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BFH 12.02.2019 - X B 90/18
BFH 12.02.2019 - X B 90/18 - Anwendung des im Steuerstrafverfahren geltenden Zwangsmittelverbots auf Verzögerungsgelder
Normen
§ 146 Abs 2b AO, § 393 Abs 1 S 2 AO
Vorinstanz
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 29. Mai 2018, Az: 4 K 168/17, Urteil
Leitsatz
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NV: Die Rechtsfrage, ob das im Steuerstrafverfahren geltende Zwangsmittelverbot des § 393 Abs. 1 Satz 2 AO auch der Festsetzung eines Verzögerungsgelds nach § 146 Abs. 2b AO entgegensteht, ist jedenfalls nicht von so offensichtlich grundsätzlicher Bedeutung, dass auf jegliche Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage und der hierzu bisher in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansichten verzichtet werden könnte .
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 29. Mai 2018 4 K 168/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielt mit zwei Einzelunternehmen, darunter einer Hausverwaltung, Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) übermittelte dem Kläger am 8. September 2016 zwei Prüfungsanordnungen und bat darin um Übersendung bestimmter Datenträger und Unterlagen. Dem kam der Kläger auch nach Beginn der Außenprüfung und trotz Fristverlängerungen und Erinnerungen des FA nicht nach.
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Am 26. April 2017 setzte das FA gegen den Kläger wegen der fehlenden Mitwirkung im Rahmen der Außenprüfung ein Verzögerungsgeld von 2.500 € fest. Während des anschließenden Einspruchsverfahrens erging am 28. Juni 2017 ein vorläufiger Prüfungsbericht, aus dem "einstweilige steuerliche Mehrergebnisse" von ca. 243.000 € resultierten. Das FA wies den Einspruch am 29. August 2017 zurück.
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Kurz vor der mündlichen Verhandlung im anschließenden finanzgerichtlichen Verfahren und erst nach Ablauf einer dort gemäß § 79b Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gesetzten Ausschlussfrist behauptete der Kläger erstmals --soweit ersichtlich ohne Vorlage von Unterlagen, die zur Glaubhaftmachung oder näheren Erläuterung seines Vorbringens hätten dienen können--, er habe sich bei der Staatsanwaltschaft selbst der Veruntreuung und Unterschlagung im Zusammenhang mit Rücklagen aus der Hausverwaltungstätigkeit bezichtigt. Er würde sich durch die Mitwirkung bei der Außenprüfung selbst belasten, was gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz sowie § 393 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) verstieße. Das FA hätte prüfen müssen, ob ein Steuerstrafverfahren einzuleiten gewesen wäre; durch das Unterbleiben dieser Prüfung sei dem Kläger das gesetzliche Aussageverweigerungsrecht entzogen worden.
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Das FA hat daraufhin unwidersprochen mitgeteilt, es habe selbst erst im Klageverfahren von der vermeintlichen Veruntreuung und der Selbstbezichtigung Kenntnis erhalten. Diese Umstände habe es beim Erlass der Einspruchsentscheidung daher nicht berücksichtigen können.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die in § 146 Abs. 2b AO genannten Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verzögerungsgelds seien erfüllt. Auch die Ermessenserwägungen des FA seien fehlerfrei. Allein die Durchführung eines nichtsteuerlichen Strafverfahrens führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds. Der Anwendungsbereich des § 393 Abs. 1 Satz 2 AO beschränke sich ausdrücklich auf Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. Für eine solche Tat lägen aber weder nach Aktenlage noch nach dem eigenen Vorbringen des Klägers Anhaltspunkte vor. So habe das FA in Tz. 1.15 des "Auswertungsbogens vom 16. August 2017" ausgeführt, für eine leichtfertige oder vorsätzliche Steuerverkürzung seien keine Anhaltspunkte festgestellt worden, da es die Besteuerungsgrundlagen weitgehend im Schätzungswege ermittelt habe. Zudem werde der Kläger durch § 30, § 393 Abs. 2 Satz 1 AO davor geschützt, dass die im Besteuerungsverfahren erlangten Kenntnisse an die für die Verfolgung einer nichtsteuerlichen Straftat zuständigen Behörden weitergegeben würden.
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Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
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Das FA hält die Beschwerde für unzulässig.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist --bei Zweifeln daran, ob die gesetzlichen Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO überhaupt erfüllt sind-- jedenfalls unbegründet.
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1. Der Kläger formuliert sinngemäß zunächst die Rechtsfrage, ob ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden darf, wenn der Steuerpflichtige sich durch die Mitwirkung an der Außenprüfung selbst einer möglicherweise vorliegenden Steuerstraftat belasten würde.
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a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 X B 43/10, BFH/NV 2011, 636, Rz 5, m.w.N.).
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Eine Rechtsfrage ist nur dann klärungsfähig, wenn sie in einem künftigen Revisionsverfahren für die Entscheidung des Streitfalls rechtserheblich ist (Senatsbeschluss vom 9. Mai 2018 X B 143/17, BFH/NV 2018, 973, Rz 47, m.w.N.). An der Klärungsfähigkeit fehlt es insbesondere dann, wenn der BFH in einem Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO an entsprechende Tatsachenfeststellungen des FG gebunden wäre (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2011 X B 14/11, BFH/NV 2012, 172, Rz 12, m.w.N.).
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b) Vorliegend wäre die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, da sie nicht entscheidungserheblich wäre.
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aa) Das FG hat --unter Bezugnahme auf einen "Auswertungsbogen" des Prüfers-- festgestellt, dass keine Anhaltspunkte für die Verwirklichung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit durch den Kläger bestanden. Diese Feststellung würde den BFH auch in einem künftigen Revisionsverfahren binden, zumal der Kläger weder im Klage- noch im Beschwerdeverfahren einen Sachverhalt vorgetragen hat, aus dem auf das Vorliegen des objektiven und subjektiven Tatbestands einer Steuerstraftat geschlossen werden könnte. Allein der Hinweis auf die Höhe des "einstweiligen steuerlichen Mehrergebnisses" von 243.000 € reicht hierfür nicht aus, da der Kläger weder dargelegt hat, welche Lebenssachverhalte und welche rechtlichen Wertungen des Prüfers diesem Mehrergebnis zugrunde liegen, noch zu der Relation zwischen diesem Mehrergebnis und den vom Kläger zuvor erklärten Besteuerungsgrundlagen ausgeführt hat.
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bb) Im Übrigen setzt sich der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander, wonach für die gerichtliche Überprüfung einer Ermessensentscheidung des FA allein diejenigen tatsächlichen Verhältnisse maßgebend sind, die der Behörde im Zeitpunkt ihrer letzten Ermessensausübung bekannt waren oder bekannt sein mussten (BFH-Urteile vom 11. Juni 1997 X R 14/95, BFHE 183, 21, BStBl II 1997, 642, unter II.1., und vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 26). Maßgebend ist damit regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung (BFH-Urteil vom 12. Mai 2016 II R 17/14, BFHE 253, 505, BStBl II 2016, 822, Rz 19).
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Zu diesem Zeitpunkt war dem FA die Selbstbezichtigung des Klägers bei der Staatsanwaltschaft aber unstreitig noch nicht bekannt. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das FA diesen Umstand seinerzeit hätte kennen müssen.
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2. Darüber hinaus formuliert der Kläger die Rechtsfrage, ob das Zwangsmittelverbot des § 393 Abs. 1 Satz 2 AO auch die Festsetzung eines Verzögerungsgelds umfasst.
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a) Auch insoweit fehlt es aus den vorstehend bereits angeführten Gründen im Streitfall an der Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren. Die Anwendung des § 393 Abs. 1 Satz 2 AO setzt Anhaltspunkte für eine vom Steuerpflichtigen begangene Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit voraus; daran fehlt es vorliegend indes.
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b) Im Übrigen wären in Bezug auf diese Rechtsfrage auch die geltenden Darlegungsanforderungen nicht erfüllt.
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Die Beschwerdebegründung erschöpft sich insoweit in der bloßen Formulierung der Rechtsfrage. Die schlüssige Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage erfordert aber zusätzlich ein konkretes und substantiiertes Eingehen darauf, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (Senatsbeschlüsse vom 5. Mai 2011 X B 149/10, BFH/NV 2011, 1348, Rz 13, und vom 18. Mai 2011 X B 124/10, BFH/NV 2011, 1838, Rz 8, beide m.w.N.).
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Auf die umfangreiche Rechtsprechung (vgl. nur Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. April 2001 5 StR 587/00, BGHSt 47, 8, unter II.3., m.w.N.) und Literatur (vgl. statt aller Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 393 AO Rz 1 ff.) zur Reichweite des Nemo-tenetur-Grundsatzes im Steuerstrafrecht geht die Beschwerdebegründung aber nicht ein, ebensowenig auf die bereits vorhandenen Literaturäußerungen zu der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage (z.B. Klein/Rätke, AO, 14. Aufl., § 146 Rz 91; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 393 AO Rz 43).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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