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BFH 17.10.2023 - VII R 53/20
BFH 17.10.2023 - VII R 53/20 - Prozesszinsen für erstattete Einfuhrumsatzsteuer
Normen
§ 236 AO, Art 241 ZK, Art 241 EWGV 2913/92, Art 116 Abs 6 EUV 952/2013, § 21 Abs 2 UStG 2005, UStG VZ 2017
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 25. September 2020, Az: 4 K 47/20, Gerichtsbescheid
Leitsatz
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1. NV: Für die Beurteilung, ob sich die Zulässigkeit der Verzinsung eines Erstattungsbetrags nach Art. 241 des Zollkodex (ZK) oder Art. 116 Abs. 6 des Unionszollkodex richtet, kommt es auf den Zeitpunkt der Zollschuldentstehung an.
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2. NV: Art. 241 ZK schließt die Zahlung von Prozesszinsen nach § 236 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung für erstattete Einfuhrumsatzsteuer nicht aus.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Finanzgerichts Hamburg vom 25.09.2020 - 4 K 47/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Mit mehreren Einfuhrabgabenbescheiden aus dem April 2016 setzte der Beklagte und Revisionskläger (Hauptzollamt --HZA--) gegen die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt 99.412,20 € fest. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin am 12.06.2017 Klage zum Finanzgericht (FG). Im Verlauf des Klageverfahrens (Aktenzeichen 4 K 115/17) half das HZA den Einsprüchen ab und zahlte der Klägerin am 09.12.2019 die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer zurück. Der Rechtsstreit wurde daraufhin in der Hauptsache für erledigt erklärt (vergleiche Beschluss des FG vom 17.12.2019).
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Mit E-Mail vom 20.01.2020 und Schreiben vom 24.03.2020 beantragte die Klägerin beim HZA die Gewährung von Prozesszinsen in Höhe von 14.415 € seit dem 12.06.2017 (Datum der Rechtshängigkeit), was das HZA mit Bescheid vom 28.04.2020 ablehnte. Daraufhin erhob die Klägerin Sprungklage (4 K 47/20), der das HZA zustimmte.
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Das FG urteilte, die Klägerin habe einen Zinsanspruch in Höhe von 14.415 € nach § 236 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO), weil sich der Rechtsstreit infolge der Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer erledigt habe. Der Anspruch auf Prozesszinsen werde nicht durch das Unionsrecht ausgeschlossen. Die Regelung des Art. 116 Abs. 6 Unterabs. 1 des Unionszollkodex (UZK) setze einen Erstattungsfall voraus, der im Streitfall nicht vorliege. Die Vorschrift finde auf die Anfechtung von Abgabenfestsetzungen im Rechtsbehelfsverfahren keine Anwendung. Ungeachtet dessen sei Art. 116 Abs. 6 Unterabs. 1 UZK erst auf die seit dem 01.05.2016 entstandenen Zollschulden anwendbar. Außerdem würden durch diese Vorschrift allein Zinsansprüche auf Erstattungsbeträge ausgeschlossen, aber nicht auch Prozesszinsen. Für die Anwendung von Art. 116 UZK komme es nicht darauf an, wann der Anspruch rechtshängig gemacht worden sei, sondern darauf, wann die Zollschuld entstanden sei.
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Seine Revision begründet das HZA damit, dass § 236 AO durch Art. 116 Abs. 6 UZK verdrängt werde. Es gebe keine generelle materiell-rechtliche Verzinsungspflicht erstatteter Beträge allein wegen der Rechtshängigkeit eines Anspruchs. Der unionsrechtliche Grundsatz zur Verzinsung erstatteter Einfuhrabgabenbeträge ergebe sich seit Mai 2016 aus Art. 116 Abs. 6 Satz 1 UZK und vorher aus Art. 241 Satz 1 des Zollkodex (ZK). Nach beiden Vorschriften seien im Falle der Erstattung von Einfuhrabgaben ausdrücklich keine Zinsen zu zahlen. Mit Inkrafttreten des Unionszollkodex zum 01.05.2016 sei die Ausnahmeregelung des Art. 241 Satz 2 ZK, durch die ein Rückgriff auf nationale Anspruchsnormen zugelassen gewesen sei, ersatzlos entfallen. Hinsichtlich der Abgrenzung der Anwendbarkeit von Art. 241 ZK und Art. 116 UZK komme es nicht auf den Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld, sondern auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des in Bezug genommenen Prozesses an. Davon sei auch der erkennende Senat in seinem Urteil vom 22.10.2019 - VII R 38/18 ausgegangen. Auch durch Art. 44 Abs. 2 Buchst. b UZK werde keine Rückgriffsmöglichkeit auf nationale Anspruchsnormen eröffnet. Durch die Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer sei zwar der Klage mit dem Aktenzeichen des FG 4 K 115/17 abgeholfen worden, gleichwohl stellten sich die zugrunde liegenden Bescheide in erster Linie als Erstattungsbescheide nach dem Unionsrecht dar. Der Anwendbarkeit von Art. 116 Abs. 6 UZK auf Erstattungen, die während der Dauer eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens vorgenommen würden, stehe weder die Stellung dieser Norm im Unionszollkodex noch ein Folgenbeseitigungsanspruch nach § 100 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entgegen.
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Es könne dahinstehen, bei welchen Konstellationen sich ein Zinsanspruch unmittelbar aus dem Unionsrecht ergebe, weil es vorliegend nur um Prozesszinsen gehe. Jedenfalls beruhe die Rechtswidrigkeit der Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer nicht auf einem Rechtssetzungsfehler wie im Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Wortmann vom 18.01.2017 - C-365/15 (EU:C:2017:19), sondern darauf, dass die deutsche Zollverwaltung den mehrwertsteuerrechtlichen Einfuhrbegriff falsch ausgelegt habe. Ein unmittelbar aus dem Unionsrecht abgeleiteter Zinsanspruch komme nur dann in Betracht, wenn eine für die Erhebung der Abgaben einschlägige Verordnung der Europäischen Union gerichtlich für nichtig oder ungültig erklärt worden sei oder eine angewandte Rechtsvorschrift des nationalen Rechts höherrangigem Unionsrecht zuwiderlaufe. Für Erstattungen, die wie im vorliegenden Fall auf Rechtsanwendungsfehlern beruhten, gelte hingegen das allgemeine Verzinsungsverbot des Art. 116 Abs. 6 Satz 1 UZK.
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Das HZA hält auch nach Ergehen des EuGH-Urteils Gräfendorfer Geflügel und Tiefkühlfeinkost vom 28.04.2022 - C-415/20, C-419/20 und C-427/20 (EU:C:2022:306) an seiner Rechtsauffassung fest, weil diese Verfahren den Zinsanspruch nach dem primären Unionsrecht betroffen hätten, während es vorliegend um Prozesszinsen gemäß § 236 AO gehe. Dazu komme, dass das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des Eingangs in den Wirtschaftskreislauf in der neueren EuGH-Rechtsprechung überraschend aufgezeigt worden sei, weshalb das HZA dies nicht habe berücksichtigen können. Auch eine gerichtliche Feststellung eines Unionsrechtsverstoßes gebe es vorliegend nicht. Zu der Frage, ob Art. 116 Abs. 6 UZK einem sich unmittelbar aus dem nationalen Recht ergebenden Zinsanspruch nicht entgegenstehe, habe sich der EuGH nicht geäußert.
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Das HZA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an und ergänzt, Art. 116 UZK sei nicht auf Rechtsbehelfsverfahren anwendbar, sodass die Anwendung des § 236 AO nicht durch Unionsrecht ausgeschlossen sei. Auch der Bundesfinanzhof habe in seiner Entscheidung vom 22.10.2019 - VII R 38/18 bestätigt, dass die Regelungen des Zollkodex und nicht des Unionszollkodex in allen Fällen anzuwenden seien, in denen die Zollschuld vor dem 01.05.2016 entstanden sei. Zudem betreffe der Ausschluss des Art. 116 UZK nur Erstattungszinsen, während die Prozesszinsen ein Ausfluss des Klageverfahrens seien. Im Übrigen stehe der Klägerin auch ein Anspruch auf Verzinsung nach Unionsrecht zu. Dies gelte selbst dann, wenn dies nicht ausdrücklich im Antrag auf Gewährung von Zinsen genannt worden sei. Abgesehen davon habe sie ihren Antrag auf Verzinsung mit Schriftsatz vom 18.08.2020 ergänzend auf die Anwendung des unionsrechtlichen Zinsanspruchs gestützt. Vorliegend sei die Erstattung auf Grund der Feststellung des FG erfolgt, dass die maßgeblichen Rechtsvorschriften unzutreffend angewandt und ausgelegt worden seien. Der unionsrechtliche Zinsanspruch erfasse solche Fälle, während Art. 116 Abs. 6 UZK lediglich einfache Arbeitsfehler im Rahmen des Massenverfahrens der Zollabfertigung ausgleichen solle. Der EuGH habe die Rechtsansicht der Klägerin in den Rechtssachen Gräfendorfer Geflügel und Tiefkühlfeinkost - C-415/20, C-419/20 und C-427/20 (EU:C:2022:306) bestätigt. In diesen Verfahren hätten --wie im Streitfall-- die "Einfuhren" vor dem 01.05.2016 stattgefunden und die Klagen seien nach diesem Datum eingereicht und entschieden worden.
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Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Zinsen in Höhe von 14.415 € zusteht.
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Der Senat entscheidet gemäß § 121 Satz 1, § 90 Abs. 2 FGO mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
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1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 AO.
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Gemäß § 236 Abs. 1 Satz 1 AO entsteht ein Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen, wenn durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt wird. Dies gilt entsprechend, wenn sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Erlass des beantragten Verwaltungsakts erledigt hat (§ 236 Abs. 2 Nr. 1 AO). Der Zweck des § 236 AO besteht darin, dem Gläubiger eines Erstattungsanspruchs für die Vorenthaltung des Kapitals und der damit verbundenen Nutzungsmöglichkeiten zumindest für die Zeit ab Rechtshängigkeit eine Entschädigung zu gewähren (vgl. Senatsurteil vom 22.10.2019 - VII R 38/18, Rz 15, m.w.N.).
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil das HZA während des Klageverfahrens vor dem FG (Aktenzeichen 4 K 115/17) den Einsprüchen der Klägerin abhalf und ihr die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer am 09.12.2019 zurückzahlte. Der Rechtsstreit wurde daraufhin in der Hauptsache für erledigt erklärt (vergleiche Beschluss des FG vom 17.12.2019).
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2. Art. 241 ZK steht dem Anspruch auf Prozesszinsen aus § 236 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 AO nicht entgegen.
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Art. 241 Satz 2 zweiter Anstrich ZK lässt eine Zahlung von Zinsen ausdrücklich zu, wenn dies auf Grund der einzelstaatlichen Bestimmungen vorgesehen ist. Demnach ist eine Zahlung von Prozesszinsen nach § 236 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 AO nicht ausgeschlossen.
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Die Vorschrift des Art. 241 Satz 2 zweiter Anstrich ZK ist auf den Streitfall anwendbar, weil der Zollkodex gemäß Art. 286 Abs. 2 i.V.m. Art. 288 Abs. 2 UZK erst ab dem 01.05.2016 aufgehoben wurde und die Einfuhrumsatzsteuer vorliegend vor diesem Zeitpunkt entstanden ist.
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3. Art. 116 Abs. 6 UZK, wonach im Falle der Erstattung von den betreffenden Zollbehörden grundsätzlich keine Zinsen zu zahlen sind, gilt erst ab dem 01.05.2016 (vgl. Art. 288 Abs. 2 UZK) und ist daher auf den Streitfall nicht anwendbar.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind Verfahrensvorschriften im Allgemeinen auf alle bei ihrem Inkrafttreten anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar. Materiell-rechtliche Vorschriften hingegen werden gewöhnlich so ausgelegt, dass sie grundsätzlich nicht für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte gelten (EuGH-Urteile Molenbergnatie vom 23.02.2006 - C-201/04, EU:C:2006:136 und De Haan vom 07.09.1999 - C-61/98, EU:C:1999:393).
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Wie der EuGH weiterhin entschieden hat, verbietet es der Grundsatz der Rechtssicherheit im Allgemeinen, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts der Gemeinschaft auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen; dies kann aber ausnahmsweise dann anders sein, wenn ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist oder wenn aus Wortlaut, Zweck oder Aufbau der betreffenden Gemeinschaftsvorschriften eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (EuGH-Urteil Mitsui & Co. Deutschland vom 19.03.2009 - C-256/07, EU:C:2009:167, Rz 32, m.w.N.).
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Da sich die Erlass- beziehungsweise Erstattungsvorschriften im Unionszollkodex gegenüber dem Zollkodex nicht grundlegend geändert haben, kann die dargestellte Rechtsprechung weiterhin Gültigkeit beanspruchen (vgl. zur Einführung des Art. 239 ZK EuGH-Urteil Söhl & Söhlke vom 11.11.1999 - C-48/98, EU:C:1999:548).
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b) Bei der Regelung in Art. 116 Abs. 6 UZK handelt es sich um eine materiell-rechtliche Vorschrift, die seit dem vollständigen Inkrafttreten des Unionszollkodex anwendbar ist (Senatsurteil vom 22.10.2019 - VII R 38/18, Rz 22). Sie gilt gemäß Art. 288 Abs. 2 UZK erst ab dem 01.05.2016. Für Fälle, in denen die Zollschuld vor dem 01.05.2016 entstanden ist, gelten daher noch die materiell-rechtlichen Bestimmungen der Art. 235 bis 242 ZK (Senatsurteil vom 22.10.2019 - VII R 38/18, Rz 22 mit Verweis auf Deimel in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Art. 116 UZK Rz 3; Witte/Alexander, Zollkodex der Union, 8. Aufl., Vor Art. 116 Rz 12; Lux in Dorsch, Zollrecht, Art. 288 UZK Rz 5; Felderhoff, Außenwirtschaftliche Praxis 2017, 98, 101). Nach diesen Vorgaben wird die Anwendbarkeit von Zollkodex und Unionszollkodex unabhängig von Kriterien des nationalen Rechts und somit unionsweit einheitlich bestimmt.
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Weder der Wortlaut der Vorschrift noch die Erwägungsgründe der Verordnung enthalten einen Hinweis darauf, dass Art. 116 UZK entgegen der Regelung in Art. 288 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 UZK (Gültigkeit ab 01.05.2016) eine Rückwirkung zukommt (Senatsbeschluss vom 24.07.2017 - VII B 165/16, Rz 15).
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c) Vorliegend ist die Einfuhrumsatzsteuer noch unter Geltung des Zollkodex entstanden. Auf Grund dessen ist Art. 241 ZK auf den Streitfall anwendbar, weshalb eine Verzinsung nach nationalen Vorschriften schon auf Grund des Wortlauts dieser Vorschrift nicht ausgeschlossen ist.
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d) An der Anwendung von Art. 241 ZK ändert sich nichts dadurch, dass die Rechtshängigkeit der Anfechtungsklage in Bezug auf die Einfuhrabgabenbescheide aus dem April 2016 am 12.06.2017 und damit zur Zeit der Geltung des Unionszollkodex eingetreten ist, weil die Tatbestandsmerkmale eines nationalen Zinsanspruchs keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit des Unionsrechts haben.
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Die Auslegung des Unionsrechts folgt vielmehr unionsrechtlichen Grundsätzen. Demnach sind bei der Auslegung einer unionsrechtlichen Vorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu denen sie gehört, verfolgt werden. Ferner folgt aus den Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweisen, in der Regel in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (EuGH-Urteil Finanzamt T vom 01.12.2022 - C-269/20, EU:C:2022:944, Rz 35 f., m.w.N.).
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Schon im Interesse einer einheitlichen Auslegung des Unionsrechts und auf Grund mangelnder Regelungskompetenz der einzelnen Mitgliedstaaten können zur Auslegung von Unionsrecht nicht Tatbestandsmerkmale einer nationalen Vorschrift herangezogen werden. Soweit Art. 241 Satz 2 zweiter Anstrich ZK auf die Möglichkeit der Verzinsung nach nationalem Recht verweist, wird lediglich dessen Anwendbarkeit neben dem Unionsrecht zugelassen, ohne dass dies Einfluss auf die Anwendbarkeit von Unionsrecht hätte.
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Soweit der Senat in seinem Urteil vom 22.10.2019 - VII R 38/18, Rz 23 ausgeführt hat, dass für die Anwendbarkeit von Zollkodex oder Unionszollkodex auf die Rechtshängigkeit abgestellt werden muss, ist diese Formulierung dem entschiedenen Streitfall geschuldet. Denn da sowohl der Eintritt der Rechtshängigkeit und damit die Entstehung des Zinsanspruchs als auch die Entstehung der Zollschuld in diesem Fall in den Geltungszeitraum des Zollkodex fielen, kam unter keinem Gesichtspunkt die Anwendung von Art. 116 Abs. 6 UZK in Betracht, weshalb der Senat keine genaueren Kriterien für die Abgrenzung zwischen Zollkodex und Unionszollkodex finden musste.
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4. Ob Art. 116 Abs. 6 UZK überhaupt gemäß § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes sinngemäß auf die Einfuhrumsatzsteuer angewandt werden kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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