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BSG 11.12.2013 - B 6 KA 37/13 B
BSG 11.12.2013 - B 6 KA 37/13 B - Vertragsärztliche Versorgung - einheitlicher Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen - Überprüfung der Kombination einer Gesprächsleistung und des Ordinationskomplexes - Anmerkung zu einer Gebührenordnungsposition - gleicher Rang wie Leistungslegende - Vertragsarzt - persönliche Pflicht zur korrekten Abrechnung - Einschränkung der Befugnis einer Kassenärztliche Vereinigung zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten - Zurückverweisung eines Befangenheitsantrages - Geltendmachung als Verfahrensfehler
Normen
§ 87 Abs 1 SGB 5, § 87 Abs 2 SGB 5, § 106a Abs 2 SGB 5, Anh 3 EBM-Ä 2005, Nr 01320 EBM-Ä 2005, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 242 BGB
Vorinstanz
vorgehend SG Dortmund, 31. Oktober 2011, Az: S 16 KA 52/09, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 13. März 2013, Az: L 11 KA 148/11, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. März 2013 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9600 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Der 1940 geborene Kläger, der als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, wendet sich gegen sachlich-rechnerische Richtigstellungen für die Quartale II/2005 bis IV/2005. Die Beklagte hob die Honorarbescheide für diese Quartale teilweise auf, weil eine Prüfung mittels Quartals- und Tagesprofilen ergeben habe, dass er jeweils an mehreren Behandlungstagen (15, 25 und 23 Tage in den betroffenen Quartalen) mehr als 12 Arbeitsstunden abgerechnet habe. Den Widerspruch hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.7.2009 zurück. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 31.10.2011). Das LSG hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 13.3.2013 zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Es stehe insbesondere mit den zeitlichen Vorgaben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) in Einklang, bei gleichzeitiger Abrechnung der Gebührenordnungspositionen 03110 bis 03112 und 03120 EBM-Ä eine Zeit von 20 Minuten anzusetzen.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, zu deren Begründung er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie einen Verfahrensfehler rügt (§ 160 Abs 1 Nr 3 SGG).
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II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Soweit sein Vorbringen den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügt, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.
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1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG (vgl dazu BVerfGE 91, 93, 107 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3 ). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die BVerfG-Angaben in BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 sowie BVerfG <Kammer> SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f; BVerfG <Kammer> SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5).
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a) Soweit der Kläger fragt:
"Dürfen zum Zweck der Tages- und Quartalsprofilbildung im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung nach § 106a SGB V andere Zeitvorgaben als solche, welche im Anhang 3 zum EBM enthalten sind, herangezogen werden?",
ist dies jedenfalls nicht klärungsfähig. Die Beklagte ist hier nicht etwa entgegen § 8 Abs 1 Abrechnungsprüfungs-Richtlinien von Zeitvorgaben des Anhangs 3 des EBM-Ä abgewichen. Sie hat vielmehr die im EBM-Ä festgelegten Zeiten berücksichtigt. Nach der Anmerkung zu der Gesprächsleistung Nr 03120 EBM-Ä (Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten) ist bei einer Nebeneinanderabrechnung der Leistungen nach den Nr 03110 bis 03112 (Ordinationskomplex nach Lebensalter gestaffelt) und 03120 eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nr 03120. Die Kombination einer Gesprächsleistung und des Ordinationskomplexes, die im Anhang 3 EBM-Ä nicht gesondert aufgeführt ist, kann nur anhand dieser Vorgaben überprüft werden. Die Anmerkung zu einer Position des EBM-Ä hat denselben Rang wie die Leistungslegende (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 10 RdNr 16 = Juris RdNr 22; SozR 4-5531 Nr 7120 Nr 1 RdNr 13 ff). Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass der Zeitaufwand von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Abrechenbarkeit beider Leistungen nebeneinander und eine vom EBM-Ä abweichende Zeitbewertung ausgeschlossen ist. Soweit die Beklagte im Übrigen vom Anhang 3 EBM-Ä abgewichen ist, erfolgte dies zugunsten des Klägers.
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b) Die Frage:
"Handelt ein Vertragsarzt zumindest grob fahrlässig, wenn er einen in der Anmerkung zur GOP 01320 EBM 2005 enthaltenen Abrechnungsausschluss nicht beachtet, da sein EDV-Programm diesen Abrechnungsausschluss nicht erkennt?"
ist ebenfalls nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Zum einen erfordert die sachlich-rechnerische Richtigstellung grundsätzlich kein Verschulden des Vertragsarztes. Soweit dies in zulässiger Weise von der im Bereich der Beklagten geltenden Vereinbarung zur Abrechnungsprüfung gefordert wird, haben die Vorinstanzen mit nicht zu beanstandender Begründung ein Verschulden des Klägers bejaht. Vom Vertragsarzt muss die Kenntnis der Gebührenordnung erwartet werden; er allein ist verantwortlich für die korrekte Abrechnung seiner Leistungen. Soweit er sich bei der Abrechnung personeller und/oder technischer Hilfe bedient, entlastet ihn dies nicht von seiner Verantwortung. Weder die Teilnahme von Mitarbeitern an Fortbildungen zur Abrechnung nach dem EBM-Ä noch die Verwendung zertifizierter Software führen dazu, dass der Vertragsarzt von seiner persönlichen Pflicht zur korrekten Abrechnung befreit wird.
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c) Die Frage:
"Soweit im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nach § 106a Abs 2 SGB V nur Prüfzeiten des Anhang 3 des EBM 2005 herangezogen werden dürfen, überschreitet eine Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) ihr Schätzungsermessen, wenn sie unter Berücksichtigung einer auf einer Anmerkung zu GOP 03120 EBM 2005 basierenden Prüfzeit eine zeitanteilige Rückforderung vornimmt?"
ist zunächst in ihrer Zielrichtung unklar. Soweit der Kläger damit erneut zur Überprüfung stellen will, ob die Beklagte für die Kombination von Gesprächsleistungen und Ordinationskomplex eine 20minütige Dauer bei den Tagesprofilen zugrunde legen durfte, kann auf die Ausführungen zu a) verwiesen werden.
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d) Die Frage:
"Genießt der Vertragsarzt im Hinblick auf zuviel gezahltes Honorar Vertrauensschutz, soweit die KÄV gegenüber dem Vertragsarzt erklärt, 'Die von Ihnen eingereichten Behandlungsfälle wurden sachlich und rechnerisch richtiggestellt, soweit Fehler erkennbar waren (zum Beispiel unrichtige Anwendung des EBM)', eine Überprüfung im Wege einer Plausibilitätsprüfung jedoch, trotz ihrer technischen Möglichkeit nicht stattgefunden hat oder dem Arzt das Prüfergebnis nicht mitgeteilt wurde?"
zielt auf die Beurteilung des konkreten Einzelfalles, die regelmäßig nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist. In der Rechtsprechung des Senats ist im Übrigen geklärt, dass die Befugnis der KÄV zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten eingeschränkt ist, soweit die KÄV diese Befugnis bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honoraranforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat (BSGE 89, 90, 98 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 11 f; bekräftigt in BSG Urteil vom 26.6.2002 - B 6 KA 26/01 R - Juris RdNr 19). Dass die Überprüfung durch die KÄV hier auch eine Überprüfung anhand von Zeitprofilen umfasste, konnte, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, der Erklärung der KÄV nicht entnommen werden. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um insoweit ein spezifisches Vertrauen des Vertragsarztes zu begründen (vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 19).
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2. Auch ein Verfahrensmangel liegt nicht vor. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36).
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Soweit der Kläger sich gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs gegen die Richterin Dr. P. im Beschluss des LSG vom 8.3.2013 wendet, liegt ein Verfahrensmangel nicht vor. Im Hinblick auf § 557 Abs 2 ZPO (iVm § 202 SGG) unterliegen die dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen der Beurteilung des Revisionsgerichts grundsätzlich dann nicht, wenn sie ihrerseits unanfechtbar sind. Diese Einschränkung der Prüfungsbefugnis des Revisionsgerichts ist bei Beschlüssen, durch die ein Ablehnungsgesuch gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 406 Abs 5 ZPO zurückgewiesen wird, gegeben, wenn sie - wie hier - von einem LSG erlassen werden und deshalb gemäß § 177 SGG der Anfechtung mit der Beschwerde entzogen sind. Dies hat zur Folge, dass die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags grundsätzlich auch nicht als Verfahrensfehler des angefochtenen Urteils iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend gemacht werden kann. Die Bindung des Revisionsgerichts entfällt lediglich, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht, die für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind, oder wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (vgl BSG SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 5 mwN). Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die Richterin Dr. P. hat das LSG nicht willkürlich zurückgewiesen. Selbst wenn die Richterin im Zusammenhang mit der Beurteilung der Befangenheit der ehrenamtlichen Richterin T.
sachlich fehlerhaft gehandelt haben sollte, begründet dies die Besorgnis einer Parteinahme noch nicht.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).
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4. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
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