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BFH 29.05.2018 - IX R 8/17
BFH 29.05.2018 - IX R 8/17 - Einkünfteerzielungsabsicht - Überschussprognose - Prognosezeitraum
Normen
§ 21 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 139 Abs 3 S 3 FGO, EStG VZ 2012, EStG VZ 2013, § 2 Abs 1 S 1 Nr 6 EStG 2009
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 6. Februar 2017, Az: 11 K 2879/15 E, Urteil
nachgehend BFH, 8. Januar 2019, Az: IX R 8/17, Beschluss
Leitsatz
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NV: Ist für die Ausübung eines grundsätzlich lebenslangen dinglichen Wohnungsrechts ein Entgelt nur für eine zeitlich begrenzte Dauer (hier: ca. zehn Jahre) zu entrichten, muss die Einkünfteerzielungsabsicht anhand einer Totalüberschussprognose überprüft werden. Der Prognosezeitraum ist hierbei auf die Dauer der (voraussichtlichen) entgeltlichen Nutzungsüberlassung (hier: entgeltliche Ausübung des dinglichen Wohnungsrechts) begrenzt .
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 6. Februar 2017 11 K 2879/15 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Mit notariell beurkundetem Übertragungsvertrag vom 8. November 2012 übertrugen die Eltern des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) diesem das bebaute Grundstück in K (Bundesrepublik Deutschland). Der Kläger übernahm die noch valutierenden Belastungen in Höhe von 50.000 € und räumte seinen Eltern eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit in Form eines lebenslangen Wohnungsrechts an der abgeschlossenen Wohnung im Erdgeschoss ein. Die Eltern verpflichteten sich zur Zahlung eines monatlichen Entgelts in Höhe von 500 € für die Ausübung des Wohnungsrechts bis zum 31. Dezember 2022. Danach ist das Wohnungsrecht unentgeltlich. Der Kläger verpflichtete sich zudem, seinen beiden Schwestern jeweils 16.000 € zu zahlen. Besitz, Nutzungen, Vorteile und Lasten des Grundstücks gingen am 8. November 2012 auf den Kläger über.
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Das Grundstück hat eine Größe von 278,75 qm. Das Gebäude umfasste im Zeitpunkt der Übertragung die von den Eltern bewohnte Wohnung im Erdgeschoss von 100 qm und die vom Kläger bewohnte Wohnung in der 1. Etage von 63 qm. In den Jahren 2012 und 2013 baute der Kläger das Haus um und vergrößerte dadurch die von ihm bewohnte Wohnung auf 110 qm.
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Der Kläger machte in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2012 und 2013 (Streitjahre) neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 2.071 € (2012) und 16.618 € (2013) als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend.
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Mit Bescheiden jeweils vom 14. November 2014 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einkommensteuer für die Streitjahre fest, wobei Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht berücksichtigt wurden, da eine Einkünfteerzielungsabsicht nicht erkennbar sei. Die dagegen gerichteten Einsprüche hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1150 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.
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Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 6. Februar 2017 11 K 2879/15 E aufzuheben und unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 vom 14. November 2014, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2015, die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 2.071 € (2012) und 16.617 € (2013) festzusetzen, die Steuerberechnung dem FA zu übertragen und die Beiordnung eines Steuerberaters im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der vom Kläger geltend gemachte Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in den Streitjahren nicht zu berücksichtigen ist, da der Kläger nicht mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat.
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1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt, wer ein Grundstück, Gebäude oder Gebäudeteil gegen Entgelt zur Nutzung überlässt und beabsichtigt, daraus auf Dauer der Nutzung ein positives Ergebnis zu erzielen (z.B. Senatsurteil vom 11. Juli 2017 IX R 42/15, BFH/NV 2017, 1422, Rz 12, m.w.N.).
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a) Die Vorschrift erfasst nicht nur Einkünfte aus Miet- und Pachtverträgen im bürgerlich-rechtlichen Sinne, sondern darüber hinaus alle Einkünfte aus der zeitlich begrenzten entgeltlichen Überlassung unbeweglichen Vermögens zum Gebrauch oder zur Nutzung (z.B. Senatsurteil vom 20. September 2006 IX R 17/04, BFHE 215, 139, BStBl II 2007, 112, unter II.1., m.w.N.). Demnach gehört auch das (schuldrechtlich vereinbarte) Entgelt für die Ausübung eines dinglichen Wohnungsrechts grundsätzlich zu den Einnahmen gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27. Juni 1978 VIII R 54/74, BFHE 125, 535, BStBl II 1979, 332, unter 1.c).
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b) Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist nur bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend --wenn also keine besonderen Umstände dagegen sprechen-- davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben. Von einer auf Dauer ausgerichteten Vermietung ist nur auszugehen, wenn sie nach den bei ihrem Beginn ersichtlichen Umständen keiner Befristung unterliegt. Zwar folgt aus einem auf eine bestimmte Zeit eingegangenen Mietvertrag allein noch nicht eine (steuerrechtlich bedeutsame) Befristung der Vermietungstätigkeit. So kann eine Vermietungstätigkeit auch dann auf Dauer angelegt sein, wenn der ursprüngliche Vertrag --konkludent-- verlängert werden soll. Es müssen aber stets Umstände hinzutreten, die zusammen mit dem Abschluss des Vertrags auf eine bestimmte Zeit den Schluss rechtfertigen, der Vermieter habe seine Tätigkeit auf Dauer ausgerichtet. Für eine auf Dauer angelegte Vermietungstätigkeit spricht vor allem, dass sich der Steuerpflichtige tatsächlich so verhält und seine Wohnung nach Ablauf der ausbedungenen Mietzeit wiederum vermietet oder den befristeten Vertrag verlängert (z.B. Senatsurteil vom 22. Januar 2013 IX R 13/12, BFHE 240, 294, BStBl II 2013, 533, Rz 16, m.w.N.). Bei von vornherein nicht auf Dauer, sondern nur für einen begrenzten Zeitraum angelegter Vermietungstätigkeit muss die Einkünfteerzielungsabsicht anhand einer Prognose überprüft werden (vgl. z.B. Senatsurteil vom 4. November 2003 IX R 55/02, BFH/NV 2004, 484, unter II.2., m.w.N.). Der Prognose ist ein Zeitraum zugrunde zu legen, welcher der voraussichtlichen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695, unter II.3.a) bzw. tatsächlichen (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 240, 294, BStBl II 2013, 533, Rz 18, m.w.N.) Dauer der Vermögensnutzung entspricht.
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c) Die Feststellung, ob der Steuerpflichtige Einkünfteerzielungsabsicht hatte oder nicht, ist Sache der Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG. Der Senat kann die Feststellungen der Tatsacheninstanz nur daraufhin überprüfen, ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen. Die Schlussfolgerungen des FG haben schon dann Bestand, wenn sie zwar nicht zwingend, aber möglich sind (vgl. z.B. Senatsurteil vom 14. September 1994 IX R 71/93, BFHE 175, 416, BStBl II 1995, 116, unter I.3.).
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2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Einkünfteerzielungsabsicht beim Kläger abgelehnt.
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a) Zu Recht hat das FG die zwischen dem Kläger und seinen Eltern getroffene schuldrechtliche Vereinbarung, wonach die Ausübung des dinglichen Wohnungsrechts nur bis zum 31. Dezember 2022 und damit für einen Zeitraum von ungefähr zehn Jahren entgeltlich, danach bis zu dessen Erlöschen --d.h. bis zum Auszug oder Tod des längstlebenden Elternteils-- unentgeltlich ist, als Beweisanzeichen angesehen, das gegen eine Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers spricht. Es begegnet insbesondere keinen Bedenken, dass das FG die Vereinbarung, wonach die Eltern für die Ausübung des grundsätzlich lebenslangen dinglichen Wohnungsrechts ein monatliches Entgelt in Höhe von 500 € nur bis zum 31. Dezember 2022 entrichten müssen, einem von Beginn an befristeten Mietverhältnis gleichgestellt hat: Die steuerlich bedeutsame Entgeltlichkeit des Wohnungsrechts ist --gleich einer befristeten Vermietungstätigkeit-- von vornherein bis zum 31. Dezember 2022 begrenzt. Nach diesem Zeitpunkt kann der Kläger mit der von den Eltern genutzten Wohnung auf nicht absehbare Zeit keine Einkünfte mehr erzielen, da die Ausübung des dinglichen Wohnungsrechts ab Januar 2023 für die Eltern unentgeltlich ist. Auch eine (entgeltliche) Vermietung der Wohnung an einen Dritten ist grundsätzlich bis zum Auszug oder Tod des längstlebenden Elternteils, und damit für einen nicht absehbaren Zeitraum, nicht möglich. Der Kläger hatte somit bereits im Zeitpunkt der Einräumung des dinglichen Wohnungsrechts zugunsten seiner Eltern die Absicht, diesen die Wohnung nur befristet bis Dezember 2022 entgeltlich und im Anschluss hieran zeitlich unbefristet unentgeltlich --gleich einer dauerhaften Selbstnutzung-- zur Nutzung zu überlassen.
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b) Zutreffend ist das FG demnach auch davon ausgegangen, dass die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers anhand einer Prognose zu überprüfen war, wobei es die Prognose zu Recht auf den Zeitraum der entgeltlichen Ausübung des dinglichen Wohnungsrechts durch die Eltern des Klägers --mithin bis Dezember 2022-- begrenzt hat. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, dass das FG eine Gesamtwürdigung des Zeitraums bis Dezember 2022 und des Zeitraums ab Auszug/Tod der Eltern mit der Begründung abgelehnt hat, die ab Januar 2023 vereinbarte unentgeltliche Überlassung der Wohnung an die Eltern bewirke eine Zäsur. Diese Würdigung ist, wenngleich nicht zwingend, so doch möglich; sie lässt weder einen Verstoß gegen Denkgesetze noch allgemeine Erfahrungssätze erkennen und bindet den Senat (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Bezogen auf den Zeitraum bis Dezember 2022 ergibt sich aus der vom FG in Bezug genommenen Prognoseberechnung des Klägers schließlich auch kein Totalüberschuss.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Der Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Revisionsverfahren unzulässig, da die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren gehört. Zuständig ist insoweit das FG als das Gericht des ersten Rechtszugs (vgl. z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2017, 1422, Rz 31, m.w.N.).
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