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BSG 02.07.2014 - B 6 KA 25/13 R
BSG 02.07.2014 - B 6 KA 25/13 R - Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung - Ausschluss eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss bei einem Verordnungsregress auch bei Verordnungsmöglichkeit in Ausnahmefällen
Normen
§ 106 Abs 5 S 3 SGB 5 vom 26.03.2007, § 106 Abs 5 S 6 SGB 5, § 106 Abs 5 S 8 SGB 5 vom 26.03.2007, § 31 Abs 1 S 1 SGB 5, § 31 Abs 1 S 4 SGB 5, § 34 Abs 1 S 1 SGB 5, § 34 Abs 1 S 2 SGB 5, § 92 Abs 1 S 1 Teils 3 SGB 5, § 92 Abs 1 S 1 Teils 4 SGB 5, § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB 5, § 10 Abs 1 S 2 AMRL, § 10 Abs 2 S 2 AMRL, § 16 Abs 3 AMRL, § 16 Abs 5 AMRL, Anl 3 Nr 9 AMRL, § 78 Abs 1 S 1 SGG, § 78 Abs 1 S 2 Nr 1 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Dresden, 27. Februar 2013, Az: S 18 KA 141/11, Urteil
Leitsatz
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Ein Vorverfahren vor dem Beschwerdeausschuss ist auch dann ausgeschlossen, wenn Gegenstand des Regresses Arzneimittel sind, deren Verordnung grundsätzlich durch das Gesetz oder die Arzneimittelrichtlinie ausgeschlossen ist, die aber in besonderen Ausnahmefällen mit Begründung verordnet werden dürfen.
Tenor
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Auf die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen zu 3. wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 27. Februar 2013 aufgehoben.
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Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit steht ein Arzneimittelkostenregress wegen der Verordnung von Natriumhyaluronat-Injektionslösung (HYALART®).
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Der Kläger nimmt als Facharzt für Chirurgie/Sportmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der zu 2. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung teil. Am 15.6.2009 verordnete dieser zwei - bei der zu 1. beigeladenen gesetzlichen Krankenkasse versicherten - Patienten jeweils fünf HYALART®-Fertigspritzen; hieraus resultierten Nettoverordnungskosten in Höhe von jeweils 217,11 Euro. Die Beigeladene zu 1. beantragte die Festsetzung eines Arzneimittelkostenregresses mit der Begründung, die verordneten Präparate seien gemäß dem in der Anlage III Nr 9 der Arzneimittel-Richtlinie (<AM-RL>, in der seit dem 1.4.2009 geltenden Fassung) bestimmten Verordnungsausschluss für Antiarthrotika und Chondroprotektiva nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig. Der Kläger verwies darauf, dass er das Präparat gemäß Abschnitt G Nr 20.2 Buchst k der AM-RL in der bis zum 31.3.2009 geltenden Fassung zur intraartikulären Injektion bei Gonarthrose eingesetzt habe. Mit Prüfbescheid vom 14.7.2011 setzte die beklagte Prüfungsstelle einen Arzneimittelkostenregress in Höhe von 434,22 Euro fest; die Rechtsbehelfsbelehrung benannte als statthaften Rechtsbehelf die Klage zum SG. Der Kläger erhob gegen den Prüfbescheid zunächst Widerspruch und - nach einem entsprechenden Hinweis der Geschäftsstelle der Prüfgremien - Klage. Das SG hat den zu 3. beigeladenen Beschwerdeausschuss auf die hilfsweise erhobene Untätigkeitsklage des Klägers verurteilt, über dessen Widerspruch zu entscheiden; im Übrigen hat es die (Anfechtungs-)Klage als unzulässig abgewiesen (Urteil vom 27.2.2013).
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Zur Begründung hat es ausgeführt, der Prüfbescheid der Beklagten sei einer sachlichen Überprüfung durch das SG nicht zugänglich, da zunächst das Vorverfahren durchzuführen sei. Dies sei nicht gemäß § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V ausgeschlossen. Zwar handele es sich vorliegend um einen Verordnungsausschluss "durch die Richtlinien nach § 92" im Sinne des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V; daher könne allein die abstrakte Möglichkeit der ausnahmsweisen Verordnung des durch die AM-RL ausgeschlossenen Arzneimittels dem Ausschluss des Vorverfahrens nicht schon generell entgegenstehen. Gleichwohl sei in teleologischer Reduktion des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V ein Vorverfahren jedenfalls dann durchzuführen, wenn sich der betroffene Vertragsarzt gegenüber dem Antrag einer Krankenkasse auf Festsetzung eines Regresses wegen des Verstoßes gegen einen Verordnungsausschluss ausdrücklich oder sinngemäß unter Benennung indikationsbezogener Tatsachen auf seine Befugnis nach § 31 Abs 1 Satz 4 SGB V berufe, das Arzneimittel in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung ausnahmsweise doch verordnen zu dürfen. Dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen solle, schließe es aus, sie auf Konstellationen zu erstrecken, in denen sich die Entscheidung nicht ohne Weiteres - im Sinne eines "Ja" oder "Nein" - aus normativen Vorgaben ergebe, sondern es hierzu einer einzelfallbezogenen Prüfung bedürfe. Dies werde durch die Erwartung des Gesetzgebers gestützt, dass die von der Ausnahmeregelung erfassten Fallgestaltungen einen "vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt" zum Gegenstand haben. Das BSG habe darüber hinaus die Überlegung verworfen, dass für den Ausschluss des Vorverfahrens ein unspezifischer, "grundsätzlicher" Ausschluss der Leistungspflicht ausreiche und eine ausnahmsweise Zulässigkeit unschädlich sei. Die Befassung des Beschwerdeausschusses sei in allen Fällen angezeigt, in denen der Arzt medizinische Tatsachen unterbreite, die einen Ausnahmefall im Sinne des § 31 Abs 1 Satz 4 SGB V im konkreten Fall tatsächlich als möglich erscheinen ließen.
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Nach diesen Maßstäben geböten die Umstände des vorliegenden Falles auch hier die Anrufung des Beschwerdeausschusses. Der Kläger habe bereits in seiner Stellungnahme vom 19.8.2010 sinngemäß dargelegt, er habe die streitgegenständlichen HYALART®-Fertigspritzen erst verordnet, nachdem nichtmedikamentöse Behandlungsversuche, namentlich Physiotherapie und rehabilitative Maßnahmen, erfolglos ausgeschöpft gewesen seien. Damit sei ein hinreichender individualisierter Bezug zur medizinischen Indikation des konkreten Behandlungsfalles wenigstens ansatzweise dargetan.
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Mit ihren (Sprung-)Revisionen rügen die Beklagte sowie der zu 3. beigeladene Beschwerdeausschuss die Verletzung von Bundesrecht.
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Die Beklagte führt aus, das SG habe § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V fehlerhaft einschränkend ausgelegt. Die Durchführung eines Vorverfahrens sei auch bei Verordnung von durch die AM-RL aus dem Leistungskatalog ausgeschlossenen Arzneimitteln, in denen ein Vertragsarzt eine Ausnahme nach § 31 Abs 1 Satz 4 SGB V oder nach der Präambel zur Anlage III AM-RL geltend mache, nicht geboten. Der Gesetzgeber habe mit § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V gerade den Zweck verfolgt, die Beschwerdeausschüsse angesichts der sehr hohen Zahl derartiger Verordnungseinschränkungen bzw -ausschlüsse zu entlasten. Das BSG habe bereits klargestellt, dass die Beschwerdeausschüsse allein von Fallgestaltungen entlastet werden sollten, die eher technischen Charakter haben und ganz überwiegend in der Umsetzung eindeutiger normativer Vorgaben bestehen. Dies sei vorliegend der Fall. Die Konstellation, dass ein Arzt mitteile, dass er das Arzneimittel ausnahmsweise in einem medizinisch begründeten Einzelfall mit Begründung verordnet habe, betreffe die allermeisten Fälle des Verstoßes gegen durch die AM-RL ausgeschlossene Verordnungen, welche die Prüfungsstelle zu entscheiden habe. Es handele sich dabei um einfach gelagerte Fälle unter Berücksichtigung eindeutiger normativer Vorgaben, weil im Regelfall die Angabe der Indikation und ggf die Benennung der Ausschlusskriterien für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen durch den Vertragsarzt nach Maßgabe des § 10 Abs 2 AM-RL ausreiche. Wenn der Arzt in seiner Stellungnahme angebe, aufgrund welcher Indikation die Verordnung erfolgt sei und ggf die Ausschlusskriterien angebe, könne die Prüfungsstelle die Frage in der Regel ohne Weiteres mit "Ja" oder "Nein" beantworten. Müssten derartige Entscheidungen wieder den Beschwerdeausschüssen vorgelegt werden, würden diese durch § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V allenfalls marginal entlastet.
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Der Beigeladene zu 3. ist ebenfalls der Auffassung, dass § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V Anwendung finde. Die Prüfungsstelle müsse zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung über den Regressantrag der Krankenkasse in der Lage sein, die Frage zu beantworten, ob der Rechtsbehelf auf den Beschwerdeausschuss oder auf das SG verweise. Die durchaus als streng zu bewertenden Voraussetzungen des "medizinisch begründeten Einzelfalls mit Begründung" hätten schon deswegen nicht vorliegen können, weil sich die Verordnung nicht darauf gestützt habe; der Kläger habe vielmehr mit Abschnitt G Nr 20.2. Buchst k AM-RL eine bereits außer Kraft getretene Regelung benannt. Der Ausnahmetatbestand des § 31 Abs 1 Satz 4 SGB V sei nicht "zufällig" erfüllbar.
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Der "medizinisch begründete Einzelfall mit Begründung" sei zweckmäßigerweise in der Patientenakte zu dokumentieren, könne jedoch auch durch andere geeignete Nachweise erbracht werden, mit der die zeitliche Nähe zur Verordnung nachgewiesen werden könne. Ob überhaupt eine Begründung vorliege, könne ganz objektiv und mithin durch die Prüfungsstelle beurteilt werden. Äußere sich der Vertragsarzt nicht oder schließe er das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes selbst aus, indem er sich auf eine andere Rechtsgrundlage berufe, könne eine auf § 31 Abs 1 Satz 4 SGB V gestützte Begründung denknotwendig nicht vorliegen. Dies sei ein im Sinne der Rechtsprechung des BSG einfach zu beurteilender Sachverhalt.
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Die Beklagte sowie der Beigeladene zu 3. beantragen,
das Urteil des SG Dresden vom 27.2.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
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Das SG sei zu Recht davon ausgegangen, dass im hier zu entscheidenden Fall ein Vorverfahren durchzuführen sei. § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Ob die Verordnung deswegen gerechtfertigt gewesen sei, weil ein "medizinisch begründeter Einzelfall" im Sinne von § 31 Abs 1 Satz 4 SGB V bzw von § 16 Abs 5 AM-RL vorgelegen habe, ergebe sich nicht aus einem Blick in das Gesetz oder in eine untergesetzliche Vorschrift; ein solcher könne sich nur aus medizinischen und nicht aus rechtlichen Gründen ergeben.
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Die Beigeladene zu 2. hat sich - ohne einen Antrag zu stellen - auf die ihres Erachtens zutreffenden Darlegungen des SG bezogen. Die Beigeladene zu 1. hat weder einen Antrag gestellt noch sich geäußert.
Entscheidungsgründe
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Die Revisionen der Beklagten sowie des zu 3. beigeladenen Beschwerdeausschusses sind im Sinne einer Zurückverweisung an das SG begründet. Die gegen den Bescheid der Prüfungsstelle erhobene Anfechtungsklage ist entgegen der Auffassung des SG zulässig, ohne dass es der vorherigen Anrufung des Beschwerdeausschusses bedarf; § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V findet Anwendung. Daher muss das SG über den von der Beklagten festgesetzten Arzneimittelkostenregress in der Sache entscheiden.
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1. Nach § 78 Abs 1 Satz 1 SGG sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Dies gilt - ungeachtet gewisser Besonderheiten und ggf nur entsprechend - auch für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V. § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V bestimmt, dass die dort aufgeführten Personen und Institutionen gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle die Beschwerdeausschüsse anrufen können; gemäß § 106 Abs 5 Satz 6 SGB V gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren. Gemäß § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG bedarf es eines Vorverfahrens (nur) dann nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt. Ein derartiger Ausnahmefall ist in § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V (in der ab dem 1.1.2008 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes <GKV-WSG>) geregelt. Danach findet - abweichend von § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V - in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt.
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2. Die in § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V normierte Voraussetzung, dass es um die Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen gehen muss, die "durch Gesetz oder die Richtlinien nach § 92 ausgeschlossen sind", ist entgegen der Auffassung des SG auch bei den hier umstrittenen Verordnungen erfüllt.
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a. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 11.5.2011 (B 6 KA 13/10 R - BSGE 108, 175 = SozR 4-2500 § 106 Nr 32, RdNr 19) dargelegt hat, handelt es sich bei § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V um eine Ausnahmeregelung, die auf Fälle beschränkt ist, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) ergibt (BSG aaO RdNr 19 mwN; bestätigt durch BSGE 112, 251 = SozR 4-2500 § 106 Nr 38, RdNr 10 - bejaht für "Appetitzügler" Acomplia; hieran anschließend Hessisches LSG Urteil vom 23.1.2013 - L 4 KA 17/12 - Juris RdNr 23 = KrV 2013, 67 ff = GesR 2013, 360 ff - zur Verordnung empfängnisverhütender Mittel; vgl auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 17.4.2013 - L 11 KA 66/11 - Juris RdNr 22 f - zur Methadon-Substitution). Zudem muss sich der Ausschluss aus spezifischen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben (BSG aaO RdNr 19).
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Im Einzelnen hat der Senat (BSGE 108, 175 = SozR 4-2500 § 106 Nr 32, RdNr 20 ff) ausgeführt, nach der Gesetzesbegründung (Fraktionsentwurf zum GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 138 zu § 106 Abs 5 SGB V, zu Doppelbuchstabe cc) bewirke der Ausschluss eines Vorverfahrens, dass der Beschwerdeausschuss von einer Vielzahl gleichartig zu bearbeitender Einzelvorgänge entlastet werde. Der vergleichsweise leicht überprüfbare Sachverhalt, ob ein Arzneimittel grundsätzlich Gegenstand der Leistungspflicht der GKV sei, könne sachgerecht durch die Prüfungsstelle abschließend geklärt werden. Der Gesetzgeber habe ausweislich dieser Begründung die Beschwerdeausschüsse allein von Fallgestaltungen bzw Anwendungssachverhalten entlasten wollen, die eher technischen Charakter hätten und ganz überwiegend in der Umsetzung eindeutiger normativer Vorgaben bestünden. Dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen solle, schließe es aus, sie auf Konstellationen zu erstrecken, in denen sich die Entscheidung nicht ohne Weiteres - im Sinne eines "Ja" oder "Nein" - aus normativen Vorgaben ergebe, sondern es hierzu einer einzelfallbezogenen Prüfung bedürfe.
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Unter Anwendung der dargestellten Maßstäbe hat der Senat entschieden, dass Regresse wegen der Verordnung von Arzneimitteln außerhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung (sogenannter "Off-Label-Use") grundsätzlich nicht zu den Sachverhalten gehören, in denen die Ausnahmeregelung nach § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V Anwendung findet, weil es zur Prüfung der Voraussetzungen regelmäßig einer einzelfallbezogenen Prüfung bedarf, bei der regelmäßig schwierige medizinische Fragestellungen im Raum stehen (BSG aaO RdNr 29 ff). Hieran hält der Senat - auch für die Zeit nach der Einfügung des § 2 Abs 1a SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung - fest.
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b. Ein für die Anwendung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V erforderlicher Verordnungsausschluss durch Gesetz oder die Richtlinien liegt hingegen (auch) dann vor, wenn ein solcher dort für den Regelfall normiert wird, die Norm jedoch - unmittelbar oder durch eine spezielle Ermächtigung an den GBA - Ausnahmen in Sonderfällen zulässt.
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aa. Die in Rede stehenden Verordnungen betreffen Arzneimittel, deren Verordnung Versicherte (grundsätzlich) nicht beanspruchen können. Nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V ausgeschlossen sind. Ein solcher Ausschluss ist - in Bezug auf die vorliegend relevanten "Chondroprotektiva" - durch die auf der Grundlage des § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V erlassene AM-RL erfolgt. Wie sich aus § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGB V ergibt, ist der GBA auch ermächtigt, die Erbringung von Leistungen oder Maßnahmen einzuschränken oder auszuschließen, wenn nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Nach § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 4 SGB V kann er zudem die Verordnung von Arzneimitteln ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischem Nutzen verfügbar ist. Diese Ermächtigung hat der GBA in § 16 AM-RL umgesetzt. § 16 Abs 3 AM-RL bestimmt, dass die nach den Absätzen 1 und 2 (wegen fehlenden Nachweises des Nutzens, der medizinischen Notwendigkeit oder der Wirtschaftlichkeit bzw wegen Unzweckmäßigkeit oder Therapiealternativen) in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel in einer Übersicht als Anlage III der AM-RL zusammengestellt sind. In dieser Anlage werden unter Nr 9 auch Antiarthrotika und Chondroprotektiva aufgeführt, deren Verordnung vorliegend im Streit steht. Nach § 31 Abs 1 Satz 4 SGB V kann der Vertragsarzt jedoch Arzneimittel, die aufgrund der Richtlinie(n) nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise "in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung" verordnen. Die AM-RL wiederholt diese Vorgabe in § 16 Abs 5 aaO, ohne dies weiter zu präzisieren.
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bb. Der Umstand, dass Chondroprotektiva, um deren Verordnung es vorliegend geht, in besonderen Konstellationen mit Begründung verordnet werden dürfen, ändert nichts daran, dass jedenfalls für den Regelfall ein Verordnungsausschluss besteht.
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Würde allein der Umstand, dass eine Ausnahme von einem generellen gesetzlichen oder gesetzlich ermöglichten Verordnungssauschluss in Betracht kommt oder dass sich der Arzt auch nur hierauf beruft, die Anwendung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V ausschließen, verbliebe kaum ein sinnvoller Anwendungsbereich für diese Sonderregelung. Dies entspräche nicht der Intention des Gesetzgebers. In der großen Mehrzahl der Konstellationen, für die der Gesetzgeber die Anrufung des Beschwerdeausschusses aus Gründen der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens gerade ausschließen wollte, sind Ausnahmen unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Zu nennen ist neben dem vorliegend relevanten § 31 Abs 1 Satz 4 SGB V insbesondere § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V, der bezüglich des in Satz 1 aaO normierten generellen Ausschlusses nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel bestimmt, dass der GBA in einer Richtlinie die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel festzulegen hat, die ausnahmsweise bei schwerwiegenden Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt verordnet werden können.
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Die im Gesetz oder in der AM-RL vorgesehene Möglichkeit einer ausnahmsweisen Verordnung allein hat auch nicht zur Folge, dass die Entscheidung der Prüfungsstelle nicht mehr auf einen vergleichsweise leicht zu ermittelnden Sachverhalt - nämlich das Eingreifen eines explizit normierten Verordnungsausschlusses - bezogen ist. In der Regel sind auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für den besonderen Ausnahmefall normiert, und den Diagnosen, dem Alter des Versicherten und der gegebenenfalls erforderlichen Begründung des Arztes kann die Prüfungsstelle in den typischen Fallkonstellationen ohne größeren Aufwand entnehmen, ob ein Regress gerechtfertigt ist.
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Zwar ist ein Ausnahmefall nach § 31 Abs 1 Satz 4 SGB V bzw § 16 Abs 5 AM-RL nur in "medizinisch begründeten Einzelfällen" gegeben. Nach § 10 Abs 2 Satz 2 AM-RL genügt zur Begründung jedoch im Regelfall die Angabe der Indikation und gegebenenfalls die Benennung der Ausschlusskriterien für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen. Auch wenn der genannte § 10 AM-RL allein die "Dokumentation" der Leistung betrifft, kann für die "Argumentation" (die Begründung des Ausnahmefalls) nichts anderes gelten als für die "Dokumentation": Ein "medizinisch begründeter Einzelfall" muss nicht nur objektiv gegeben sein, sondern er muss auch dokumentiert sein. Dies verdeutlicht § 10 Abs 1 Satz 2 AM-RL. Dort heißt es: "Soweit die Verordnung von Arzneimitteln … aufgrund der jeweils genannten Ausnahmetatbestände zulässig ist, ist die Therapieentscheidung nach den Vorgaben der Übersicht nach § 16 Abs. 3 zu dokumentieren." Dem schließt sich Abs 2 an, der Vorgaben zur Dokumentation enthält. § 10 AM-RL betrifft mithin nicht allgemeine Dokumentationspflichten des Vertragsarztes, sondern regelt speziell die Dokumentation in den hier in Rede stehenden Ausnahmefällen.
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Dass die Zulässigkeit von Ausnahmen einem leicht überprüfbaren Sachverhalt nicht entgegensteht, verdeutlicht insbesondere § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V. Die Regelung ermöglicht eine - ansonsten grundsätzlich durch § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V ausgeschlossene - ausnahmsweise Verordnung von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, wenn diese bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Die Arzneimittel und die Voraussetzungen ihrer Verordnung sind der sogenannten "OTC-Übersicht" (Anlage I zur AM-RL) zu entnehmen. Ob die Voraussetzungen - etwa "Antiseptika und Gleitmittel nur für Patienten mit Katheterisierung" oder "Niclosamid nur zur Behandlung von Bandwurmbefall" - gegeben sind, lässt sich dabei in aller Regel einfach feststellen; besonderen medizinischen Sachverstandes bedarf es hierbei in aller Regel ebenfalls nicht. Auch handelt es sich (jedenfalls) insoweit um die "Umsetzung normativer Vorgaben" im Sinne der Senatsrechtsprechung (vgl BSGE 112, 251 = SozR 4-2500 § 106 Nr 38, RdNr 10).
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Es ist zwar nicht zu verkennen, dass es bezogen auf die Ausnahmen von einem generellen Verordnungsausschluss Konstellationen geben kann, bei denen der Ermittlungsaufwand und die notwendige medizinische Fachkunde dem entsprechen, was auch bei einem Off-Label-Use anfällt. Für diese Konstellation hat der Senat bekanntlich ein Eingreifen der Ausschlussregelung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V verneint. Das muss jedoch hingenommen werden, weil sich der Rechtsmittel- bzw Rechtsbehelfszug, den der Gesetzgeber differenziert ausgestaltet hat, nur nach dem "typischen Fall" richten kann. Im "typischen Fall" erfüllt der Verstoß eines Arztes gegen Vorgaben der AM-RL die Voraussetzungen, unter denen nach § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V und der dieser Regelung zu Grunde liegenden Intention des Gesetzgebers eine Anrufung des Beschwerdeausschusses ausgeschlossen sein soll, auch dann, wenn in bestimmten Fällen eine ausnahmsweise Verordnung in Betracht kommt.
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cc. Über das Eingreifen der Ausschlussregelung muss spätestens mit Erlass des Bescheides der Prüfungsstelle Klarheit bestehen: Alle Beteiligten müssen wissen, ob gegen die Entscheidung der Prüfungsstelle unmittelbar Klage zu erheben ist oder ob es zur Durchführung eines Verwaltungsverfahrens in zweiter Instanz kommt. Die Prüfungsstelle muss eine Rechtsbehelfsbelehrung erteilen, auf deren Richtigkeit sich der Arzt verlassen können muss. Deshalb kann es für die Frage, ob gegen einen Regressbescheid der Beschwerdeausschuss angerufen werden muss oder unmittelbar Klage erhoben werden kann, nicht darauf ankommen, wie der Arzt seinen Rechtsbehelf begründet, insbesondere, ob er einen Ausnahmefall geltend macht, ob er diesen ausreichend begründet, ob ein Ausnahmefall sich jedenfalls aufdrängt oder auch nur als möglich erscheint. Es ist ausgeschlossen, das Eingreifen einer gesetzlichen Regelung über eine Beschränkung verfahrensmäßiger Rechte davon abhängig zu machen, ob der Rechtsbehelfsführer ausreichend vorgetragen hat. Zudem könnte andernfalls nicht zweifelsfrei erkennbar beurteilt werden, welcher Rechtsbehelf zulässig wäre, weil der Vortrag des betroffenen Arztes zum Vorliegen eines Ausnahmefalls in den Instanzen unterschiedlich gewürdigt werden könnte.
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3. Nach alledem muss der Senat den Rechtsstreit nach § 170 Abs 2 Satz 2 SGG an das SG zurückverweisen. Dieses Gericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft, ob die umstrittenen Verordnungen von einer Ausnahmeregelung in den AM-RL gedeckt sind und vor allem, ob der Kläger, der sich selbst gegenüber der Beklagten nicht auf diese Ausnahmebestimmung berufen hat, die erforderliche Begründung seiner Verordnungen gegeben hat. Die Zweifel, die der Senat daran nach Aktenlage hat, sind nicht so unüberwindlich, dass auf eine Klärung des Sachverhaltes in einer Tatsacheninstanz verzichtet werden könnte.
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Wenn die umstrittenen Verordnungen objektiv von einem Ausnahmetatbestand erfasst werden und der Kläger - gleichgültig aus welchen Gründen - auch den formellen Anforderungen dieses Tatbestandes - insbesondere im Hinblick auf die Begründung seiner Verordnungen - entsprochen hat, würde die Berücksichtigung dieses Umstandes im gerichtlichen Verfahren nicht von vornherein daran scheitern, dass der Kläger den Ausnahmetatbestand nach seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren gar nicht gekannt hat.
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Die Kostenentscheidung bleibt dem SG überlassen.
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