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BVerfG 23.05.2012 - 1 BvR 2096/09
BVerfG 23.05.2012 - 1 BvR 2096/09 - Stattgebender Kammerbeschluss: § 31 Abs 3 GKG 2004 verfassungskonform auszulegen - Keine Inanspruchnahme des obsiegenden Zweitschuldners bzgl Verfahrenskosten nach Widerruf der PKH-Gewährung für Entscheidungsschuldner gem § 124 Nr 2 ZPO (Verletzung von Mitwirkungspflichten) - Verletzung der Rechtsschutzgarantie bei Überbürdung von durch Gegenpartei verursachten, jedoch wegen PKH-Gewährung nicht durch Vorschuss gedeckten Verfahrenskosten - Gegenstandswertfestsetzung auf 8000 Euro
Normen
Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 58 Abs 2 GKG, § 17 Abs 1 GKG 2004, § 31 Abs 3 S 1 Halbs 1 GKG 2004, § 37 Abs 2 RVG, § 120 Abs 4 S 2 ZPO, § 122 Abs 1 Nr 1 Buchst a ZPO, § 379 ZPO, § 402 ZPO
Vorinstanz
vorgehend LG Saarbrücken, 20. Juli 2009, Az: 5 T 172/08, Beschluss
vorgehend AG St. Wendel, 19. März 2008, Az: 15 C 260/03, Beschluss
Tenor
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1. Die Kostenrechnung der Gerichtskasse Saarbrücken vom 29. November 2007 - Kassenzeichen 5900694208071 -, der Beschluss des Amtsgerichts St. Wendel vom 19. März 2008 - 15 C 260/03 - und der Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 20. Juli 2009 - 5 T 172/08 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsmäßigen Recht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Der vorbezeichnete Beschluss des Landgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Saarbrücken zurückverwiesen.
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2. Das Saarland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
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3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Inanspruchnahme der im zivilgerichtlichen Ausgangsverfahren obsiegenden Beschwerdeführerin als Zweitschuldnerin für Kosten des Rechtsstreits. Die Zweitschuldnerhaftung darf nach der gesetzlichen Ausgestaltung nicht geltend gemacht werden, soweit demjenigen Kostenschuldner, dem die Kosten durch gerichtliche Entscheidung auferlegt sind, Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist (vgl. § 29 Nr. 1, § 31 Abs. 1, Abs. 3 GKG).
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Die Beschwerdeführerin, die einen Reifenhandel betreibt, machte gegenüber der Beklagten des Ausgangsverfahrens den Rest eines Kaufpreisanspruchs in Höhe von noch 350 € für gelieferte Reifen und Felgen geltend. Die Beklagte verteidigte sich gegen die Klage mit dem Einwand, drei der gelieferten Reifen hätten aufgrund eines Produktionsfehlers Höhenschlag aufgewiesen. Das Amtsgericht beschloss, über diese Behauptung Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben, für welches Kosten in Höhe von 1.292 € anfielen. Da das Amtsgericht gleichzeitig der Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligte, verlangte es für die Einholung des Sachverständigengutachtens keinen Auslagenvorschuss von der an sich vorschusspflichtigen Beklagten (vgl. § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, §§ 402, 379 ZPO, § 17 Abs. 1 GKG).
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Der Sachverständige konnte den von der Beklagten behaupteten Mangel nicht feststellen, woraufhin das Amtsgericht der Klage in vollem Umfange stattgab und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegte. Nachdem die Beklagte ein Jahr später die von der Rechtspflegerin gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO angeforderten Angaben über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht einreichte, änderte das Amtsgericht den Beschluss über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ab und ordnete die Nachzahlung der Verfahrenskosten an. Ein Versuch, die ausstehenden Kosten für das Sachverständigengutachten bei der Beklagten beizutreiben scheiterte; diese hatte zwischenzeitlich die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Die Gerichtskasse nahm daraufhin die Beschwerdeführerin als Zweitschuldnerin für die verauslagte Sachverständigenentschädigung in Höhe von 1.292 € in Anspruch.
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Gegen diese Kostenrechnung legte die Beschwerdeführerin Erinnerung ein, die beim Amtsgericht erfolglos blieb. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Landgericht - ohne die weitere Beschwerde zuzulassen - mit der Begründung zurück, mit dem Widerruf der Prozesskostenhilfe sei die ursprünglich aufgrund der Prozesskostenhilfebewilligung bestehende Sperrwirkung des § 31 Abs. 3 GKG (bis zum 30. Juni 2004: § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG) für die Inanspruchnahme eines anderen Kostenschuldners als des sogenannten Entscheidungsschuldners weggefallen.
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II.
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Mit ihrer fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Kostenrechnung sowie gegen die Entscheidungen des Amts- und des Landgerichts. Sie rügt die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 sowie Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 6 MRK.
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Die Auslegung des § 31 Abs. 3 GKG dahin, dass die Zweitschuldnerhaftung wieder auflebe, wenn nach Abschluss des Verfahrens die dem Erstschuldner ursprünglich gewährte Prozesskostenhilfe widerrufen werde, verletze sie in ihren verfassungsmäßigen Rechten. Die arme Partei habe es dann nämlich in der Hand, nach - einem für sie negativen - Abschluss des Verfahrens den Gegner bewusst dadurch zu schädigen, dass sie einen Widerruf der bewilligten Prozesskostenhilfe herbeiführe, ohne dass der Gegner dies verhindern könne. Hierdurch werde für den Gegner die Prozessführung im Hinblick auf das Kostenrisiko unkalkulierbar, was zu einer faktischen Rechtswegsperre führe.
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Auch sei es verfassungsrechtlich zu beanstanden, wenn ein Zweitschuldner für Auslagen in Anspruch genommen werde, die durch ein Sachverständigengutachten angefallen seien, welches seitens der armen Partei veranlasst und für das nur aufgrund der ursprünglichen Bewilligung von Prozesskostenhilfe kein Auslagenvorschuss angefordert worden sei. Dies führe zu einer willkürlichen Ungleichbehandlung gegenüber Parteien, deren Prozessgegner keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei, da ein solcher Prozessgegner für von ihm veranlasste Beweiserhebungen einen Auslagenvorschuss zu leisten habe, so dass eine Inanspruchnahme als Zweitschuldner nicht drohe. Auch unter diesem Gesichtspunkt führe die Überbürdung des Risikos der Insolvenz einer armen Partei auf den Gegner bei diesem zu einer faktischen Rechtswegsperre.
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Darüber hinaus wendet sich die Beschwerdeführerin mittelbar gegen die Vorschrift des § 31 Abs. 3 GKG sowie deren Vorläuferbestimmung (§ 58 Abs. 2 GKG a.F.), die hier der Kostenrechnung, nicht aber den folgenden gerichtlichen Entscheidungen noch zugrunde zu legen war (gemäß Art. 1 § 72 Nr. 1 KostRMoG).
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist der Bundesregierung, allen Länderregierungen und den Beteiligten des Ausgangsverfahrens zugestellt worden. Namens der Bundesregierung hat das Bundesministerium der Justiz Stellung genommen und ausgeführt, die von den Instanzgerichten vorgenommene Auslegung des § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG sei zwar vom Wortlaut gedeckt, widerspreche aber nach Auffassung der Bundesregierung der Intention des Gesetzgebers. Dieser habe vielmehr eine Handhabung der Norm im Sinne der Beschwerdeführerin beabsichtigt, die der Wortlaut ebenfalls zulasse und die verfassungsrechtliche Bedenken von vornherein vermeide. Bei der Auslegung des Tatbestandselements "Soweit (...) Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist" im Sinne des § 31 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GKG sei nicht auf die Fortdauer der Prozesskostenhilfebewilligung, sondern vielmehr punktuell auf die im Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühren und Auslagen bestehende Prozesskostenhilfebewilligung abzustellen. Nachträgliche Änderungen - wie etwa die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung - müssten damit für die Zweitschuldnerhaftung unbeachtlich bleiben. Nur durch eine solche Auslegung komme die § 31 Abs. 3 GKG faktisch innewohnende Schutzfunktion zu Gunsten des antragstellenden Zweitschuldners zur Geltung. Für eine Auslegung des § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG, die maßgeblich auf die im Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühren und Auslagen bestehende Prozesskostenbewilligung abstelle, spreche darüber hinaus auch, dass dem Zweitschuldner im Prozesskostenhilfeaufhebungsverfahren nach den §§ 124 ff. ZPO nur ein Anhörungs-, aber kein besonderes Beteiligungs- oder gar Beschwerderecht nach § 127 ZPO zustehe.
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Das Justizministerium Baden-Württemberg hat namens der Landesregierung zu bedenken gegeben, dass die Haftung der Beschwerdeführerin der gesetzlichen Systematik entspreche. Die hier vorgenommene Auslegung des § 31 Abs. 3 GKG sei zwingend. Die Vorschrift diene nicht dem Schutz des Prozessgegners, sondern dem Schutz der bedürftigen Partei. Wenn der unterlegene Gegner von vornherein keine Prozesskostenhilfe erhalte und eine Beitreibung der Prozesskosten scheitere, greife die Zweitschuldnerhaftung ebenso wie in dem hier in Rede stehenden Fall, in dem die zunächst bewilligte Prozesskostenhilfe nachträglich widerrufen werde.
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Die Akten des Ausgangsverfahrens sind beigezogen.
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IV.
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Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung sind erfüllt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 11, 139 143>; 54, 39 41>; 85, 337 346>; 91, 389 401>; 92, 26 51 f.>; 97, 332 344>). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die Vorschrift über die Sperrwirkung für die Zweitschuldnerhaftung bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 31 Abs. 3 GKG) bedarf aus verfassungsrechtlichen Gründen für Fallgestaltungen der vorliegenden Art einer die Wirksamkeit des Rechtsschutzes wahrenden Auslegung. Nach deren Maßgabe können die angegriffenen Entscheidungen keinen Bestand haben.
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1. Die Beschwerdeführerin macht zu Recht geltend, ihr werde ein wirkungsvoller Rechtsschutz verwehrt, wenn für sie die Geltendmachung ihrer - bestehenden - Kaufpreisforderung mit einem derartigen Kostenrisiko wie hier auf der Grundlage der Auslegung des § 31 Abs. 3 GKG durch die Fachgerichte verbunden werde und dies zur Folge habe, dass ein wirtschaftlich denkender Rechtsuchender regelmäßig von der Verfolgung seiner Rechte Abstand nehme. Das in Rede stehende, mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Verständnis der Norm führt zu einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigenden Erschwerung des Zugangs zum Rechtsschutz, die mit dem verfassungsverbürgten Anspruch auf Justizgewähr nicht mehr vereinbar ist (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).
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Die Beschwerdeführerin hatte für die Geltendmachung ihrer Klageforderung von 350 € einen Gerichtsgebührenvorschuss und - da sie sich für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt entschied - die gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren aufzubringen. Dabei musste ihr bewusst sein, dass sie nicht nur hinsichtlich der Durchsetzbarkeit ihrer noch offenen Kaufpreisforderung, sondern auch hinsichtlich dieser Kosten im Falle des Prozesserfolges das Risiko einer Insolvenz der Beklagten traf. Es kann angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin bewusst eine wirtschaftliche Entscheidung dahingehend getroffen hat, diesen Kostenbetrag zusätzlich zu riskieren, um einen Vollstreckungstitel gegen die Beklagte des Ausgangsverfahrens zu erlangen. Die letztlich eingetretene Situation, in der die Beschwerdeführerin für insgesamt mehr als 1.500 € an Kosten haften soll, ohne dass der erlangte Titel derzeit Vollstreckungsaussichten bietet, sprengt den Rahmen der ursprünglich von der Beschwerdeführerin vorzunehmenden Kosten-Nutzen-Abwägung, da sich nunmehr die gesamten Verfahrenskosten auf ein Vielfaches der eigentlich und zu Recht verfolgten Klageforderung belaufen. Das beruht allein auf einem Fehlverhalten der Beklagten nach Abschluss des Verfahrens, nämlich den fehlenden Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, in Verbindung mit den Besonderheiten des Prozesskostenhilfeverfahrens nach der Zivilprozessordnung. Daraus ergibt sich, dass auf der Grundlage des Verständnisses des § 31 Abs. 3 GKG in den angegriffenen Hoheitsakten der Zugang zum Rechtsschutz in nicht mehr hinnehmbarer Weise beschränkt wird.
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a) Das Rechtsstaatsprinzip verlangt einen wirkungsvollen Rechtsschutz in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten. Dieser Justizgewährungsanspruch umfasst das Recht auf Zugang zu den Gerichten und eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche gerichtliche Entscheidung (vgl. BVerfGE 80, 103 107>; 85, 337 345>; 97, 169 185>; 107, 395 401, 406 f.>). Eine unzulässige Verkürzung des Rechtsschutzes kann der einzelne als Grundrechtsverletzung nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip beanstanden (vgl. BVerfGE 69, 381 385>; 78, 123 126>). Der Justizgewährungsanspruch bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung. Dabei können auch Begrenzungen des Rechtsschutzes vorgesehen werden. Solche Einschränkungen müssen aber mit den Belangen einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung vereinbar sein und dürfen den Rechtsuchenden nicht unverhältnismäßig belasten (vgl. BVerfGE 88, 118 124>).
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Für die Inanspruchnahme der Gerichte darf der Gesetzgeber die Erhebung von Gebühren vorsehen (vgl. BVerfGE 10, 264 268>; 80, 103 106 f.>). Vorschriften über Gerichtsgebühren müssen aber sowohl den verfassungsrechtlichen Grundsätzen für Gebührenregelungen genügen als auch der Bedeutung des Justizgewährungsanspruchs im Rechtsstaat Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 85, 337 346>). Gebühren für staatliche Leistungen dürfen danach nicht völlig unabhängig von den tatsächlichen Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden; die Verknüpfung zwischen den Kosten und der Gebührenhöhe muss sachgerecht sein (vgl. BVerfGE 50, 217 227>; 85, 337 346>; BVerfGK 10, 148 150>).
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Gemessen an diesen allgemeinen verfassungsrechtlichen Maßstäben für Gebührenregelungen erweist es sich als zulässig, wenn der Gesetzgeber für die mit der Einholung eines Sachverständigengutachtens durch ein Gericht verbundenen Auslagen (vgl. Nr. 9005 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) einen Kostenansatz in voller Höhe vorsieht. Für das Gericht handelt es sich insoweit gleichsam um einen "durchlaufenden Posten". Die einem Kostenschuldner weiterbelasteten Auslagen können deshalb von vornherein nicht dazu führen, von einer überhöhten, nicht mehr in einem sachgerechten Verhältnis zur "eigenen Leistung" des Gerichts stehenden Inanspruchnahme auszugehen.
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b) Eine solche "Durchleitung" von Auslagen für ein eingeholtes Sachverständigengutachten erschwert für sich gesehen den Zugang zu den Gerichten nicht in einer aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise (vgl. BVerfGE 10, 264 267 f.>; 74, 228 234>) und widerstreitet daher grundsätzlich nicht dem Justizgewährungsanspruch. Eine Erschwerung des Zugangs zu den Gerichten kommt zwar in Betracht, wenn - wie hier - die gesamten Kosten des Verfahrens die geltend gemachte Klageforderung um mehr als das Vierfache übersteigen. Dabei kann allerdings den die Beschwerdeführerin treffenden Kosten für das eigentliche Gerichtsverfahren (vgl. Nr. 1210 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) sowie für den von ihr eingeschalteten Rechtsanwalt eine solche den Zugang zu den Gerichten erschwerende Wirkung nicht beigemessen werden. Das Hinzutreten der Auslagen für das eingeholte Sachverständigengutachten zieht aber eine solche Wirkung nach sich. Dass derartige Auslagen durch das Gericht auch dann in voller Höhe an einen Kostenschuldner weiter belastet werden dürfen, ist verfassungsrechtlich indes nicht zu beanstanden. Denn in Form des Sachverständigengutachtens erlangen das Gericht wie auch die Parteien eine externe Leistung, die dem Sachverständigen angemessen vergütet wird. Dabei ist es grundsätzlich nicht sachwidrig, dass die Kosten für diese externe Leistung - vom Sonderfall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgesehen - letztlich nicht von der Staatskasse zu tragen sind, sondern von jenen Beteiligten aufgebracht werden müssen, die diese Leistung für die Klärung ihrer Streitigkeit benötigten. Das gilt zumal auch deshalb, weil es keinen Grundsatz des Inhalts gibt, dass im Zivilprozess der Staat dessen Kosten zu übernehmen habe, und weil überdies im Blick auf die Vorschusspflicht die Kostenrisiken für die Parteien gerade auch für die Beweiserhebungen kalkulierbar bleiben. Hinzu kommt, dass der Staat für weniger Bemittelte Prozesskostenhilfe vorsieht (vgl. § 122 ZPO).
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c) Aus den Besonderheiten des Prozesskostenhilfeverfahrens nach der Zivilprozessordnung ergibt sich jedoch für die hier in Rede stehende Fallkonstellation eine den effektiven Rechtsschutz verfehlende Wirkung, wenn die Fachgerichte § 31 Abs. 3 GKG dahin auslegen, dass die dort vorgesehene Sperrwirkung für eine Inanspruchnahme als Zweitschuldner entfällt, wenn die dem Erstschuldner ursprünglich bewilligte Prozesskostenhilfe nachträglich aufgehoben wird.
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aa) Zwar ist es auch in der Konstellation, in der dem Prozessgegner im Zivilrechtsstreit keine Prozesskostenhilfe bewilligt wird, möglich, dass eine Partei durch unzutreffendes Vorbringen der anderen Partei einem höheren Kostenrisiko ausgesetzt wird, was ihr eine Aufgabe der von ihr beabsichtigten Rechtsverfolgung oder -verteidigung nahe legen kann. Dies kann namentlich dann der Fall sein, wenn die Partei ihrerseits verpflichtet ist, den Auslagenvorschuss für ein Beweismittel bei Gericht einzuzahlen, dessen Erhebung durch ein prozessuales Verhalten des Gegners erforderlich wird. In derartigen Fällen hat es die gegebenenfalls als Zweitschuldner haftende Partei jedoch jederzeit in der Hand, das Verfahren durch Klagerücknahme oder Anerkenntnis, eventuell durch den Abschluss eines Vergleichs zu beenden, wenn sie das Insolvenzrisiko der gegnerischen Partei angesichts der durch die beabsichtigte Beweisaufnahme entstehenden Mehrkosten nicht mehr tragen will, weil diese etwa außer Verhältnis zu dem klageweise geltend gemachten Anspruch stehen. Wenn hingegen die gegnerische Partei zur Leistung des Auslagenvorschusses verpflichtet ist (vgl. § 17 Abs. 1 GKG), wird dadurch die Zweitschuldnerhaftung der anderen Partei und damit die Tragung des Insolvenzrisikos des Gegners nach § 31 GKG begrenzt: Wird der Vorschuss nicht gezahlt, so wird in der Regel von der kostenträchtigen Beweisaufnahme abgesehen (vgl. §§ 402, 379 Satz 2 ZPO; Greger, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 379 Rn. 2, 7).
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bb) Ist hingegen in dem Zeitpunkt der auslagen- und kostenauslösenden richterlichen Anordnung Prozesskostenhilfe bewilligt, die erst später aufgehoben wird, führt die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene Auslegung des § 31 Abs. 3 GKG im Ergebnis zu einer Erschwerung des Zugangs zu den Gerichten, die im Blick auf die Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes unzumutbar ist und einer tragfähigen sachlichen Rechtfertigung entbehrt.
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Der Beschwerdeführerin ist das Zweitschuldnerrisiko nicht deshalb zumutbar, weil ihr die Möglichkeit einer nachträglichen Inanspruchnahme als Zweitschuldnerin über § 31 Abs. 3 GKG in Verbindung mit § 124 ZPO bewusst sein musste. Zwar verfügte sie nach Erlass des Beweisbeschlusses über alle Informationen, um angesichts der anstehenden, kostenaufwändigen Beweiserhebung eine neue Risikobewertung vornehmen und über die Fortsetzung des Rechtsstreits entscheiden zu können. Die Beschwerdeführerin hatte auch die Wahl zwischen der Verfahrensbeendigung und der Fortführung des Verfahrens. Bei Fortführung des Verfahrens sind die mitunter erheblichen Mehrkosten für die Beweiserhebung jedoch bei einem prozesskostenhilfeberechtigten Gegner regelmäßig nicht durch einen eingeforderten Vorschuss abgesichert. Hinzu kommt, dass es nach der Auslegung des § 31 Abs. 3 GKG im Ausgangsverfahren nach Eintritt der Insolvenz des Gegners als Entscheidungskostenschuldner allein bei diesem liegt, durch die verweigerte Mitwirkung im weiteren Verlauf (vgl. § 124 Ziff. 2 i.V.m. § 120 Abs. 4 ZPO) die Einstandspflicht des Zweitschuldners herbeizuführen. Der Gegner hat es in dieser Fallkonstellation in der Hand, durch sein Unterlassen im Prozesskostenhilfeverfahren zu bewirken, dass die Kosten dem obsiegenden Prozessgegner überbürdet werden.
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Die Justizgewähr wird deshalb bei einem Verständnis der Sperrwirkungsbestimmung für den Prozesskostenhilfefall, wie sie die Ausgangsgerichte zu Grunde gelegt haben, in unzumutbarer Weise erschwert; eine tragfähige sachliche Rechtfertigung dafür fehlt namentlich im Blick darauf, dass die Realisierung des Kostenrisikos allein vom Belieben des nach Unterliegen in der Hauptsache nicht mehr mitwirkungsbereiten Prozessgegners abhängt. Das würde dazu führen, den Prozessgegner einer armen Partei, der zunächst Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, die dann aber wegen deren mangelnder Mitwirkung widerrufen wird, bei kostenträchtigen Beweiserhebungen auf Beweisantritt dieser Partei hin zur Aufgabe der Rechtsverfolgung oder zur Übernahme eines von ihm nicht zu vertretenden, wirtschaftlich völlig unvernünftigen Risikos zu zwingen. Wirkungsvoller Rechtsschutz ist damit in solchen Fällen nicht mehr gewährleistet.
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Deshalb ist es in derartigen Fallkonstellationen geboten, § 31 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GKG verfassungskonform dahin auszulegen, dass er auch dann einen Rückgriff auf den Zweitschuldner verbietet, wenn Prozesskostenhilfe im Zeitpunkt der jeweiligen auslagen- und kostenauslösenden richterlichen Anordnung bewilligt war, diese aber nachträglich gemäß § 124 ZPO aufgehoben wurde. Der Wortlaut des § 31 Abs. 3 GKG lässt eine solche Auslegung der Norm zu. Damit bleibt das Risiko der Nichtbeitreibbarkeit der Kosten beim Entscheidungsschuldner zwar in solchen Ausnahmefällen beim Staat; das ist nach Lage der Dinge aber unvermeidlich.
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cc) Mit der verfassungskonformen Auslegung des § 31 Abs. 3 GKG für den in Rede stehenden Ausnahmefall wird der Grundsatz der Zweitschuldnerhaftung nicht in Frage gestellt. Diese Auslegung sichert lediglich die Vorhersehbarkeit der Kostenbelastung und damit die Zumutbarkeit der darin liegenden Rechtsschutzerschwernis. Sie trägt dem Grundsatz Rechnung, dass eine Prozesspartei im Vertrauen auf den Bestand der für eine potentielle Zweitschuldnerschaft relevanten Umstände über ihr prozessuales Vorgehen entscheiden können soll. Weiter verhindert sie, dass das in einem hier offenkundigen Missverhältnis zum Streitwert stehende Kostenrisiko auch deshalb nicht mehr verlässlich kalkulierbar ist, weil es allein vom Belieben der anderen, ursprünglich prozesskostenhilfeberechtigten und später nicht mehr mitwirkungsbereiten Partei abhängt und so zu einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigenden Erschwerung des Zugangs zum Rechtsschutz führt.
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Dem kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, eine Prozesspartei müsse immer damit rechnen, dass eine zunächst bemittelte gegnerische Partei später in Vermögensverfall gerät und sie daher trotz Obsiegens für alle Kosten ihrer Rechtsverfolgung haftet. Denn alle in einem Rechtsstreit anfallenden Kosten hat der Zweitschuldner entweder unmittelbar selbst veranlasst - so etwa die Gerichtsgebühren, die eigenen Anwaltskosten und die Aufwendungen für Beweiserhebungen über die Tatsachen, für die er beweispflichtig ist - oder sie sind aufgrund der regelhaften Vorschusspflicht des Gegners gedeckt. Zu den hier in keinem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zum Streitwert stehenden, nicht vorschussgedeckten Auslagen für den Sachverständigen ist es nur deswegen gekommen, weil der Gegnerin Prozesskostenhilfe bewilligt worden war. Wäre zum Zeitpunkt des Beweisbeschlusses die Prozesskostenhilfe nicht bewilligt oder bereits aufgehoben gewesen, hätte die Gegnerin entweder den Vorschuss zahlen müssen oder die Beweiserhebung wäre unterblieben.
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2. Die danach verfassungsrechtlich gebotene und nach dem Wortlaut mögliche, verfassungskonforme Auslegung des § 31 Abs. 3 GKG führt dazu, dass die Vorschrift selbst nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen Bestand hat. Diesem Verständnis der Norm tragen die angegriffenen Entscheidungen nicht Rechnung. Sie verletzen deshalb die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Mithin kann auf sich beruhen, ob und inwieweit die angegriffene Auslegung des § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG die Beschwerdeführerin darüber hinaus in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Die weiteren von der Beschwerdeführerin als verletzt benannten Grundrechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG werden von der Verfassungsbeschwerde nicht zum Gegenstand ihrer Begründung gemacht (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).
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3. Die angegriffenen Hoheitsakte sind mit dem bezeichneten Grundrecht der Beschwerdeführerin für unvereinbar zu erklären (§ 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Kammer hebt den Beschluss des Landgerichts auf und verweist die Sache an dieses Gericht zurück (§ 95 Abs. 2 BVerfGG), das nun erneut über die Beschwerde unter Beachtung der verfassungskonformen Auslegung des § 31 Abs. 3 GKG zu entscheiden haben wird.
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Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Der nach § 37 Abs. 2 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit beträgt, wenn der Verfassungsbeschwerde durch die Kammer stattgegeben wird, in der Regel 8.000 €. Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weisen hier Besonderheiten auf, die eine Abweichung veranlassen würden.
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