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BFH 13.11.2019 - V R 30/16
BFH 13.11.2019 - V R 30/16 - Zur Körperschaftsteuerpflicht einer Stiftung
Normen
§ 55 Abs 1 Nr 4 AO, § 59 AO, § 60 AO, § 61 AO, § 84 BGB, § 5 Abs 1 Nr 9 KStG 2002, Art 3 Abs 1 GG, KStG VZ 2009, KStG VZ 2010, KStG VZ 2011
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 16. April 2015, Az: 4 K 1685/14, Urteil
Leitsatz
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NV: Der Verzicht auf das Satzungserfordernis durch eine gleichheitsrechtlich gebotene Einschränkung der §§ 60, 61 AO kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der von der Stifterin im Zeitpunkt des Erbfalles vorgegebene Stiftungszweck in einer Weise unbestimmt geblieben ist, dass dadurch allein nicht geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 06.06.2019 - V R 50/17, BFHE 265, 170, BStBl II 2019, 782) .
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 16.04.2015 - 4 K 1685/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Beteiligten streiten über die Steuerbefreiung der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wegen Gemeinnützigkeit für die Zeit zwischen dem Todestag der Stifterin und der Anerkennung der Klägerin.
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Die Stifterin verstarb am 06.03.2009. In einem notariellen Testament vom 22.07.1998 benannte sie die A-Stiftung als Erbin. Dazu führte sie in dem Testament aus "Sollte es mir nicht möglich sein, zu Lebzeiten die Stiftung zu gründen, soll dies durch den Testamentsvollstrecker erfolgen". Am 13.03.2003 verfügte sie u.a. "… ich könnte mir vorstellen, dass die A Stiftung für die Behandlung kranker Kinder in der Universitätsklinik eingesetzt wird …".
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Nach dem Tod der Stifterin vollzog der Testamentsvollstrecker das Stiftungsgeschäft und legte die Stiftungssatzung mit Schreiben vom 09.12.2009 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) mit der Bitte um Bearbeitung und Genehmigung vor, damit die Stiftung rückwirkend als Erbe eingesetzt werden könne.
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Nach Einschaltung der Stiftungsaufsicht durch den Testamentsvollstrecker wurde das unvollständig verfasste Stiftungsgeschäft ergänzt und die Klägerin am 27.12.2012 vom Nachlassgericht als rechtskräftige Stiftung des bürgerlichen Rechts anerkannt. Stiftungszweck ist die Förderung von begabten Kindern und Jugendlichen und Studenten, die Förderung der Wissenschaft und Forschung und die Unterstützung von kranken Kindern der Universitätsklinik in Frankfurt, wobei die Satzung Beispiele benennt, mit denen die einzelnen Zwecke gefördert werden können.
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Bis zur Anerkennung der Klägerin erfolgte keine Auszahlung aus dem Nachlassvermögen. Die Klägerin unterstand in dieser Zeit der Stiftungsaufsicht.
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Das FA setzte mit Körperschaftsteuerbescheid vom 30.12.2013 für die Streitjahre (2009 bis 2011) auf die erzielten Einkünfte der Stiftung Körperschaftsteuer fest. Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Eine Steuerbefreiung komme in den Streitjahren (2009 bis 2011) nicht in Betracht, da die formellen Satzungsvoraussetzungen für eine gemeinnützige Stiftung nicht vorlägen. Die Klägerin erfülle in den Streitjahren nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision, die sie auf Verletzung materiellen Rechts (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 60 der Abgabenordnung --AO--, § 83 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) stützt. In der Zeit zwischen dem Erbfall und der Anerkennung der Stiftung von Todes wegen stehe das nachgelassene Vermögen unter staatlicher Aufsicht. Dadurch sei sichergestellt, dass die Mittel insgesamt durch die zu errichtende Stiftung später einer gemeinnützigen Verwendung zugeführt würden. Dies sei bei der Auslegung des § 60 AO zu berücksichtigen. Jedenfalls aber sei § 60 Abs. 2 AO im Wege einer teleologischen Reduktion nicht auf in Gründung befindliche Stiftungen zwischen dem Tod des Stifters und der Anerkennung der Stiftung anzuwenden, wenn eine Mittelfehlverwendung ausgeschlossen sei.
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Die Klägerin beantragt,
das FG-Urteil, die Körperschaftsteuerbescheide vom 30.12.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 27.07.2015 aufzuheben und die Gemeinnützigkeit anzuerkennen.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin zwar subjektiv körperschaftsteuerpflichtig ist, die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung aber nicht vorliegen.
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1. Die Klägerin ist in den Streitjahren (2009 bis 2011) unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG sind juristische Personen des privaten Rechts, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben, unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Die Steuerpflicht beginnt mit der zivilrechtlich wirksamen Gründung. Zur Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung sind gemäß § 80 Abs. 1 BGB das Stiftungsgeschäft und die Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes erforderlich, in dem die Stiftung ihren Sitz haben soll. Das war in den Streitjahren zwar noch nicht der Fall. Die Klägerin gilt aber als juristische Person "Stiftung" schon vor dem Tode der Stifterin entstanden. Denn nach § 84 BGB gilt eine Stiftung, die --wie hier-- erst nach dem Tode des Stifters als rechtsfähig anerkannt wird, für die Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tod entstanden. Die Rückwirkungsfiktion des § 84 BGB gilt auch im Steuerrecht (vgl. hierzu im Einzelnen Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 06.06.2019 - V R 50/17, BFHE 265, 170, BStBl II 2019, 782, Rz 13, 14).
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2. Die Klägerin ist in den Streitjahren nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit. Nach dieser Vorschrift sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO), von der Körperschaftsteuer befreit.
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a) § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG nimmt unmittelbar Bezug auf §§ 51 bis 68 AO. Gemäß § 59 AO wird die Steuervergünstigung gewährt, wenn sich aus der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung (Satzung im Sinne dieser Vorschriften) ergibt, welchen Zweck die Körperschaft verfolgt, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht und dass er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird. Die tatsächliche Geschäftsführung muss diesen Satzungsbestimmungen entsprechen. § 61 Abs. 1 AO schreibt vor, dass eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) nur dann vorliegt, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zweckes verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt wird, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Dabei muss die Satzung gemäß § 60 Abs. 2 AO den vorgeschriebenen Erfordernissen bei der Körperschaftsteuer und bei der Gewerbesteuer nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift während des ganzen Veranlagungs- oder Bemessungszeitraums entsprechen.
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b) Eine diesen Anforderungen genügende Satzung lag in den Streitjahren nicht vor. Die Voraussetzung einer Satzung in den Veranlagungszeiträumen der Streitjahre ist auch nicht mit der Anerkennung der Klägerin als rechtsfähige Stiftung im Jahr 2012 rückwirkend für die Streitjahre erfüllt. Denn die Rückwirkungsfiktion des § 84 BGB wirkt sich nicht auf die in § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG geregelten Voraussetzungen der Steuerbefreiung aus (BFH-Urteil in BFHE 265, 170, BStBl II 2019, 782, Rz 17).
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§ 60 Abs. 2 AO kann auch nicht einschränkend mit dem Ergebnis eines Verzichts auf das Satzungserfordernis ausgelegt werden. Wie der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 265, 170, BStBl II 2019, 782 (Rz 19, 20) ausgeführt hat, stünde ein derartiger Verzicht nicht mit dem Wortlaut des Gesetzes und seinem Zweck im Einklang. Hierauf verweist der erkennende Senat --um Wiederholungen zu vermeiden-- zur weiteren Begründung.
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c) Auch eine auf den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes gestützte einschränkende Auslegung der §§ 60, 61 AO oder deren teleologische Reduktion (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21.02.2013 - V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529) kommt vorliegend nicht in Betracht. Ein dadurch bedingter Verzicht auf das Satzungserfordernis könnte allenfalls in Fällen in Erwägung zu ziehen sein, in denen die Zweckbindung in gleicher Weise wie bei einer den Anforderungen der §§ 60, 61 AO genügenden Satzung sichergestellt ist.
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Indes braucht der Senat im Streitfall hierüber nicht zu entscheiden: Denn vorliegend war der Stiftungszweck von der Stifterin im Zeitpunkt des Erbfalles mit der Überlegung, dass sie sich "… vorstellen (könne), dass die A Stiftung für die Behandlung kranker Kinder in der Universitätsklinik eingesetzt wird …", in keiner Weise so hinreichend bestimmt, um von dem Satzungserfordernis absehen zu können. Eine solch ungewisse Zweckbindung in der Zeit zwischen dem Tod der Stifterin und der Anerkennung der Klägerin ist nicht vergleichbar mit der in §§ 60, 61 AO geregelten satzungsmäßigen Vermögensbindung. Es kann allein dadurch nicht geprüft werden, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Derartige im Unbestimmten und Vagen verbliebene Bestrebungen der Stifterin bilden nicht die Grundlage für eine am Gleichheitssatz orientierte Einschränkung des Satzungserfordernisses.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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