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BSG 14.05.2014 - B 11 AL 8/13 R
BSG 14.05.2014 - B 11 AL 8/13 R - Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung - Nichterscheinen zu mehreren Meldeterminen - mehrmalige Verletzung der allgemeinen Meldepflicht - kein automatisches Entfallen der Verfügbarkeit - Einzelfallprüfung - Indiz für fehlende subjektive Verfügbarkeit und Obliegenheitsverletzungen - Anwendbarkeit von allgemeinen Mitwirkungsvorschriften
Normen
§ 119 Abs 1 Nr 3 SGB 3, § 119 Abs 5 SGB 3, § 309 Abs 1 S 1 SGB 3, § 20 SGB 10, § 48 Abs 1 S 1 SGB 10, § 37 SGB 1, § 60 SGB 1, § 61 SGB 1, § 66 SGB 1
Vorinstanz
vorgehend SG München, 18. Dezember 2009, Az: S 37 AL 1111/08, Urteil
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 22. November 2012, Az: L 9 AL 59/10, Urteil
Leitsatz
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1. Ein dreimaliges aufeinanderfolgendes unentschuldigtes Fernbleiben von einem Meldetermin rechtfertigt auch bei jeweils ordnungsgemäßer Meldeaufforderung nicht zwingend die Annahme, der Bezieher von Arbeitslosengeld sei nicht mehr verfügbar. Einen solchen Automatismus sieht das Gesetz nicht vor.
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2. Das Nichterscheinen eines Arbeitslosen nach Erhalt einer Meldeaufforderung kann als gewichtiges Indiz fehlender Verfügbarkeit sowie als Verletzung der Obliegenheiten des Arbeitslosen zur Angabe von Tatsachen und zum persönlichen Erscheinen nach den für alle Sozialleistungen geltenden Mitwirkungsvorschriften Grund für eine Leistungsversagung oder -entziehung sein. Die allgemeinen Mitwirkungsvorschriften sind insoweit neben der speziellen Regelung des SGB 3 zur Meldeaufforderung anwendbar.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. November 2012 wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) mit Wirkung für die Zukunft nach unentschuldigten Meldeversäumnissen.
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Der 1967 geborene Kläger war von 1991 bis Ende 2007 als Vertriebsleiter eines großen Versicherungsunternehmens im Außendienst beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis endete durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags zum 31.12.2007 unter Vereinbarung einer Abfindung von 90 000 Euro. Während des vom 1.1. bis 5.7.2008 festgesetzten Ruhens des Anspruchs auf Alg wurden dem Kläger mehrere Vermittlungsvorschläge unterbreitet, über die er sich beschwerte. Es wurden auch Einladungen zur Vorsprache ausgesprochen, denen er nicht nachkam. Am 24.4.2008 fand im Beisein des örtlichen Teamleiters für Arbeitsvermittlung ein persönliches Gespräch in den Räumlichkeiten der Agentur für Arbeit statt. Als dem Kläger nicht gestattet wurde, dieses Gespräch mithilfe eines Diktiergeräts aufzuzeichnen, brach er es ab. Mit einer E-Mail vom selben Tage teilte der Kläger mit, dass er weitere Gesprächseinladungen nur annehmen werde, wenn ihm der Gesprächsmitschnitt mittels Diktiergerät vorab schriftlich zugestanden werde. Einen Rechtsbeistand könne er aus Kostengründen nicht zu jedem Gespräch hinzuziehen.
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Die Beklagte zahlte dem Kläger ab 6.7.2008 Alg (Bescheid vom 27.12.2007, Änderungsbescheid vom 19.8.2008). Anfang August 2008 warf die Beklagte dem Kläger vor, innerhalb der zurückliegenden Wochen dreimal hintereinander ohne wichtigen Grund einer Einladung zu einem Meldetermin nicht gefolgt zu sein. Die Beklagte stellte mit nicht angegriffenem Bescheid vom 8.8.2008 Sperrzeiten fest und hob mit Aufhebungsbescheid vom 8.8.2008 die Bewilligung von Alg ab dem 11.8.2008 auf. Der Kläger zeige durch sein Fernbleiben, dass er den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zur Verfügung stehe. Daher habe er keinen weiteren Anspruch auf Alg. Auf den Widerspruch des Klägers verschob die Beklagte das Wirksamwerden der Aufhebungsentscheidung auf den 12.8.2008 (Änderungsbescheid vom 19.8.2008) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 22.10.2008).
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Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 18.12.2009), das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 22.11.2012). Zur Begründung haben beide Gerichte nach persönlicher Anhörung des Klägers ausgeführt, es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Kläger auf (schriftlich) übermittelte Eingliederungs- und Vermittlungsvorschläge nicht reagiert hätte, sodass weiterhin von einer ausreichenden subjektiven Verfügbarkeit des Klägers auszugehen sei.
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Die Beklagte macht mit ihrer Revision ein Überschreiten der Grenzen der freien Beweiswürdigung, § 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sowie eine Verletzung des § 48 Abs 1 S 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) iVm § 119 Abs 5 Nr 2 und 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung (aF) geltend. Das Verhalten des Klägers lasse den Schluss zu, dass er sich innerlich von jedweder Vermittlungstätigkeit der Beklagten abgewandt habe; die abweichend gebildete Überzeugung des LSG liege außerhalb der Grenzen der freien Beweiswürdigung. Zudem habe das LSG rechtswidrig seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen der Beklagten gesetzt, anstatt - wie es seine Aufgabe gewesen wäre - die Beweiswürdigung der Beklagten lediglich auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Auch sei das materielle Recht dahin auszulegen, dass nach drei aufeinanderfolgenden Meldeversäumnissen zulasten des Arbeitslosen davon auszugehen sei, dass dieser der Vermittlungstätigkeit der Beklagten nicht mehr zur Verfügung stehe.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. November 2012 und das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Dezember 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§§ 165, 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).
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Die Revision der Beklagten ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).
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Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Klage war als Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) zulässig und begründet. Der Aufhebungsbescheid vom 8.8.2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 19.8.2008 sowie in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Nach den bindenden, weil nicht mit einer durchgreifenden Verfahrensrüge angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG (§§ 163, 164 Abs 2 S 3, § 170 Abs 3 S 1 SGG) lagen die Voraussetzungen, unter denen eine Aufhebung der Bewilligung von Alg zum 12.8.2008 hätte ergehen dürfen, nicht vor.
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Gemäß § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Bei der Bewilligung von Alg handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die der Bewilligung des Alg im Dezember 2007 zugrunde gelegen haben, ist entgegen dem Bescheid der Beklagten bis zum 12.8.2008 nicht eingetreten.
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Unschädlich ist, dass sich den Feststellungen des LSG nicht eindeutig entnehmen lässt, ob dem Kläger im August 2008 überhaupt mehr als eine Einladung (Meldeaufforderung) zugegangen ist. Denn selbst nach jeweils drei ordnungsgemäßen Meldeaufforderungen begründet ein dreimal aufeinanderfolgendes unentschuldigtes Fernbleiben von den Meldeterminen (§ 309 SGB III) nicht automatisch die Annahme, dass in den tatsächlichen Verhältnissen, die der Gewährung von Alg zugrunde gelegen haben - namentlich in der Verfügbarkeit des Klägers nach § 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 Nr 2 und 3 SGB III aF - eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Einen solchen Automatismus sieht das SGB III aF nicht vor.
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1. Ein dreimaliges Meldeversäumnis begründet nicht ipso jure, dass die Verfügbarkeit eines Arbeitslosen entfällt.
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Die Regelung des § 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 Nr 2 SGB III aF verlangte für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit (§ 118 Abs 1 Nr 1 SGB III aF), dass ein Arbeitnehmer den Vermittlungsbemühungen der Beklagten objektiv zur Verfügung steht, indem er deren Vorschlägen zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann. Aus der Regelung wird weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sachzusammenhang erkennbar, dass der Gesetzgeber das Vorhandensein dieser äußeren Tatsache allein anhand des Erscheinens bei Meldeterminen feststellen lassen will. § 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 Nr 3 SGB III aF verlangte für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit weiter, dass ein Arbeitnehmer den Vermittlungsbemühungen der Beklagten subjektiv zur Verfügung steht, indem er bereit ist, jede versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkts anzunehmen und auszuüben. Aus der Regelung ergibt sich weder nach deren Wortlaut noch nach dem Sachzusammenhang, dass das Vorliegen dieser inneren Tatsache allein anhand des Erscheinens bei Meldeterminen festzustellen wäre.
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Weder die objektive Verfügbarkeit (§ 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 Nr 1 SGB III aF) noch die subjektive Verfügbarkeit (§ 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 Nr 4 SGB III aF) weisen einen Bezug zur Wahrnehmung von Meldeterminen auf.
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Da § 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 SGB III aF keine Verknüpfung zwischen der Verfügbarkeit und dem Erscheinen zu einem Meldetermin nach § 309 SGB III aF herstellt, kann das Nichterscheinen zu einem Meldetermin auch nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitslosen hinsichtlich des Fortbestehens von objektiver und subjektiver Verfügbarkeit führen (vgl zur Beweislastumkehr BSG SozR 4-1500 § 128 Nr 5 mwN).
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§ 119 Abs 1 Nr 3 SGB III aF stellt schließlich keinen gegenüber § 119 Abs 5 SGB III aF erweiterungsfähigen Tatbestand dar, unter dem weitere Tatsachen zur Anspruchsvoraussetzung erhoben werden können, die nicht bereits von § 119 Abs 5 SGB III aF erfasst werden.
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Die historische Auslegung der Vorschriften stützt dieses Ergebnis: Der Gesetzgeber des § 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 SGB III aF hat eine Verknüpfung von Meldepflicht und Verfügbarkeit nicht hergestellt, obwohl ihm das Konzept einer persönlichen Meldung zum rechtserhaltenden Nachweis anspruchsbegründender Tatsachen aus früheren Rechtslagen bekannt ist. So war in § 179 Abs 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der Fassung der Neubekanntmachung vom 3.4.1957 <AVAVG> (BGBl I 321, 351) bis zur Ablösung des AVAVG durch das Arbeitsförderungsgesetz vom 25.6.1969 <AFG> (BGBl I 582) zum 1.7.1969 geregelt: "Wer Arbeitslosengeld bezieht, hat sich zur Erlangung von Arbeit und zum Nachweis der Arbeitslosigkeit regelmäßig und auf Vorladung beim Arbeitsamt zu melden. Die Pflicht zur Meldung besteht auch während einer Sperrfrist (§§ 78 bis 81), während der Wartezeit (§ 92), während eines Vorverfahrens oder eines Verfahrens bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für die Zeit, für die dem Arbeitslosen im Falle seines Obsiegens ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zustände." Hieran anknüpfend regelte § 98 AVAVG: "Das Arbeitslosengeld ist für die Tage eines Meldezeitraumes zu versagen, für den der Arbeitslose die vorgeschriebenen Meldungen (§ 179) ohne triftigen Grund trotz Belehrung über die Rechtsfolgen unterläßt. Eine nachträgliche Entschuldigung ist zulässig." § 91 AVAVG kleidete die Leistungserbringung in eine Holschuld des Arbeitslosen, indem er anordnete: "Das Arbeitslosengeld wird in bar und nur für die sechs Wochentage gewährt. Auf jeden Wochentag entfällt ein Sechstel des unter Berücksichtigung des § 95 festgesetzten wöchentlichen Arbeitslosengeldes. Das Arbeitslosengeld kann in besonderen Fällen dem Empfangsberechtigten überwiesen werden."
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Dies zeigt, dass das unentschuldigte Unterlassen einer persönlichen Meldung trotz ausreichender Rechtsfolgenbelehrung in den Rang einer rechtsvernichtenden Tatsache (Einwendung) erhoben war. Die Verwaltungspraxis, den Zahltag in der Regel auch als Meldetag festzusetzen (Draeger/Buchwitz/Schönefelder, AVAVG, 1961, § 91 RdNr 3), dürfte dieser Konstruktion zusätzliche Wirkung verschafft haben.
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Das AFG hat diese Konzeption des AVAVG nicht übernommen. Zwar sah der ursprüngliche Regierungsentwurf eines § 129 Abs 1 S 1 AFG noch vor, dass der Arbeitslose "sich während der Zeit, für die er Anspruch auf Arbeitslosengeld erhebt, regelmäßig und auf Vorladung beim Arbeitsamt zu melden (hatte), um Arbeit zu erlangen und glaubhaft zu machen, daß er arbeitslos ist und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht" (BT-Drucks V/2291, 26). Der Wortlaut der Regelung wurde aber im Gesetzgebungsverfahren geändert und lautete in dem am 1.7.1969 in Kraft getretenen § 132 Abs 1 S 1 AFG: "Der Arbeitslose hat sich während der Zeit, für die er Anspruch auf Arbeitslosengeld erhebt, beim Arbeitsamt zu melden, wenn das Arbeitsamt ihn dazu auffordert" (BGBl I 1969, 582, 604). Der Gesetzgeber folgte damit der Einschätzung des Ausschusses für Arbeit, wonach es nicht mehr zeitgemäß sei, "daß ein Arbeitsloser zur regelmäßigen Meldung beim Arbeitsamt - zum 'Stempeln' - verpflichtet ist". Diese Pflicht solle beseitigt werden, um das Tätigwerden der Arbeitsverwaltung einschließlich etwaiger Meldeaufforderungen im Einzelfall allein an den Bedürfnissen der Arbeitsvermittlung auszurichten (zu BT-Drucks V/4110, 22; Sitzungsprotokoll des Deutschen Bundestages, 234. Sitzung, 5. Wahlperiode 1969, S 12951 B, 12953 D).
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Mit der Einführung des SGB III aF zum 1.1.1998 gab es in § 122 Abs 2 Nr 3 SGB III aF bis zum 31.7.1999 die Regelung, dass die anspruchsbegründende Wirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung nach Ablauf von drei Monaten erlischt, wenn der Arbeitslose diese nicht vor Ablauf dieser Zeit beim Arbeitsamt oder einem an der Vermittlung beteiligten Dritten erneuert (Art 1 des Gesetzes vom 24.3.1997, BGBl I 594, geändert durch Art 3 des Gesetzes vom 16.12.1997, BGBl I 2998, und Art 2 des rückwirkenden Gesetzes zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 6.4.1998, BGBl I 688 f, 693). Die ersatzlose Streichung des § 122 Abs 2 Nr 3 SGB III aF (Zweites Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze <Zweites SGB III-Änderungsgesetz> 2. SGB III-ÄndG>) vom 21.7.1999) wurde wie folgt begründet: "Die seit 1. Januar 1998 geltende Verpflichtung von Arbeitslosen, ihre persönliche Arbeitslosmeldung im Abstand von drei Monaten zu erneuern, hat in der Praxis zu erheblichem Verwaltungsaufwand in den Arbeitsämtern geführt. Zur Bekämpfung des Leistungsmißbrauchs reichen effektivere Instrumente, wie etwa die Einladung von Arbeitslosen im Rahmen der Meldepflicht (§ 309), aus. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Arbeitsverwaltung dafür Sorge trägt, daß der mißbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen auch durch intensivierte Meldekontrollen entgegengewirkt wird. Die Regelung zur Erneuerung der Arbeitslosmeldung soll deshalb entfallen" (BT-Drucks 14/873, S 12).
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Indem der Gesetzgeber die arbeitsförderungsrechtliche Regelungsfigur eines anspruchsvernichtend wirkenden Meldeversäumnisses aufgegeben und die Meldepflicht nach § 309 SGB III aF als Beispiel effektiverer Kontrolle herausgestellt hat, gibt er zu verstehen, dass er von dem Konzept einer wiederkehrenden Anspruchsprüfung durch Mitwirkungs- und Meldepflichten Abstand genommen hat. Eine Auslegung des § 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 SGB III aF, die aus Meldeversäumnissen nach § 309 SGB III unmittelbar oder kraft Rechtsvermutung auf fehlende Verfügbarkeit schließen will, liefe dieser Regelungsabsicht des Gesetzes zuwider.
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2. Das Vorliegen eines mehrfachen - hier dreimaligen - Meldeversäumnisses schließt allerdings eine Prüfung und Entscheidung über das Fehlen von Verfügbarkeit aufgrund einer Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Arbeitslosen - auch unter Berücksichtigung der Meldeversäumnisse - nicht aus.
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Die Arbeitsverwaltung bleibt in einer Situation, in der ein Arbeitsloser sich - wie hier - auf Meldeaufforderungen hin sowie in anderem Zusammenhang so verhält, dass Zweifel an seiner subjektiven Verfügbarkeit entstehen können, nicht ohne Reaktionsmöglichkeiten.
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a) Die Bundesagentur für Arbeit hat auch während des Leistungsbezugs von Amts wegen zu prüfen (§ 20 SGB X), ob die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des Anspruchs auf Alg (weiterhin) vorliegen. Im Fall des Klägers könnte zweifelhaft sein, ob "Arbeitslosigkeit" des Leistungsbeziehers (§ 119 SGB III aF; jetzt § 138 SGB III) noch gegeben ist. Die Verfügbarkeit ist gemäß § 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 SGB III aF ein Aspekt der Anspruchsvoraussetzung "Arbeitslosigkeit". Fehlt es an der objektiven oder subjektiven Verfügbarkeit des Arbeitslosen, liegt Arbeitslosigkeit im Sinne des Gesetzes nicht (mehr) vor.
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Bei der Prüfung dieser Frage ist das dreimalige Nichterscheinen zum Meldetermin nach Meldeaufforderungen iS des § 309 SGB III ein gewichtiges Indiz dafür, dass es an der subjektiven Verfügbarkeit des Arbeitslosen fehlt. Ein solches Verhalten kann die Beklagte zur Aufhebung der Bewilligung von Alg und Leistungsentziehung nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X berechtigen. Dabei kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, sodass auch das Verhalten des Arbeitslosen außerhalb der Meldeversäumnisse zu würdigen ist. Vorliegend hat der Kläger es zB abgelehnt, ohne Zulassung der Aufzeichnung mittels Diktiergeräts an weiteren Besprechungen teilzunehmen. Auch hat er sich über Vermittlungsvorschläge beschwert, obwohl es zu den zentralen Aufgaben der Beklagten zählt, Arbeitslosen Vermittlungsangebote zu unterbreiten (§ 2 Abs 1 Nr 2, § 35 SGB III).
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b) Alternativ zu einer Prüfung über Meldeaufforderungen besteht für die Beklagte auch die Möglichkeit, die Mitwirkungspflichten nach §§ 60 f Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) zu konkretisieren und im Fall fehlender Mitwirkung des Arbeitslosen nach Maßgabe des § 66 SGB I zu reagieren. §§ 61, 66 SGB I sind insoweit neben der Meldeaufforderung nach § 309 SGB III anwendbar. § 37 SGB I will den Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuchs nur zurücktreten lassen, soweit die sachlich spezielleren Gesetze der einzelnen Bücher des Sozialgesetzbuchs eine Materie gesondert und abschließend regeln (Seewald in Kasseler Komm, § 37 RdNr 2, Stand September 2007). Eine solche Spezialität besteht im Verhältnis von §§ 61, 66 SGB I zu § 309 SGB III nicht; denn es handelt sich insoweit um zwei verschiedene Rechtsinstitute (Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 22.9.2000 - L 3 AL 10/00 - Juris), die nach Voraussetzungen, Rechtscharakter und Folgen ausreichend verschieden sind, um der Behörde nebeneinander zu Gebote zu stehen (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, K § 309 RdNr 9 f, Stand Einzelkommentierung Mai 2012). Diesbezüglich ergibt sich aus § 309 SGB III nichts iS von § 37 SGB I Abweichendes (so im Ergebnis - stillschweigend - BSG SozR 4-1500 § 103 Nr 5; offengelassen, jedoch mit zustimmender Tendenz in einem obiter dictum BSG SozR 4100 § 132 Nr 1; Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 22.9.2000 - L 3 AL 10/00 - Juris; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, K § 309 RdNr 9 f, Stand Einzelkommentierung Mai 2012; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 309 RdNr 23 ff, Stand Einzelkommentierung November 2004; Mrozynski, SGB I, 5. Aufl 2014, § 61 RdNr 9; Harks in juris-PK SGB III, 2014, § 309 SGB III RdNr 12; Seewald in Kasseler Komm, § 61 SGB I RdNr 4, Stand Einzelkommentierung Dezember 2010; aA U. Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, § 309 SGB III RdNr 37 ff, Stand Einzelkommentierung April 2012; J. Winkler in LPK-SGB III, § 309 RdNr 4; Düe in Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 309 RdNr 4; Marschner in GK-SGB III, § 309 RdNr 7, Stand Einzelkommentierung Juli 2012; Davilla, Die Eigenverantwortung im SGB III und SGB II, S 234; Vor in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 32 RdNr 7; Scholz in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 309 RdNr 7).
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Vorliegend hat die Beklagte aber nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X eine gebundene Entscheidung getroffen. Eine Umdeutung in eine nach § 66 Abs 1 SGB I zu treffende Entscheidung, die im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten steht, scheidet gemäß § 43 Abs 3 SGB X aus.
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3. Die Revisionsrüge der Beklagten gegen die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LSG greift nicht durch. Der Senat bleibt daher an die Feststellungen des LSG gebunden (§ 163 SGG), wonach der Kläger - trotz seines befremdlich erscheinenden Verhaltens - im August 2008 objektiv und subjektiv verfügbar war.
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Die Rüge der Überschreitung der Grenzen zulässiger Beweiswürdigung durch das LSG ist unbegründet. Diese Grenzen sind vorliegend nicht als überschritten anzusehen.
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Die Revision kann nicht mit ihrem Einwand durchdringen, das LSG habe seine eigene Beweiswürdigung rechtswidriger Weise an die Stelle derjenigen der Beklagten gesetzt, anstatt - wie es seine Aufgabe gewesen wäre - die Beweiswürdigung der Beklagten lediglich auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Das SGG als die maßgebende Verfahrensordnung sieht eine gerichtliche Kontrolle behördlichen Handelns nicht in der Weise vor, dass das Handeln der Behörde lediglich auf seine Schlüssigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen wäre. Vielmehr verlangt das SGG eine volle Rechtsprüfung, soweit nicht der Verwaltung ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zusteht. Das Tatbestandsmerkmal "Verfügbarkeit" ist ein Rechtsbegriff, der der Beklagten keinen autonomen Beurteilungsspielraum oder Ermessensspielraum eröffnet.
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Dem LSG ist ein Überschreiten der Grenzen der freien Beweiswürdigung durch Verkennen eines allgemeinen Erfahrungssatzes (hierzu BSG SozR 3-2200 § 581 Nr 8; BSGE 95, 244, 254 = SozR 4-3100 § 1a Nr 1; auch zum Unterfall des Anscheinsbeweises Keller in Mayer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 128 RdNr 9 ff mwN) nicht anzulasten. Denn ein allgemeiner Erfahrungssatz dergestalt, dass von einem dreimaligen unentschuldigten Meldeversäumnis automatisch auf eine innere Abwendung von den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zu schließen sei, existiert nicht. Die übrigen Angriffe der Revision laufen darauf hinaus, die eigene Beweiswürdigung derjenigen des LSG als überlegen darzustellen und zu verlangen, dass die Beweiswürdigung des LSG entsprechend ersetzt werde.
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Nachdem Erfahrungssätze ebenso wie Denkgesetze nicht als verletzt anzusehen sind, verbleibt die Frage, ob das LSG unter Beibehaltung seiner insoweit zutreffenden Rechtsauffassung, dass die Verfügbarkeit sich nicht schematisch allein an der Wahrnehmung von Meldeterminen festmachen lasse, die vorgefundenen Tatsachen anders hätte würdigen müssen. Dies ist jedoch weder dargetan, noch sonst erkennbar. Das LSG hat sowohl den Vorwurf wiederholter Meldeversäumnisse als auch die Weigerung des Klägers, Gespräche ohne Aufzeichnung auf Tonband zu führen, im Hinblick auf ihren indiziellen Aufschluss über dessen subjektive Verfügbarkeit gewürdigt. Es hat sich jedoch unter Würdigung des Gesamtverhaltens des in der mündlichen Verhandlung persönlich angehörten Klägers sowie unter Beachtung der diesbezüglich bestehenden Darlegungs- und Feststellungslast auf Seiten der Beklagten nicht davon überzeugen können, dass der Kläger auch Vorschlägen zu seiner beruflichen Eingliederung und Vermittlung nicht nachgekommen wäre. Damit sind die durch die Rechtsauffassung des LSG gezogenen äußersten Grenzen der freien Beweiswürdigung vorliegend nicht überschritten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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