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BFH 18.08.2023 - IX B 114/22
BFH 18.08.2023 - IX B 114/22 - Nichtzulassungsbeschwerde: Nicht ausreichende Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung
Normen
§ 105 Abs 5 FGO, § 119 Nr 6 FGO, § 116 Abs 6 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 180 Abs 2 AO, § 1 AO1977§180Abs2V
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 21. Oktober 2022, Az: 10 K 10142/17, Urteil
Leitsatz
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NV: Hat das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung tatsächliches Vorbringen des Einspruchsführers zu einem im Rahmen der Klage wiederholten, selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsvorbringen übergangen, genügt das Finanzgericht seiner Begründungspflicht nicht, wenn es lediglich auf die Einspruchsentscheidung Bezug nimmt (§ 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung).
Tenor
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Auf die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 21.10.2022 - 10 K 10142/17 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Kommanditisten der … GmbH & Co. KG (KG).
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Im Rahmen der gegen die Aufhebung der gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen aus der KG geführten Einspruchsverfahren trugen die Kläger mit Schriftsätzen vom 20.02.2017 und vom 02.03.2017 vor, dass die KG über Einrichtungen und Anlagen wie Außenanlagen/Zaun, Spielplatz, Versorgungsmedien/Leitungen verfüge, die den Klägern zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung stünden.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 10.05.2017 wies der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) die Einsprüche als unbegründet zurück. Für die KG seien mangels Gewinnerzielungsabsicht keine Einkünfte gesondert festzustellen. Zwar könnten die Besteuerungsgrundlagen der Beteiligten an Gesellschaften oder Gemeinschaften auch ohne Gewinnerzielungsabsicht gesondert nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 1 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO festgestellt werden, wenn den Beteiligten Anlagen oder Einrichtungen zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung stünden. Dies sei jedoch nicht gegeben.
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Im Klageverfahren wiederholten die Kläger mit Schriftsatz vom 23.06.2017 ihren Vortrag aus dem Rechtsbehelfsverfahren, wonach den Klägern Einrichtungen und Anlagen der KG zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung stünden, was auch durch die Bilanzen der KG belegt werde.
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Mit Urteil vom 21.10.2022 hat das Finanzgericht (FG) die Klage als unbegründet abgewiesen und zur Begründung lediglich festgestellt, es folge der Einspruchsentscheidung (§ 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 116 Abs. 6 FGO. Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die angefochtene Entscheidung ist nicht mit Gründen versehen (§ 119 Nr. 6 FGO).
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1. Die Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren. Ein Fehlen von Entscheidungsgründen im Sinne von § 119 Nr. 6 FGO liegt deshalb nur vor, wenn dem Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21.03.2019 - VIII B 129/18, Rz 12).
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Eine Entscheidung ist dann im Sinne von § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen, wenn diese ganz oder zu einem wesentlichen Teil fehlen sowie wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Verteidigungsmittel übergangen hat. Die Rüge einer zu kurzen, lücken- oder fehlerhaften Begründung berechtigt hingegen nicht zu einer Zulassung einer Revision (vgl. BFH-Beschluss vom 19.09.2007 - III B 59/06, BFH/NV 2007, 2245, unter 4.).
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§ 105 Abs. 5 FGO räumt den Finanzgerichten die Möglichkeit ein, von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abzusehen und sich die in der Einspruchsentscheidung enthaltene Begründung des Finanzamts zu eigen zu machen. Die Vorschrift dient der Entlastung der Gerichte, sofern ihr Zweck, den Beteiligten Kenntnis davon zu vermitteln, auf welchen Feststellungen, Verhältnissen oder rechtlichen Erwägungen die Entscheidung beruht, ohne Nachteil für den Rechtsschutz der Kläger auch durch Bezugnahme auf bereits vorliegende Verwaltungsentscheidungen erreicht werden kann (BFH-Beschluss vom 10.11.2006 - XI B 147/05, BFH/NV 2007, 267, unter 3.a, m.w.N.). Eine Urteilsbegründung, die über die Feststellung, dass das FG der Verwaltungsentscheidung folgt, hinausgeht, ist in diesen Fällen nicht erforderlich (BFH-Beschluss vom 20.11.2003 - III B 88/02, BFH/NV 2004, 517, unter 2.). Die gebotene verfassungskonforme Anwendung des § 105 Abs. 5 FGO setzt aber voraus, dass das Gericht wegen des Anspruchs des Rechtsschutzsuchenden auf rechtliches Gehör auf dessen wesentliches neues Vorbringen im Klageverfahren eingeht (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 21.10.2015 - X B 116/15, Rz 5, m.w.N.).
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2. Diesen Maßstäben genügt die angefochtene Entscheidung nicht. Die Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung nach § 105 Abs. 5 FGO war im Streitfall nicht geeignet, um der Begründungspflicht nach § 119 Nr. 6 FGO zu genügen. Zwar ist das Vorbringen der Kläger, dass die KG auch über Anlagen und Einrichtungen verfüge, die den Klägern zur Nutzung im Sinne von § 180 Abs. 2 AO i.V.m. § 1 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO zur Verfügung gestanden hätten, nicht neu. Entsprechend hatten die Kläger bereits mit Schreiben vom 20.02.2017 und vom 02.03.2017 im Einspruchsverfahren vorgetragen. Die Einspruchsentscheidung ist auf diesen Vortrag in ihrer Begründung jedoch nicht eingegangen. Insoweit beschränkt sich die Einspruchsentscheidung auf die Feststellung, dass keine gemeinsame Nutzung des durch die KG erworbenen Grundstücks vorliege, trifft jedoch keine Aussage dazu, inwiefern weitere Einrichtungen und Anlagen der KG durch die Kläger genützt würden. Insoweit wäre es die Sache des FG gewesen, das entsprechende Vorbringen gegebenenfalls weiter aufzuklären und zu würdigen. Dies hat das FG nicht getan.
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3. Nach der Zurückverweisung wird das FG zu ermitteln haben, inwiefern Anlagen oder Einrichtungen entsprechend dem klägerischen Vortrag von mehreren Personen genutzt werden. Ferner wird das FG bejahendenfalls zu überprüfen haben, inwiefern das FA das ihm nach § 1 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO zustehende Ermessen hinsichtlich der Fragen, ob eine gesonderte Feststellung zu erfolgen hat und gegenüber wem diese erfolgt, rechtsfehlerfrei ausgeübt hat. Soweit das FG zu dem Ergebnis kommt, dass eine gesonderte Feststellung gegenüber den Klägern zu erfolgen hat, wird das FG auch den Umfang der festzustellenden Einkünfte zu klären haben.
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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