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BVerfG 10.03.2014 - 1 BvR 377/13
BVerfG 10.03.2014 - 1 BvR 377/13 - Nichtannahmebeschluss: Keine Verletzung der Koalitionsfreiheit (Art 9 Abs 3 GG) durch Kontakt- und Unterstützungsverbot des Verteidigungsministeriums - betroffener Verein nicht in koalitionsspezifischer Betätigungsfreiheit beeinträchtigt
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 3 S 1 GG, Art 9 Abs 3 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 15 Abs 3 SG
Vorinstanz
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 11. Dezember 2012, Az: 8 A 2453/12, Beschluss
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 29. Oktober 2012, Az: 8 A 1019/11, Beschluss
vorgehend VG Köln, 24. März 2011, Az: 26 K 5606/09, Urteil
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Untersagung dienstlicher Kontakte der Bundeswehr mit dem Beschwerdeführer durch das Bundesministerium der Verteidigung.
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I.
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1. Der Beschwerdeführer ist ein Verein, der 1951 gegründet wurde. Er ging aus dem Bund versorgungsberechtigter ehemaliger Wehrmachtsangehöriger und ihrer Hinterbliebenen hervor. Ausweislich § 2 seiner Satzung ist er eine Organisation zur Wahrung und Förderung kameradschaftlicher, ideeller und sozialer Anliegen aller Soldaten und sonstigen Angehörigen der deutschen Streitkräfte einschließlich ihrer Familienmitglieder und Hinterbliebenen. § 3 der Satzung nennt in Ziffer 5 als Aufgabe des Beschwerdeführers unter anderem:
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"Eintreten für die verfassungsmäßigen Rechte seiner Mitglieder und ihre unentgeltliche Beratung bei der Wahrnehmung ihrer Rechte, soweit sie sich aus der Wehrdienstzeit und den Versorgungs- oder sonstigen Gesetzen ergeben."
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2. Der Beschwerdeführer unterhält die Verbandszeitschrift "Soldat im Volk", in der auch Beiträge mit politischem und zeitgeschichtlichem Inhalt veröffentlicht werden. 2003 wurde dort der zweiteilige Artikel "Unternehmen Barbarossa - Die Generäle vereitelten die Strategie" von Richard Tedor abgedruckt, der zuvor in der Zeitschrift "The Barnes Review", einer offen antisemitischen, rechtsradikalen Publikation der gleichnamigen Organisation, veröffentlicht worden war. Der Verfasser war nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu diesem Zeitpunkt stellvertretender Vorsitzender der Nationalsozialistischen Partei der USA. Kernaussage des Artikels von Tedor ist die Annahme, Deutschland hätte den Krieg gegen die Sowjetunion gewonnen, wenn sich Hitlers Strategie gegen diejenige der Generäle durchgesetzt hätte. Eingeleitet wurde die Veröffentlichung mit einer Anmerkung der Redaktion, in der es unter anderem heißt:
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Der Autor ist freier Journalist und gilt in den USA als Experte für die Geschichte des II. Weltkriegs. Er arbeitet auch eng mit den amerikanischen Veteranenverbänden zusammen.
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In einem Nachtrag des Übersetzers heißt es am Ende des Artikels:
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Richard Tedors auf zahlreichen Quellen jüngeren Datums beruhenden Argumenten, dass der Ostfeldzug im wesentlichen durch die Kurzsichtigkeit (und Überheblichkeit) der verantwortlichen deutschen Generäle verlorenging, kann man sich schwerlich verschließen. …
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Die Veröffentlichung des Artikels veranlasste das Bundesministerium der Verteidigung dazu, ein halbes Jahr später eine "Information für die Truppe zum Umgang mit dem V…" zu erlassen:
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Der Bundesminister der Verteidigung hat am 16. Februar 2004 entschieden, dass die Bundeswehr mit sofortiger Wirkung keine dienstlichen Kontakte zum V… und seinen Unterorganisationen mehr unterhält. Der V… hat in seinem Publikationsorgan Soldat im Volk, Ausgaben 4 und 5, Texte des stellvertretenden Vorsitzenden der nationalsozialistischen Partei Amerikas (NSPA) unkommentiert und unreflektiert veröffentlicht. Solche Veröffentlichungen aus dem rechtsextremen Spektrum sind nicht hinnehmbar.
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Veranstaltungen des V… sind ab sofort nicht mehr zu unterstützen. Dies schließt Truppenbesuche und Bereitstellung von Räumlichkeiten für Veranstaltungen in Einrichtungen und Liegenschaften der Bundeswehr ein. Bereits zugesagte Besuche sind abzusagen. Offizielle Vertreter des V… sind zu Veranstaltungen der Bundeswehr nicht mehr einzuladen. Die Teilnahme von aktiven und ausgeschiedenen Soldaten in Uniform an Veranstaltungen des V… ist untersagt.
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Der Beschwerdeführer bezeichnet den Abdruck des Artikels inzwischen als "bedauerliche und peinliche redaktionelle Panne". Im Juli 2004 wurde die Stellungnahme eines Mitglieds im Beirat des militärgeschichtlichen Forschungsamtes eingeholt und als "Richtigstellung" vollinhaltlich in der Zeitschrift "Soldat im Volk" abgedruckt, verbunden mit der Bitte um Entschuldigung für die Veröffentlichung des Artikels von Tedor. Versuche seitens des Beschwerdeführers, eine Aufhebung des Kontakt- und Unterstützungsverbots zu erreichen, sind gescheitert.
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3. Das Verwaltungsgericht wies die Klage des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Kontakt- und Unterstützungsverbots zurück. Der Antrag auf Zulassung der Berufung sowie eine nachfolgende Anhörungsrüge blieben vor dem Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg.
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4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung von Art. 9 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 3 GG.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig, im Übrigen nicht zur Entscheidung anzunehmen.
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1. Soweit sich der Beschwerdeführer auf das spezielle Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG im Hinblick auf die politische Anschauung stützt, fehlt es an hinreichend substantiierten Ausführungen. Desgleichen fehlt es an hinreichenden Ausführungen zu einer Verletzung von Art. 5 Abs. 1 GG sowie dem ohnehin subsidiären Art. 2 Abs. 1 GG.
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2. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde auch, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die Zulassung der Berufung richtet. Diese ist keine Sach-, sondern lediglich eine Prozessentscheidung. Eine Verletzung der gerügten materiellen Grundrechte kommt insoweit nicht in Betracht. Dass diese Entscheidung den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzen könnte, macht er nicht geltend.
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3. Eine Verletzung von Art. 9 Abs. 3 GG ist nicht gegeben. Die eventuell vorliegende Beeinträchtigung des Beschwerdeführers durch das Kontaktverbot ist jedenfalls gerechtfertigt.
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a) Der Beschwerdeführer ist als Verband zwar von Art. 9 Abs. 3 GG geschützt, doch erfasst dieser Schutz nur koalitionsspezifisches Handeln.
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aa) Der Grundrechtsschutz aus Art. 9 Abs. 3 GG verlangt einen spezifischen Vereinigungszweck: Nur Vereinigungen mit der satzungsmäßigen Aufgabe der "Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" genießen seinen Schutz. Daneben müssen sie weitere Anforderungen erfüllen, die aus der besonderen Funktion des Grundrechts hergeleitet werden, insbesondere gegnerfrei und gegnerunabhängig und grundsätzlich auch auf überbetrieblicher Grundlage gebildet sein (vgl. BVerfGE 18, 18 28>; 58, 233 247>), wobei Ausnahmen von der Überbetrieblichkeit bei Monopolstrukturen zugelassen werden (vgl. Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 9 Rn. 78 m.w.N.). Allerdings fallen Vereinigungen, die sich auch politisch betätigen, nicht schon deshalb aus dem persönlichen Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 GG heraus, dessen konkreter Schutz allerdings auf koalitionsspezifische Verhaltensweisen beschränkt ist (vgl. BVerfGE 93, 352 358>).
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bb) Der Beschwerdeführer kann danach als Verband den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG für sich beanspruchen. Aus § 3 Nr. 5 seiner Satzung ergibt sich, dass er Zwecke der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der bei ihm organisierten Arbeitnehmer verfolgt. Er bietet außergerichtliche Mitgliederberatung, die zu den traditionellen Tätigkeiten der Gewerkschaften gehört (vgl. z.B. BVerfGE 88, 5 15>). Da der Verband im Übrigen frei gebildet, gegnerfrei und unabhängig organisiert ist, erfüllt er grundsätzlich alle an eine Koalition gestellten Anforderungen.
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b) aa) Art. 9 Abs. 3 GG schützt allein vor Beeinträchtigungen der koalitionsspezifischen Betätigungsfreiheit. Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt demnach vor, wenn eben diese Betätigungsfreiheit beschränkt wird. Sie umfasst die Mitgliederwerbung (vgl. BVerfGE 93, 352 357 f.>) ebenso wie die freie Darstellung entsprechender organisierter Gruppeninteressen (vgl. BVerfGK 10, 250 256> zu Unterschriftenlisten in einer Polizeidienststelle, unter Hinweis auf BVerfGE 20, 56 107>, dort zu Art. 9 GG im Unterschied zu Art. 21 GG).
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bb) Das Bundesministerium der Verteidigung verbietet der Bundeswehr und ihren Angehörigen im Hinblick auf den Beschwerdeführer ausdrücklich dienstliche Kontakte, Truppenbesuche und die Bereitstellung von Räumlichkeiten für Veranstaltungen in Einrichtungen und Liegenschaften der Bundeswehr. Zu einer allgemeinen Präsenz des Beschwerdeführers in den Einrichtungen der Bundeswehr beispielsweise über Aushänge verhält es sich ebenso wenig wie zur Werbung von Mitgliedern. Das Verbot zielt vielmehr auf die institutionelle Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und dem Beschwerdeführer. Dies ist, anders als der Beschwerdeführer meint, nicht mit einer "Aussperrung" gleichzusetzen, die keinerlei Präsenz zulassen würde. Allerdings erschwert es die freie Darstellung der Interessen des Verbandes, wenn Truppenbesuche nicht mehr stattfinden und Räumlichkeiten für Veranstaltungen nicht mehr zur Verfügung gestellt werden. Ob darin jedoch bereits ein Eingriff in den spezifischen Schutz der Koalitionsfreiheit zu sehen ist, kann offen bleiben, denn jedenfalls wäre ein solcher vorliegend gerechtfertigt.
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c) aa) Eingriffe in die Koalitionsfreiheit sind gerechtfertigt, wenn sie durch kollidierende verfassungsrechtlich geschützte Belange gerechtfertigt sind; es gilt das Gebot praktischer Konkordanz. Mit Blick auf § 15 Abs. 3 SG hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1981 entschieden, dass die Neutralität und die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte Belange sind, die eine Einschränkung der Koalitionsfreiheit in der Bundeswehr rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 57, 29 36>). Ob dies jeweils der Fall ist, wird vom Bundesverfassungsgericht nicht auf schlichte Rechtsfehler überprüft. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich auf die Frage, ob die Maßnahme selbst und die sie bestätigenden fachgerichtlichen Entscheidungen Gewicht und Bedeutung der Grundrechte nicht verkannt, sondern hinreichend berücksichtigt haben (vgl. BVerfGE 57, 29 36 f.>).
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bb) Die Maßnahme des Bundesministeriums der Verteidigung ist ohne Verkennung der Grundrechte von den Fachgerichten als rechtmäßig angesehen worden. Eine Einschränkung der Koalitionsfreiheit des Beschwerdeführers ist, soweit diese mit Blick auf koalitionsspezifisches Handeln überhaupt in Rede steht, gerechtfertigt.
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Allerdings hat sich das Verwaltungsgericht nur äußerst knapp mit den grundrechtlichen Wertungen befasst. Es nennt zwar die einschlägigen Grundrechte, hält deren Schutz aber für "eher fern liegend" und geht auf die mit ihnen verknüpften Wertungen nicht mehr ein. Im Ergebnis ist es jedoch mit dem Grundgesetz vereinbar, die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr (vgl. BVerfGE 57, 29 36>) als legitimen Zweck einer angemessenen Einschränkung der Grundrechte eines berufsständischen Verbands zu betrachten. In der fachgerichtlichen Auslegung einfachen Rechts ist allerdings auch sicherzustellen, dass grundrechtlich geschützte Belange des Verbands Beachtung finden. Dazu gehört auch die Prüfung, ob ein Kontaktverbot im Einzelnen erforderlich und angemessen ist. Zudem kann es mit grundrechtlichen Wertungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und des Art. 5 Abs. 1 GG kollidieren, wesentlich auf "abwegige" politische Tendenzen und "teilweise rechtsextreme, häufig militärhistorisch falsche Behauptungen" abzustellen. Ob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts insofern verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, kann hier dahinstehen. Denn die Entscheidung ist aus den vom Oberverwaltungsgericht genannten Gründen unbeschadet deren lediglich prozessrechtlichen Charakters jedenfalls im Ergebnis verfassungsrechtlich vertretbar. Eine Annahme ist demnach nicht angezeigt.
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4. Die Rüge einer Verletzung des Grundrechts auf Gleichbehandlung des Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls unbegründet. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Vergleich mit anderen Organisationen willkürlich anders behandelt würde. Für seine Arbeit in der Bundeswehr gelten, wie das Oberverwaltungsgericht in der Entscheidung über die Zulassung der Berufung ausführt, dieselben Regeln wie für alle vergleichbaren Organisationen.
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5. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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