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BAG 01.03.2022 - 9 AZR 353/21
BAG 01.03.2022 - 9 AZR 353/21 - Erfüllung bei Urlaubsgewährung ohne Tilgungsbestimmung
Normen
§ 1 BUrlG, § 3 Abs 1 BUrlG, § 7 Abs 3 BUrlG, § 7 Abs 4 BUrlG, § 13 BUrlG, § 362 Abs 1 BGB, § 366 BGB, § 125 Abs 1 SGB 9
Vorinstanz
vorgehend ArbG Bielefeld, 25. August 2020, Az: 5 Ca 3025/19, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 11. Februar 2021, Az: 5 Sa 1125/20, Urteil
Leitsatz
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Stehen dem Arbeitnehmer im Kalenderjahr Ansprüche auf Erholungsurlaub zu, die auf unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen beruhen und für die unterschiedliche Regelungen gelten, findet § 366 BGB Anwendung, wenn die Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber nicht zur Erfüllung sämtlicher Urlaubsansprüche ausreicht. Nimmt der Arbeitgeber dabei keine Tilgungsbestimmung iSv. § 366 Abs. 1 BGB vor, findet die in § 366 Abs. 2 BGB vorgegebene Tilgungsreihenfolge mit der Maßgabe Anwendung, dass zuerst gesetzliche Urlaubsansprüche und erst dann den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende Urlaubsansprüche erfüllt werden.
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Februar 2021 - 5 Sa 1125/20 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Abgeltung von Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen aus dem Jahr 2016.
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Der Kläger war seit dem 1. August 1976 bei der Beklagten angestellt. Er war zuletzt als stellvertretender Regionalgeschäftsleiter am Standort B zu einer monatlichen Bruttovergütung iHv. 7.023,00 Euro tätig. Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund einer Vorruhestandsregelung mit Ablauf des 31. August 2020.
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Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der B G (MTV) Anwendung. Darin heißt es auszugsweise:
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„3.1
Urlaub
(1)
Beschäftigte erhalten in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage Urlaub unter Weiterzahlung der Gehaltsbezüge. Im Hinblick auf ein erhöhtes Erholungsbedürfnis beträgt der Anspruch ab Vollendung des 40. Lebensjahres 32 Urlaubstage im Kalenderjahr. …
3.2
Zusatzurlaub
(1)
Schwerbehinderte Menschen im Sinne des SGB IX haben Anspruch auf einen gesetzlichen Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen.
…
3.3
Besondere Urlaubsbestimmungen
(1)
Urlaub, der nicht spätestens 3 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres genommen wird, verfällt ohne Anspruch auf Geldentschädigung, es sei denn, er wurde erfolglos schriftlich geltend gemacht.
…
(3)
Konnte der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder wegen Schwangerschaft nicht bis zum Ende des Urlaubsjahres genommen werden, so ist er auf das folgende Kalenderjahr zu übertragen und nach Fortfall der Hinderungsgründe unverzüglich zu nehmen. Der Anspruch auf Urlaub, der nicht bis zum 30.6. des Jahres, in das der Urlaub übertragen wurde, abgewickelt ist, verfällt, soweit es sich nicht um den gesetzlichen Urlaubsanspruch handelt. …
3.4
Urlaubsabgeltung
Der Urlaubsanspruch kann nur abgegolten werden, wenn der/dem Beschäftigten der noch zustehende Urlaub nicht mehr vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder vor dem Beginn der Beurlaubung gemäß den Nrn. 5.1 und 5.2 gewährt werden kann. Für jeden Urlaubstag wird 1/22 des letzten Monatsgehalts gezahlt.“
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Die Beklagte gewährte dem Kläger im Kalenderjahr 2016 insgesamt 26 Tage Urlaub, ohne eine Tilgungsbestimmung vorzunehmen. Vom 8. September 2016 bis zum 30. Juni 2017 war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Ab dem 1. Juli 2017 war er aufgrund der Vorruhestandsvereinbarung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. August 2020 freigestellt.
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Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - die Abgeltung von fünf Tagen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen aus dem Kalenderjahr 2016 verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, mangels Tilgungsbestimmung der Beklagten bei der Urlaubsgewährung im Jahr 2016 finde die Auslegungsregelung des § 366 Abs. 2 BGB Anwendung. Dies habe zur Folge, dass mit der Gewährung von 26 Urlaubstagen nicht der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen, sondern vorrangig der weniger geschützte Tarifurlaub erfüllt worden sei.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn für das Urlaubsjahr 2016 eine Urlaubsabgeltung iHv. 1.596,14 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins gemäß § 247 BGB ab dem 3. Januar 2020 zu zahlen.
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Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgebracht, zunächst den gesetzlichen Urlaubsanspruch einschließlich des akzessorischen Anspruchs auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen und erst dann den tarifvertraglichen Urlaubsanspruch erfüllt zu haben. Die Auslegungsregel des § 366 Abs. 2 BGB finde auf die vorliegende Fallkonstellation keine Anwendung. Der Anspruch auf tarifvertraglichen Mehrurlaub sei aufgrund der Bestimmungen des MTV mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen.
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Der Kläger hat ursprünglich die Abgeltung von elf Arbeitstagen gesetzlichem Urlaub verlangt, die sich aus sechs Tagen gesetzlichem Mindesturlaub und aus fünf Tagen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen zusammengesetzt haben. Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der Abgeltung des Zusatzurlaubs stattgegeben und sie im Übrigen mit der Begründung abgewiesen, der gesetzliche Mindesturlaub des Klägers (einschließlich des deckungsgleichen Tarifurlaubs) sei durch Urlaubsgewährung erfüllt worden. Der übergesetzliche Urlaub sei teilweise erfüllt worden und teilweise verfallen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist unbegründet.
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A. Gegenstand der Revision ist die Abgeltung von fünf Arbeitstagen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung (SGB IX aF) iVm. Nr. 3.2 Abs. 1 MTV aus dem Kalenderjahr 2016.
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I. Nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt. Der Streitgegenstand erfasst alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger dem Gericht unterbreitet hat, um sein Rechtsschutzbegehren zu stützen. Vom Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen (BAG 10. November 2021 - 10 AZR 696/19 - Rn. 17; 24. März 2021 - 10 AZR 16/20 - Rn. 56).
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II. Bei Ansprüchen auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs aus §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG, des Tarifurlaubs und Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände. Ihnen liegen eigenständige, auf unterschiedlichen Lebenssachverhalten beruhende Anspruchsvoraussetzungen zugrunde. Während der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub regelmäßig allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraussetzt, bestehen die Ansprüche auf Tarifurlaub und Zusatzurlaub nur, wenn weitere Tatbestandsmerkmale erfüllt sind (insbesondere die Anwendbarkeit des Tarifvertrags bzw. das Bestehen einer Schwerbehinderung). Soweit sich gesetzlicher Mindesturlaub und Tarifurlaub überschneiden, ist eine Anspruchskonkurrenz gegeben.
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III. Der Kläger hat ursprünglich die Abgeltung von elf Arbeitstagen Urlaub aus dem Kalenderjahr 2016 geltend gemacht, die sich aus sechs Tagen gesetzlichem Mindesturlaub (einschließlich des deckungsgleichen Tarifurlaubs) und fünf Arbeitstagen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aF iVm. Nr. 3.2 Abs. 1 MTV zusammensetzten. Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit sie auf die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs gerichtet war, rechtkräftig abgewiesen. Hierüber kann der Senat in der Revisionsinstanz nicht mehr entscheiden.
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1. Die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung (§ 322 Abs. 1 ZPO) steht - als negative Prozessvoraussetzung - einer neuen Verhandlung und Entscheidung über denselben Streitgegenstand entgegen. Entscheidet das Gericht über den prozessualen Anspruch, sind Streit- und Urteilsgegenstand grundsätzlich identisch. Ein Sachurteil, das eine Leistungsklage abweist, stellt regelmäßig fest, dass die erstrebte Rechtsfolge aus dem Lebenssachverhalt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden kann. Das gilt auch dann, wenn das Gericht nicht alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen geprüft hat (BAG 10. November 2021 - 10 AZR 696/19 - Rn. 23; BGH 21. August 2014 - VII ZR 24/12 - Rn. 11 mwN; Zöller/Vollkommer ZPO 34. Aufl. Vorbemerkungen zu § 322 Rn. 41).
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2. Danach liegt eine abschließende und rechtskräftige Entscheidung über die erstinstanzlich verlangte Abgeltung von sechs Arbeitstagen gesetzlichem Mindesturlaub einschließlich des deckungsgleichen Tarifurlaubs vor. In die Revision gelangt ist damit ausschließlich die Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf Abgeltung des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen zusteht.
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B. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Beklagten zu Recht stattgegeben. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG, Nr. 3.4 MTV auf Abgeltung des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen aus dem Kalenderjahr 2016.
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I. Dem Kläger stand für das Kalenderjahr 2016 ein Urlaubsanspruch von insgesamt 37 Arbeitstagen zu. Dieser setzte sich aus dem gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) einschließlich des deckungsgleichen Teils des Tarifurlaubs von einheitlich 20 Arbeitstagen, dem diesen übersteigenden - übergesetzlichen - Teil des Tarifurlaubs von zwölf Arbeitstagen (Nr. 3.1 Abs. 1 MTV) sowie dem Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen von fünf Arbeitstagen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aF iVm. Nr. 3.2 Abs. 1 MTV) zusammen.
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II. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Anspruch des Klägers auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen durch Erfüllung vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses vollständig erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB) ist. Mit der bezahlten Freistellung des Klägers von der Arbeitspflicht an 26 Tagen im Jahr 2016 hat die Beklagte zuerst die (auch) gesetzlich begründeten Urlaubsansprüche aus §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG und § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aF und erst dann den tarifvertraglichen Mehrurlaub (teilweise) getilgt. Auf die Erfüllung von Erholungsurlaubsansprüchen eines Kalenderjahres, die auf unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen beruhen und für die unterschiedliche Regelungen gelten, findet die Vorschrift des § 366 BGB Anwendung. Allerdings wird die Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs. 2 BGB durch den hypothetischen Parteiwillen ersetzt, dem zufolge gewährte Urlaubstage zunächst auf die gesetzlichen Urlaubsansprüche anzurechnen sind.
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1. Der Senat hat bisher die Auslegungsregel in § 366 Abs. 2 BGB weder direkt noch analog angewendet, wenn eine arbeits- oder tarifvertragliche Regelung hinsichtlich des Umfangs des Urlaubsanspruchs nicht zwischen gesetzlichen und arbeits- oder tarifvertraglichen Urlaubsansprüchen unterscheidet und dem Arbeitnehmer einen über den gesetzlichen Anspruch hinausgehenden Anspruch auf Erholungsurlaub einräumt. Der Senat ist davon ausgegangen, es handele sich um einen einheitlichen Anspruch auf Erholungsurlaub, der auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen beruhe, und nicht um selbstständige Urlaubsansprüche (BAG 19. Januar 2016 - 9 AZR 507/14 - Rn. 10; 17. November 2015 - 9 AZR 275/14 - Rn. 18; 7. August 2012 - 9 AZR 760/10 - Rn. 12, BAGE 143, 1). Die Unabdingbarkeit des gesetzlichen Urlaubsanspruchs spreche dafür, dass die Freistellung zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub - zumindest auch - in Bezug auf das Bundesurlaubsgesetz als Anspruchsgrundlage erfolge (BAG 7. August 2012 - 9 AZR 760/10 - Rn. 13, aaO). Dies führte im Ergebnis zu einer vorrangigen Erfüllung des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindesturlaub gegenüber dem übergesetzlichen Teil des Tarifurlaubs.
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2. Der Senat hält im Ergebnis daran fest, dass bei Fehlen einer Tilgungsbestimmung zunächst gesetzliche Urlaubsansprüche und erst dann den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende, nur arbeits- oder tarifvertraglich begründete Urlaubsansprüche erfüllt werden. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 366 BGB ist die bisherige Rechtsprechung jedoch zu nuancieren und weiterzuentwickeln.
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a) § 366 BGB regelt den Fall, dass der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und das von ihm Geleistete zur Tilgung sämtlicher Schulden nicht ausreicht.
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aa) Für diese Situation räumt § 366 Abs. 1 BGB dem Schuldner ein Bestimmungsrecht ein. Trifft dieser keine Bestimmung, so gilt grundsätzlich die Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs. 2 BGB. Das Bestehen einer Forderungsmehrheit ist gleichermaßen Voraussetzung für die Vornahme einer Tilgungsbestimmung nach § 366 Abs. 1 BGB wie auch für die Anwendung der Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs. 2 BGB (Staudinger/Kern (2022) § 366 BGB Rn. 41).
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bb) Die in der Vorschrift (einheitlich) vorausgesetzte Mehrheit von Schuldverhältnissen umfasst Schuldverhältnisse im engeren Sinne. § 366 BGB ist deshalb auch bei einer Mehrheit von Forderungen aus demselben Schuldverhältnis anwendbar (BAG 7. August 2012 - 9 AZR 760/10 - Rn. 12, BAGE 143, 1; BGH 21. März 2018 - VIII ZR 68/17 - Rn. 37 mwN).
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cc) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet § 366 BGB außerdem auf das Verhältnis von rechtlich verselbstständigten Forderungsteilen aus einem Schuldverhältnis entsprechende Anwendung (BGH 21. März 2018 - VIII ZR 84/17 - Rn. 44; so auch MüKoBGB/Fetzer 9. Aufl. BGB § 366 Rn. 3; Kerwer in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger jurisPK-BGB 9. Aufl. § 366 BGB Rn. 5; vgl. auch Staudinger/Kern (2022) § 366 BGB Rn. 22 „einheitliche, aber in sich gegliederte Forderung“).
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(1) Die für eine analoge Anwendung festzustellende planwidrige Regelungslücke im Gesetz setzt ein unbeabsichtigtes Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrundeliegenden Regelungsplan voraus. Darüber hinaus muss der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangen wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle (st. Rspr., vgl. BAG 23. Oktober 2019 - 7 ABR 7/18 - Rn. 20 mwN, BAGE 168, 204).
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(2) Dies trifft auf Verhältnis von rechtlich verselbstständigten Forderungsteilen zu. Der Gesetzgeber war bestrebt, nicht nur bei mehreren Hauptforderungen (§ 366 BGB), sondern sogar bei mehreren Nebenforderungen (§ 367 BGB) ein einseitiges Bestimmungsrecht des Gläubigers auszuschließen (vgl. Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches 1888 Bd. 2 S. 86 ff.). Diese Zielsetzung würde unterlaufen, wenn auf die bei der Schaffung der §§ 366, 367 BGB ersichtlich nicht bedachten Fälle, dass Teile einer einheitlichen Hauptforderung rechtlich verselbstständigt sind, die Regelungen in § 366 Abs. 1 und 2 BGB keine entsprechende Anwendung fänden (vgl. BGH 21. März 2018 - VIII ZR 84/17 - Rn. 47). Eine analoge Anwendung von § 366 BGB ist dagegen ausgeschlossen, wenn nur ein Anspruch vorliegt, der auf mehreren Anspruchsgrundlagen basiert (Staudinger/Kern (2022) § 366 BGB Rn. 22).
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b) Bei der Erfüllung von Ansprüchen auf Erholungsurlaub aus demselben Urlaubsjahr, die auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen beruhen, ist danach § 366 BGB zwar nicht unmittelbar anzuwenden, weil zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und dem sich überschneidenden arbeits- bzw. tarifvertraglichem Mehrurlaub teilweise Anspruchskonkurrenz gegeben ist. Die Vorschrift bedarf aber einer entsprechenden Anwendung, soweit der Tarifurlaub eigenständigen Regelungen unterliegt und den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt.
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aa) Bereits nach der bisherigen Senatsrechtsprechung besteht bei einer Regelung in einem Arbeits- oder Tarifvertrag, die hinsichtlich des Umfangs des Urlaubsanspruchs nicht zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und einem übergesetzlichen Mehrurlaub differenziert, nur in Höhe des gesetzlichen Urlaubs eine Anspruchskonkurrenz. Treffen also gesetzliche und arbeits- oder tarifvertragliche Erholungsurlaubsansprüche zusammen, handelt es sich (nur) insoweit nicht um selbstständige Urlaubsansprüche, als sich diese Ansprüche decken (vgl. BAG 7. August 2012 - 9 AZR 760/10 - Rn. 12, BAGE 143, 1 „Insoweit handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch auf Erholungsurlaub, der auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen beruht“). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der nicht deckungsgleiche, den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende Teil des Tarifurlaubs zumindest als ein verselbstständigter Forderungsbestandteil zu qualifizieren ist.
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bb) Die auf unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen beruhenden Urlaubsbestandteile können weitgehende rechtliche Eigenständigkeiten aufweisen, die eine entsprechende Anwendung des § 366 BGB bei einer nicht für die vollständige Erfüllung des Gesamturlaubsanspruchs ausreichenden Befreiung von der Arbeitsleistung gebieten. Dies ist der Fall, wenn ein arbeits- oder tarifvertraglicher Urlaubsanspruch bzgl. seiner Entstehungsvoraussetzungen, seiner Übertragung, seiner Kürzung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, seines Verfalls oder seiner Abgeltung eigenen Regeln unterliegt (vgl. ErfK/Gallner 22. Aufl. BUrlG § 7 Rn. 54; aA BAG 17. November 2015 - 9 AZR 275/14 - Rn. 22; 7. August 2012 - 9 AZR 760/10 - Rn. 17 mwN, BAGE 143, 1, dem zufolge diese Aspekte für die Anwendbarkeit des § 366 Abs. 2 BGB ohne Bedeutung sind).
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(1) Tarifvertragsparteien können Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln (BAG 9. März 2021 - 9 AZR 310/20 - Rn. 15). Soweit sie in ihren Bestimmungen zur Regelung des Erholungsurlaubs nicht zwischen gesetzlichen und tarifvertraglichen Urlaubsansprüchen differenzieren und bezogen auf den gesetzlichen Mindesturlaub ihren durch § 13 BUrlG eröffneten Gestaltungsspielraum überschreiten, unterliegen die einzelnen Bestandteile des einheitlichen Tarifurlaubs unterschiedlichen Regelungen. Im Hinblick auf den mit dem gesetzlichen Mindesturlaub deckungsgleichen Bestandteil sind die arbeits- bzw. tarifvertraglichen Bestimmungen nach § 13 BUrlG iVm. § 134 BGB unwirksam. Es gelten dann insoweit die unabdingbaren gesetzlichen Vorschriften. Für den den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigenden, nur tarifvertraglich begründeten Bestandteil bleiben sie indes verbindlich (§ 139 BGB).
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(2) Die daraus resultierende rechtliche Verselbstständigung der beiden Urlaubsbestandteile entspricht der in der Vorschrift des § 366 BGB zum Ausdruck kommenden Interessenlage. Ebenso wie bei mehreren Forderungen aus einem Schuldverhältnis bedarf es in diesem Fall einer Regelung, aus der sich ergibt, in welcher Reihenfolge die den unterschiedlichen Regelungswerken unterliegenden Forderungsteile erfüllt werden. Diese kann sich in einer konkreten Tilgungsbestimmung oder abstrakten Verrechnungsreihenfolge ausdrücken. Erst dadurch wird die Feststellung ermöglicht, welche Regeln für die noch nicht erfüllten Urlaubstage gelten und ob der Urlaubsanspruch danach noch besteht oder dieser bereits verfallen ist.
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c) Die Bestimmung der Tilgungsreihenfolge im Verhältnis des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aF zu sonstigen Erholungsurlaubsansprüchen erfolgt dagegen in unmittelbarer Anwendung des § 366 BGB. Die Vorschrift gilt unmittelbar, wenn Urlaubsansprüche aus verschiedenen Zeitperioden (BAG 16. Juli 2013 - 9 AZR 914/11 - Rn. 18 f.) oder unterschiedliche Urlaubsansprüche Gegenstand der Betrachtung sind (BAG 7. August 2012 - 9 AZR 760/10 - Rn. 12, BAGE 143, 1). Der Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen ist gegenüber dem gesetzlichen Mindesturlaub und arbeits- bzw. tarifvertraglichen Ansprüchen auf Erholungsurlaub ein iSv. § 366 BGB selbstständiger Anspruch. Auf den Zusatzurlaub sind zwar die Vorschriften über die Entstehung, Übertragung, Kürzung und Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs anzuwenden (sog. „urlaubsrechtliche Akzessorietät“, st. Rspr. vgl. BAG 10. März 2020 - 9 AZR 109/19 - Rn. 11; 24. Oktober 2006 - 9 AZR 669/05 - Rn. 12, BAGE 120, 50). Er tritt jedoch dem Urlaubsanspruch hinzu, den der Beschäftigte ohne Berücksichtigung seiner Schwerbehinderung beanspruchen kann (BAG 24. Oktober 2006 - 9 AZR 669/05 - Rn. 13, aaO). Der Zusatzurlaub stockt damit sowohl den gesetzlichen Mindesturlaub nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG als auch den übergesetzlichen Mehrurlaub auf. Anders als bei einer arbeits- oder tarifvertraglichen Regelung, die hinsichtlich des Umfangs des Urlaubsanspruchs nicht zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Urlaubsansprüchen differenziert und dadurch beide Ansprüche - soweit sie sich überlappen - zu einem einheitlichen Anspruch auf Erholungsurlaub verbindet, erhöht sich der dem Arbeitnehmer ohne Berücksichtigung seiner Schwerbehinderung zustehende Gesamturlaub um den Zusatzurlaub. Eine auch nur teilweise Überschneidung des insoweit selbstständigen Anspruchs auf Zusatzurlaub mit sonstigen Urlaubsansprüchen ist damit rechtlich ausgeschlossen, es sei denn, der Arbeits- oder Tarifvertrag räumt dem schwerbehinderten Arbeitnehmer konstitutiv einen Anspruch auf Schwerbehindertenzusatzurlaub ein. Die Regelung in Nr. 3.2 Abs. 1 MTV hat keine rechtsbegründende (konstitutive), sondern lediglich eine erklärende (deklaratorische) Wirkung. Sie beschreibt lediglich die bestehende Rechtslage, der zufolge schwerbehinderte Menschen im Sinne des SGB IX einen Anspruch auf den gesetzlichen Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen haben.
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d) Bei der Erfüllung von Erholungsurlaubsansprüchen aus einem Kalenderjahr, die auf unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen beruhen und für die unterschiedliche Regelungen gelten, ist die in § 366 Abs. 2 BGB vorgegebene Tilgungsreihenfolge unter Berücksichtigung der Besonderheiten des gesetzlichen Mindesturlaubs und zur Vermeidung systemwidriger Ergebnisse zu modifizieren. Gewährt ein Arbeitgeber Erholungsurlaub, ohne eine Tilgungserklärung vorzunehmen, werden zuerst die gesetzlichen Urlaubsansprüche getilgt (so schon BAG 22. Januar 2002 - 9 AZR 601/00 - zu A I 1 der Gründe, BAGE 100, 189; 12. Januar 1989 - 8 AZR 404/87 - zu II 4 der Gründe, BAGE 61, 1).
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aa) Gemäß § 366 Abs. 2 BGB wird bei Fehlen einer Tilgungsbestimmung zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt. Diese Tilgungsreihenfolge entspricht dem vermuteten Willen vernünftiger und redlicher Vertragsparteien. Widerspricht jedoch ausnahmsweise die gesetzlich normierte Reihenfolge ganz offensichtlich dem hypothetischen Parteiwillen, so ist allein dieser maßgebend (BGH 14. November 2000 - XI ZR 248/99 - zu II B 2 der Gründe; 27. Februar 1978 - II ZR 3/76 - zu II 2 der Gründe). Von der Tilgungsreihenfolge ist auch dann abzuweichen, wenn diese wegen der besonderen Eigenarten des konkreten Schuldverhältnisses von vornherein zu sinnwidrigen Ergebnissen führt (vgl. BGH 27. Februar 1978 - II ZR 3/76 - zu II 2 der Gründe; NK-ArbR/Düwell BUrlG § 7 Rn. 53; krit. Staudinger/Kern (2022) § 366 BGB Rn. 50).
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist aufgrund urlaubsrechtlicher Besonderheiten von den aufgrund des Fehlens einer Tilgungsbestimmung an sich maßgeblichen Verrechnungskriterien des § 366 Abs. 2 BGB zugunsten einer vorrangigen Erfüllung des gesetzlichen Urlaubs abzuweichen. Dies ist geboten, um anderenfalls eintretende systemwidrige und dem hypothetischen Parteiwillen widersprechende Ergebnisse zu vermeiden. Das Bundesurlaubsgesetz regelt den gesetzlichen Mindesturlaub und gestaltet diesen als unabdingbaren Anspruch aus (vgl. § 13 BUrlG). Der Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub ist als besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Europäischen Union besonders geschützt und darf deshalb nur bei Vorliegen „besonderer Umstände“ erlöschen (vgl. EuGH 29. November 2017 - C-214/16 - [King] Rn. 32, 56; 25. Juni 2020 - C-762/18 und C-37/19 - [Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria] Rn. 64). Zugleich beschreibt er das grundsätzlich nicht unterschreitbare Grunderholungsbedürfnis eines jeden Arbeitnehmers und stellt Mindestanforderungen für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung auf (vgl. EuGH 13. Januar 2022 - C-514/20 - [Koch Personaldienstleistungen] Rn. 29). Aufgrund seiner sog. urlaubsrechtlichen Akzessorietät gilt Entsprechendes für den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen, der zusammen mit dem bezahlten Erholungsurlaub aus §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG den Mindesturlaub für diese Personengruppe bildet. Demgegenüber können die Tarifvertragsparteien den darüberhinausgehenden Urlaub frei regeln (BAG 9. März 2021 - 9 AZR 310/20 - Rn. 15) und ihn deshalb auch geringer absichern. Ohne entsprechende Anpassung würde die Anwendung der Auslegungsregel des § 366 Abs. 2 BGB dazu führen, dass der übergesetzliche Teil eines Tarifurlaubs, der gegenüber dem gesetzlichen Mindesturlaub unter geringeren Voraussetzungen erlischt, die geringere Sicherheit bietet (vgl. ErfK/Gallner 22. Aufl. BUrlG § 7 Rn. 54 aE) und damit zuerst getilgt würde. Dies hätte zur Konsequenz, dass - wie vorliegend - ein schwerbehinderter Arbeitnehmer nicht seinen gesetzlichen Mindesturlaub erhalten hätte, obwohl ihm mit 26 Tagen Urlaub mehr als der gesetzliche Mindesturlaub und der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen zusammen gewährt worden ist. Dieses - schwerlich nachvollziehbare - Ergebnis widerspricht dem hypothetischen Parteiwillen, dass mit den ersten gewährten Urlaubstagen dem unabdingbaren Grunderholungsbedürfnis des Arbeitnehmers und den Mindestanforderungen an den Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung nachgekommen werden soll, bevor der durch Arbeits- oder Tarifvertrag zusätzlich eingeräumte Urlaub gewährt wird.
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3. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die streitgegenständlichen fünf Tage Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen aus dem Jahr 2016 durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) erloschen sind.
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a) Die Beklagte nahm bei der Gewährung der 26 Urlaubstage zwar keine nach Anspruchsgrundlagen differenzierende Leistungsbestimmung iSv. § 366 Abs. 1 BGB vor. Die bezahlte Freistellung von der Arbeit als solche lässt sich nach §§ 133, 157 BGB nicht so verstehen, dass bestimmte Urlaubsansprüche vorrangig erfüllt werden sollen.
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b) Durch die bezahlte Freistellung von der Arbeit an 26 Tagen sind jedoch der gesetzliche Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen und die dem Kläger zustehenden fünf Tage Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen vorrangig gegenüber dem tarifvertraglichen Mehrurlaub getilgt worden. Die Anwendungsvoraussetzungen des (modifizierten) § 366 Abs. 2 BGB liegen vor. Der tarifvertragliche Mehrurlaub unterliegt einem eigenständigen Regelungsregime.
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aa) Dem Wortlaut der Nr. 3.1 Abs. 1 MTV zufolge erhalten Beschäftigte in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage Urlaub. Der Urlaub verfällt nach Nr. 3.3 Abs. 1 MTV, wenn er nicht spätestens drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres genommen wird, es sei denn, er wurde erfolglos schriftlich geltend gemacht. Abweichend von den Regelungen im Bundesurlaubsgesetz, das eine Übertragung des Urlaubs vom Urlaubsjahr in das Folgejahr an das Vorliegen besonderer Gründe knüpft (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG), gestattet der MTV dem Arbeitnehmer, Urlaub bis zum 31. März des Folgejahres zu nehmen, ohne dass für die Übertragung besondere Gründe vorliegen müssen. Dieser Verzicht auf Übertragungsgründe hat dieselben Auswirkungen wie ein Verzicht auf die Übertragungsnotwendigkeit und führt im Ergebnis dazu, dass das Urlaubsjahr über das Kalenderjahr bis zum 31. März des Folgejahres hinaus ausgedehnt wird (vgl. BAG 9. März 2021 - 9 AZR 310/20 - Rn. 16). Abweichend von den gesetzlichen Voraussetzungen für die Befristung und den Verfall von Urlaub haben die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber keine Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten auferlegt, die denen des Bundesurlaubsgesetzes entsprechen (vgl. dazu im Einzelnen BAG 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 - Rn. 21 ff., BAGE 165, 376). Sie haben in Nr. 3.3 Abs. 1 MTV ausdrücklich bestimmt, dass ein Urlaubsanspruch, der nicht spätestens drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres gewährt wird, ohne Anspruch auf Geldentschädigung verfällt, wenn er nicht erfolglos schriftlich geltend gemacht wurde. Es obliegt danach nicht dem Arbeitgeber, sondern dem Arbeitnehmer, hinsichtlich des tarifvertraglichen Mehrurlaubsanspruchs initiativ zu werden (vgl. zu ähnlichen Regelungen BAG 9. März 2021 - 9 AZR 310/20 - Rn. 22; 25. August 2020 - 9 AZR 214/19 - Rn. 28, BAGE 172, 55).
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bb) Ebenfalls abweichend von den gesetzlichen Befristungsregelungen verfällt der Anspruch auf tarifvertraglichen Mehrurlaub gemäß Nr. 3.3 Abs. 3 MTV spätestens zum 30. Juni des Folgejahres, wenn er wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum Ende des Urlaubsjahres genommen werden konnte. Gegenüber den gesetzlichen Urlaubsansprüchen verkürzt sich somit der für den gesetzlichen Mindesturlaub - sofern insoweit überhaupt ein Verfall möglich ist - maßgebliche Übertragungszeitraum von 15 Monaten (grdl. hierzu BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 23 ff., BAGE 142, 371; vgl. auch BAG 7. September 2021 - 9 AZR 3/21 (A) - Rn. 22 ff.) auf sechs Monate.
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III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
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Kiel
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für die verhinderte RiBAG WeberZimmermann
Gell
Jacob
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