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EuGH 10.09.2014 - C-152/13
EuGH 10.09.2014 - C-152/13 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer) - 10. September 2014 ( *1) - „Vorabentscheidungsersuchen — Steuerrecht — Richtlinie 2003/96/EG — Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom — Ausnahmen — Energieerzeugnisse, die in den Hauptbehältern von Nutzfahrzeugen enthalten und dazu bestimmt sind, als Kraftstoff von diesen Fahrzeugen verbraucht zu werden — Begriff ‚Hauptbehälter‘ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 dieser Richtlinie — Von einem Karosseriebauer oder einem Vertragshändler des Herstellers eingebaute Behälter“
Leitsatz
In der Rechtssache C-152/13
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. März 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 26. März 2013, in dem Verfahren
Holger Forstmann Transporte GmbH & Co. KG
gegen
Hauptzollamt Münster
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis (Berichterstatter), J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Holger Forstmann Transporte GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt U. Möllenhoff,
des Hauptzollamts Münster, vertreten durch A. Scholz als Bevollmächtigte,
der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und C. Barslev als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. April 2014
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. L 283, S. 51).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Holger Forstmann Transporte GmbH & Co. KG (im Folgenden: Forstmann Transporte) und dem Hauptzollamt Münster (im Folgenden: Hauptzollamt) wegen Zahlung der Energiesteuer für in den Niederlanden gekauften Diesel, der in den Kraftstoffbehältern eines Lastkraftwagens dieser Gesellschaft enthalten war und dazu bestimmt war, von diesem Fahrzeug in Deutschland als Kraftstoff verbraucht zu werden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Im 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 94/74/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 zur Änderung der Richtlinie 92/12/EWG über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren, der Richtlinie 92/81/EWG zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle und der Richtlinie 92/82/EWG zur Annäherung der Verbrauchsteuersätze für Mineralöle (ABl. L 365, S. 46) heißt es:
„Es ist ausdrücklich vorzusehen, dass in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführte, in den Kraftstoffbehältern von Fahrzeugen enthaltene Mineralöle, die als Kraftstoff für diese Fahrzeuge bestimmt sind, in einem anderen Mitgliedstaat von der Verbrauchsteuer befreit sind, um den freien Verkehr von Personen und Waren nicht zu beeinträchtigen und Doppelbesteuerungen zu vermeiden.“
Hierfür hat die Richtlinie 94/74 die Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle (ABl. L 316, S. 12) um Art. 8a ergänzt. Dieser Artikel sah zum einen eine Verbrauchsteuerbefreiung für Mineralöle vor, die in den Hauptbehältern von Nutzfahrzeugen enthalten sind, und definierte zum anderen „Hauptbehälter“ als die vom Hersteller für alle Kraftfahrzeuge desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs für den Antrieb der Kraftfahrzeuge und gegebenenfalls für das Funktionieren der Kühlanlage oder sonstigen Anlagen während des Transports ermöglichen.
Die Richtlinie 92/81 wurde durch die Richtlinie 2003/96 aufgehoben und ihr Art. 8a durch den ähnlich formulierten Art. 24 der Richtlinie 2003/96 ersetzt.
Art. 24 der Richtlinie 2003/96 lautet:
„(1) In den steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaats überführte Energieerzeugnisse, die in den Hauptbehältern von Nutzfahrzeugen enthalten und als Kraftstoff für diese Fahrzeuge bestimmt sind bzw. in Spezialcontainern mitgeführt werden und dem Betrieb der Anlagen, mit denen diese Container ausgestattet sind, während der Beförderung dienen, sind in den anderen Mitgliedstaaten von der Verbrauchsteuer befreit.
(2) Für die Anwendung dieses Artikels gelten als
‚Hauptbehälter‘
die vom Hersteller für alle Kraftfahrzeuge desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Treibstoffs für den Antrieb der Kraftfahrzeuge und gegebenenfalls für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstigen Anlagen während der Beförderung ermöglichen. Als Hauptbehälter gelten auch Gasbehälter in Kraftfahrzeugen, die unmittelbar mit Gas betrieben werden können, sowie die Behälter für sonstige Einrichtungen, mit denen die Fahrzeuge gegebenenfalls ausgerüstet sind;
die vom Hersteller in alle Container desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Treibstoffs für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstiger Anlagen von Spezialcontainern während der Beförderung ermöglichen.
‚Spezialcontainer‘ alle Behälter mit Vorrichtungen, die speziell für Systeme der Kühlung, Sauerstoffzufuhr oder Wärmeisolierung oder für andere Systeme geeignet sind.“
Deutsches Recht
§ 1 des Energiesteuergesetzes vom 15. Juli 2006 (BGBl. 2006 I S. 1534) (im Folgenden: EnergieStG) bestimmt in seiner für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Fassung, dass Energieerzeugnisse im Steuergebiet der Energiesteuer unterliegen. Nach dieser Bestimmung gilt dabei als Steuergebiet im Sinne des EnergieStG das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Gebiet von Büsingen und ohne die Insel Helgoland.
§ 15 EnergieStG bestimmte in der Fassung, die bis zum 31. März 2010 in Kraft war:
„(1) Werden Energieerzeugnisse nach § 4 aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken bezogen, entsteht die Steuer dadurch, dass der Bezieher
die Energieerzeugnisse im Steuergebiet in Empfang nimmt oder
die außerhalb des Steuergebiets in Empfang genommenen Energieerzeugnisse in das Steuergebiet verbringt oder verbringen lässt. …
(2) Werden Energieerzeugnisse nach § 4 aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates in anderen als den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Fällen in das Steuergebiet verbracht, entsteht die Steuer dadurch, dass sie erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden. Steuerschuldner ist, wer sie in Besitz hält oder verwendet. …
…
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht
für Kraftstoffe in Hauptbehältern von Fahrzeugen, Spezialcontainern, Arbeitsmaschinen und -geräten sowie Kühl- und Klimaanlagen,
für Kraftstoffe, die in Reservebehältern eines Fahrzeugs bis zu einer Gesamtmenge von 20 Litern mitgeführt werden,
für Heizstoffe im Vorratsbehälter der Standheizung eines Fahrzeugs.
…“
§ 6 Nr. 15 des Gesetzes vom 15. Juli 2009 zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (BGBl. 2009 I S. 1870) hat Art. 15 Abs. 2 mit Wirkung vom 1. April 2010 folgendermaßen geändert:
„Werden Energieerzeugnisse im Sinn des § 4 aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaats in anderen als den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Fällen in das Steuergebiet verbracht, entsteht die Steuer dadurch, dass sie erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden. Dies gilt nicht, wenn die in Besitz gehaltenen Energieerzeugnisse für einen anderen Mitgliedstaat bestimmt sind und unter zulässiger Verwendung eines Begleitdokuments nach Artikel 34 der [R]ichtlinie [2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12)] durch das Steuergebiet befördert werden. Steuerschuldner ist, wer die Energieerzeugnisse versendet, in Besitz hält oder verwendet. …“
Die Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes vom 31. Juli 2006 (BGBl. I 2006 S. 1753) in der durch Art. 6 der Verordnung vom 5. Oktober 2009 (BGBl. I 2009 S. 3262) geänderten Fassung definiert in ihrem § 41 den Begriff „Hauptbehälter“ folgendermaßen:
„Hauptbehälter im Sinne des § 15 Absatz 4 Nummer 1, § 16 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, § 21 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 und § 46 Absatz 1 Satz 2 [EnergieStG] sind:
die vom Hersteller für alle Fahrzeuge desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs für den Antrieb der Fahrzeuge und gegebenenfalls für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstigen Anlagen während der Beförderung ermöglichen,
die vom Hersteller in alle Container desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstiger Anlagen von Spezialcontainern während der Beförderung ermöglichen.
Besteht ein Hauptbehälter aus mehr als einem Kraftstoffbehälter, ist ein Absperrventil in der Leitung zwischen zwei Kraftstoffbehältern unschädlich.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Forstmann Transporte ist ein deutsches Straßengütertransportunternehmen, das Speditionsleistungen erbringt. Hierfür erwarb sie ein Kraftfahrzeug bei der Daimler AG, einem Hersteller von Lastkraftwagen. Bei der Herstellung baute die Daimler AG in dieses Fahrzeug einen Kraftstoffbehälter mit einem Fassungsvermögen von 780 Litern ein. Einen weiteren Kraftstoffbehälter bestellte die Klägerin nicht bei der Daimler AG, da sie einen Umbau des Fahrzeugs beabsichtigte. Das Fahrzeug wurde deshalb mit nur einem Kraftstoffbehälter an die Klägerin ausgeliefert.
Um mit dem von der Daimler AG hergestellten Fahrzeug standardisierte und mit Gestellen versehene Container transportieren zu können, war ein Einbau von Wechselbrückenträgern erforderlich, was die Daimler AG nicht in der gewünschten Form bewerkstelligen konnte. Forstmann Transporte beauftragte mit dem Einbau daher das Karosseriebauunternehmen R & S Fahrzeugbau. Bei diesem Einbau musste R & S Fahrzeugbau den von der Daimler AG eingebauten Kraftstoffbehälter (im Folgenden: Behälter 1) versetzen, um die Wechselbrückenträger am Fahrzeug anbringen zu können.
Bei diesem Umbau baute R & S Fahrzeugbau einen zweiten Kraftstoffbehälter mit einem Fassungsvermögen von ebenfalls 780 Litern (im Folgenden: Behälter 2) ein, der zuvor von der Hoppe Truck-Tanks GmbH & Co. KG bezogen worden war. Behälter 2 hätte Forstmann Transporte zwar auch direkt von der Daimler AG einbauen lassen können, dies wäre für sie aber wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen, denn auch Behälter 2 hätte im Rahmen des Umbaus versetzt werden müssen. Die Behälter 1 und 2 wurden vom Technischen Überwachungsverein auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorschriften über die Straßenverkehrszulassung von Kraftfahrzeugen geprüft und nicht beanstandet.
Forstmann Transporte betankte ihre Fahrzeuge regelmäßig in den Niederlanden, um die dort günstigeren Kraftstoffpreise zu nutzen. Auch das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Fahrzeug wurde in Oldenzaal in den Niederlanden mit Dieselkraftstoff betrankt, und zwar am 2. Dezember 2009 mit 495,03 Litern in den Behälter 2 sowie am 14. Februar 2011 mit 618,92 Litern in den Behälter 1 und 570,50 Litern in den Behälter 2. Nach beiden Betankungen überquerte der Fahrer des Fahrzeugs unmittelbar die deutsch-niederländische Grenze und fuhr in Deutschland weiter. Der getankte Kraftstoff wurde ausschließlich zum eigenen Antrieb des Fahrzeugs verwendet.
Am 28. Juni 2012 gab Forstmann Transporte beim Hauptzollamt für den in den Behälter 2 gefüllten Dieselkraftstoff von 495,03 Litern und 570,50 Litern jeweils eine Steueranmeldung ab.
Das Hauptzollamt erließ daraufhin am 3. Juli 2012 einen Bescheid über insgesamt 501,22 Euro Energiesteuer für den Kraftstoff in Behälter 2, wobei auf den Vorgang vom 2. Dezember 2009 232,86 Euro und auf den Vorgang vom 14. Februar 2011 268,36 Euro Energiesteuer entfielen. Gemäß einer Auslegung des nationalen Rechts im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ging das Hauptzollamt davon aus, dass durch das Verbringen des in Behälter 2 enthaltenen Dieselkraftstoffs nach Deutschland die Energiesteuer entstanden sei. Der Dieselkraftstoff in Behälter 2 sei nämlich nicht von der Energiesteuer befreit, denn dieser erst nach Herstellung des Fahrzeugs eingebaute Behälter sei insofern nicht serienmäßig, als er nicht vom Hersteller des Chassis fest eingebaut worden sei.
Außerdem erließ das Hauptzollamt am 19. September 2012 einen Bescheid über 291,14 Euro Energiesteuer für den Kraftstoff in Behälter 1. Entsprechend der erwähnten Auslegung ging das Hauptzollamt davon aus, dass eine Energiesteuerbefreiung auch für den in Behälter 1 befindlichen Kraftstoff nicht gegeben sei. Denn auch dieser zunächst durch die Daimler AG eingebaute Behälter sei infolge seines anschließenden Aus- und Einbaus nicht durch den Hersteller des Chassis fest eingebaut worden und könne somit ebenfalls nicht als serienmäßig angesehen werden.
Forstmann Transporte legte gegen die Bescheide Einsprüche ein, die jeweils zurückgewiesen wurden, und erhob sodann beim Finanzgericht Düsseldorf eine Anfechtungsklage gegen diese Bescheide.
In seinem Vorabentscheidungsersuchen stellt das vorlegende Gericht fest, dass die Klage angesichts der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der das Hauptzollamt im vorliegenden Fall gefolgt sei, abzuweisen wäre. Nach dieser Rechtsprechung könne nämlich die Ausnahme in § 15 Abs. 4 Nr. 1 EnergieStG nicht auf den Ausgangsfall angewendet werden, da der in § 41 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes vom 31. Juli 2006 – durch den Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2003/96 umgesetzt worden sei – definierte Begriff „Hauptbehälter“ keine Kraftstoffbehälter erfasse, die von Vertragshändlern oder Karosseriebauern eingebaut worden seien. Das solle auch in den Fällen der Arbeitsteilung zwischen dem Hersteller und dem Karosseriebauer gelten. Hierzu weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass nach Ansicht des Bundesfinanzhofs das Urteil des Gerichtshofs Schoonbroodt (C-247/97, EU:C:1998:586) zum zollrechtlichen Begriff des Hauptbehälters für die Auslegung von Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2003/96 herangezogen werden könne, da diese Bestimmung den zollrechtlichen Vorschriften des Unionsrechts – wie Art. 112 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABl. L 105, S. 1) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 1315/88 des Rates vom 3. Mai 1988 (ABl. L 123, S. 2) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 918/83) – nachgebildet sei. Nach diesem Urteil könne der eng auszulegende Befreiungstatbestand des Art. 112 Abs. 1 der Verordnung Nr. 918/83 keine Anwendung auf Behälter finden, die von Vertragshändlern oder Karosseriebauern eingebaut worden seien.
Das vorlegende Gericht hat jedoch Zweifel an der Richtigkeit dieser Auslegung des Bundesfinanzhofs und möchte wissen, ob die dargestellte enge Auslegung des Herstellerbegriffs in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2003/96 zutreffend ist oder ob vielmehr eine weite Auslegung geboten ist, nach der vom Begriff des Herstellers auch Karosseriebauer oder Vertragshändler erfasst sein könnten. Seiner Ansicht nach könnte der Sinn und Zweck von Art. 24 Abs. 2 dieser Richtlinie, wie er aus dem 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 94/74 hervorgehe, eine solche weite Auslegung gebieten. Dieser Erwägungsgrund beziehe sich auf den durch den Art. 24 der Richtlinie 2003/96 ersetzten Art. 8a der Richtlinie 92/81, den der Gerichtshof in seinem Urteil Meiland Azewijn (C-292/02, EU:C:2004:499) weit ausgelegt habe. Die vom Bundesfinanzhof bisher vorgenommene enge Auslegung stütze sich dagegen auf das Urteil Schoonbroodt (EU:C:1998:586), das die Verordnung Nr. 918/83 betroffen habe, mit der aber ein anderer Zweck verfolgt worden sei als mit den im Ausgangsverfahren zu prüfenden Vorschriften des Verbrauchsteuerrechts. Geboten sein könnte eine weite Auslegung des Herstellerbegriffs auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse der Herstellung von Lastkraftwagen, an der mehrere Unternehmen beteiligt seien, um die Fahrzeuge entsprechend ihren jeweiligen technischen und/oder wirtschaftlichen Anforderungen ausrüsten zu können.
Komme man zu dem Ergebnis einer weiten Auslegung des Herstellerbegriffs, stellt sich nach Auffassung des vorlegenden Gerichts die Frage, wie das Tatbestandsmerkmal des Art. 24 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 2003/96 auszulegen sei, wonach Kraftfahrzeuge „desselben Typs“ gegeben sein müssten. Denn ein mehrstufiger Herstellungsprozess, der den technischen und/oder wirtschaftlichen Anforderungen des Einzelfalls gerecht werde, schließe denknotwendig das Herstellen von bestimmten Fahrzeugtypen im Sinne einer Serienproduktion aus.
Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist der Begriff des Herstellers im Sinne des Art. 24 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 2003/96 dahin auszulegen, dass hiervon auch Karosseriebauer oder Vertragshändler erfasst werden, wenn diese den Kraftstoffbehälter im Rahmen eines Herstellungsprozesses des Fahrzeugs eingebaut haben und der Herstellungsprozess aus technischen und/oder wirtschaftlichen Gründen im Wege der Arbeitsteilung durch mehrere selbständige Unternehmen erfolgt ist?
Sollte die erste Frage zu bejahen sein: Wie ist in diesen Fällen das Tatbestandsmerkmal des Art. 24 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 2003/96 auszulegen, wonach es sich um Kraftfahrzeuge „desselben Typs“ handeln muss?
Zu den Vorlagefragen
Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „Hauptbehälter“ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 2003/96 dahin auszulegen ist, dass Behälter, die in Nutzfahrzeugen fest eingebaut und zu deren unmittelbarer Kraftstoffversorgung bestimmt sind, von diesem Begriff nicht erfasst werden, wenn sie von einer anderen Person als dem Hersteller eingebaut wurden.
Zunächst ist festzustellen, wie der Generalanwalt in Nr. 41 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dass es im fraglichen wirtschaftlichen und technischen Kontext heutzutage üblich ist, dass die Herstellung von Nutzfahrzeugen in mehreren Etappen erfolgt, wobei der Hersteller nur das Fahrgestell und die Fahrerkabine herstellt und die übrigen Fahrzeugteile anschließend von spezialisierten Unternehmen eingebaut werden. Dasselbe Prinzip wird bei dem Einbau von Kraftstoffbehältern befolgt. So bieten die Hersteller nicht nur einen einzigen Typ Kraftstoffbehälter für jeden Fahrzeugtyp an, sondern verschiedene Behälter je nach der vorgesehenen Verwendung des Fahrzeugs, dem Markt, für den das Fahrzeug bestimmt ist, oder den Wünschen des Kunden. Dabei kann auch, wie im Ausgangsverfahren, der Behälter nicht vom Hersteller, sondern in einem späteren Stadium der Fahrzeugherstellung von einem Dritten eingebaut werden.
Unter diesen Umständen lässt sich nur sehr schwer oder gar nicht beurteilen, ob ein bestimmter Kraftstoffbehälter tatsächlich zur Kategorie der „vom Hersteller für alle Kraftfahrzeuge desselben Typs fest eingebauten“ Behälter gehört, wie sich aus dem Wortlaut der Definition des Begriffs „Hauptbehälter“ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 2003/96 ergibt. Es könnte sogar sein, dass für einen bestimmten Fahrzeugtyp gar kein Behälter dieser Definition entspricht und die Nutzer dieses Fahrzeugs folglich keinen Anspruch auf die in Art. 24 der Richtlinie vorgesehene Befreiung haben.
Allerdings sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. u. a. Urteil Feltgen und Bacino Charter Company, C-116/10, EU:C:2010:824, Rn. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zudem ist bei verschiedenen möglichen Auslegungen einer Vorschrift des Unionsrechts derjenigen der Vorzug zu geben, die die praktische Wirksamkeit der Vorschrift zu wahren geeignet ist (vgl. Urteil Lassal, C-162/09, EU:C:2010:592, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Die mit der fraglichen Bestimmung verfolgten Ziele sind im 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 94/74 genannt, nach dem in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführter, in den Kraftstoffbehältern von Fahrzeugen enthaltener Kraftstoff in einem anderen Mitgliedstaat von der Verbrauchsteuer befreit ist, „um den freien Verkehr von Personen und Waren nicht zu beeinträchtigen und Doppelbesteuerungen zu vermeiden“.
Hierfür hat der Unionsgesetzgeber in Abweichung von der allgemeinen Regel in Art. 7 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1) – nach der verbrauchsteuerpflichtige Waren, die in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind und sich zu gewerblichen Zwecken in einem anderen Mitgliedstaat befinden, in diesem anderen Mitgliedstaat besteuert werden – vorgesehen, dass Energieerzeugnisse als Kraftstoff, der in den Hauptbehältern von Nutzfahrzeugen enthalten ist, in dem Mitgliedstaat besteuert werden, in dem der Kraftstoff in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden ist. Denn die Pflicht, bei jedem innergemeinschaftlichen Grenzübertritt die in den Kraftstoffbehältern eines Fahrzeugs enthaltene Kraftstoffmenge anzugeben, und die Notwendigkeit, anschließend die Rückerstattung der Verbrauchsteuer in dem Mitgliedstaat, in dem der Kraftstoff gekauft wurde, zu beantragen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, würden ein beträchtliches Hindernis im Straßengüterverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und damit ein Handelshemmnis innerhalb des Binnenmarkts darstellen. Deshalb soll Art. 24 der Richtlinie 2003/96 dieses Hemmnis beseitigen und den freien Verkehr sicherstellen, gleichzeitig aber auch die legitimen steuerlichen Interessen der Mitgliedstaaten schützen.
Für die Erfüllung dieses Zwecks ist irrelevant, ob der Kraftstoffbehälter in das betreffende Fahrzeug durch den Hersteller oder durch einen Dritten fest eingebaut worden ist. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 32 und 47 seiner Schlussanträge festgestellt hat, ist vielmehr von Bedeutung, ob dieser Behälter zur unmittelbaren Versorgung des Fahrzeugs mit Kraftstoff für seinen Antrieb und gegebenenfalls für den Betrieb seiner Kühlanlage oder sonstigen Anlagen dient.
Diese Beurteilung wird durch Art. 24 Abs. 2 erster Gedankenstrich Satz 2 der Richtlinie 2003/96 bestätigt, wonach „[a]ls Hauptbehälter … auch Gasbehälter in Kraftfahrzeugen [gelten]“. Diese Gasbehälter werden nämlich normalerweise nicht von den Herstellern eingebaut und noch weniger „für alle Kraftfahrzeuge desselben Typs“, denn in der Regel sind Kraftfahrzeuge zunächst nicht für einen Gasantrieb, sondern für einen Antrieb mit aus Erdöl gewonnenem Kraftstoff konzipiert. Die Gasbehälter werden daher meist von spezialisierten Unternehmen eingebaut, die von den Herstellern unabhängig sind.
Diese ergänzende Angabe in Art. 24 Abs. 2 erster Gedankenstrich Satz 2 der Richtlinie 2003/96 spiegelt den Willen des Gesetzgebers wider, den Begriff „Hauptbehälter“ weit zu fassen, um nicht ungerechtfertigterweise Nutzer von Fahrzeugen mit Gasbehältern von der Befreiung nach Art. 24 der Richtlinie auszuschließen. Wie der Generalanwalt in Nr. 49 seiner Schlussanträge festgestellt hat, konnte diese Flexibilität zwar zu einer Zeit, als die Behälter für Benzin oder Diesel normalerweise in Serie eingebaut wurden, auf Gasbehälter beschränkt bleiben, aber wäre unter den aktuellen wirtschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen der etappenweisen Herstellung von Fahrzeugen nicht ausreichend. Wenn die Richtlinie 2003/96 die Befreiung für Gas vorsieht, das in von Dritten angebrachten Behältern enthalten ist, hat somit die Befreiung in gleicher Weise für Benzin- oder Dieselkraftstoff zu gelten, der in solchen Behältern enthalten ist.
Entsprechend der vom Gerichtshof in Rn. 41 des Urteils Meiland Azewijn (EU:C:2004:499) vorgenommenen Auslegung von Art. 8a der Richtlinie 92/81 ist demnach auch Art. 24 der Richtlinie 2003/96 weit auszulegen. Der Begriff „Hauptbehälter“ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2003/96 kann insbesondere nicht dahin ausgelegt werden, dass er Behälter, die in Nutzfahrzeugen fest eingebaut und zu deren unmittelbarer Kraftstoffversorgung bestimmt sind, nur dann erfasst, wenn sie vom Hersteller eingebaut wurden.
Entgegen der Auffassung des Hauptzollamts steht dieses Ergebnis auch im Einklang mit dem Urteil Schoonbroodt (EU:C:1998:586). In diesem Urteil hat der Gerichtshof nämlich nicht die Bestimmung einer Richtlinie über die Besteuerung von Energieerzeugnissen innerhalb des Binnenmarkts, wie Art. 24 der Richtlinie 2003/96, ausgelegt, sondern aufgrund der fraglichen belgischen Rechtsvorschriften eine Bestimmung der zollrechtlichen Verordnung Nr. 918/83. Diese beiden Rechtstexte verfolgen jedoch unterschiedliche Ziele (vgl. in diesem Sinne Urteil Meiland Azewijn, EU:C:2004:499, Rn. 40).
Zwar hat der Gerichtshof in Rn. 20 des Urteils Schoonbroodt (EU:C:1998:586) festgestellt, dass „[d]ie Definitionen des Begriffes ‚Hauptbehälter‘ in den Vorschriften, die möglicherweise einschlägig sind, … keinen für den entscheidungserheblichen Sachverhalt wesentlichen Unterschied [aufweisen]“, jedoch ändert dies nichts daran, dass der Gerichtshof seine Argumentation in diesem Urteil auf seine zollrechtliche Rechtsprechung und nicht auf den Zweck einer im Rahmen des Binnenmarkts erlassenen Bestimmung stützte.
Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass der Begriff „Hauptbehälter“ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 2003/96 dahin auszulegen ist, dass er Behälter, die in Nutzfahrzeugen fest eingebaut und zu deren unmittelbarer Kraftstoffversorgung bestimmt sind, auch dann erfasst, wenn sie von einer anderen Person als dem Hersteller eingebaut wurden, sofern diese Behälter die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs sowohl für den Antrieb der Nutzfahrzeuge als auch gegebenenfalls während des Transports für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstigen Anlagen ermöglichen.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Der Begriff „Hauptbehälter“ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom ist dahin auszulegen, dass er Behälter, die in Nutzfahrzeugen fest eingebaut und zu deren unmittelbarer Kraftstoffversorgung bestimmt sind, auch dann erfasst, wenn sie von einer anderen Person als dem Hersteller eingebaut wurden, sofern diese Behälter die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs sowohl für den Antrieb der Nutzfahrzeuge als auch gegebenenfalls während des Transports für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstigen Anlagen ermöglichen.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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