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BFH 25.10.2019 - X B 68/19
BFH 25.10.2019 - X B 68/19 - Keine Überraschungsentscheidung bei rechtlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 96 Abs 2 FGO, § 100 Abs 1 S 4 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 251 S 1 ZPO, § 116 Abs 3 S 3 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 21. Februar 2019, Az: 11 K 12/16 AO, Urteil
Leitsatz
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NV: Eine den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt nicht vor, wenn das FG erstmals in der mündlichen Verhandlung auf seine Rechtsansicht hinweist, dass die Klage wegen eines fehlenden besonderen Feststellungsinteresses gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO unzulässig sein dürfte und der anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit hat, hierzu Stellung zu beziehen.
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 21.02.2019 - 11 K 12/16 AO wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ordnete gegenüber dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) neben einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) eine zeitgleiche Lohnsteuer-Außenprüfung an. Gegen beide Prüfungsanordnungen legte der Kläger Einspruch ein und begründete diese damit, dass eine "doppelte" Prüfung unverhältnismäßig sei.
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Trotz laufender Einspruchsverfahren führte das FA die Prüfungen durch. Die Feststellungen der Außenprüfung zur Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer, die im Prüfungsbericht vom 11.12.2015 niedergelegt sind, ergaben nicht unerhebliche Mehrergebnisse, aufgrund derer im April 2016 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger eingeleitet wurde. Die Lohnsteuer-Außenprüfung führte zu keiner Änderung der bisherigen Besteuerungsgrundlagen. Bereits vor Abschluss beider Außenprüfungen, am 04.12.2015, hatte das FA die Einsprüche gegen die Prüfungsanordnungen als unbegründet zurückgewiesen.
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Der durch einen Rechtsanwalt vertretene Kläger hat am 04.01.2016 Klage zum Finanzgericht (FG) mit dem Antrag erhoben, die Prüfungsanordnungen aufzuheben. Deren Rechtswidrigkeit ergebe sich --so sein wesentliches Vorbringen-- daraus, dass Anlass für die Außenprüfungen ganz offensichtlich die Strafanzeige eines zuvor gekündigten Arbeitnehmers gewesen sei, durch die dem Kläger zu Unrecht steuerliches Fehlverhalten vorgeworfen worden sei. In der mündlichen Verhandlung am 21.02.2019 beantragte der Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls nicht mehr die Aufhebung der Prüfungsanordnungen, sondern die Feststellung deren Rechtswidrigkeit. Das FG wies die Klage als unzulässig ab, da die besonderen Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) fehlten.
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Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger Verfahrensfehler geltend. Das FA tritt dem entgegen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist --soweit sie im Hinblick auf die gesetzlichen Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO zulässig ist-- unbegründet.
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1. Der Kläger rügt vordergründig, das FG habe verfahrensfehlerhaft i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es erstmals --und überraschend-- in der mündlichen Verhandlung die Rechtsansicht geäußert habe, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig.
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Ein solcher Verfahrensfehler liegt indes nicht vor.
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a) Eine Überraschungsentscheidung (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO), die der Kläger moniert, ist nur dann gegeben, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis zum Ergehen der Entscheidung nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht rechnen musste (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22.07.2014 - XI B 103/13, BFH/NV 2014, 1761, Rz 14, sowie vom 24.05.2012 - IV B 58/11, BFH/NV 2012, 1466, Rz 11).
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b) Demzufolge war die angegriffene Entscheidung bereits deshalb nicht überraschend, da nach dem eigenen Vorbringen des Klägers das FG in der mündlichen Verhandlung und somit vor der Entscheidung auf das aus seiner Sicht nicht gegebene Feststellungsinteresse hingewiesen hat, so dass die Möglichkeit einer Stellungnahme hierzu bestand (vgl. insoweit auch BFH-Beschlüsse vom 20.02.2003 - IX B 58/02, BFH/NV 2003, 810, sowie in BFH/NV 2012, 1466, Rz 12; ebenso Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 FGO Rz 212).
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c) Der weitere in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, dem Kläger sei keine angemessene Zeit gewährt worden, zur Zulässigkeitsproblematik ergänzend Stellung zu beziehen, begründet ebenfalls keinen Verfahrensmangel. Zum einen ist dem Protokoll über die mündliche Verhandlung nicht zu entnehmen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt haben will, ihm weitere rechtliche Ausführungen zum Bestehen eines Feststellungsinteresses nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zu gestatten bzw. die mündliche Verhandlung gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu vertagen.
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Zum anderen darf von einem Bevollmächtigten, der nicht nur als Steuerberater, sondern ebenso als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht tätig ist, erwartet werden, bereits von vornherein in Betracht zu ziehen, dass sich eine angefochtene Prüfungsanordnung mit Abschluss der Außenprüfung rechtlich erledigt und gerichtlicher Rechtsschutz sodann nur noch unter den Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO erreicht werden kann. Dies gilt umso mehr, als auch das Revisionsverfahren VI R 32/17, wegen dessen Anhängigkeit das FG eine Verfahrensruhe erwog, ausweislich der Entscheidungsgründe der dortigen Vorinstanz (FG Köln, Urteil vom 22.03.2017 - 3 K 123/14, Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 1705), zu denen der Kläger mit Schreiben vom 30.10.2018 Stellung bezog, ebenfalls die prozessuale Konstellation einer Fortsetzungsfeststellungsklage zum Gegenstand hatte.
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d) Der Hinweis des Klägers auf die insoweit maßgebliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (ergänzende Beschwerdebegründung vom 01.10.2019) führt zu keinem anderen Ergebnis.
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2. Soweit es der Kläger ferner als überraschend ansieht, dass die Vorsitzende des FG-Senats trotz vorheriger Anfrage der Berichterstatterin zu einer Verfahrensruhe "ohne weitere Begründung oder Hinweis" zur mündlichen Verhandlung geladen habe, kann hieraus kein Verfahrensfehler abgeleitet werden.
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Die Anordnung der Verfahrensruhe erfordert gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 251 Satz 1 ZPO übereinstimmende Anträge der Beteiligten hierzu. Hieran fehlte es, da sich das FA mit Schreiben vom 20.09. und 13.11.2018, die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich der Verfügungen in der FG-Prozessakte auch bekanntgegeben wurden, jeweils --deutlich-- gegen eine Verfahrensruhe ausgesprochen hatte. Eines vorherigen gerichtlichen Hinweises, dass aus diesem Grund die Sache entscheidungsreif sei und zur mündlichen Verhandlung geladen werden könne, bedurfte es nicht.
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3. Wenn der Kläger schließlich anführt, er halte das besondere Interesse an einer Feststellung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnungen für gegeben, rügt er im Kern die Entscheidung des FG durch Prozess- anstelle durch Sachurteil (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 24.03.2014 - X S 4/14 (PKH), BFH/NV 2014, 1067, Rz 21, m.w.N.; Lange in HHSp, § 115 FGO Rz 234). Er hat allerdings nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt, dass ein solcher Verfahrensfehler überhaupt vorliegt. Es fehlt an einem substantiierten Vorbringen dazu, welches berechtigte Interesse i.S. von § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO an der Feststellung der Rechtswidrigkeit im Streitfall in Betracht kommen könnte.
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a) Der Kläger hat sich nicht damit auseinandergesetzt, dass die Lohnsteuer-Außenprüfung ohne Mehrergebnis beendet wurde, infolgedessen das von ihm offensichtlich erstrebte --ein besonderes Feststellungsinteresse begründendes-- Verwertungsverbot von vornherein ausgeschlossen sein dürfte.
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b) Soweit im Streitfall die Einkommen- und Umsatzsteuer sowie die Gewerbesteuermessbetragsfestsetzungen noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen (Jahre 2013 und 2014), entspricht es gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass selbst verfahrensfehlerhafte Prüfungsanordnungen oder -maßnahmen grundsätzlich kein steuerliches Verwertungsverbot auslösen, sofern die Möglichkeit einer Änderung der von der Prüfung betroffenen Festsetzungen nach § 164 Abs. 2 AO besteht (u.a. BFH-Urteil vom 28.04.1998 - IX R 24/94, BFH/NV 1998, 1192, unter 1.b; Klein/Rüsken, AO, 14. Aufl., § 193 Rz 57, m.w.N. auf BFH-Rechtsprechung). Auch mit diesen Grundsätzen hat sich der Kläger in seiner Beschwerdebegründung in keiner Weise auseinandergesetzt. Ebenso wenig hat der Kläger vorgebracht, ob die aufgrund der Außenprüfung ergangenen Änderungsbescheide überhaupt angefochten wurden (vgl. hierzu Schallmoser in HHSp, § 196 AO Rz 159).
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c) Schließlich genügt die knappe Beschwerdebegründung nicht, um annehmen zu können, dass für das Prüfungsjahr 2012 ein steuerliches Verwertungsverbot in Betracht zu ziehen wäre. Zwar ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass auch insoweit die Steuer- bzw. Messbetragsfestsetzungen noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen. Der Kläger hat aber nicht berücksichtigt, dass nach der BFH-Rechtsprechung selbst ein bestehender Anfangsverdacht für eine Steuerstraftat die Anordnung einer Außenprüfung für die betroffenen Steuerarten und Besteuerungszeiträume nicht hindert (BFH-Urteil vom 15.06.2016 - III R 8/15, BFHE 254, 203, BStBl II 2017, 25, Rz 20, m.w.N.). Soweit er in diesem Zusammenhang einen "erheblichen Grundrechtseingriff" beanstandet, verbleibt im Unklaren, worin er einen solchen sieht.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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