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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BSG 05.08.2024 - B 5 R 17/24 BH
BSG 05.08.2024 - B 5 R 17/24 BH
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. März 2024 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Der am 27.11.1951 geborene Kläger begehrt im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, hilfsweise Berufsunfähigkeit rückwirkend zum 16.12.1996. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 5.6.2023), das LSG seine hiergegen eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 19.3.2024). Auf den Überprüfungsantrag aus Januar 2022 könnten nach § 44 Abs 4 SGB X Rentenleistungen maximal für einen Zeitraum ab 1.1.2018 nachträglich erbracht werden. Da der Kläger seit November 2014 ohnehin eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen beziehe und zum 27.11.2016 das reguläre Rentenalter erreicht habe, komme die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab dem 1.1.2018 nicht in Betracht. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.
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Der Kläger hat sich mit einem am 10.4.2024 beim BSG eingegangenen, von ihm unterzeichneten Schreiben vom 8.4.2024 gegen das ihm am 28.3.2024 zugestellte Urteil des LSG mittels "Anfechtungsklage" gewandt und ua ausgeführt, dass er "Beschwerde über das LSG und der Ablehnung der Erwerbsminderungsrente der LVA" führe. Außerdem beantragte er, ihm einen Rechtsbeistand zur Verfügung zu stellen. Ein Erklärungsformular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe hat der Kläger am 22.4.2024 vorgelegt.
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II. Das als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts sowie als Beschwerde zu verstehende Begehren des Klägers hat keinen Erfolg.
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1. Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO). Das ist hier nicht der Fall.
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Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung - die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision - bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Akten ist nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
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Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
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das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder
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ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
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Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Rechtsfrage muss außerdem klärungsbedürftig und klärungsfähig, dh entscheidungserheblich sein (vgl dazu zB BSG Beschluss vom 12.6.2024 - B 5 R 180/23 B - juris RdNr 5 mwN). Dass sich eine solche Rechtsfrage hier stellt, ist nicht erkennbar. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich das Begehren des Klägers auf eine rückwirkende Korrektur des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides vom 6.6.1997 nur auf die Vorschrift zur Rücknahme eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsakts in § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X stützen lässt (vgl BSG Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 40/11 R - BSGE 110, 97-104 = SozR 4-5075 § 3 Nr 2 - juris RdNr 19; BSG Beschluss vom 26.3.2020 - B 5 R 262/19 B - juris RdNr 6). Für einen solchen Fall schreibt § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X ausdrücklich vor, dass Sozialleistungen, wie zB Rentenleistungen nach dem SGB VI, "längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme" erbracht werden; im Falle einer Rücknahme auf Antrag tritt bei der Berechnung des Zeitraums anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs 4 Satz 3 SGB X). In der Rechtsprechung des BSG ist bereits geklärt, dass die Regelung zur Begrenzung rückwirkender Zahlungen zunächst rechtswidrig versagter Sozialleistungen abschließend und als solche auch verfassungsgemäß ist (BSG Urteil vom 8.2.2012 - B 5 R 38/11 R - SozR 4-5075 § 3 Nr 1 - juris RdNr 17 f; BSG Beschluss vom 26.3.2020 - B 5 R 262/19 B - juris RdNr 6).
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Der Revisionszulassungsgrund der Rechtsprechungsabweichung (Divergenz - § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Er kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG in seiner Entscheidung tragend einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl zB BSG Beschluss vom 17.6.2024 - B 1 KR 5/24 BH - juris RdNr 11). Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.
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Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel erkennen, der bei genügender Bezeichnung gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Revisionszulassung führen könnte. Insbesondere durfte das LSG trotz des Terminverlegungsantrags des Klägers vom 29.2.2024 nach mündlicher Verhandlung am 19.3.2024 entscheiden. Zur Begründung seines Terminverlegungsantrags hat der Kläger sinngemäß vorgetragen, einen Rechtsanwalt für den am 19.3.2024 bestimmten Verhandlungstermin beauftragen zu wollen, was ihm in der bis zum 19.3.2024 verbleibenden Zeit nicht möglich sei. Mit diesem Vorbringen hat er einen erheblichen Grund für die Terminverlegung iS von § 202 SGG iVm § 227 Abs 1 ZPO nicht glaubhaft gemacht (§ 202 SGG iVm § 227 Abs 2 ZPO). Zwar kann die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten erst kurz vor einem Termin zur mündlichen Verhandlung und das Erfordernis, dass dieser sich in angemessener Zeit hinreichend mit dem Sachverhalt vertraut macht, grundsätzlich einen erheblichen Grund iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO darstellen, der wegen des Anspruchs auf das rechtliche Gehör (Art 103 Abs 1 GG) eine Aufhebung des Termins gebietet (vgl BSG Beschluss vom 8.3.2017 - B 8 SO 62/16 B - juris RdNr 6). Das ist allerdings ausnahmsweise dann nicht der Fall, wenn dem Beteiligten eine rechtzeitige Bestellung des Prozessbevollmächtigten zugemutet werden konnte, sich die späte Bestellung mithin als verschuldet erweist (vgl BSG Beschluss vom 6.1.2022 - B 5 LW 1/21 B - juris RdNr 25; BSG Beschluss vom 6.1.2022 - B 5 LW 2/21 - juris RdNr 24; BSG Beschluss vom 4.11.2014 - B 2 U 144/14 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 8.3.2017 - B 8 SO 62/16 B - juris RdNr 7). Nach Maßgabe dessen ist die Ablehnung der Terminverlegung durch Beschluss vom 29.2.2024 (zum Erfordernis einer gesonderten Entscheidung vgl BSG Beschluss vom 07.4.2022 - B 5 R 210/21 B - juris RdNr 6 mwN) nicht zu beanstanden. Der prozesserfahrene Kläger, der bereits zum wiederholten Male einen Überprüfungsantrag in Bezug auf den bindenden Ablehnungsbescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 6.6.1997 gestellt hatte, wurde bereits mit Schreiben vom 11.12.2023 von der Berichterstatterin des LSG auf die Aussichtslosigkeit der Berufung und mit Verfügung des LSG vom 27.12.2023 darauf hingewiesen, dass der Rechtsstreit zur Entscheidung vorgesehen ist. Dass er bis zum Verhandlungstermin am 19.3.2024 keine ausreichende Gelegenheit gehabt haben könnte, sich erfolgreich um einen Rechtsbeistand zu bemühen, ist nicht ersichtlich.
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Überdies hat der Kläger nach dem Beschluss des LSG mit der Ablehnung der Terminsaufhebung vom 29.2.2024, der ihm am 6.3.2024 zugestellt wurde, an der mündlichen Verhandlung am 19.3.2024 teilgenommen, ohne eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend zu machen. Da er in der mündlichen Verhandlung weder die Ablehnung seines Antrags beanstandet noch einen Vertagungsantrag gestellt hat, kommt eine Verfahrensrüge insofern nach § 202 SGG iVm § 295 Abs 1 ZPO nicht mehr in Betracht (vgl BSG Beschluss vom 11.7.2022 - B 5 R 54/22 B - juris RdNr 9 mwN).
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Soweit der Kläger seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht hinreichend berücksichtigt sieht, sind diese erkennbar für die angefochtene Entscheidung nicht entscheidungsrelevant gewesen. Auf eine vermeintlich fehlerhafte Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) kann eine Nichtzulassungsbeschwerde ohnehin nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
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Da dem Kläger nach alledem PKH nicht bewilligt werden kann, entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts durch das Gericht (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
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2. Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht formgerecht eingelegt worden ist (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Vor dem BSG kann eine Beschwerde nur durch zugelassene Prozessbevollmächtigte wirksam eingelegt werden (§ 73 Abs 4 SGG).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.
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