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BFH 28.09.2021 - VIII R 2/19
BFH 28.09.2021 - VIII R 2/19 - (Zum Verbrauch der antragsgebundenen Steuervergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG)
Normen
§ 34 Abs 2 Nr 1 EStG 2009, § 34 Abs 3 S 4 EStG 2009, § 24 Nr 1 EStG 2009, § 24 Nr 3 EStG 2009, EStG VZ 2016
Vorinstanz
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 28. November 2018, Az: 2 K 205/17, Urteil
Leitsatz
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1. Die antragsgebundene Steuervergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG, die der Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen kann, ist auch dann verbraucht, wenn das FA die Vergünstigung zu Unrecht gewährt hat. Dies gilt selbst dann, wenn dies ohne Antrag des Steuerpflichtigen geschieht und ein Betrag begünstigt besteuert wird, bei dem es sich tatsächlich nicht um einen Veräußerungsgewinn i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG handelt.
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2. Etwas anderes gilt nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nur dann, wenn die rechtsirrige Gewährung der Vergünstigung in dem früheren Bescheid für den Steuerpflichtigen angesichts der geringen Höhe der Vergünstigung und wegen des Fehlens eines Hinweises des FA nicht erkennbar war.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 28.11.2018 - 2 K 205/17 aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2016 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
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Der am 07.06.1950 geborene Kläger war Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis für ... (Gemeinschaftspraxis). Im Streitjahr veräußerte er seinen Anteil an der Gesellschaft. Seinen gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn von ... €, der im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2016 festgestellt ist, erklärte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr. Die hierfür beantragte Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 3 EStG lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ab, da dem Kläger diese Ermäßigung bereits im Jahr 2006 gewährt worden und damit ein Verbrauch eingetreten sei. Das FA berücksichtigte in dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 27.09.2017 allein die Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG.
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In der nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) bestandskräftigen, nicht mehr änderbaren Einkommensteuerfestsetzung 2006 hatte das FA bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 39.932 € erfasst und für diesen die Tarifbegünstigung gemäß § 34 Abs. 3 EStG gewährt, was zu einer Steuerminderung von rund 8.000 € führte. Bei dem Betrag von 39.932 € handelte es sich allerdings nicht um einen Veräußerungsgewinn des Klägers, sondern um Nachzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung an die Gemeinschaftspraxis, die dem Kläger im Feststellungsbescheid 2006 anteilig in Höhe von 39.932 € als laufende tarifbegünstigte Einkünfte i.S. des § 24 Nrn. 1 und 3 EStG bzw. § 34 Abs. 2 Nrn. 2 bis 4 EStG zugerechnet worden waren. Das FA wertete die Mitteilung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Gemeinschaftspraxis 2006 vom 18.08.2008 unzutreffend aus und gewährte dem Kläger die Tarifbegünstigung gemäß § 34 Abs. 3 EStG für diese Einkünfte, obwohl der Kläger weder einen entsprechenden Veräußerungsgewinn erzielt noch einen Antrag auf Gewährung der Tarifbegünstigung gestellt hatte.
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Nach den Feststellungen des FG war dem Prozessbevollmächtigten der Kläger seinerzeit aufgefallen, dass das FA in der Einkommensteuerfestsetzung 2006 zu Gunsten der Kläger von der eingereichten Einkommensteuererklärung und von den festgestellten Besteuerungsgrundlagen abgewichen war.
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Die Kläger erhoben sodann Sprungklage gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 27.09.2017, der das FA innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugestimmt hat.
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Das FG gab der Klage mit Urteil vom 28.11.2018 - 2 K 205/17 aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 169 wiedergegebenen Gründen statt. Der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 Abs. 3 EStG sei durch die fehlerhafte Gewährung im Jahr 2006 nicht verbraucht, denn der Kläger habe die Steuerermäßigung seinerzeit nicht (unberechtigt) i.S. des § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG "in Anspruch" genommen.
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Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es mit der Verletzung von Bundesrecht begründet. Das FG habe § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG fehlerhaft angewendet, denn seine Entscheidung führe dazu, dass dem Kläger die Steuerermäßigung --anders als im Gesetz vorgesehen-- mehrfach zuteilwerde. Auch widerspreche die angefochtene Entscheidung der langjährigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Verbrauch antragsgebundener, einmalig zu gewährender Steuervergünstigungen.
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Das FA beantragt sinngemäß,
das angefochtene FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Revision jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.
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Sie halten die langjährige Rechtsprechung des BFH zum Verbrauch antragsgebundener Steuervergünstigungen für nicht einschlägig. Den Entscheidungen liege jeweils ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, denn im Streitfall habe kein Veräußerungsgewinn vorgelegen, der zu einem Verbrauch der Steuervergünstigung hätte führen können. Die Rechtsprechung zum Verbrauch der Vergünstigungen gemäß § 16 Abs. 4 EStG bzw. § 7b Abs. 5 EStG a.F. sei auch deshalb nicht auf § 34 Abs. 3 EStG übertragbar, weil der Gesetzgeber --wie der Wortlaut ("in Anspruch nehmen" in § 34 Abs. 3 EStG, "für ein Objekt abziehen" in § 7b Abs. 5 EStG a.F. und "nur einmal zu gewähren" in § 16 Abs. 4 EStG) zeige-- unterschiedliche Regelungen habe treffen wollen.
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Auch werde der Begünstigungszweck des § 34 Abs. 3 EStG verfehlt, wenn nicht einmal ein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn --und damit ein Wahlrecht-- vorliegen müsse, um zum Verbrauch der Vergünstigung aufgrund der vom FA zu Unrecht angesetzten Ermäßigung zu gelangen. Zudem sei weder ersichtlich, dass der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen das Risiko des Verlustes des ermäßigten Steuersatzes durch eine fehlerhafte Bearbeitung des FA habe aufbürden wollen, noch treffe den Steuerpflichtigen eine Obliegenheit, gegen einen aufgrund eines Fehlers des FA begünstigenden Steuerbescheid Einspruch einzulegen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die zulässige Revision des FA ist begründet. Das FG hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass der vom Kläger im Streitjahr erzielte Veräußerungsgewinn gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 EStG ermäßigt zu besteuern ist. Die Entscheidung verletzt § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG. Sie ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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1. Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 EStG werden gemäß § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt besteuert. Alternativ hierzu gewährt § 34 Abs. 3 EStG für Veräußerungsgewinne i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG auf Antrag eine Steuersatzermäßigung, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder wenn er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist (vgl. § 34 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG). Diese Ermäßigung kann der Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen (§ 34 Abs. 3 Satz 4 EStG).
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a) Zwar liegen --wie das FG festgestellt hat und zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG in Bezug auf den vom Kläger im Streitjahr erzielten Veräußerungsgewinn in Höhe von ... € vor.
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b) Der Gewährung der Ermäßigung steht jedoch § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG entgegen, da der Kläger diese bereits einmal im Jahr 2006 in Anspruch genommen und damit "verbraucht" hat. Die Entscheidung des FG, ein Verbrauch der Ermäßigung sei nicht eingetreten, weil weder ein "verbrauchsfähiges Objekt" in Gestalt eines Veräußerungsgewinns des Klägers noch dessen Antrag auf Gewährung der Ermäßigung gemäß § 34 Abs. 3 EStG vorgelegen habe, steht nicht im Einklang mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Verbrauch antragsgebundener, einmalig zu gewährender Steuervergünstigungen. Nach diesen Grundsätzen ist ein Verbrauch der Vergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG anzunehmen. Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine antragsgebundene Steuervergünstigung, die dem Steuerpflichtigen nur einmal gewährt werden kann, für die Zukunft auch dann "verbraucht", wenn die Vergünstigung vom FA zu Unrecht gewährt worden ist, insbesondere ein erforderlicher Antrag vom Steuerpflichtigen nicht gestellt wurde. Entscheidend ist allein, dass sich die Vergünstigung auf die frühere Steuerfestsetzung ausgewirkt hat und sie dort nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Wenn der Steuerpflichtige sich die Möglichkeit vorbehalten will, die Vergünstigung in einem späteren Jahr in Anspruch zu nehmen, muss er die Steuerfestsetzung anfechten, in der ihm die Vergünstigung zu Unrecht gewährt worden ist.
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Der Steuerpflichtige braucht sich die rechtswidrige Gewährung der Vergünstigung in einem Vorjahr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nur dann nicht entgegenhalten zu lassen, wenn für ihn angesichts der geringen Höhe der Vergünstigung und des Fehlens eines Hinweises im Bescheid nicht erkennbar gewesen ist, dass das FA die Vergünstigung ohne den erforderlichen Antrag gewährt hat (z.B. BFH-Beschluss vom 01.12.2015 - X B 111/15, BFH/NV 2016, 199, zu § 34 Abs. 3 EStG; BFH-Urteile vom 21.07.2009 - X R 2/09, BFHE 226, 72, BStBl II 2009, 963, zum Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG; vom 08.03.1994 - IX R 12/90, BFH/NV 1994, 785, m.w.N., zu erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG a.F., und vom 15.05.2002 - X R 97/98, BFH/NV 2002, 1428).
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Die Rechtsprechung des BFH differenziert weder danach, ob oder aus welchen Gründen die Vergünstigung zu Unrecht gewährt wurde, noch geht sie davon aus, dass für eine "Inanspruchnahme" der Ermäßigung ein entsprechender Antrag des Steuerpflichtigen erforderlich ist. Sie nimmt einen Verbrauch der Vergünstigung gemäß § 34 Abs. 3 EStG daher auch dann an, wenn kein begünstigungsfähiger Veräußerungsgewinn vorgelegen hat und kein Antrag auf Gewährung der Vergünstigung gestellt wurde. Maßgeblich für den Verbrauch der Vergünstigung ist allein, dass der Steuerpflichtige den ihn begünstigenden Irrtum des FA erkennt und billigt.
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bb) Die Auffassung der Rechtsprechung wird im Schrifttum weitgehend geteilt (Schmidt/Wacker, EStG, 40. Aufl., § 16 Rz 578, § 34 Rz 55; Kobor in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 16 EStG Rz 730, sowie HHR/Horn, § 34 EStG Rz 82; Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 16 EStG Rz 677; Brandis/ Heuermann/Lindberg, § 34 EStG Rz 79; Stahl in Korn, § 16 EStG Rz 419.1; Graw in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 16 Rz I 28; Wendt, Finanz-Rundschau --FR-- 2010, 30). Allerdings wird auch vertreten, die Vergünstigungen nach § 16 Abs. 4, § 34 Abs. 3 EStG würden jedenfalls dann nicht verbraucht, wenn es --wie im Streitfall-- an einem Veräußerungsgewinn fehle und sie daher nicht hätten in Anspruch genommen werden können (Seer in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 16 Rz 284; Mellinghoff in Kirchhof/Seer, a.a.O., § 34 Rz 49; Schiffers in Korn, § 34 EStG Rz 70; Esskandari/Bick, Der Erbschaft-Steuer-Berater 2019, 101, Prätorius in EFG 2019, 169).
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cc) Der Senat, der der Rechtsprechung aus Gründen der Rechtsprechungskontinuität folgt, sieht das unter aa dargelegte Normverständnis als vom Wortlaut des § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG gedeckt an.
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Diesem ist nicht zu entnehmen, dass der Verbrauch der Vergünstigung nur eintritt, wenn die Tarifermäßigung für einen tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinn i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG in Anspruch genommen wird. Aus dem Wortlaut ist auch nicht herzuleiten, dass eine zum Verbrauch führende "Inanspruchnahme" der Vergünstigung nur vorliegt, wenn der Steuerpflichtige einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Die Formulierung "in Anspruch nehmen" verdeutlicht zwar, dass das Gesetz dem Steuerpflichtigen in § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG ein Wahlrecht einräumt, zwingt aber nicht zu der Annahme, für eine Inanspruchnahme sei ein aktives Handeln des Steuerpflichtigen erforderlich. Ein solches wird aufgrund des Antragserfordernisses in § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG zwar regelmäßig vorliegen. In Anspruch genommen i.S. des § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG wird die Vergünstigung aber auch dann, wenn das FA irrig vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Vergünstigung ausgeht und der Steuerpflichtige diese für ihn günstige Entscheidung billigt. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass das Gesetz in Bezug auf die antragsgebundenen Vergünstigungen des § 34 Abs. 3 EStG ("in Anspruch nehmen") und des § 16 Abs. 4 EStG ("zu gewähren") unterschiedliche Formulierungen verwendet. Die abweichende Wortwahl zeigt keine inhaltlichen Unterschiede der Regelungen auf, sondern beruht darauf, dass der Gesetzgeber § 16 Abs. 4 EStG aus der Perspektive der Finanzbehörde und § 34 Abs. 3 EStG aus Sicht des Steuerpflichtigen formuliert hat.
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dd) Das Normverständnis der Rechtsprechung steht auch nicht im Widerspruch zum Sinn und Zweck der Begünstigungsregelung.
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Der Gesetzgeber will mit § 34 Abs. 3 EStG den anlässlich seines Ausscheidens aus dem Berufsleben erzielten Gewinn des Steuerpflichtigen zur Sicherung der Altersvorsorge steuerlich begünstigen. Der Steuerpflichtige soll alternativ zur (von Amts wegen zu berücksichtigenden) Begünstigung in § 34 Abs. 1 EStG den halben durchschnittlichen Steuersatz in Anspruch nehmen können (BTDrucks 14/4217, S. 8), gemäß § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG allerdings nur einmal im Leben. Demnach soll der Steuerpflichtige nicht mehrfach in den Genuss der Vergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG kommen. Dies wäre jedoch der Fall, wenn eine zu Unrecht gewährte, vom Steuerpflichtigen gebilligte Ermäßigung gemäß § 34 Abs. 3 EStG, die sich endgültig mindernd auf die Steuerfestsetzung ausgewirkt hat, nicht zu deren Verbrauch führte.
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2. Die Sache ist spruchreif. Nach Maßgabe der dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze hat der Kläger die Ermäßigung des § 34 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 EStG bereits bei der Einkommensteuerfestsetzung 2006 in Anspruch genommen. Ihm konnte diese --wie aus § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG folgt-- im Streitjahr nicht nochmals gewährt werden, so dass sich der streitgegenständliche Einkommensteuerbescheid 2016 vom 27.09.2017 als rechtmäßig erweist. Die Klage war daher abzuweisen.
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a) Die Kläger sind durch die dargelegte Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze im Streitfall nicht in unangemessener Weise benachteiligt. Denn ihre Prozessbevollmächtigten, die die unzutreffende Behandlung der Einkünfte in Höhe von 39.932 € im Jahr 2006 erkannt und gebilligt haben, waren zwar weder verpflichtet, das FA auf den ihm unterlaufenen Fehler hinzuweisen, noch mussten sie Einspruch gegen den unzutreffenden, die Kläger im Jahr 2006 begünstigenden Einkommensteuerbescheid einlegen. Allerdings hätten sie durch einen --trotz der insoweit erstrebten höheren Steuerfestsetzung zulässigen (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 15.03.2012 - III R 96/07, BFHE 237, 407, BStBl II 2012, 719; Wendt, FR 2010, 30)-- Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 den Verbrauch der Vergünstigung verhindern können. Mit ihrer Entscheidung, auf einen entsprechenden Einspruch zu verzichten, verwirklichte sich letztlich das dem Steuerpflichtigen obliegende "Risiko", die einmalige Begünstigung des § 34 Abs. 3 EStG aufgrund vorzeitiger Inanspruchnahme nicht optimal nutzen zu können.
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b) Dass die Entscheidungen des BFH zum Verbrauch einer antragsgebundenen Steuervergünstigung, die dem Steuerpflichtigen nur einmal gewährt werden kann (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 199; BFH-Urteil in BFHE 226, 72, BStBl II 2009, 963, zum Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG), anders als die Urteile zum sog. Objektverbrauch (vgl. zu § 7b EStG a.F. BFH-Urteile vom 12.10.2005 - IX R 58/04, BFH/NV 2006, 258; vom 10.10.1989 - IX R 184/85, BFH/NV 1990, 287; vom 08.12.1992 - IX R 137/88, BFH/NV 1993, 361; in BFH/NV 1994, 785; vom 22.04.1980 - VIII R 202/78, BFHE 131, 204, BStBl II 1980, 689; zu § 10e EStG a.F. BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1428), erst nach der Veranlagung der Kläger für das Jahr 2006 ergangen sind, führt zu keinem anderen Ergebnis. In Anbetracht des klaren Wortlauts des § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG war für die Prozessbevollmächtigten der Kläger im Zeitpunkt des Ergehens des Einkommensteuerbescheides 2006 im Jahr 2008 erkennbar, dass ein entsprechender "Verbrauch" der Vergünstigung eintreten würde und daher eine Obliegenheit bestand, die begünstigende Steuerfestsetzung anzufechten, um den Verbrauch der Steuerermäßigung zu verhindern.
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c) § 176 der Abgabenordnung (AO), der das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Bestandskraft von Steuerbescheiden, die auf einer ihm günstigen Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Verwaltungsvorschrift beruhen, schützt, führt ebenfalls nicht zu dem von den Klägern erstrebten Ergebnis. Dies folgt bereits daraus, dass es an der von § 176 AO vorausgesetzten Änderung eines Steuerbescheides fehlt.
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d) Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 176 AO besteht kein Anspruch der Kläger auf Vertrauensschutz. Ein solcher kommt zwar insbesondere in Betracht, wenn sich die Rechtsprechung des BFH verschärft und der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage Dispositionen getroffen hat (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 26.09.2007 - V B 8/06, BFHE 219, 245, BStBl II 2008, 405, m.w.N.; BFH-Urteil vom 07.10.2010 - V R 17/09, BFH/NV 2011, 865, m.w.N.). Ein derart schutzwürdiges Vertrauen der Kläger lag im Streitfall jedoch --wie dargelegt-- nicht vor.
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e) Schließlich führt auch der allgemeine --grundsätzlich auch im Steuerschuldverhältnis geltende-- Rechtsgedanke, dass die Ausübung eines Rechts unzulässig ist, wenn anschließend der Status quo sofort wiederhergestellt werden müsste ("dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est"), im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen ist bereits zweifelhaft, ob dieser Grundsatz überhaupt im Rahmen des den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Steuerfestsetzungsverfahrens berücksichtigt werden könnte. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass den Klägern ein Gegenanspruch aus einem Amtshaftungsanspruch, mit dessen Fälligkeit in naher Zukunft zu rechnen ist, zusteht.
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3. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 90 Abs. 2 FGO).
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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