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BVerfG 12.03.2019 - 2 BvR 2255/17, 2 BvR 2272/17
BVerfG 12.03.2019 - 2 BvR 2255/17, 2 BvR 2272/17 - Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des Rechtsschutzanspruchs (Art 19 Abs 4 S 1 GG) durch nicht nachvollziehbare Auslegung des Klägervorbringens im Verfahren gem §§ 109ff StVollzG - Auslegung des Begriffs der "Maßnahme" iSd § 109 StVollzG im Lichte des Art 19 Abs 4 GG geboten - hier: Rechtsschutz gegen automatisierte Bandansage mit Hinweis auf potentielle Telefonüberwachung bei Telefonaten Sicherungsverwahrter
Normen
Art 19 Abs 4 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 36 SichVVollzG HE, § 109 StVollzG
Vorinstanz
vorgehend OLG Frankfurt, 31. August 2017, Az: 3 Ws 346/17 (StVollz), Beschluss
vorgehend LG Marburg, 20. März 2017, Az: 4a StVK 7/17, Beschluss
vorgehend OLG Frankfurt, 20. September 2017, Az: 3 Ws 347/17 (StVollz), Beschluss
vorgehend OLG Frankfurt, 31. August 2017, Az: 3 Ws 347/17 (StVollz), Beschluss
vorgehend LG Marburg, 20. März 2017, Az: 4a StVK 8/17, Beschluss
nachgehend BVerfG, 4. Juli 2019, Az: 2 BvR 2255/17, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren
Tenor
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Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
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Die Beschlüsse des Landgerichts Marburg vom 20. März 2017 - 4a StVK 7/17 und 4a StVK 8/17 - und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31. August 2017 - 3 Ws 346/17 (StVollz) und 3 Ws 347/17 (StVollz) - verletzen die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.
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Das Land Hessen hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zu erstatten. Damit erledigen sich die Anträge auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts W...
Gründe
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Die - zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen - Verfassungsbeschwerden betreffen für unzulässig erklärte Anträge auf gerichtliche Entscheidung gegen automatisierte Bandansagen, mit denen die sicherungsverwahrten Beschwerdeführer pauschal auf eine mögliche Überwachung ihrer Telefongespräche hingewiesen werden.
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A.
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I.
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Gegen die beiden Beschwerdeführer wird in der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt die Maßregel der Sicherungsverwahrung vollstreckt.
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1. Mit Aushang vom 1. Dezember 2016 teilte die Justizvollzugsanstalt mit, dass die Telefongespräche von Sicherungsverwahrten gemäß § 36 Hessisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (HSVVollzG) nach vorherigem Hinweis stichprobenartig überwacht werden könnten. Durch die weitere Nutzung des Telefonsystems willigten die Nutzer in die mögliche Überwachung ein. Gespräche mit Verteidigern und Rechtsanwälten würden nicht überwacht.
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2. Mit Schreiben vom 9. und 11. beziehungsweise vom 28. Dezember 2016 beantragten die Beschwerdeführer, die Kontrolle der privaten Telefongespräche einzustellen. Sicherungsverwahrte seien keine Strafgefangenen. Nach dem Hessischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz sei eine akustische Telefonüberwachung nur im begründeten Einzelfall möglich. Es müsse also ein von der Justizvollzugsanstalt konkret darzulegender Verdacht einer Straftat bestehen. Der mit der Telefonüberwachung einhergehende massive Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Sicherungsverwahrten sei im Hinblick auf das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung (Verweis auf BVerfGE 128, 326) nicht gerechtfertigt. Soziale Kontakte zur Außenwelt seien zu fördern und nicht zu behindern und einzuschränken.
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3. Mit Bescheid vom 5. Januar 2017 lehnte die Justizvollzugsanstalt die Anträge der Beschwerdeführer ab. Aus § 36 Abs. 3 HSVVollzG ergebe sich, dass eine Gesprächsüberwachung grundsätzlich zum Erhalt der Sicherheit und Ordnung in der Einrichtung sowie aus Behandlungsgründen möglich sei. Vor Beginn der Überwachung müsse auf diese Möglichkeit hingewiesen werden. Bei dem Aushang handele es sich demnach lediglich um einen Hinweis und eine Wiederholung des Gesetzestexts. Vorliegend erfolge eine generelle Ansage vor jedem Telefongespräch, ohne dass davon auszugehen sei, dass dieses konkret mitgehört werde. Hierzu müssten besondere Gründe vorliegen. Das bedeute, dass grundsätzlich nicht mitgehört werde. Die abschließende Entscheidung über die Überwachung eines konkreten Gesprächs liege in der Sphäre und Einschätzung der Justizvollzugsanstalt, wenn im Einzelfall die gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen. Hierbei sei der "präventive Charakter des optionalen Mithörens" hervorzuheben. Die Sicherungsverwahrten hätten dies nach dem Wortlaut des § 36 HSVVollzG hinzunehmen. Ferner sei darauf hingewiesen, dass die von den Beschwerdeführern monierten Einschränkungen von Verfassungsrecht gemäß § 77 HSVVollzG möglich seien.
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4. Mit den Anträgen auf gerichtliche Entscheidung vom 15. beziehungsweise 17. Januar 2017 beantragten die Beschwerdeführer, die Justizvollzugsanstalt nach Aufhebung der Ablehnungsbescheide zu verpflichten, die akustische Überwachung der privaten Telefongesprächsinhalte sowie die entsprechende Bandansage einzustellen. Die Maßnahme verletze sie in ihrem "Grundrecht auf einen gesetzeskonformen, diskriminierungsfreien Vollzug" der Sicherungsverwahrung in deutlichem Abstand zur Strafhaft. In Abgrenzung zum Strafvollzug könnten im Vollzug der Sicherungsverwahrung Sicherheitsbelange Eingriffe nur dann rechtfertigen, wenn es sich um konkrete und substantiierte Gefahren handele, die von einem Sicherungsverwahrten ausgingen. Die Beschwerdeführer hätten die von der Justizvollzugsanstalt gewährte Telefonmöglichkeit nicht missbräuchlich genutzt. Ließe man die bloß abstrakte Denkbarkeit einer Gefährdung von Sicherheit und Ordnung als Überwachungsgrund ausreichen, so mache dies den Sicherungsverwahrten zum Objekt. Dies sei mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht vereinbar. Die Justizvollzugsanstalt könne nicht darlegen, welche Gründe für eine Telefonüberwachung bei den Beschwerdeführern vorlägen.
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Zudem handele es sich bei dem Aushang nicht lediglich um einen Hinweis und eine Wiederholung des Gesetzestextes, sondern um eine rechtswidrige Allgemeinverfügung. Denn seit dem 1. Dezember 2016 werde die Bandansage mit dem Hinweis auf eine mögliche Überwachung bei allen privaten Telefonaten der Sicherungsverwahrten eingespielt. Die Möglichkeit der Überwachung der Gesprächsinhalte stehe einer faktischen Überwachung hinsichtlich der Grundrechtsrelevanz gleich. Dies habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Grundsatzurteil zur informationellen Selbstbestimmung klargestellt, denn danach habe schon die Ankündigung einer inhaltlichen Gesprächsüberwachung Auswirkungen auf das persönliche Gesprächsverhalten und tangiere die individuelle Handlungsfreiheit der Gesprächsbeteiligten. Das bloße Fortführen des Telefonats nach der Bandansage stelle auch keine Einwilligung in die Überwachung dar, sondern erfolge notgedrungen, um den sozialen Kontakt aufrechtzuerhalten.
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5. Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2017 beantragte die Justizvollzugsanstalt, die Anträge als unzulässig, hilfsweise als unbegründet, zurückzuweisen. Es fehle an einer Maßnahme mit unmittelbarer Wirkung gegenüber den Beschwerdeführern, da ein konkretes Abhören überhaupt nicht stattgefunden habe und es dementsprechend keinen Sachverhalt gebe, den die Beschwerdeführer angreifen könnten. Auch der Aushang besitze keinen Regelungscharakter und sei daher kein geeigneter Gegenstand für einen Antrag nach § 109 StVollzG. Allgemeine Regelungen, wie der Aushang, könnten nur dann Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung sein, wenn die Beschwerdeführer konkret betroffen seien. Dies sei aber nicht der Fall, weil keine Überwachung durchgeführt worden sei. Der Aushang habe lediglich informatorisch darauf hingewiesen, dass es gesetzlich möglich sei, Gespräche bei Vorliegen der Voraussetzungen abzuhören. Der Bescheid vom 5. Januar 2017 enthalte ebenfalls lediglich Erläuterungen, inwieweit eine Überwachung möglich sei, und sei daher ebenfalls kein tauglicher Antragsgegenstand.
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6. Dazu nahmen die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 1. beziehungsweise 3. März 2017 Stellung und wiederholten und vertieften ihre Argumente. Selbst wenn die Justizvollzugsanstalt, was bestritten werde, bislang keine stichprobenartige Überwachung der telefonischen Kommunikation durchgeführt habe, sei bei den Beschwerdeführern bereits gravierender Schaden für die bestehenden sozialen Kontakte eingetreten. Die systematisch geschaffene Unsicherheit über die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes habe nachhaltig belastende psychische Folgen für alle Beteiligten.
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7. Mit angegriffenen Beschlüssen vom 20. März 2017 wies das Landgericht Marburg die Anträge der Beschwerdeführer zurück. Sie seien unzulässig, weil sie keine Maßnahme im Sinne von § 109 StVollzG zum Gegenstand hätten. Die Beschwerdeführer begehrten eine Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt, die Überwachung von Telefongesprächen zu beenden sowie eine Bandansage, die auf Überwachungsmöglichkeiten hinweise, zu unterlassen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die beanstandeten Handlungen als Maßnahmen zu qualifizieren seien, weil die Beschwerdeführer weder mitgeteilt hätten, dass sie bei bestimmten, von ihnen geführten Telefonaten überwacht worden seien, noch, dass eine Bandansage erfolgt sei. Sie hätten sich lediglich auf das pauschale Bestreiten des Vortrags der Justizvollzugsanstalt, es habe kein konkretes Abhören stattgefunden, beschränkt. Dies könne den erforderlichen Tatsachenvortrag nicht ersetzen. Auch stelle weder der Bescheid vom 5. Januar 2017 noch der Aushang vom 1. Dezember 2016 eine angreifbare Maßnahme dar, weil sie keinen Regelungscharakter hätten. Im Aushang sei nur auf die Rechtslage hingewiesen worden.
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8. Am 21. April 2017 legten die Beschwerdeführer zu Protokoll der Geschäftsstelle Rechtsbeschwerde ein. Der Beschluss des Landgerichts stehe im Widerspruch zur ober- und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Maßnahmenbegriff. Auch ein Realakt, der auf die Lebensverhältnisse eines Betroffenen gestaltend einwirke, könne eine anfechtbare Maßnahme im Sinne von § 109 StVollzG sein. Das Landgericht habe die rechtswidrige Umkehrung der Beweislast, der sich die Justizvollzugsanstalt bedient habe und wonach die Beschwerdeführer den (unmöglichen) Nachweis führen sollten, bei bestimmten Telefongesprächen überwacht worden zu sein, unbeanstandet gelassen. Dies habe das Gericht nicht aufgeklärt und den Beschwerdeführern so effektiven Rechtsschutz verweigert.
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9. Dazu nahm die Justizvollzugsanstalt mit Schriftsatz vom 18. beziehungsweise 20. Juli 2017 Stellung. Die Rechtsbeschwerden seien jeweils unzulässig; die Nachprüfung der angegriffenen Beschlüsse sei weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Insbesondere fehlten die vorgetragenen Grund- und Menschenrechtsverletzungen. Zudem seien die Rechtsbeschwerden auch unbegründet. Die Ausführungen des Landgerichts zu den nicht erfüllten Voraussetzungen einer Maßnahme im Sinne von § 109 StVollzG seien zutreffend. Überdies seien die Anträge als unbegründet zurückzuweisen gewesen. Gemäß § 36 Abs. 4 HSVVollzG könne, wenn ein Telekommunikationssystem eingerichtet sei, außer bei Telefonaten mit Verteidigern, die Teilnahme daran, wenn Anhaltspunkte für eine die Sicherheit der Einrichtung gefährdende Nutzung durch die Sicherungsverwahrten bestünden, davon abhängig gemacht werden, dass die Sicherungsverwahrten und ihre Gesprächspartner in eine mögliche stichprobenartige Überwachung einwilligten. Die Gesprächsbeteiligten seien auf die mögliche Überwachung unmittelbar nach Herstellung der Verbindung hinzuweisen. Letzteres habe die Justizvollzugsanstalt umgesetzt und gegenüber den Beschwerdeführern erläutert.
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10. Mit angegriffenen Beschlüssen vom 31. August 2017 verwarf das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Rechtsbeschwerden der Beschwerdeführer ohne weitere Begründung als unzulässig.
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11. Die unter Wiederholung ihres Sachvortrags begründeten Anhörungsrügen vom 14. September 2017 wies das Oberlandesgericht mit angegriffenen Beschlüssen vom 20. September 2017 zurück.
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II.
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Mit ihren am 11. beziehungsweise 12. Oktober 2017 eingegangenen, im Wesentlichen wortgleichen Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Landgerichts Marburg und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main und rügen eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 und 3, Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 1 und 3, Art. 103 Abs. 1 und 3, und Art. 104 Abs. 1 GG.
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Ihre Beschwer hinsichtlich der Bandansage bestehe darin, dass Verwandte sich teilweise weigerten, ihre Gesprächsinhalte abhören zu lassen, weil sie dies an die Überwachung durch die Stasi erinnere. Sicherungsverwahrten dürften keine Beschränkungen auferlegt werden, die über das zur Aufrechterhaltung der Sicherheit zwingend Erforderliche hinausgingen. Bei Telefonüberwachungsmaßnahmen komme die schiere Möglichkeit einer akustischen Überwachung ihrer tatsächlichen Umsetzung hinsichtlich der Grundrechtsrelevanz gleich. Die generelle Banddurchsage vor jedem Privattelefonat (und der Aushang des Anstaltsleiters) stelle dabei offensichtlich eine konkrete Maßnahme mit Regelungscharakter dar, weshalb sie nach § 109 StVollzG auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen sei. Die Entscheidungen des Oberlandesgerichts widersprächen dem Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 (BVerfGE 65, 1 ff., "Volkszählungsurteil") zur Selbstbestimmung über eigene Daten, wonach bereits die Möglichkeit akustischer Telefonüberwachung die Grundrechte Betroffener im selben Maße wie die Durchführung einer konkreten Überwachung der Gesprächsinhalte tangiere und verletze. Durch die "völlig sachfremde Auslegung des Maßnahmebegriffs" sei der Justizgewährungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt worden.
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III.
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Die Hessische Staatskanzlei hat von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.
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B.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerden gemäß § 93b BVerfGG zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführer aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässigen Verfassungsbeschwerden sind offensichtlich begründet im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerden maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
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I.
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Die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts Marburg verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG. Die fachgerichtliche Auslegung des § 109 StVollzG wird der Bedeutung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG im Recht des Vollzugs der Sicherungsverwahrung nicht gerecht. Sie lässt eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Reichweite dieses Grundrechts erkennen.
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1. Art. 19 Abs. 4 GG verleiht dem Einzelnen, der behauptet, durch einen Akt öffentlicher Gewalt verletzt zu sein, einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle, das heißt auf eine umfassende Prüfung des Verfahrensgegenstandes (vgl. BVerfGE 101, 106 122 f.>; 103, 142 156>; 129, 1 20>), und gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 58>; stRspr). Die Gerichte müssen Anträge sachgerecht im Sinne effektiver Durchsetzung des begehrten Rechtsschutzes auslegen und dürfen das Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht "leerlaufen" lassen (vgl. BVerfGE 96, 27 39>; 117, 244 268>; 122, 248 271>).
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Diese verfassungsrechtliche Garantie gerichtlichen Rechtsschutzes wird im Bereich des Strafvollzugsrechts durch §§ 109 ff. StVollzG konkretisiert (BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Februar 1993 - 2 BvR 594/92 -, juris, Rn. 18, und vom 13. April 1999 - 2 BvR 827/98 -, juris, Rn. 24). § 109 StVollzG eröffnet dem Untergebrachten die Möglichkeit, gegen Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzugs beziehungsweise der Sicherungsverwahrung eine gerichtliche Entscheidung zu erlangen. Der Begriff der Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten der Sicherungsverwahrung im Sinne des § 109 StVollzG ist im Lichte der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG auszulegen. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Handeln oder Unterlassen einer Justizvollzugsanstalt eine regelnde Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG darstellt, kommt es deshalb darauf an, ob die Möglichkeit besteht, dass dieses Handeln oder Unterlassen Rechte des Gefangenen beziehungsweise des Sicherungsverwahrten verletzt (vgl. BVerfGK 8, 319 322 f.>).
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2. Die Ausführungen des Landgerichts, die Beschwerdeführer hätten nicht ausreichend Tatsachen vorgetragen, um die beanstandete Handlung als Maßnahme im Sinne von § 109 StVollzG zu qualifizieren, sind mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar.
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a) Die Beschwerdeführer hatten vor dem Landgericht beantragt, die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, die akustische Überwachung der privaten Telefongespräche samt der entsprechenden Bandansage zu beenden. Im Schreiben gegenüber der Justizvollzugsanstalt, welches dem Landgericht als Teil des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vorlag, hatten die Beschwerdeführer ebenfalls beantragt, die "nicht nur nervende" Bandansage zu entfernen und jedwede Kontrolle der Gesprächsinhalte einzustellen. Ihrem Vortrag dürfte somit zu entnehmen gewesen sein, dass ihnen eine Bandansage vorgespielt worden ist. Die Justizvollzugsanstalt gab zudem selbst an, die Bandansage werde vor jedem Telefongespräch abgespielt; es sei lediglich nicht davon auszugehen, dass alle Telefongespräche auch abgehört würden. Dass das Landgericht vor diesem Hintergrund der Ansicht ist, die Beschwerdeführer hätten nicht vorgetragen, dass (im konkreten Fall) eine Bandansage erfolgt sei, ist nicht nachvollziehbar.
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b) Soweit das Landgericht meint, es könne dahingestellt bleiben, ob die beanstandeten Handlungen als Maßnahmen zu qualifizieren seien, weil die Beschwerdeführer nicht dargelegt hätten, von der Justizvollzugsanstalt überwacht worden zu sein, macht das Gericht den Zugang zum Rechtsschutz von für die Beschwerdeführer unerfüllbaren Anforderungen abhängig.
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Dazu führt das Landgericht aus, die Beschwerdeführer hätten dies nicht dargetan, sondern lediglich den Vortrag der Justizvollzugsanstalt, es habe keine Überwachung stattgefunden, bestritten. Da die Überwachung eines Telefonats für die Beschwerdeführer in der Praxis der Justizvollzugsanstalt aber nicht erkennbar ist, können sie dazu nicht substantiiert vortragen. Nach der gesetzlichen Regelung in § 36 HSVVollzG ist die Überwachung von den Tatbestandsvoraussetzungen in Absatz 3 beziehungsweise Absatz 4 abhängig. Ist nach der Vorschrift eine Überwachung zulässig und beabsichtigt, so sind die Betroffenen durch eine Bandansage darauf hinzuweisen. Damit ist die Bandansage der einzige Hinweis, den die Beschwerdeführer auf eine mögliche Überwachung haben. Wird eine solche Bandansage unabhängig davon, ob die in § 36 HSVVollzG formulierten Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, abgespielt, dann haben Betroffene keine Möglichkeit zu wissen, ob sie tatsächlich überwacht werden. Den Zugang zum Rechtsschutz von dem in dieser Situation nicht zu erbringenden Nachweis einer Überwachung abhängig zu machen, ist mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar.
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II.
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Mit den angegriffenen Entscheidungen hat auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Rechte der Beschwerdeführer aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.
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1. Eröffnet das Prozessrecht eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 274 f.>; 54, 94 96 f.>; 122, 248 271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 39>; 117, 244 268>; 122, 248 271>; stRspr).
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2. Nach diesem Maßstab sind die Beschlüsse des Oberlandesgerichts mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar.
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§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt es dem Strafsenat, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn er die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet. Da von dieser Möglichkeit, deren Einräumung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 50, 287 289 f.>; 71, 122 135>; 81, 97 106>), im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht wurde, liegen über die Feststellung im Tenor des Beschlusses, dass die Nachprüfung nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei, hinaus relevante Entscheidungsgründe, die die Kammer einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterziehen könnte, nicht vor.
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Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beschluss selbst sich verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten der Beschwerdeführer erhebliche Zweifel bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 309/10 -, juris, Rn. 26 m.w.N.).
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Dies ist angesichts der offenkundigen Abweichung des landgerichtlichen Beschlusses von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zur Bedeutung einer solchen Abweichung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 1 Ws 288/06 (StrVollz) -, juris, Rn. 7) und der daraus folgenden Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführer hier der Fall.
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3. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist festzustellen, dass die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31. August 2017 und des Landgerichts Marburg vom 20. März 2017 die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. Die angegriffenen Entscheidungen werden gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben, die Sachen werden zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Marburg zurückverwiesen. Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 20. September 2017 über die Anhörungsrügen werden damit gegenstandslos.
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Bei der erneuten Entscheidung wird sich das Landgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob bereits das anlasslose, also ohne eine Darlegung der in § 36 HSVVollzG genannten Tatbestandsvoraussetzungen vorgenommene Abspielen einer Bandansage mit dem Hinweis, dass das Gespräch überwacht werden könne, eine Maßnahme im Sinne von § 109 StVollzG darstellt und rechtmäßig ist. Zumindest die Justizvollzugsanstalt geht ausweislich ihrer Bescheide davon aus, dass bereits der bei jedem Telefonat abgespielte Hinweis auf die Möglichkeit des Mithörens präventiven Charakter habe, womit die Annahme einer Maßnahme im Sinne von § 109 StVollzG naheliegt und sich folglich die Frage nach einer Rechtsgrundlage stellt.
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4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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