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BFH 10.12.2019 - VIII R 19/17
BFH 10.12.2019 - VIII R 19/17 - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Erkrankung des Prozessbevollmächtigten
Normen
§ 56 FGO, § 120 FGO
Vorinstanz
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 27. September 2017, Az: 5 K 221/16, Urteil
Leitsatz
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NV: Die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist aufgrund einer Erkrankung rechtfertigt keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn der Prozessbevollmächtigte für diesen Fall nicht sichergestellt hat, dass ein Vertreter für fristwahrende Handlungen hinzugezogen werden kann. Unterlässt er eine solche Vorsorgemaßnahme, ist die Fristversäumung nur dann unverschuldet, wenn der Prozessbevollmächtigte in einer Weise erkrankt, die es ihm --auch wenn ein Vertreter bestellt worden wäre-- unverschuldet unmöglich gemacht hätte, diesen Vertreter ausreichend zu informieren (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 07.02.2002 - III R 12/01, BFH/NV 2002, 794).
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 27.09.2017 - 5 K 221/16 wird als unzulässig verworfen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) legte gegen das Urteil des Finanzgerichts, das seiner Prozessbevollmächtigten am 10.10.2017 zugestellt worden war, fristgerecht Revision ein. Die Revisionsbegründungsfrist lief am 11.12.2017 ab, ohne dass die Revision begründet wurde. Den Hinweis auf den fruchtlosen Ablauf der Frist und auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhielt die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 15.12.2017. Am 11.01.2018 gingen ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Begründung der Revision ein. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags erklärte die Prozessbevollmächtigte, sie habe aus Krankheitsgründen die Revision nicht rechtzeitig begründen können. Am 12.01.2018 legte sie zum Nachweis eine Heilpraktikerbescheinigung vor, wonach bei ihr am 11.12.2017 ein akuter Magen-Darm-Infekt festgestellt wurde mit der Empfehlung, einen Tag zu Hause zu bleiben. Aus einem zusätzlich vorgelegten ärztlichen Attest vom 11.12.2017 ergibt sich, dass auch eine Mitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten vom 11. bis zum 15.12.2017 arbeitsunfähig gewesen ist.
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Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, den Bescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) vom 07.10.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 22.01.2016 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unzulässig. Sie war daher gemäß § 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zu verwerfen. Der Kläger hat die Revision nicht rechtzeitig begründet. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO liegen nicht vor.
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1. Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Im Streitfall wurde das angefochtene Urteil der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.10.2017 zugestellt. Die Revisionsbegründungsfrist lief am 11.12.2017 ab. Die erst am 11.01.2018 eingegangene Revisionsbegründung war somit verspätet.
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2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO wegen der versäumten Revisionsbegründungsfrist kann dem Kläger nicht gewährt werden, weil er nicht ohne Verschulden verhindert war, diese Frist einzuhalten.
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a) Bei Versäumung einer gesetzlichen Frist ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 56 FGO). Verschuldet ist die Versäumung, wenn die gebotene und nach den Umständen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wurde. Jedes Verschulden schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus; das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
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b) Ein Verschulden i.S. des § 56 FGO ist, jedenfalls wenn es sich um die Fristversäumnis eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts handelt, nur dann zu verneinen, wenn dieser die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt angewendet hat (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16.08.1993 - VII B 163/93, BFH/NV 1994, 385). Der Prozessbevollmächtigte einer Partei muss daher alles ihm Zumutbare tun, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird. Dementsprechend hat er die nach den jeweiligen Umständen gebotene Vorsorge für den Fall zu treffen, dass er unvorhergesehen an der Wahrnehmung seiner Aufgaben, insbesondere an der Wahrung gesetzlicher Fristen, gehindert wird (BFH-Beschluss vom 24.07.1992 - V R 39/86, BFH/NV 1993, 308). Er muss sicherstellen, dass entweder ein Vertreter vorhanden ist oder das Kanzleipersonal sich an einen solchen wenden kann. Eine als Entschuldigungsgrund geltend gemachte Erkrankung des Prozessbevollmächtigten ist nur dann als schuldlose Verhinderung zu behandeln, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt und so schwer ist, dass es für den Prozessbevollmächtigten unzumutbar ist, die Frist einzuhalten oder rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen (BFH-Beschlüsse vom 16.03.2005 - X R 8/04, BFH/NV 2005, 1341, und vom 13.10.2006 - XI R 4/06, BFH/NV 2007, 253). Dabei erfordert ein schlüssiger Wiedereinsetzungsantrag die Darlegung einer geeigneten Notfall-Vorsorge, die auch bei einer unvorhersehbaren Verhinderung des Prozessbevollmächtigten die Funktionsfähigkeit des Büros, insbesondere die Überwachung der Fristsachen, gewährleistet (BFH-Beschluss vom 10.05.2013 - II R 5/13, BFH/NV 2013, 1428).
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c) Diesen Anforderungen genügt der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag nicht. Im Streitfall ist schon nicht erkennbar, dass die Erkrankung der Prozessbevollmächtigten des Klägers so schwerwiegend war, dass sie jegliche Tätigkeit unmittelbar einstellen musste. Aus der vorgelegten Heilpraktikerbescheinigung geht lediglich hervor, dass der Prozessbevollmächtigten empfohlen wurde, aufgrund ihrer Erkrankung einen Ruhetag einzulegen. Es ist nicht ersichtlich, dass sie krankheitsbedingt nicht in der Lage war, wenigstens die gemäß § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO ohne weiteres mögliche Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist rechtzeitig zu beantragen.
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d) Der Gewährung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand steht ferner entgegen, dass der Wiedereinsetzungsantrag keinerlei Angaben dazu enthält, ob der Prozessbevollmächtigten des Klägers die Bestellung eines Vertreters nicht möglich war bzw. aus welchen Gründen sie --auch wenn sie sich allgemein um einen Vertreter gekümmert hat-- nicht in der Lage war, diesen Vertreter rechtzeitig ausreichend zu informieren (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 02.05.2001 - VIII R 3/00, BFH/NV 2001, 1418, m.w.N.). Schließlich fehlt es auch an jeder Darlegung, ob bzw. welche Vorkehrungen die Prozessbevollmächtigte des Klägers zur Wahrung von Fristen für den Fall einer Erkrankung getroffen hatte.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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