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EuGH 12.09.2013 - C-475/11
EuGH 12.09.2013 - C-475/11 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) - 12. September 2013 ( *1) - „Freier Dienstleistungsverkehr für Ärzte — Dienstleister, der sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt, um die Dienstleistung zu erbringen — Anwendbarkeit der standesrechtlichen Regeln des Aufnahmemitgliedstaats, insbesondere der Regeln über Honorare und Werbung“
Leitsatz
In der Rechtssache C-475/11
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Gießen (Deutschland) mit Entscheidung vom 2. August 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 19. September 2011, in dem Verfahren gegen
Kostas Konstantinides
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters L. Bay Larsen (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, des Richters J.-C. Bonichot, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von Herrn Konstantinides, vertreten durch Rechtsanwalt G. Fiedler,
der Landesärztekammer Hessen, vertreten durch R. Raasch,
der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und D. Hadroušek als Bevollmächtigte,
der spanischen Regierung, vertreten durch S. Martínez-Lage Sobredo als Bevollmächtigten,
der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und N. Rouam als Bevollmächtigte,
der niederländischen Regierung, vertreten durch B. Koopman und C. Wissels als Bevollmächtigte,
der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten im Beistand von N. Sancho Lampreia, advogado,
der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Støvlbæk und K.-P. Wojcik als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. Januar 2013
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 und Art. 6 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255, S. 22).
Dieses Ersuchen ergeht in einem berufsgerichtlichen Verfahren, das auf Antrag der Landesärztekammer Hessen gegen Herrn Konstantinides wegen Berufsvergehen eingeleitet worden ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Die Erwägungsgründe 3, 8 und 11 der Richtlinie 2005/36 lauten:
Diese Richtlinie gibt Personen, die ihre Berufsqualifikationen in einem Mitgliedstaat erworben haben, Garantien hinsichtlich des Zugangs zu demselben Beruf und seiner Ausübung in einem anderen Mitgliedstaat unter denselben Voraussetzungen wie Inländern; sie schließt jedoch nicht aus, dass der Migrant nicht diskriminierende Ausübungsvoraussetzungen, die dieser Mitgliedstaat vorschreibt, erfüllen muss, soweit diese objektiv gerechtfertigt und verhältnismäßig sind.
…
Für den Dienstleister sollten Disziplinarvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats gelten, die unmittelbar und konkret mit den Berufsqualifikationen verbunden sind, wie die Definition des Berufes, der Umfang der zu einem Beruf gehörenden oder diesem vorbehaltenen Tätigkeiten, das Führen von Titeln und schwerwiegende berufliche Fehler in unmittelbarem und spezifischem Zusammenhang mit dem Schutz und der Sicherheit der Verbraucher.
…
Für die Berufe, die unter die allgemeine Regelung zur Anerkennung von Ausbildungsnachweisen – nachstehend ‚allgemeine Regelung‘ genannt – fallen, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit behalten, das Mindestniveau der notwendigen Qualifikation festzulegen, um die Qualität der in ihrem Hoheitsgebiet erbrachten Leistungen zu sichern. … Dieses allgemeine System zur Anerkennung steht jedoch dem nicht entgegen, dass ein Mitgliedstaat jeder Person, die einen Beruf in diesem Mitgliedstaat ausübt, spezifische Erfordernisse vorschreibt, die durch die Anwendung der durch das allgemeine Interesse gerechtfertigten Berufsregeln begründet sind. Diese betreffen insbesondere die Regeln hinsichtlich der Organisation des Berufs, die beruflichen Standards, einschließlich der standesrechtlichen Regeln, die Vorschriften für die Kontrolle und die Haftung. …“
Art. 1 („Gegenstand“) der Richtlinie 2005/36 sieht vor:
„Diese Richtlinie legt die Vorschriften fest, nach denen ein Mitgliedstaat, der den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in seinem Hoheitsgebiet an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen knüpft (im Folgenden ‚Aufnahmemitgliedstaat‘ genannt), für den Zugang zu diesem Beruf und dessen Ausübung die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten (im Folgenden ‚Herkunftsmitgliedstaat‘ genannt) erworbenen Berufsqualifikationen anerkennt, die ihren Inhaber berechtigen, dort denselben Beruf auszuüben.“
In Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) Abs. 1 der Richtlinie 2005/36 heißt es:
„(1) Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
…
‚Berufsqualifikationen‘ sind die Qualifikationen, die durch einen Ausbildungsnachweis, einen Befähigungsnachweis nach Artikel 11 Buchstabe a Ziffer i und/oder Berufserfahrung nachgewiesen werden;
…“
Art. 4 („Gegenstand der Richtlinie“) der Richtlinie 2005/36 bestimmt in Abs. 1:
„Die Anerkennung der Berufsqualifikationen durch den Aufnahmemitgliedstaat ermöglicht der begünstigten Person, in diesem Mitgliedstaat denselben Beruf wie den, für den sie in ihrem Herkunftsmitgliedstaat qualifiziert ist, aufzunehmen und unter denselben Voraussetzungen wie Inländer auszuüben.“
Art. 5 („Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit“) in Titel II („Dienstleistungsfreiheit“) der Richtlinie 2005/36 sieht vor:
„(1) Unbeschadet spezifischer Vorschriften des Gemeinschaftsrechts sowie der Artikel 6 und 7 dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten die Dienstleistungsfreiheit nicht aufgrund der Berufsqualifikationen einschränken,
wenn der Dienstleister zur Ausübung desselben Berufs rechtmäßig in einem Mitgliedstaat niedergelassen ist (nachstehend ‚Niederlassungsmitgliedstaat‘ genannt) …
…
(2) Die Bestimmungen dieses Titels gelten nur für den Fall, dass sich der Dienstleister zur vorübergehenden und gelegentlichen Ausübung des Berufs nach Absatz 1 in den Aufnahmemitgliedstaat begibt.
Der vorübergehende und gelegentliche Charakter der Erbringung von Dienstleistungen wird im Einzelfall beurteilt, insbesondere anhand der Dauer, der Häufigkeit, der regelmäßigen Wiederkehr und der Kontinuität der Dienstleistung.
(3) Begibt sich der Dienstleister in einen anderen Mitgliedstaat, so unterliegt er im Aufnahmemitgliedstaat den berufsständischen, gesetzlichen oder verwaltungsrechtlichen Berufsregeln, die dort in unmittelbarem Zusammenhang mit den Berufsqualifikationen für Personen gelten, die denselben Beruf wie er ausüben, und den dort geltenden Disziplinarbestimmungen; zu diesen Bestimmungen gehören etwa Regelungen für die Definition des Berufs, das Führen von Titeln und schwerwiegende berufliche Fehler in unmittelbarem und speziellem Zusammenhang mit dem Schutz und der Sicherheit der Verbraucher.“
In Art. 6 („Befreiungen“) der Richtlinie 2005/36 heißt es:
„Gemäß Artikel 5 Absatz 1 befreit der Aufnahmemitgliedstaat den Dienstleister, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, insbesondere von den folgenden Erfordernissen, die er an die in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Berufsangehörigen stellt:
Zulassung, Eintragung oder Mitgliedschaft bei einer Berufsorganisation. Um die Anwendung der in ihrem Hoheitsgebiet geltenden Disziplinarbestimmungen gemäß Artikel 5 Absatz 3 zu erleichtern, können die Mitgliedstaaten entweder eine automatische vorübergehende Eintragung oder eine Pro-forma-Mitgliedschaft bei einer solchen Berufsorganisation vorsehen, sofern diese Eintragung oder Mitgliedschaft die Erbringung der Dienstleistungen in keiner Weise verzögert oder erschwert und für den Dienstleister keine zusätzlichen Kosten verursacht. …
…“
Der zu Titel III („Niederlassungsfreiheit“) der Richtlinie 2005/36 gehörende Art. 13 („Anerkennungsbedingungen“) sieht in Abs. 1 vor:
„Wird die Aufnahme oder Ausübung eines reglementierten Berufs in einem Aufnahmemitgliedstaat von dem Besitz bestimmter Berufsqualifikationen abhängig gemacht, so gestattet die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats den Antragstellern, die den Befähigungs- oder Ausbildungsnachweis besitzen, der in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich ist, um in dessen Hoheitsgebiet die Erlaubnis zur Aufnahme und Ausübung dieses Berufs zu erhalten, die Aufnahme oder Ausübung dieses Berufs unter denselben Voraussetzungen wie Inländern.
…“
Deutsches Recht
Gebührenordnung für Ärzte
Die Gebührenordnung für Ärzte ist eine Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit. Ihr § 1 („Anwendungsbereich“) sieht vor:
„(1) Die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte bestimmen sich nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Vergütungen darf der Arzt nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind. Leistungen, die über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, darf er nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind.“
§ 2 („Abweichende Vereinbarung“) dieser Gebührenordnung bestimmt:
„(1) Durch Vereinbarung kann eine von dieser Verordnung abweichende Gebührenhöhe festgelegt werden. …
(2) Eine Vereinbarung nach Absatz 1 Satz 1 ist nach persönlicher Absprache im Einzelfall zwischen Arzt und Zahlungspflichtigem vor Erbringung der Leistung des Arztes in einem Schriftstück zu treffen. …
…“
§ 6 („Gebühren für andere Leistungen“) dieser Gebührenordnung sieht in Abs. 2 vor:
„Selbständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, können entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden.“
Heilberufsgesetz des Landes Hessen
§ 2 Abs. 1 des Gesetzes des Landes Hessen über die Berufsvertretungen, die Berufsausübung, die Weiterbildung und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufsgesetz) in der Fassung des Gesetzes vom 15. September 2011 bestimmt:
„Den Kammern gehören als Berufsangehörige an alle
Ärztinnen und Ärzte,
…
die in Hessen ihren Beruf ausüben. …“
§ 3 dieses Gesetzes sieht vor:
„(1) Berufsangehörige, die als Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 [ABl. 1994, L 1, S. 3] im Geltungsbereich dieses Gesetzes im Rahmen des Dienstleistungsverkehrs nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften ihren Beruf vorübergehend und gelegentlich ausüben, ohne hier eine berufliche Niederlassung zu haben, gehören abweichend von § 2 Abs. 1 Satz 1 den Kammern nicht an, solange sie in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum beruflich niedergelassen sind. Die Dienstleistung wird unter den in § 2 Abs. 1 Satz 1 aufgeführten Berufsbezeichnungen erbracht.
…
(3) Berufsangehörige nach Abs. 1 haben hinsichtlich der Berufsausübung die gleichen Rechte und Pflichten wie die Berufsangehörigen nach § 2 Abs. 1 Satz 1, insbesondere die Rechte und Pflichten nach den §§ 22 und 23 zur gewissenhaften Berufsausübung, Fortbildung, Teilnahme am Notfalldienst und zur Dokumentation sowie die Pflicht zur Anerkennung der berufsständischen, gesetzlichen oder verwaltungsrechtlichen Berufsregeln nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36/EG. Die nach den §§ 24 und 25 erlassenen Berufsordnungen und der Sechste Abschnitt dieses Gesetzes gelten entsprechend.“
Nach § 49 Abs. 1 Satz 1 des Heilberufsgesetzes werden Verstöße von Kammerangehörigen gegen ihre Berufspflichten im berufsgerichtlichen Verfahren geahndet. § 50 sieht vor, dass in diesem Verfahren auf Warnung, Verweis, zeitweilige Entziehung des Wahlrechts, Geldbuße bis zu 50000 Euro und Feststellung auf Unwürdigkeit des Kammermitglieds, den Beruf auszuüben, erkannt werden kann.
Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen
Die Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen (im Folgenden: Berufsordnung) wurde von der hessischen Landesärztekammer in Anwendung der §§ 24 und 25 des Heilberufsgesetzes erlassen. Sie legt die Berufspflichten der Ärzte fest und dient laut ihrer Präambel dem Ziel, das Vertrauen zwischen Arzt und Patient zu erhalten und zu fördern, die Qualität der ärztlichen Tätigkeit im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung sicherzustellen, die Freiheit und das Ansehen des Arztberufs zu wahren sowie berufswürdiges Verhalten zu fördern und berufsunwürdiges Verhalten zu verhindern.
§ 12 („Honorar und Vergütungsabsprachen“) der Berufsordnung bestimmt:
„(1) Die Honorarforderung muss angemessen sein. Für die Bemessung ist die Amtliche Gebührenordnung (GOÄ) die Grundlage, soweit nicht andere gesetzliche Vergütungsregelungen gelten. Der Arzt darf die Sätze nach der GOÄ nicht in unlauterer Weise unterschreiten. Bei Abschluss einer Honorarvereinbarung hat der Arzt auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Zahlungspflichtigen Rücksicht zu nehmen.
…
(3) Auf Antrag eines Beteiligten gibt die Ärztekammer eine gutachterliche Äußerung über die Angemessenheit der Honorarforderung ab.“
§ 27 („Erlaubte Information und berufswidrige Werbung“) der Berufsordnung sieht vor:
„(1) Zweck der nachstehenden Vorschriften der Berufsordnung ist die Gewährleistung des Patientenschutzes durch sachgerechte und angemessene Information und die Vermeidung einer dem Selbstverständnis des Arztes zuwiderlaufenden Kommerzialisierung des Arztberufs.
(2) Auf dieser Grundlage sind dem Arzt sachliche berufsbezogene Informationen gestattet.
(3) Berufswidrige Werbung ist dem Arzt untersagt. Berufswidrig ist insbesondere eine nach Inhalt oder Form anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. Der Arzt darf eine solche Werbung durch andere weder veranlassen noch dulden. Werbeverbote aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen bleiben unberührt.
…“
In Kapitel D der Berufsordnung lautet Nr. 13 („Grenzüberschreitende ärztliche Tätigkeit von Ärzten aus anderen EU-Mitgliedstaaten“):
„Wird ein Arzt, der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union niedergelassen ist oder dort seine berufliche Tätigkeit entfaltet, vorübergehend im Geltungsbereich dieser Berufsordnung grenzüberschreitend ärztlich tätig, ohne eine Niederlassung zu begründen, so hat er die Vorschriften dieser Berufsordnung zu beachten. Dies gilt auch, wenn der Arzt sich darauf beschränken will, im Geltungsbereich dieser Berufsordnung auf seine Tätigkeit aufmerksam zu machen; die Ankündigung seiner Tätigkeit ist ihm nur in dem Umfang gestattet, als sie nach dieser Berufsordnung erlaubt ist.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Herr Konstantinides, ein griechischer Arzt, erwarb seinen Doktorgrad der Medizin 1981 in Athen (Griechenland). Er war insbesondere von 1986 bis 1990 Chefarzt der andrologischen Abteilung des Universitätsklinikums in Athen und ist seit 1990 in einer eigenen, als „Andrology Institute Athens“ (Andrologisches Institut Athen) bezeichneten Praxis tätig. Er ist in Athen niedergelassen und Mitglied der dortigen und der griechischen Ärztekammer.
Im gesamten Zeitraum von 2006 bis 2010 kam Herr Konstantinides durchschnittlich an einem oder zwei Tagen pro Monat nach Deutschland, um im räumlichen Zuständigkeitsbereich der Landesärztekammer Hessen andrologische Operationen im ambulanten Operationszentrum des Ärztehauses am Elisabethenstift in Darmstadt (Deutschland) durchzuführen. Die Tätigkeit von Herrn Konstantinides beschränkte sich ausnahmslos auf die Durchführung hochspezialisierter chirurgischer Eingriffe, während die sonstigen im Zusammenhang mit der Operation stehenden Dienstleistungen wie Terminvereinbarungen oder die Operationsnachsorge in den Händen des Personals des Ärztehauses verblieben.
Im August 2007 operierte er einen Patienten erfolgreich ambulant in dem genannten Ärztehaus. Auf eine gegen die Höhe der von Herrn Konstantinides ausgestellten Rechnung gerichtete Beschwerde dieses Patienten hin führte die Landesärztekammer Hessen Ermittlungen durch, die zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Herrn Konstantinides vor dem vorlegenden Gericht wegen Verstoßes gegen die Gebührenordnung für Ärzte und gegen das Verbot berufswidriger Werbung führte.
Die Einleitung dieses Disziplinarverfahrens wurde damit begründet, dass Herr Konstantinides „im Rahmen einer Honorarvereinbarung unter einer Gebührenziffer eine Leistung liquidierte, bezüglich der[en] diese Gebührenziffer nicht frei vereinbar war“, und dass er somit ein Berufsvergehen gemäß § 12 der Berufsordnung in Verbindung mit den §§ 2, 6 Abs. 2 und 12 der Gebührenordnung für Ärzte begangen habe. Das geforderte Honorar sei überhöht gewesen und rechtfertige eine disziplinarische Sanktion.
Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts rechnete Herr Konstantinides die durchgeführte Operation mangels einer für sie einschlägigen Gebührenziffer mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 6395,96 Euro ab, wobei er eine Analogziffer, gesteigert mit Faktor 16,2, zugrunde legte sowie weitere Gebührenziffern, teilweise ebenfalls analog, mit verschiedenen Steigerungsfaktoren ansetzte. Herr Konstantinides machte geltend, dass diese Steigerungssätze aufgrund einer mit dem Patienten getroffenen abweichenden Vereinbarung angewandt worden seien.
In Bezug auf das Verbot berufswidriger Werbung wirft die Landesärztekammer Hessen Herrn Konstantinides vor, er habe gegen § 27 der Berufsordnung verstoßen, indem er berufswidrige Werbung betrieben habe. Im Einzelnen habe er auf seiner Website für seine Tätigkeit im Ärztehaus am Elisabethenstift in Darmstadt unter den Begriffen „Deutsches Institut“ und „Europäisches Institut“ geworben, obwohl er in diesem Ärztehaus Operationen nur „vorübergehend“ und „gelegentlich“ und ohne die Infrastruktur einer Klinik durchführe und obwohl diese Operationen nicht im Rahmen einer öffentlichen oder unter öffentlicher Aufsicht stehenden wissenschaftlich arbeitenden Einrichtung vorgenommen worden seien.
Nach Ansicht der Landesärztekammer ist § 3 Abs. 1 und 3 des Heilberufsgesetzes, wonach Herr Konstantinides verpflichtet ist, die in Anwendung der §§ 24 und 25 dieses Gesetzes erlassene Berufsordnung zu beachten, eine korrekte Umsetzung der Richtlinie 2005/36, insbesondere ihrer Art. 5 und 6, und somit unionrechtskonform.
Herr Konstantinides beruft sich im Wesentlichen darauf, dass er im Einklang mit dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit vorübergehend und gelegentlich in Deutschland tätig sei und daher nicht dem deutschen Standesrecht unterliege. Beschwerden der deutschen Standesorganisationen wie die im Ausgangsverfahren vorgebrachten seien an „die zuständige Behörde des Herkunftsstaates“, im konkreten Fall also an die Ärztekammer Athen, zu richten. Hilfsweise tritt er den gegen ihn erhobenen Vorwürfen entgegen.
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts bedarf der Klärung, ob die §§ 12 und 27 der Berufsordnung von ihrem materiellen Gehalt her bei einer Auslegung im Licht von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 der Zielsetzung dieses Artikels entsprechen. Es äußert insoweit ernste Zweifel daran, dass die Honorarbemessungsvorgaben in § 12 der Berufsordnung und das Verbot berufswidriger Werbung in § 27 Abs. 1 und 3 in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie fallen.
Das vorlegende Gericht führt ferner aus, nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 müsse der Aufnahmemitgliedstaat zwischen Dienstleistern, die ihren Beruf vorübergehend und gelegentlich dort ausübten, und Personen, die dort denselben Beruf ausübten, differenzieren, was nicht gewährleistet wäre, wenn das Disziplinarrecht dieses Mitgliedstaats pauschal für die genannten Dienstleister gelten würde. Daher bestünden Zweifel an der Vereinbarkeit von § 3 Abs. 1 und 3 des Heilberufsgesetzes mit dem Unionsrecht.
Unter diesen Umständen hat das Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Gießen beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Zu Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36:
Zählt die Vorschrift des § 12 Abs. 1 der Berufsordnung zu den berufsständischen Regelungen, bei deren Nichtbeachtung durch den Dienstleister im Aufnahmestaat ein berufsgerichtliches Verfahren im Sinne eines Disziplinarverfahrens durchgeführt werden darf wegen eines schwerwiegenden beruflichen Fehlers in unmittelbarem und speziellem Zusammenhang mit dem Schutz und der Sicherheit der Verbraucher?
Wenn ja: Gilt dies auch für den Fall, dass für die vom Dienstleister (hier: dem Arzt) durchgeführte Operation in der geltenden Gebührenordnung für Ärzte des Aufnahmestaats keine einschlägige Gebührenziffer vorhanden ist?
Zählen die Vorschriften über berufswidrige Werbung (§ 27 Abs. 1 bis 3 in Verbindung mit Abschnitt D Nr. 13 der Berufsordnung) zu den berufsständischen Regelungen, bei deren Nichtbeachtung durch den Dienstleister im Aufnahmestaat ein berufsgerichtliches Verfahren im Sinne eines Disziplinarverfahrens durchgeführt werden darf wegen eines schwerwiegenden beruflichen Fehlers in unmittelbarem und speziellem Zusammenhang mit dem Schutz und der Sicherheit der Verbraucher?
Zu Art. 6 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36:
Stellen die zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36 getroffenen Änderungsregelungen zu § 3 Abs. 1 und 3 des Heilberufsgesetzes die zutreffende Umsetzung der vorbezeichneten Regelungen in der Richtlinie 2005/36 dar, indem sowohl die einschlägigen Berufsordnungen als auch die Regelungen über die Berufsgerichtsbarkeit im Sechsten Abschnitt des Heilberufsgesetzes vollumfänglich auf die im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 57 AEUV im Aufnahmestaat vorübergehend tätigen Dienstleister (hier: Ärztinnen und Ärzte) für anwendbar erklärt werden?
Zu den Vorlagefragen
Zu den Fragen 1 bis 3
Mit seinen Fragen 1 bis 3 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 dahin auszulegen ist, dass nationale Regeln wie § 12 Abs. 1 der Berufsordnung, wonach Honorarforderungen angemessen sein müssen und, soweit nicht andere gesetzliche Vergütungsregelungen gelten, auf der Grundlage der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte zu bemessen sind, und § 27 Abs. 3 der Berufsordnung, der den Ärzten berufswidrige Werbung untersagt, in seinen Anwendungsbereich fallen.
Zu den im Ausgangsverfahren anwendbaren Vorgaben für die Honorarbemessung ist festzustellen, dass nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts § 12 der Berufsordnung u. a. in Verbindung mit § 6 Abs. 2 der Gebührenordnung für Ärzte zu sehen ist, der bestimmt, dass selbständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden können.
Die Richtlinie 2005/36 hat nach ihrem Art. 1 zum Gegenstand, die Vorschriften festzulegen, nach denen ein Mitgliedstaat, der den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in seinem Hoheitsgebiet an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen knüpft, für den Zugang zu diesem Beruf und dessen Ausübung die in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Berufsqualifikationen anerkennt, die ihren Inhaber berechtigen, dort denselben Beruf auszuüben.
In Bezug auf die in Titel III der Richtlinie 2005/36 geregelte Niederlassung in einem Aufnahmemitgliedstaat sieht ihr Art. 13 vor, dass der Aufnahmemitgliedstaat den Antragstellern, die den Befähigungs- oder Ausbildungsnachweis besitzen, der in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich ist, um in dessen Hoheitsgebiet die Erlaubnis zur Aufnahme und Ausübung des fraglichen reglementierten Berufs zu erhalten, die Aufnahme oder Ausübung dieses Berufs unter denselben Voraussetzungen gestattet wie Inländern. Eine solche Anerkennung von Berufsqualifikationen verschafft dem Betroffenen somit im Aufnahmemitgliedstaat vollen Zugang zu dem reglementierten Beruf und ermöglicht es ihm, diesen Beruf dort unter denselben Voraussetzungen wie Inländer auszuüben, wobei der Zugang das Recht umfasst, die vom Aufnahmemitgliedstaat vorgesehene Berufsbezeichnung zu führen.
Im Rahmen der in Titel II der Richtlinie 2005/36 geregelten Dienstleistungsfreiheit stellt ihr Art. 5 Abs. 1 für den Fall, dass sich der Dienstleister in den Aufnahmemitgliedstaat begibt, um dort seinen Beruf unter der im Herkunftsmitgliedstaat erworbenen Berufsbezeichnung vorübergehend und gelegentlich auszuüben, den Grundsatz auf, dass die Mitgliedstaaten die Dienstleistungsfreiheit nicht aufgrund der Berufsqualifikationen einschränken können, wenn der Dienstleister zur Ausübung desselben Berufs rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist.
In diesem konkreten Kontext sieht Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 vor, dass der Dienstleister, wenn er seine beruflichen Tätigkeiten vorübergehend und gelegentlich ausübt, den berufsständischen, gesetzlichen oder verwaltungsrechtlichen Berufsregeln, die in unmittelbarem Zusammenhang mit seinen Berufsqualifikationen stehen, sowie den Disziplinarbestimmungen unterliegt, die im Aufnahmemitgliedstaat für Personen gelten, die denselben Beruf wie er ausüben.
Dabei handelt es sich, wie dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie zu entnehmen ist, um Disziplinarvorschriften, mit denen die Nichteinhaltung der Berufsregeln im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 geahndet wird.
Als möglichen Inhalt dieser Regeln, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Berufsqualifikationen stehen müssen, nennt Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 Regelungen für die Definition des Berufs, für das Führen von Titeln und für schwerwiegende berufliche Fehler in unmittelbarem und speziellem Zusammenhang mit dem Schutz und der Sicherheit der Verbraucher. Im achten Erwägungsgrund der Richtlinie werden ferner die Regeln erwähnt, die den Umfang der zu einem Beruf gehörenden oder diesem vorbehaltenen Tätigkeiten betreffen.
Aus dem Gegenstand, der Zielsetzung und der allgemeinen Systematik der Richtlinie 2005/36 ergibt sich, dass von ihrem Art. 5 Abs. 3 nur solche berufsständischen Regeln erfasst werden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausübung der ärztlichen Heilkunst selbst stehen und deren Nichtbeachtung den Schutz des Patienten beeinträchtigt.
Folglich sind weder die Vorgaben für die Honorarbemessung noch das Verbot berufswidriger Werbung durch Ärzte, wie sie im Ausgangsverfahren zur Anwendung kommen, berufsständische Regeln, die im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 in unmittelbarem und speziellem Zusammenhang mit den Berufsqualifikationen für den Zugang zu dem betreffenden reglementierten Beruf stehen.
Daraus ist zu schließen, dass nationale Regeln, wie sie § 12 Abs. 1 und § 27 Abs. 3 der Berufsordnung enthalten, nicht in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 fallen.
Im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof ist es Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (vgl. u. a. Urteile vom 17. Juli 1997, Krüger, C-334/95, Slg. 1997, I-4517, Randnrn. 22 und 23, sowie vom 14. Oktober 2010, Fuß, C-243/09, Slg. 2010, I-9849, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zu diesem Zweck kann der Gerichtshof aus dem gesamten vom nationalen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Normen und Grundsätze des Unionsrechts herausarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 29. November 1978, Redmond, 83/78, Slg. 1978, 2347, Randnr. 26, vom 23. Oktober 2003, Inizan, C-56/01, Slg. 2003, I-12403, Randnr. 34, und Fuß, Randnr. 40).
Hierzu ist festzustellen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens und unter Berücksichtigung der Erwägungen in den Randnrn. 40 und 41 des vorliegenden Urteils die Vereinbarkeit der Regelung, um die es im Ausgangsverfahren geht, mit dem Unionsrecht nicht anhand der Richtlinie 2005/36, sondern anhand des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs in Art. 56 AEUV zu prüfen ist.
Art. 56 AEUV verlangt nach ständiger Rechtsprechung nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung des Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder des Umstands, dass er in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist als dem, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten –, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist und dort rechtmäßig vergleichbare Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (Urteil vom 19. Dezember 2012, Kommission/Belgien, C-577/10, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zudem umfasst der Begriff der Beschränkung insbesondere die von einem Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen, die, obwohl sie unterschiedslos anwendbar sind, den freien Dienstleistungsverkehr in den übrigen Mitgliedstaaten berühren (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 29. März 2011, Kommission/Italien, C-565/08, Slg. 2011, I-2101, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im Ausgangsverfahren ist unstreitig, dass die in Rede stehenden Bestimmungen unterschiedslos für alle Ärzte gelten, die in Hessen Dienstleistungen erbringen.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass eine Regelung eines Mitgliedstaats nicht allein deshalb eine Beschränkung im Sinne des AEU-Vertrags darstellt, weil andere Mitgliedstaaten die in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Erbringer gleichartiger Dienstleistungen weniger strengen oder wirtschaftlich interessanteren Vorschriften unterwerfen (vgl. Urteil Kommission/Italien, Randnr. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Daher kann allein daraus, dass sich Ärzte, die in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland niedergelassen sind, bei der Berechnung ihrer Honorare für in Hessen erbrachte Leistungen den dort geltenden Regeln unterwerfen müssen, nicht auf das Vorliegen einer Beschränkung im Sinne des Vertrags geschlossen werden.
Sollte jedoch – was der Beurteilung durch das nationale Gericht unterliegt – der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung jegliche Flexibilität fehlen, würde ihre Anwendung, die auf Ärzte aus anderen Mitgliedstaaten abschreckend wirken könnte, eine Beschränkung im Sinne des Vertrags darstellen.
Was die Rechtfertigung einer solchen Beschränkung anbelangt, können nach gefestigter Rechtsprechung nationale Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, nur dann zugelassen werden, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, wenn sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist (vgl. u. a. Urteil vom 16. April 2013, Las, C-202/11, Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Insoweit obliegt dem vorlegenden Gericht die Prüfung, ob sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung – unterstellt, dass ihre Anwendung unter Bedingungen wie den in der Vorlageentscheidung beschriebenen eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt – auf ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel stützt. Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass der Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, wie ihn Art. 36 AEUV vorsieht, sowie der Verbraucherschutz Ziele sind, die als zwingende Gründe des Allgemeininteresses angesehen werden können und mit denen sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen lässt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a., C-94/04 und C-202/04, Slg. 2006, I-11421, Randnr. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 8. November 2007, Ludwigs-Apotheke, C-143/06, Slg. 2007, I-9623, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Hinsichtlich der Frage, ob eine solche, auf ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel gestützte Regelung geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zu seiner Erreichung erforderlich ist, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Regelung tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, das verfolgte Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist insbesondere die Schwere der beabsichtigten Sanktion zu berücksichtigen.
Demnach ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung eine Beschränkung im Sinne von Art. 56 AEUV darstellt und – wenn ja – ob mit ihr ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, ob sie geeignet ist, dessen Erreichung zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist.
Was die berufswidrige Werbung anbelangt, sieht § 27 Abs. 3 der Berufsordnung allgemein vor, dass den Ärzten berufswidrige Werbung untersagt ist.
Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um ein vollständiges Verbot von Werbung oder einer bestimmten Form von Werbung. § 27 Abs. 3 der Berufsordnung verbietet nicht die Werbung für ärztliche Dienstleistungen an sich, sondern verlangt, dass der Inhalt einer solchen Werbung nicht berufswidrig ist.
Auch wenn eine Regelung, die wie § 27 Abs. 3 der Berufsordnung Werbung mit berufswidrigem Inhalt verbietet und eine gewisse Mehrdeutigkeit aufweist, kein vollständiges Verbot von Werbung oder einer bestimmten Form von Werbung, das nach ständiger Rechtsprechung als solches eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellen kann (vgl. u. a. Urteil vom 17. Juli 2008, Corporación Dermoestética, C-500/06, Slg. 2008, I-5785, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung), aufstellt, ist sie geeignet, den freien Verkehr der betreffenden ärztlichen Dienstleistungen zu behindern.
Gleichwohl kann, wie der Generalanwalt in Nr. 68 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die diskriminierungsfreie Anwendung nationaler oder regionaler Regeln, die im Hinblick auf ein berufsethisches Kriterium die Voraussetzungen aufstellen, unter denen ein Arzt seine Tätigkeiten auf dem betreffenden Gebiet bewerben darf, auf einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Arzt durch zwingende, den Gesundheits- und Verbraucherschutz betreffende Erwägungen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden, sofern – was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist – die eventuelle Verhängung von Sanktionen gegenüber einem Arzt, der von der Dienstleistungsfreiheit Gebrauch macht, in angemessenem Verhältnis zu dem Verhalten steht, das dem Betroffenen vorgeworfen wird.
Nach alledem ist auf die Fragen 1 bis 3 zu antworten, dass Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 dahin auszulegen ist, dass nationale Regeln, wie sie zum einen in § 12 Abs. 1 der Berufsordnung enthalten sind, wonach Honorarforderungen angemessen sein müssen und, soweit nicht andere gesetzliche Vergütungsregelungen gelten, auf der Grundlage der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte zu bemessen sind, und zum anderen in § 27 Abs. 3 der Berufsordnung, der den Ärzten berufswidrige Werbung untersagt, nicht in seinen sachlichen Anwendungsbereich fallen. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung der Hinweise des Gerichtshofs zu prüfen, ob diese Regeln eine Beschränkung im Sinne von Art. 56 AEUV darstellen und – wenn ja – ob mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, ob sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist.
Zur vierten Frage
Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Buchst. a der Richtlinie 2005/36 einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, nach der die Berufsordnung und die mit ihr zusammenhängenden Regeln über die Berufsgerichtsbarkeit in vollem Umfang auf Dienstleister für anwendbar erklärt werden, die sich in den Aufnahmemitgliedstaat begeben, um dort vorübergehend und gelegentlich ihren Beruf auszuüben.
Nach ständiger Rechtsprechung ist das in Art. 267 AEUV vorgesehene Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen (vgl. u. a. Urteil vom 27. November 2012, Pringle, C-370/12, Randnr. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall sind der Vorlageentscheidung keine Angaben zur Erheblichkeit der Frage, ob das Unionsrecht, insbesondere die Richtlinie 2005/36, einer Anwendung aller Bestimmungen der Berufsordnung und den mit ihr zusammenhängenden Regeln über die Berufsgerichtsbarkeit entgegensteht, für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits zu entnehmen.
Daher ist die vierte Frage unzulässig, soweit sie alle Bestimmungen der Berufsordnung und die mit ihr zusammenhängenden Regeln über die Berufsgerichtsbarkeit betrifft.
Da die Antwort auf diese Frage auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regeln zu begrenzen ist, ist klarzustellen, dass Art. 6 Buchst. a der Richtlinie 2005/36 weder die Berufsregeln noch die Disziplinarverfahren vorschreibt, denen ein Dienstleister unterworfen werden kann, sondern nur bestimmt, dass die Mitgliedstaaten, um die Anwendung der Disziplinarbestimmungen gemäß Art. 5 Abs. 3 dieser Richtlinie zu erleichtern, entweder eine automatische vorübergehende Eintragung oder eine Pro-forma-Mitgliedschaft bei einer Berufsorganisation vorsehen können.
Auf die vierte Frage ist daher zu antworten, dass Art. 6 Buchst. a der Richtlinie 2005/36 dahin auszulegen ist, dass er weder die Berufsregeln noch die Disziplinarverfahren vorschreibt, denen ein Dienstleister unterworfen werden kann, der sich zur vorübergehenden und gelegentlichen Ausübung seines Berufs in den Aufnahmemitgliedstaat begibt, sondern nur vorsieht, dass die Mitgliedstaaten, um die Anwendung der Disziplinarbestimmungen gemäß Art. 5 Abs. 3 dieser Richtlinie zu erleichtern, entweder eine automatische vorübergehende Eintragung oder eine Pro-forma-Mitgliedschaft bei einer Berufsorganisation vorsehen können.
Kosten
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen ist dahin auszulegen, dass nationale Regeln, wie sie zum einen in § 12 Abs. 1 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen enthalten sind, wonach Honorarforderungen angemessen sein müssen und, soweit nicht andere gesetzliche Vergütungsregelungen gelten, auf der Grundlage der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte zu bemessen sind, und zum anderen in § 27 Abs. 3 der Berufsordnung, der den Ärzten berufswidrige Werbung untersagt, nicht in seinen sachlichen Anwendungsbereich fallen. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung der Hinweise des Gerichtshofs der Europäischen Union zu prüfen, ob diese Regeln eine Beschränkung im Sinne von Art. 56 AEUV darstellen und – wenn ja – ob mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, ob sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist.
Art. 6 Buchst. a der Richtlinie 2005/36 ist dahin auszulegen, dass er weder die Berufsregeln noch die Disziplinarverfahren vorschreibt, denen ein Dienstleister unterworfen werden kann, der sich zur vorübergehenden und gelegentlichen Ausübung seines Berufs in den Aufnahmemitgliedstaat begibt, sondern nur vorsieht, dass die Mitgliedstaaten, um die Anwendung der Disziplinarbestimmungen gemäß Art. 5 Abs. 3 dieser Richtlinie zu erleichtern, entweder eine automatische vorübergehende Eintragung oder eine Pro-forma-Mitgliedschaft bei einer Berufsorganisation vorsehen können.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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