verzeichnis der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, auf die ermäßigte MwSt-Sätze gemäß Artikel 98 angewandt werden können“. Seine Nr. 12 lautet:
„Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen, einschließlich der Beherbergung in Ferienunterkünften, und Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen;
…“
Kapitel 3 („Sonderregelung für Reisebüros“) von Titel XII („Sonderregelungen“) der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält Art. 306. Dieser bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten wenden auf Umsätze von Reisebüros die Mehrwertsteuer-Sonderregelung dieses Kapitels an, soweit die Reisebüros gegenüber dem Reisenden in eigenem Namen auftreten und zur Durchführung der Reise Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch nehmen.
Diese Sonderregelung gilt nicht für Reisebüros, die lediglich als Vermittler handeln und auf die zur Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage Artikel 79 Absatz 1 Buchstabe c anzuwenden ist.
(2) Für die Zwecke dieses Kapitels gelten Reiseveranstalter als Reisebüro.“
Art. 307 der Richtlinie sieht vor:
„Die zur Durchführung der Reise vom Reisebüro unter den Voraussetzungen des Artikels 306 bewirkten Umsätze gelten als eine einheitliche Dienstleistung des Reisebüros an den Reisenden.
Die einheitliche Dienstleistung wird in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem das Reisebüro den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus es die Dienstleistung erbracht hat.“
Art. 308 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Für die von dem Reisebüro erbrachte einheitliche Dienstleistung gilt als Steuerbemessungsgrundlage und als Preis ohne Mehrwertsteuer im Sinne des Artikels 226 Nummer 8 die Marge des Reisebüros, das heißt die Differenz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsächlichen Kosten, die dem Reisebüro für die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger entstehen, soweit diese Umsätze dem Reisenden unmittelbar zugutekommen.“
Art. 309 der Richtlinie bestimmt:
„Werden die Umsätze, für die das Reisebüro andere Steuerpflichtige in Anspruch nimmt, von diesen außerhalb der [Union] bewirkt, wird die Dienstleistung des Reisebüros einer gemäß Artikel 153 von der Steuer befreiten Vermittlungstätigkeit gleichgestellt.
Werden die in Absatz 1 genannten Umsätze sowohl innerhalb als auch außerhalb der [Union] bewirkt, ist nur der Teil der Dienstleistung des Reisebüros als steuerfrei anzusehen, der auf die Umsätze außerhalb der [Union] entfällt.“
Art. 310 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Die Mehrwertsteuerbeträge, die dem Reisebüro von anderen Steuerpflichtigen für die in Artikel 307 genannten Umsätze in Rechnung gestellt werden, welche dem Reisenden unmittelbar zugutekommen, sind in keinem Mitgliedstaat abziehbar oder erstattungsfähig.“
Deutsches Recht
Das Umsatzsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 2005 (BGBl. I S. 386) in der durch das Gesetz vom 22. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3950) geänderten Fassung (im Folgenden: UStG) bestimmt in § 12 („Steuersätze“):
„(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4).
(2) Die Steuer ermäßigt sich auf sieben Prozent für die folgenden Umsätze:
…
11. die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Satz 1 gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind.“
In § 25 („Besteuerung von Reiseleistungen“) UStG heißt es:
„(1) Die nachfolgenden Vorschriften gelten für Reiseleistungen eines Unternehmers, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers bestimmt sind, soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt. Die Leistung des Unternehmers ist als sonstige Leistung anzusehen. Erbringt der Unternehmer an einen Leistungsempfänger im Rahmen einer Reise mehrere Leistungen dieser Art, so gelten sie als eine einheitliche sonstige Leistung. Der Ort der sonstigen Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 1. Reisevorleistungen sind Lieferungen und sonstige Leistungen Dritter, die den Reisenden unmittelbar zugutekommen.
(2) Die sonstige Leistung ist steuerfrei, soweit die ihr zuzurechnenden Reisevorleistungen im Drittlandsgebiet bewirkt werden. Die Voraussetzung der Steuerbefreiung muss vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.
(3) Die sonstige Leistung bemisst sich nach dem Unterschied zwischen dem Betrag, den der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und dem Betrag, den der Unternehmer für die Reisevorleistungen aufwendet. Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage. Der Unternehmer kann die Bemessungsgrundlage statt für jede einzelne Leistung entweder für Gruppen von Leistungen oder für die gesamten innerhalb des Besteuerungszeitraums erbrachten Leistungen ermitteln.
(4) Abweichend von § 15 Abs. 1 ist der Unternehmer nicht berechtigt, die ihm für die Reisevorleistungen gesondert in Rechnung gestellten sowie die nach § 13b geschuldeten Steuerbeträge als Vorsteuer abzuziehen. Im Übrigen bleibt § 15 unberührt.
…“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Im Jahr 2011 mietete Alpenchalets Häuser in Deutschland, Österreich und Italien von deren Eigentümern an und vermietete sie anschließend im eigenen Namen zu Urlaubszwecken an Privatkunden. Zu den Leistungen gehörten neben der Bereitstellung der Unterkunft auch deren Reinigung sowie gegebenenfalls ein Wäsche- und Brötchenservice.
Alpenchalets ermittelte die Umsatzsteuer – gemäß § 25 UStG, unter den Reiseleistungen fallen – anhand ihrer Gewinnmarge und wandte den Regelsteuersatz an. Später, mit Schreiben vom 6. Mai 2013, beantragte sie die Änderung der Steuerfestsetzung und die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 UStG. Das Finanzamt München lehnte diesen Antrag ab.
Alpenchalets erhob Klage beim Finanzgericht. Dieses wies die Klage mit der Begründung ab, dass nach § 25 UStG auf die fraglichen Reiseleistungen die Margenbesteuerung anzuwenden sei. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes komme nicht in Betracht, da die Erbringung einer Reiseleistung im Sinne von § 25 UStG nicht im Katalog der Steuersatzermäßigungen des § 12 Abs. 2 UStG genannt sei.
Diese Entscheidung focht Alpenchalets beim Bundesfinanzhof (Deutschland) an.
Das vorlegende Gericht weist zum einen darauf hin, dass nach dem Urteil vom 12. November 1992, Van Ginkel (C-163/91, EU:C:1992:435), die Sonderregelung für Reisebüros auf Leistungen eines Reisebüros, die nur die Unterbringung umfassten, anwendbar sei. Dieses Ergebnis sei in der späteren Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt worden; fraglich sei jedoch, ob es nicht im Licht des Urteils vom 21. Juni 2007, Ludwig (C-453/05, EU:C:2007:369), in dem zwischen Haupt- und Nebenleistungen unterschieden werde, überprüft werden sollte.
Zum anderen sei zu prüfen, ob es möglich sei, in der anhängigen Rechtssache einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden, obwohl die Umsätze von Reisebüros im Sinne von Art. 306 der Mehrwertsteuerrichtlinie als solche zu betrachten seien und in dieser Eigenschaft nicht unter Anhang III der Richtlinie fielen. Da die Vermietung einer Ferienwohnung außerhalb der Sonderregelung für Reisebüros einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterliege, könne die Anwendung dieses ermäßigten Satzes auf eine gleichartige Leistung, die der Sonderregelung unterliege, zugelassen werden.
Vor diesem Hintergrund hat der Bundesfinanzhof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 306 bis 310 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass die bloße Überlassung einer von anderen Steuerpflichtigen angemieteten Ferienwohnung durch ein Reisebüro oder eine solche Überlassung einer Ferienwohnung mit zusätzlichen, als Nebenleistungen einzustufenden Leistungselementen der Sonderregelung für Reisebüros unterliegt.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Sonderregelung für Reisebüros gemäß Art. 306 der Mehrwertsteuerrichtlinie nur anwendbar ist, wenn das Reisebüro zur Veranstaltung der Reise Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch nimmt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2012, Kozak, C-557/11, EU:C:2012:672, Rn. 18 und 21).
Das Vorabentscheidungsersuchen enthält indessen keine Angaben dazu, ob es sich bei den Eigentümern oder Betreibern der an Alpenchalets vermieteten Ferienwohnungen um Mehrwertsteuerpflichtige handelt.
Daher kann der Gerichtshof die erste Frage nur unter dem Vorbehalt beantworten, dass diese Eigentümer oder Betreiber mehrwertsteuerpflichtig sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.
Wie sich aus dem Wortlaut von Art. 306 der Mehrwertsteuerrichtlinie und aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, findet die Sonderregelung für Reisebüros nur Anwendung, wenn ein Reisebüro zur Durchführung der Reise Gegenstände und Dienstleistungen Dritter in Anspruch nimmt; dies bedeutet, dass seine eigenen Leistungen, d. h. die Leistungen, die nicht von Dritten bezogen, sondern von dem Reisebüro selbst erbracht wurden, nicht unter die Sonderregelung fallen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2012, Kozak, C-557/11, EU:C:2012:672, Rn. 18, 21, 23 und 27).
In diesem Zusammenhang kann der vom vorlegenden Gericht angesprochene und in Rn. 18 des Urteils vom 21. Juni 2007, Ludwig (C-453/05, EU:C:2007:369), erwähnte Grundsatz der einheitlichen Leistung, der im Bereich der allgemeinen Mehrwertsteuerregelung Anwendung findet, die Beurteilung der „einheitlichen Dienstleistung“ im Kontext der Mehrwertsteuer-Sonderregelung für die Umsätze von Reisebüros nicht beeinflussen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2012, Kozak, C-557/11, EU:C:2012:672, Rn. 24).
Zur Anwendung dieser Sonderregelung auf eine von Dritten bezogene Dienstleistung der Überlassung einer Ferienwohnung ist, wie das vorlegende Gericht ausführt, darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in den Rn. 23 und 24 des Urteils vom 12. November 1992, Van Ginkel (C-163/91, EU:C:1992:435), festgestellt hat, dass die bloße Bereitstellung der Unterkunft durch das Reisebüro unter die genannte Sonderregelung fallen kann. Um den Wünschen der Kundschaft zu entsprechen, bieten Reisebüros nämlich ganz verschiedene Urlaubs- und Reiseformen an, die es dem Reisenden erlauben, nach seinen Vorstellungen Beförderungs-, Unterkunfts- und sonstige Leistungen zu kombinieren, die diese Veranstalter erbringen können. Würden vom Anwendungsbereich von Art. 306 der Mehrwertsteuerrichtlinie Leistungen eines Reisebüros allein deswegen ausgeschlossen, weil sie nur die Unterkunft umfassen, so führte das zu einer komplexen steuerlichen Regelung, in der die anwendbaren Mehrwertsteuervorschriften davon abhingen, welche Bestandteile die dem Reisenden angebotenen Leistungen umfassten. Eine solche Steuerregelung widerspräche den Zielen der Richtlinie.
Diese Rechtsprechung wurde in mehreren Urteilen des Gerichtshofs bestätigt.
In der Rechtssache MyTravel (Urteil vom 6. Oktober 2005, C-291/03, EU:C:2005:591), veranstaltete das Reisebüro Pauschalreisen einschließlich Unterkunft und übernahm die Beförderung selbst, d. h. mit eigenen Mitteln. Wie sich aus Rn. 19 dieses Urteils ergibt, war der Pauschalpreis in den auf die Sonderregelung und den auf die Eigenleistungen entfallenden Teil aufzuschlüsseln. Durch diese Aufschlüsselung hat der Gerichtshof anerkannt, dass die Sonderregelung auf bloße Beherbergungsleistungen Anwendung finden kann.
Aus Rn. 29 des Urteils vom 13. Oktober 2005, ISt (C-200/04, EU:C:2005:608), geht hervor, dass die Sonderregelung für Reisebüros auf einen Wirtschaftsteilnehmer Anwendung findet, der seinen Kunden gegen Zahlung eines Pauschalpreises außer den mit eigenen Mitteln erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit Sprachausbildung und -unterricht auch von anderen Steuerpflichtigen bezogene Leistungen wie den Transfer in das Bestimmungsland und/oder den Aufenthalt in diesem Land anbietet. Die Konjunktion „und/oder“ verdeutlicht, dass eine dieser Leistungen für sich genommen ausreichen kann, damit die genannte Sonderregelung Anwendung findet.
Im Urteil vom 9. Dezember 2010, Minerva Kulturreisen (C-31/10, EU:C:2010:762, Rn. 21), hat der Gerichtshof entschieden, dass zwar nicht jede von einem Reisebüro erbrachte Leistung ohne Zusammenhang mit einer Reise unter die Sonderregelung in Art. 26 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1) fällt, dessen Bestimmungen in Art. 306 der Mehrwertsteuerrichtlinie übernommen wurden; die Bereitstellung einer Ferienunterkunft durch ein Reisebüro wird aber vom Anwendungsbereich dieses Artikels erfasst, auch wenn die Leistung nur die Unterbringung und nicht die Beförderung umfasst.
Der Beschluss vom 1. März 2012, Star Coaches (C-220/11, EU:C:2012:120), lässt keinen anderen Schluss zu.
Erstens hat der Gerichtshof in Rn. 20 dieses Beschlusses die auf das Urteil vom 12. November 1992, Van Ginkel (C-163/91, EU:C:1992:435), zurückgehende Rechtsprechung klar bestätigt.
Zweitens hat der Gerichtshof in dieser Rechtssache lediglich festgestellt, dass die von einem Wirtschaftsteilnehmer erbrachten Beförderungsleistungen nicht unter Art. 306 der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen können, wenn sie über einen Unterauftragnehmer nicht an den Reisenden selbst, sondern an Reisebüros erbracht werden und das Beförderungsunternehmen kein anderes Merkmal aufweist, anhand dessen seine Leistungen denen eines Reisebüros oder eines Reiseveranstalters gleichgestellt werden können.
Da die bloße Bereitstellung von Ferienunterkünften durch das Reisebüro genügt, damit die in den Art. 306 bis 310 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Sonderregelung Anwendung findet, kann der Stellenwert etwaiger anderer Lieferungen von Gegenständen oder anderer Dienstleistungen, die zu dieser Bereitstellung von Unterkünften hinzutreten, keine Auswirkung auf die rechtliche Qualifikation des in Rede stehenden Sachverhalts haben, die dahin geht, dass er unter die Sonderregelung für Reisebüros fällt.
Somit braucht nicht gegebenenfalls im Licht der auf das Urteil vom 21. Juni 2007, Ludwig (C-453/05, EU:C:2007:369), zurückgehenden Rechtsprechung geprüft zu werden, ob solche Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen, die zur Bereitstellung von Unterkünften durch das Reisebüro hinzutreten, als Haupt- oder Nebenleistung zu qualifizieren sind.
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Art. 306 bis 310 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass die bloße Überlassung einer von anderen Steuerpflichtigen angemieteten Ferienwohnung durch ein Reisebüro oder eine solche Überlassung einer Ferienwohnung mit zusätzlichen, als Nebenleistungen einzustufenden Leistungselementen unabhängig von dem Stellenwert dieser zusätzlichen Leistungen jeweils eine einheitliche Leistung darstellt, die der Sonderregelung für Reisebüros unterliegt.
Zur zweiten Frage
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 98 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die in der Beherbergung in Ferienunterkünften bestehende Dienstleistung von Reisebüros, die unter Art. 307 der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt, dem ermäßigten Steuersatz oder einem der ermäßigten Steuersätze im Sinne von Art. 98 Abs. 2 der Richtlinie unterliegen kann.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass schon nach dem Wortlaut von Art. 307 der Mehrwertsteuerrichtlinie die zur Durchführung der Reise vom Reisebüro unter den Voraussetzungen von Art. 306 der Richtlinie bewirkten Umsätze für ihre steuerliche Behandlung als eine einheitliche Dienstleistung des Reisebüros an den Reisenden gelten. Da die in der Beherbergung in Ferienunterkünften bestehende Leistung unter die Sonderregelung für Reisebüros fällt, folgt ihre steuerliche Behandlung daher nicht den für die Beherbergung in Ferienunterkünften geltenden Regeln, sondern richtet sich nach der Sonderregelung der Mehrwertsteuerrichtlinie für die einheitliche Dienstleistung des Reisebüros.
Zudem ist festzustellen, dass nach Art. 98 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie der ermäßigte Steuersatz nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III der Richtlinie genannten Kategorien anwendbar ist.
Die einheitliche Dienstleistung des Reisebüros im Sinne von Art. 307 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist dort jedoch nicht aufgeführt.
Somit findet der in Art. 98 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene ermäßigte Steuersatz keine Anwendung auf die Beherbergung in Ferienunterkünften, die unter die Sonderregelung für Reisebüros fällt.
Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 98 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die in der Beherbergung in Ferienunterkünften bestehende Dienstleistung von Reisebüros, die unter Art. 307 der Richtlinie fällt, nicht dem ermäßigten Steuersatz oder einem der ermäßigten Steuersätze im Sinne von Art. 98 Abs. 2 der Richtlinie unterliegen kann.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Die Art. 306 bis 310 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass die bloße Überlassung einer von anderen Steuerpflichtigen angemieteten Ferienwohnung durch ein Reisebüro oder eine solche Überlassung einer Ferienwohnung mit zusätzlichen, als Nebenleistungen einzustufenden Leistungselementen unabhängig von dem Stellenwert dieser zusätzlichen Leistungen jeweils eine einheitliche Leistung darstellt, die der Sonderregelung für Reisebüros unterliegt.
Art. 98 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass die in der Beherbergung in Ferienunterkünften bestehende Dienstleistung von Reisebüros, die unter Art. 307 der Richtlinie fällt, nicht dem ermäßigten Steuersatz oder einem der ermäßigten Steuersätze im Sinne von Art. 98 Abs. 2 der Richtlinie unterliegen kann.
von Danwitz
Jürimäe
Lycourgos
Juhász
Vajda
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. Dezember 2018.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident
K. Lenaerts
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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