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BVerfG 17.04.2024 - 2 BvR 244/24
BVerfG 17.04.2024 - 2 BvR 244/24 - Nichtannahmebeschluss: Art 6 Abs 1 GG schützt auch die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft einer "Patchwork-Familie" - zur Berücksichtigung des Familienschutzes in ausländerrechtlichen Angelegenheiten - jedoch Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde wegen Subsidiarität
Normen
Art 6 Abs 1 GG, Art 6 Abs 2 S 1 GG, Art 6 Abs 2 S 2 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 5 Abs 2 S 2 AufenthG 2004
Vorinstanz
vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 18. Januar 2024, Az: 2 M 134/23, Beschluss
vorgehend VG Magdeburg, 6. November 2023, Az: 2 B 285/23 MD, Beschluss
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Gründe
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Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags, die Ausländerbehörde des Landkreises im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm bis zum Abschluss eines aufenthaltsrechtlichen Verfahrens eine Verfahrensduldung zu erteilen.
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I.
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1. Der im Jahre 1989 geborene Beschwerdeführer ist beninischer Staatsangehöriger und reiste 2015 in das Bundesgebiet ein. Ein Asylantrag blieb erfolglos. Zuletzt war er in Besitz einer Duldung wegen ungeklärter Identität (§ 60b AufenthG). Seit 2017 führt der Beschwerdeführer eine Beziehung mit einer deutschen Staatsangehörigen, die er im Jahr 2020 nach traditionellem Ritus geheiratet hat. Zur 2013 geborenen Tochter seiner Lebensgefährtin pflegt er eine enge Beziehung und beteiligt sich intensiv an deren Erziehung.
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2. Am 15. Mai 2023 beantragte der Beschwerdeführer bei der zuständigen Ausländerbehörde die Erteilung einer aus Art. 20 AEUV abgeleiteten Aufenthaltserlaubnis sui generis, hilfsweise einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sei aus Art. 20 AEUV ein Aufenthaltsrecht eigener Art abzuleiten in Fällen, in denen Unionsbürger im Falle der Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen aufgrund ihrer affektiven emotionalen Bindung zu dieser Person faktisch gezwungen würden, das Unionsgebiet (gemeinsam mit dem Drittstaatsangehörigen) zu verlassen. Diese Voraussetzungen lägen vor, da seine Lebensgefährtin und deren Tochter ihm - sollte er nach Benin ausreisen und dort ein Visumverfahren für den Familiennachzug durchlaufen müssen - ins Ausland folgen würden.
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3. Die Ausländerbehörde lehnte den Antrag ab. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch des Beschwerdeführers wurde bislang nicht entschieden.
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4. Am 20. September 2023 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung einer Verfahrensduldung für die Dauer des Widerspruchs- und gegebenenfalls Gerichtsverfahrens. Diesen Antrag lehnte die Ausländerbehörde mit Bescheid vom 25. September 2023 ebenfalls ab.
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5. Am 4. Oktober 2023 beantragte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht Magdeburg, den Landkreis im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Abschiebungsmaßnahmen zu unterlassen und ihm eine Verfahrensduldung zu erteilen.
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6. Das Verwaltungsgericht Magdeburg lehnte den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 6. November 2023 ab. Zur Begründung führte es aus, dem Beschwerdeführer stehe kein aus Art. 20 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht zu. Zwar habe er glaubhaft gemacht, dass er die Vaterrolle für das Kind seiner Lebensgefährtin übernommen habe. Allerdings werde das Kind nicht gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen, wenn es für einen überschaubaren Zeitraum von dem Beschwerdeführer getrennt werde. Es sei davon auszugehen, dass dieser das Visumverfahren innerhalb eines Jahres durchlaufen könne. Zudem bestehe gar kein schützenswertes Interesse. Denn der Beschwerdeführer habe die ihm von der Ausländerbehörde eingeräumte Möglichkeit, die Wartezeit bis zum Visumtermin im Bundesgebiet zu verbringen und währenddessen die nötige Urkundenüberprüfung und die Identitätsfeststellung voranzutreiben, nicht genutzt. Er habe sich nicht um einen Termin bei der deutschen Botschaft in Cotonou, Benin, bemüht. Auch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK stünden einer Abschiebung des Beschwerdeführers nicht entgegen. Auf Art. 6 Abs. 1 GG könne sich der Beschwerdeführer nicht berufen, da er mit seiner Lebensgefährtin nicht standesamtlich verheiratet und die Tochter seiner Lebensgefährtin nicht seine (rechtliche) Tochter sei.
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7. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 18. Januar 2024 zurück. Zwar führe die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers in ihrer eidesstattlichen Versicherung aus, dass sie entschlossen sei, sich zusammen mit ihren Kindern dem Beschwerdeführer anzuschließen, wenn dieser ausreisen müsse. Damit werde jedoch nicht ein faktischer Ausreisezwang des Kindes belegt, der auf einer so engen affektiven Bindung zum Beschwerdeführer beruhe, dass eine auch nur vorübergehende Trennung das Kindeswohl ernsthaft gefährde. Es möge zutreffen, dass zwischen dem Beschwerdeführer und der Tochter seiner Lebensgefährtin eine besondere emotionale Bindung und ein affektives Abhängigkeitsverhältnis bestünden. Auch könne die Trennung von dem Beschwerdeführer bei dem Kind Traurigkeit und Verlustängste hervorrufen. Jedoch gebiete es der Schutz des Kindeswohls nicht, sämtliche Beschwerlichkeiten, Ängste und Sorgen von einem Kind fernzuhalten. Des Weiteren werde die Trennung voraussichtlich nur von kurzer Dauer sein. Denn die deutsche Botschaft in Cotonou, Benin habe mitgeteilt, dass die durchschnittliche Prüfdauer von Visumanträgen etwa ein bis zwei Wochen betrage. Dem sei der Beschwerdeführer nicht mit substantiellen Argumenten entgegengetreten.
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8. Gegen diesen Beschluss erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge. Dabei machte er lediglich geltend, das Gericht setze sich "mit den ausführlich vorgetragenen Umständen, insbesondere im Hinblick auf die Dauer, Durchführbarkeit und Zumutbarkeit eines nachzuholenden Visumverfahrens und den damit einhergehenden zwingend zu beachtenden Aspekten des Kindeswohls des Unionsbürgerkindes nicht im Ansatz auseinander."
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9. Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt wies die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 7. Februar 2024 zurück.
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II.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Dieser gebiete es, dass ihm für die Durchführung des Verwaltungs- und gegebenenfalls Gerichtsverfahrens eine Verfahrensduldung erteilt werde, damit er nicht während des Verfahrens abgeschoben und damit vor vollendete Tatsachen gestellt werde.
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Des Weiteren macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend. Die Gerichte hätten sein Kernvorbringen unberücksichtigt gelassen.
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Eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz von Ehe und Familie) oder Art. 7 EU-Grundrechtecharta, beziehungsweise eine Verletzung des Art. 24 EU-Grundrechte-charta, macht der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich geltend. Zur Darlegung seines Aufenthaltsrechts gemäß Art. 20 AEUV verweist er allerdings auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der auch eine nur vorübergehende Trennung von Familienangehörigen unzumutbar sei, wenn das Gericht keine gültige Prognose dazu anstelle, welcher Trennungszeitraum realistisch zu erwarten sei. Die Gerichte hätten aber nicht geprüft, ob dem Beschwerdeführer überhaupt ein Anspruch auf Erteilung eines Visums zustehe und wie lange die Durchführung eines Visumverfahrens voraussichtlich in Anspruch nehmen werde. Die Auskunft der deutschen Botschaft in Cotonou, Benin, beziehe sich auf Fälle des Familiennachzugs nach § 28 AufenthG und sei auf seinen Fall nicht ohne Weiteres übertragbar.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da sie unzulässig ist. Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) ist nicht gewahrt.
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1. a) Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt in formeller Hinsicht, dass Beschwerdeführer alle nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung schon im fachgerichtlichen Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 95, 163 171>; 107, 305 414>; 110, 1 12>; 112, 50 60>; 134, 106 115 Rn. 27>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. März 2016 - 2 BvR 408/16 -, Rn. 3). In materieller Hinsicht muss der zur Verfügung stehende Rechtsweg nicht nur formell, sondern auch in der gehörigen Weise unter Nutzung der gegebenen Möglichkeiten durchlaufen werden, um auf die Vermeidung oder Korrektur des gerügten Grundrechtsverstoßes hinzuwirken (vgl. BVerfGE 112, 50 60>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Februar 2020 - 2 BvR 336/19 -, Rn. 7).
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Inhalt und Grenzen einer auf Art. 103 Abs. 1 GG gestützten Verfassungsbeschwerde werden daher durch die im fachgerichtlichen Verfahren erhobene Anhörungsrüge bestimmt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 27. Juni 2007 - 1 BvR 1470/07 -, Rn. 14; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 - 2 BvR 1107/16 -, Rn. 13; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. November 2018 - 2 BvR 882/17 -, juris, Rn. 12). Sinn und Zweck der Anhörungsrüge, die Korrektur von Gehörsverletzungen vorrangig innerhalb des fachgerichtlichen Verfahrens zu ermöglichen, könnten jedenfalls dann nicht erfüllt werden, wenn es für die Rüge von Gehörsverstößen mit der Verfassungsbeschwerde ausreichen würde, dass überhaupt ein als Anhörungsrüge bezeichneter Rechtsbehelf eingelegt wurde, ohne dass ein ernsthafter Versuch unternommen wird, die gerügte Verletzung inhaltlich zu beheben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 - 2 BvR 1107/16 -, Rn. 13; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Februar 2020 - 2 BvR 336/19 -, Rn. 8).
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b) So verhält es sich hier. Die Verfassungsbeschwerde erfüllt, soweit sie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG rügt, und ebenso, soweit sie eine Verletzung des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG geltend macht, die Subsidiaritätsanforderungen nicht.
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Der Beschwerdeführer hat seine Anhörungsrüge äußerst knapp und lediglich pauschal begründet. Er verweist unspezifisch auf "ausführlich vorgetragene Umstände". Auch der Hinweis, dies betreffe "insbesondere (…) die Dauer, Durchführbarkeit und Zumutbarkeit eines nachzuholenden Visumverfahrens", benennt nicht nachvollziehbar, welchen Vortrag im Beschwerdeverfahren das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt übergangen haben soll. Ebenso führt der Beschwerdeführer in seiner Anhörungsrüge nicht aus, inwieweit eine Berücksichtigung des als übergangen behaupteten Vortrags zu einer anderen Beurteilung seiner Beschwerde hätte führen sollen. Erst in seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer differenzierte Ausführungen zu seinem Kernvorbringen, das das Oberverwaltungsgericht nicht beachtet habe.
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2. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Gerichte den von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Belangen des Beschwerdeführers ausreichend Geltung verschafft, die Sicht des betroffenen Kindes in dem in aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen gebotenen Maße berücksichtigt und in ausreichendem Umfang ermittelt haben, welche Auswirkungen eine (auch nur vorübergehende) Trennung des Beschwerdeführers von der Tochter seiner Lebensgefährtin für das Wohl des Kindes haben würde.
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3. Nach Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
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a) aa) Die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern mit Kindern ist als Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 79, 256 267>; 108, 82 112>). Der Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG reicht insofern über das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG hinaus, als er auch Familiengemeinschaften im weiteren Sinne einbezieht, die als soziale Familien von einer rechtlichen Elternschaft unabhängig sind (vgl. BVerfGE 68, 167 187>; 79, 51 59>; 80, 81 90>; 99, 216 231 f.>; 108, 82 107, 116>; 133, 59 82 f. Rn. 62>; 151, 101 124 Rn. 56>). Für den Schutz durch das Familiengrundrecht kommt es nicht darauf an, ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht; der Familienschutz schließt auch die nichteheliche Familie ein (vgl. BVerfGE 10, 59 66>; 18, 97 105 f.>; 45, 104 123>; 79, 256 267>; 108, 82 112>; zur Familieneigenschaft eines nicht-verheirateten Paares mit einem nur von einem Elternteil abstammenden Kind: BVerfGE 151, 101 124 f. Rn. 56>). Weil das Familiengrundrecht auf den Schutz der spezifisch psychologischen und sozialen Funktion familiärer Bindungen zielt, setzt der Grundrechtsschutz den Bestand rechtlicher Verwandtschaft nicht voraus. Alle Beteiligten können sich jeweils eigenständig auf den Schutz des Familiengrundrechts berufen (BVerfGE 133, 59 82 Rn. 60>).
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bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt zwecks Nachzugs zu bereits im Bundesgebiet lebenden Angehörigen (vgl. BVerfGE 76, 1 47>; BVerfGK 7, 49 54 f.>). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, Ausländerbehörden und Gerichte, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1 49 ff.>; 80, 81 93>). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Juni 2013 - 2 BvR 586/13 -, Rn. 12 m.w.N.).
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Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (vgl. BVerfGK 13, 26 27 f.>). Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen (vgl. BVerfGK 13, 562 567>).
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b) Ob diesen verfassungsrechtlichen Geboten Genüge getan wurde, ist im vorliegenden Fall allerdings zumindest zweifelhaft. Die Gerichte haben die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 6 Abs. 1 GG grundsätzlich verkannt. Das Verwaltungsgericht Magdeburg führt aus, der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Art. 6 Abs. 1 GG berufen, da er mit seiner Lebensgefährtin lediglich nach traditionellem Ritus verheiratet sei und die Tochter seiner Lebensgefährtin nicht seine (rechtliche) Tochter sei. Damit missachtet das Verwaltungsgericht, dass der Familienschutz des Art. 6 Abs. 1 GG eine rechtliche Verwandtschaftsbeziehung nicht voraussetzt, sondern auch gelebte sozial-familiäre Bindungen erfasst.
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Weiter ist es aus verfassungsrechtlicher Perspektive bedenklich, dass das Verwaltungsgericht Magdeburg annimmt, es bestehe, weil der Beschwerdeführer sich nicht frühzeitig um einen Termin bei der deutschen Botschaft in Benin gekümmert habe, um dadurch die Dauer einer möglichen Trennung von dem Kind möglichst kurz zu halten, gar kein "schützenswertes Interesse". Dass das Verwaltungsgericht Magdeburg mit dieser Begründung eine Prüfung des Kindeswohls insgesamt unterlässt und die Rechte des Kindes wegen einer Obliegenheitsverletzung des Beschwerdeführers schlechthin unberücksichtigt bleiben, ist mit dem nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG gebotenen staatlichen Schutz des Kindeswohls nicht in Einklang zu bringen. Denn mangelnde Kooperationsbereitschaft und selbst Fehlverhalten eines Ausländers in eigenen, aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten darf nicht zu einer Verkürzung der (Verfahrens-)Rechte eines an diesen Entscheidungen unbeteiligten, staatlichem Schutz unterstehenden Kindes führen. Vielmehr gebietet es der Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG, bei jeder aufenthaltsrechtlichen Entscheidung die Konsequenzen für das betroffene Kind auf seine Vereinbarkeit mit dem Kindeswohl zu untersuchen.
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Auch das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat sich der Würdigung des Verwaltungsgerichts Magdeburg angeschlossen und hat damit ebenfalls den Umfang des Gewährleistungsbereichs von Art. 6 Abs. 1 GG verkannt. Wenn es zudem unterstellt, dass das Kind im Falle einer Trennung vom Beschwerdeführer wohl "große Traurigkeit und Verlustängste" erleiden werde, ohne dies weiter aufzuklären, wird dadurch dem Kindeswohl in seiner verfassungsrechtlichen Dimension erneut nicht ausreichend Rechnung getragen. Denn es mangelt gerade an Feststellungen dazu, in welchem Maß das Kind durch eine (auch vorübergehende) Trennung von der Person, die nach Einschätzung der Fachgerichte die "Vaterrolle eingenommen" hat und zu der das Kind eine "besondere emotionale Bindung" aufweist, belastet würde. Damit konnte aber das Kindeswohl nicht entsprechend seiner tatsächlichen Bedeutung im Einzelfall in die Abwägung dazu, ob das öffentliche Interesse an der Durchführung des Visumverfahrens gegenüber dem durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Ausländers an der Aufrechterhaltung der familiären Lebensgemeinschaft und den durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Belangen des Kindes im Einzelfall überwiegt, eingestellt werden.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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