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BAG 24.04.2024 - 7 ABR 20/23
BAG 24.04.2024 - 7 ABR 20/23 - Wahlanfechtung - Rechtsbeschwerde - Verfahrensfortsetzungsvoraussetzung
Normen
§ 87 Abs 2 ArbGG, § 89 ArbGG, § 94 Abs 2 ArbGG, § 19 Abs 2 BetrVG, § 62 Abs 1 ZPO, § 80 S 2 ZPO, § 89 ZPO
Vorinstanz
vorgehend ArbG Hannover, 7. September 2022, Az: 8 BV 2/22, Beschluss
vorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 9. Mai 2023, Az: 10 TaBV 58/22, Beschluss
Tenor
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Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 9. Mai 2023 - 10 TaBV 58/22 - wird zurückgewiesen.
Gründe
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A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer im März 2022 durchgeführten Betriebsratswahl.
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Die zu 1. bis 7. im Verfahren Beteiligten sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dem von der zu 9. beteiligten Arbeitgeberin betriebenen Werk in H. In diesem Betrieb wurde vom 1. bis 3. März 2022 der zu 8. beteiligte Betriebsrat gewählt; das Wahlergebnis wurde am 11. März 2022 bekanntgegeben.
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Mit einem am 24. März 2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen und nur vom Beteiligten zu 5. unterzeichneten Schriftsatz ist das vorliegende Wahlanfechtungsverfahren eingeleitet worden. In der Antragsschrift sind in fortlaufender Nummerierung zwei Arbeitnehmerinnen und fünf Arbeitnehmer namentlich angeführt und jeweils als „Antragsteller(in) und Beteiligte(r)“ bezeichnet. Weiter ist formuliert: „... beantragen wir ...: Die Betriebsratswahl im Betrieb ... vom 01.03.2022 bis 03.03.2022, wird für unwirksam erklärt“. Eine das Datum 21. März 2022 ausweisende Vollmacht der Beteiligten zu 1. bis 4., zu 6. und zu 7. für den Beteiligten zu 5., die Wahl anzufechten und einen entsprechenden Antrag zu stellen, ist am 7. April 2022 beim Arbeitsgericht eingegangen.
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Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, die Betriebsratswahl fristgerecht angefochten zu haben. Die Auslegung der Antragsschrift ergebe, dass der Beteiligte zu 5. den Antrag für alle gestellt und die anderen insoweit vertreten habe. Auch ohne die Angabe „in Vertretung“ erschließe sich, dass der Beteiligte zu 5. nicht allein für sich, sondern für alle als Antragsteller bezeichneten Arbeitnehmer eine Erklärung habe abgeben wollen. Die Zustimmung der weiteren Antragsteller werde durch die nachgereichte Vollmacht belegt. Zwischen ihnen liege eine auch im Beschlussverfahren zulässige notwendige Streitgenossenschaft vor.
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Die Antragsteller haben beantragt,
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die Betriebsratswahl im Betrieb H der V AG vom 1. bis 3. März 2022 für unwirksam zu erklären.
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Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin haben Antragsabweisung beantragt.
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Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Begehren weiter.
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B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
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I. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
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1. Die Antragsteller sind rechtsbeschwerdebefugt und durch die Zurückweisung ihrer Beschwerde gegen die Abweisung des Wahlanfechtungsantrags auch beschwert.
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2. Die rechtzeitig und formgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde genügt den Anforderungen des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG an ihre Begründung.
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a) Nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muss die Rechtsbeschwerdebegründung angeben, welche rechtliche Bestimmung durch den angefochtenen Beschluss verletzt sein soll und worin diese Verletzung bestehen soll. Für eine Sachrüge hat sie den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzuzeigen, dass Gegenstand und Richtung ihres Angriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Rechtsbeschwerdeführer muss darlegen, warum er die tragenden Erwägungen des Beschwerdegerichts für unrichtig hält. Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne erkennbare Auseinandersetzung mit den Gründen des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsbeschwerdebegründung ebenso wenig wie die Wiedergabe des bisherigen Vorbringens. Es reicht auch nicht aus, wenn der Rechtsbeschwerdeführer die Würdigungen des Beschwerdegerichts lediglich mit formelhaften Wendungen rügt (BAG 24. Mai 2023 - 7 ABR 8/22 - Rn. 10). Die Rechtsmittelbegründung muss - im Falle ihrer Berechtigung - geeignet sein, die gesamte Entscheidung in Frage zu stellen (BAG 16. Mai 2007 - 7 ABR 45/06 - Rn. 13, BAGE 122, 293). Das prozessuale Gebot einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung reicht aber nicht weiter als von dessen Gründen vorgegeben. Vom Rechtsmittelführer kann nicht mehr an Begründung verlangt werden als vom Gericht seinerseits aufgewendet worden war (vgl. zur Revision BAG 15. April 2008 - 1 AZR 65/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 126, 237).
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b) Diesen Anforderungen wird die Rechtsbeschwerde gerecht.
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aa) Das Landesarbeitsgericht ist - ebenso wie das Arbeitsgericht - davon ausgegangen, die streitbefangene Betriebsratswahl sei nicht binnen der in § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG festgelegten Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, von mindestens drei Wahlberechtigten iSd. § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG angefochten worden. Damit sei die Wahlanfechtung unzulässig. Die innerhalb der Frist beim Arbeitsgericht eingereichte Antragsschrift trage nur die Unterschrift des Beteiligten zu 5.; einzelnen Arbeitnehmern stehe jedoch kein Anfechtungsrecht zu. Ein Handeln des Beteiligten zu 5. als Vertreter der in der Antragsschrift weiter genannten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sei nicht erkennbar. Von dem Erfordernis der offenen Stellvertretung könne auch dann nicht abgesehen werden, wenn die Antragsteller notwendige Streitgenossen iSv. § 62 Abs. 1 ZPO wären. Eine Vertretung könne sich nicht schon damit begründen lassen, dass die Antragsschrift die notwendige Anzahl von drei oder mehr Arbeitnehmern mit Namen (und Anschrift) benenne. Darüber hinaus genüge nicht, eine Vollmacht erst nach Ablauf der zweiwöchigen Ausschlussfrist nachzuweisen. Es handele sich bei § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG um keine prozessuale Frist, sondern um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist.
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bb) Mit dieser Begründung des Landesarbeitsgerichts setzt sich die Rechtsbeschwerde hinreichend auseinander. Sie rügt zum einen, das Landesarbeitsgericht habe verkannt, dass sich die vom Antragsteller zu 5. stellvertretend (auch) für die anderen Antragsteller erklärte Wahlanfechtung aus - näher angeführten - Umständen der Antragsschrift und deren Begründung ergebe. Im Übrigen bestehe eine notwendige Streitgenossenschaft. Die Rechtsbeschwerde macht weiterhin geltend, es komme nicht darauf an, dass die Vollmachtsurkunde nach Ablauf der zweiwöchigen Anfechtungsfrist nachgereicht worden sei. Damit werden Gegenstand und Richtung des Rechtsbeschwerdeangriffs ausreichend erkennbar. Dies gilt auch mit Blick auf das selbständig tragende Argument des Landesarbeitsgerichts („Darüber hinaus …“), dass die Vollmacht nicht innerhalb der Anfechtungsfrist vorgelegt worden sei. Die Rechtsbeschwerde greift dies mit ihren Ausführungen an, die Frist sei nicht einzuhalten gewesen, weil die Vollmacht bereits seit dem 21. März 2022 bestanden habe. Ausreichend ist insoweit, dass mit der Rechtsbeschwerdebegründung Gegenstand und Richtung des Angriffs erkennbar werden und nicht die Frage, ob dieser geeignet ist, die Rechtsbeschwerde auch zu begründen.
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II. Die Rechtsbeschwerde ist aber unbegründet, weil die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts mangels ausreichender Begründung unzulässig war.
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1. Die Zulässigkeit der Beschwerde gehört zu den Verfahrensfortsetzungsvoraussetzungen einer Rechtsbeschwerde (BAG 23. Februar 2021 - 1 ABR 33/19 - Rn. 9). Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob das in der Vorinstanz eingelegte Rechtsmittel ordnungsgemäß eingelegt und begründet wurde (BAG 15. November 2022 - 1 ABR 15/21 - Rn. 15). Es kommt nicht darauf an, ob das Landesarbeitsgericht die Beschwerde als zulässig angesehen hat (BAG 23. Februar 2021 - 1 ABR 33/19 - Rn. 9).
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2. Die Beschwerdebegründung genügt entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht den gesetzlichen Anforderungen.
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a) Nach § 87 Abs. 2 Satz 1, § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO verlangt eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Die Begründung muss sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Beschlusses befassen. Allgemeine, formelhafte Wendungen genügen hierfür nicht. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Beschwerdeführer die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdenkt (BAG 23. Februar 2021 - 1 ABR 33/19 - Rn. 11).
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b) Das Arbeitsgericht hat den Wahlanfechtungsantrag als unzulässig angesehen, weil er innerhalb der Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG weder von drei Anfechtungsberechtigten noch von einem Bevollmächtigten unterzeichnet und innerhalb dieser Frist auch keine Vollmacht vorgelegt worden sei. Die am 7. April 2022 nachgereichte Vollmacht habe den Mangel nicht heilen können. Eine solche Annahme stünde der vom Gesetz angestrebten alsbaldigen Rechtssicherheit über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl entgegen. Bei der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sei kein Raum für eine Anwendung von § 89 Abs. 1 ZPO.
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c) Die Beschwerdebegründung geht zwar auf die Umstände ein, die - nach Ansicht der Antragsteller - auf eine Vertretung der Beteiligten zu 1. bis 4. sowie 6. und 7. beim Wahlanfechtungsantrag deuten sollen. Im Übrigen wird aber nur darauf verwiesen, dass nach § 80 Satz 2 ZPO oder § 89 Abs. 2 ZPO das Nachreichen der Vollmacht möglich sei und §§ 80 ff. ZPO auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Geltung beanspruchten. Da die Genehmigung der Verfahrensführung nach § 89 Abs. 2 ZPO den Mangel der Vollmacht mit rückwirkender Kraft heile, müsse sie nicht innerhalb der Frist erklärt werden, die für die genehmigte Verfahrenshandlung gelte; vielmehr sei sie bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz möglich.
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d) Hierin liegt keine hinreichende Auseinandersetzung mit den arbeitsgerichtlichen Beschlussgründen. Der Hinweis, ein Nachreichen der Vollmacht sei nach § 80 oder § 89 ZPO möglich, geht auf die tragende Erwägung des Arbeitsgerichts, § 89 Abs. 1 ZPO finde keine Anwendung, weil es sich bei der fristgerechten Anbringung einer Wahlanfechtung nicht lediglich um eine zivilprozessuale Handlung handele, nicht ein und setzt sich dementsprechend nicht mir ihr auseinander. Die Beschwerde stützt sich ausdrücklich auf zivilprozessuale Vorschriften, ohne aufzuzeigen, warum diese entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts bei der betriebsverfassungsrechtlichen Ausschlussfrist in einem Wahlanfechtungsverfahren zur Anwendung kommen sollen. Es fehlt jede auf die Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bezogene Auseinandersetzung mit der Argumentation des Arbeitsgerichts.
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