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BFH 04.05.2021 - VIII B 97/20
BFH 04.05.2021 - VIII B 97/20 - Vertagung der mündlichen Verhandlung bei Erteilung eines rechtlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung
Normen
§ 76 FGO, § 155 FGO, § 227 Abs 1 ZPO, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 14. August 2020, Az: 14 K 48/16 F, Urteil
Leitsatz
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NV: Erhebliche Gründe für eine Vertagung liegen nicht vor, wenn der Vorsitzende einen rechtlichen Hinweis, den der Berichterstatter mehr als zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung erteilt hatte, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt.
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 14.08.2020 - 14 K 48/16 F wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet.
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Der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Weder ist die Revision zuzulassen noch die Vorentscheidung gemäß § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und der Streitfall zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht (FG) zurückzuverweisen.
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1. Das Verfahren musste nicht wegen des in der mündlichen Verhandlung erteilten rechtlichen Hinweises des Vorsitzenden des FG vertagt werden.
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a) Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann eine Verhandlung aus erheblichen Gründen vertagt werden. Liegen erhebliche Gründe vor, verdichtet sich die in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensfreiheit zu einer Rechtspflicht, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits durch die Aufhebung oder Verlegung des Termins verzögert wird (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, vgl. z.B. Beschlüsse vom 05.04.2011 - VIII B 91/10, BFH/NV 2011, 1174, m.w.N.; vom 17.08.2011 - X B 122/10, BFH/NV 2011, 1912, Rz 4; vom 02.08.2016 - X B 10/16, BFH/NV 2017, 43, Rz 11).
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b) Im Streitfall hat das FG erhebliche Gründe für eine Vertagung zu Recht verneint.
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aa) Jeder gehörig und fristgemäß geladene Beteiligte muss sich bewusst sein, dass im Anschluss an die mündliche Verhandlung vor dem FG eine Entscheidung verkündet werden kann (§ 104 Abs. 1 Satz 1 FGO). Er muss sämtliche Angriffs- und Verteidigungsmittel in diesem Termin geltend machen und sämtliche Beweise antreten (§ 155 FGO, § 282 ZPO). Denn die mündliche Verhandlung ist zur abschließenden Erörterung der Sach- und Rechtslage bestimmt (§ 93 Abs. 1, § 76 Abs. 2, § 104 Abs. 1 Satz 1 FGO). Eine mündliche Verhandlung ist deshalb nicht allein deshalb zu vertagen, um einem Beteiligten Gelegenheit zu weiteren Ermittlungen zu geben, wenn er sich trotz hinreichender Frist und ohne persönliche Entschuldigungsgründe nicht genügend auf die mündliche Verhandlung vorbereitet hat (BFH-Beschluss vom 18.11.2011 - V B 25/11, BFH/NV 2012, 257, Rz 8, m.w.N.). Gleiches gilt für die Erörterung rechtlicher Gesichtspunkte, da ein fachkundig vertretener Beteiligter bei einer umstrittenen Sach- und/oder Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten muss (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 257, Rz 8).
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Die Obliegenheit des Klägers zur gewissenhaften Terminsvorbereitung kann allerdings aufgrund des Verhaltens des FG entfallen (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2012, 257, Rz 10; in BFH/NV 2011, 1912, Rz 11). Weist das FG in der mündlichen Verhandlung auf rechtliche Überlegungen hin, die angesichts des bisherigen Verfahrensablaufs überraschend sind, muss es den Beteiligten Gelegenheit geben, sich dazu äußern zu können. Ist eine Stellungnahme noch innerhalb der mündlichen Verhandlung nicht möglich, ist zu vertagen, wenn der Beteiligte einen entsprechenden Antrag stellt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31.07.2014 - III B 13/14, BFH/NV 2014, 1901, Rz 13 ff.; in BFH/NV 2017, 43, Rz 16). Es ist im Rahmen seiner Ermessensentscheidung insbesondere dann zur Vertagung verpflichtet, wenn die Entscheidung nur aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Gesichtspunkte erfolgen könnte, zu denen den Beteiligten bisher kein rechtliches Gehör gewährt worden war (BFH-Beschluss vom 19.05.2020 - VIII B 114/19, BFH/NV 2020, 1084, Rz 6, zum Ausbleiben eines Beteiligten).
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c) Nach diesem Maßstab lagen im Streitfall keine erheblichen Gründe für eine Vertagung vor. Der durch den Vorsitzenden im Rahmen des Rechtsgesprächs in der mündlichen Verhandlung erteilte Hinweis wurde nicht als neuer (überraschender) Gesichtspunkt in das Verfahren eingeführt.
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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine der Partnerschaftsgesellschaft aufgrund von Überentnahmen eines Gesellschafters (in Höhe von dessen negativem Kapitalkonto bei Ausscheiden) seit dem Jahr 2002 zustehende (nunmehr aus Sicht des Klägers im Streitjahr 2011 uneinbringliche) Ausgleichsforderung wegen der Auflösung der Gesellschaft und des deshalb erforderlichen Wechsels der Gewinnermittlungsart von der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung) zu einem laufenden Verlust auf der Gesamthandsebene oder zu Sonderbetriebsausgaben des Klägers geführt hat.
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Der Berichterstatter beim FG hatte den Kläger mit Schreiben vom 22.07.2020 vor der mündlichen Verhandlung am 14.08.2020 darauf hingewiesen, der geltend gemachte Verlust könne aus seiner Sicht nicht entstehen. Im Rahmen des Wechsels der Gewinnermittlungsart und der Ermittlung des Übergangsgewinns bewirke die erstmalige Aktivierung der Ausgleichsforderung ausschließlich eine Gewinnerhöhung, wenn die Forderung werthaltig sei. Bei Wertlosigkeit der Forderung sei deren Erfassung hingegen gewinnneutral, weil eine Gewinnminderung aufgrund der Wertberichtigung der Forderung mit einer Gewinnerhöhung aufgrund von deren Aktivierung korrespondiere. Zu diesem Hinweis des Berichterstatters hat die Partnerschaftsgesellschaft als Prozessbevollmächtigte des Klägers in einem Schriftsatz vom 13.08.2020 auch noch vor der mündlichen Verhandlung Stellung genommen und vorgetragen, die uneinbringliche Ausgleichsforderung löse bei Wechsel der Gewinnermittlungsart aufgrund der erforderlichen Wertberichtigung nur eine Gewinnminderung aus.
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In der mündlichen Verhandlung erteilte der Vorsitzende dem Kläger wiederum den Hinweis, die Aktivierung der Ausgleichsforderung und deren korrespondierende Wertberichtigung seien im Rahmen des Wechsels der Gewinnermittlungsart insgesamt gewinnneutral. Der Vorsitzende hat damit lediglich die vom Berichterstatter angesprochene und bereits in das Verfahren eingeführte Rechtsauffassung wiederholt. Damit handelte es sich weder um einen neuen noch um einen überraschenden Gesichtspunkt. Für den Kläger bestand ab dem Zugang des schriftlichen Hinweises des Berichterstatters vom 22.07.2020 Anlass, sich mit möglichen Wechselwirkungen einer gleichzeitigen Berücksichtigung und Wertberichtigung der Forderung in der Übergangsgewinnermittlung zu befassen. Der sachkundig vertretene Kläger hatte hierzu bis zur mündlichen Verhandlung am 14.08.2020 auch ausreichend Zeit.
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2. Der Senat lässt offen, ob das FG zu Recht von einer Beiladung des bis zur Auflösung an der Partnerschaftsgesellschaft beteiligten Mitgesellschafters zum vorliegenden Rechtsstreit gemäß § 60 Abs. 3 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 FGO absehen durfte, weil dieser unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen war. Hätte das FG eine notwendige Beiladung gemäß § 60 Abs. 3 FGO zu Unrecht unterlassen, wäre dieser Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vom Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend zu machen und substantiiert darzulegen (BFH-Beschluss vom 24.10.2019 - VIII B 2/19, BFH/NV 2020, 222, Rz 12). Der Kläger hat einen solchen Verstoß des FG gegen die Grundordnung des Verfahrens jedoch nicht gerügt.
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3. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO von einer Darstellung des Tatbestands und einer weiteren Begründung ab.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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