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BVerfG 10.11.2010 - 2 BvR 1946/10
BVerfG 10.11.2010 - 2 BvR 1946/10 - Nichtannahmebeschluss: Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen Verletzung des passiven Wahlrechts auf kommunaler Ebene mangels rügefähigen Rechts - ebenso insofern keine Prüfung einer Verletzung der Rechtsschutzgarantie (Art 19 Abs 4 GG) - hier: Bürgermeisterwahl in Mecklenburg-Vorpommern
Normen
Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 1 GG, Art 93 Abs 1 Nr 4a GG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 61 Abs 1 KomWG MV, § 61 Abs 3 KomWG MV
Vorinstanz
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 22. Juli 2010, Az: 2 L 101/10, Beschluss
vorgehend VG Greifswald, 23. März 2010, Az: 2 A 1011/09, Urteil
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.
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1. Der Beschwerdeführer ist Mitglied der NPD und Abgeordneter des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern. Die NPD reichte am 23. März 2009 einen Wahlvorschlag mit dem Beschwerdeführer als Bewerber für die Wahl des ehrenamtlichen Bürgermeisters der Gemeinde F. am 7. Juni 2009 ein. Mit Beschluss vom 23. April 2009 lehnte der Gemeindewahlausschuss die Zulassung des Wahlvorschlags ab, weil der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 und Abs. 3 des Kommunalwahlgesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Kommunalwahlgesetz - KWG M-V) nicht erfülle. Diese Vorschrift sieht vor, dass ein Wahlbewerber die Gewähr dafür bieten muss, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern einzutreten (§ 61 Abs. 3 Satz 1 KWG M-V). Der Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Gültigkeit der Wahl wurde mit Beschluss der Gemeindevertretung der Gemeinde F. vom 16. Juli 2009 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Greifswald mit Urteil vom 23. März 2010 ab. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 22. Juli 2010 ab.
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2. Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie die Versagung seines passiven Wahlrechts auf kommunaler Ebene, das durch die Grundsätze der Allgemeinheit und der Gleichheit der Wahl gewährleistet werde. Die Rechtsgrundlage für die Nichtzulassung als Wahlbewerber, § 61 Abs. 1 und Abs. 3 KWG M-V, sei verfassungswidrig, weil mit dieser Norm in unzulässiger Weise in die Grundsätze der gleichen und allgemeinen Wahl eingegriffen und zugleich das Demokratieprinzip verletzt werde.
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3. Für dieses Vorbringen steht dem Beschwerdeführer ein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges Recht nicht zur Seite (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG).
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a) Das Demokratieprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG ist kein Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerfGG.
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b) Während bei Bundestagswahlen die Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG im Wege einer Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann, fehlt eine vergleichbare Gewährleistung, wenn es um die Durchsetzung dieser Grundsätze bei allgemeinen politischen Wahlen und Abstimmungen im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG auf der Ebene der Länder geht (vgl. BVerfGE 99, 1 7>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2005 - 2 BvR 315/05 -, NVwZ-RR 2005, S. 494 f.; vom 9. März 2009 - 2 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, S. 776 f.; vom 3. Juli 2009 - 2 BvR 1291/09 -, juris, und vom 11. Mai 2010 - 2 BvR 511/10 -, juris).
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aa) Art. 38 GG erfasst unmittelbar nur die Wahlen zum Deutschen Bundestag. Eine analoge Anwendung auf Wahlen in den Ländern scheidet mit Rücksicht auf die selbständigen Verfassungsräume von Bund und Ländern aus. Zwar verlangt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, dass die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl auch bei politischen Wahlen in den Ländern gelten. Die Länder haben diesem Verfassungsgebot bei der Regelung des Wahlrechts zu ihren Länderparlamenten und auf kommunaler Ebene zu genügen. Dem Einzelnen vermittelt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG jedoch keine mit der Verfassungsbeschwerde rügefähige subjektive Rechtsposition. Das objektivrechtliche Verfassungsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG kann auch nicht über die in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit als subjektives Recht eingefordert werden. Im Anwendungsbereich von Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG scheidet auch ein Rückgriff auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG aus (vgl. BVerfGE 99, 1 7 ff.>).
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bb) Die Länder gewährleisten den subjektivrechtlichen Schutz des Wahlrechts bei politischen Wahlen in ihrem Verfassungsraum allein und abschließend (vgl. BVerfGE 99, 1 17>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2005, a.a.O.; vom 9. März 2009, a.a.O., S. 777; vom 3. Juli 2009, a.a.O., und vom 11. Mai 2010, a.a.O.). Dem Beschwerdeführer stand im Hinblick auf die von ihm geltend gemachte Verletzung seines passiven Wahlrechts und anderer Wahlrechtsgrundsätze der Verwaltungsrechtsweg zur Verfügung (§ 45 Abs. 2, § 56 Abs. 1 KWG M-V). Ein Mehr ist von Verfassungs wegen nicht geboten, weil Art. 19 Abs. 4 GG keinen subjektiven verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz verbürgt (vgl. BVerfGE 99, 1 19>). Ob dem Beschwerdeführer gemäß Art. 53 Nr. 7 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern die Verfassungsbeschwerde zu dem Landesverfassungsgericht offen steht (vgl. BVerfGE 99, 1 18 f.>; Classen, in: Litten/Wallerath, Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 2007, Art. 53 Nr. 38), ist daher für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ohne Bedeutung.
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4. Die Verfassungsbeschwerde ist auch unzulässig, wenn sie dahingehend ausgelegt wird, dass sie sich unmittelbar gegen § 61 Abs. 1 und 3 KWG M-V richtet. Unabhängig davon, dass die Jahresfrist zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz verstrichen sein dürfte (vgl. § 93 Abs. 3 BVerfGG), gilt auch insoweit, dass dem Beschwerdeführer ein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges Recht nicht zur Seite steht (s. unter 3.).
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5. Schließlich ist die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auch nicht am Maßstab von Art. 19 Abs. 4 GG zu prüfen. Um die Frage, ob die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache oder aus anderen Gründen nach § 124 Abs. 2 VwGO hätte zugelassen werden müssen, zu beurteilen, müsste das Bundesverfassungsgericht diejenigen Rechtsfragen bewerten und unter Umständen präjudizieren, deren Prüfung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allein den für die Wahlprüfung zuständigen Gerichten des Landes obliegt (vgl. BVerfGE 99, 1 ff.). Aus diesem Grund ist in dieser Fallkonstellation auch die Sicherung der Effektivität des Rechtsschutzes in Wahlsachen den damit befassten (Verfassungs-)Gerichten der Länder überlassen, die ihrerseits an Art. 19 Abs. 4 GG gebunden sind.
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6. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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