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BFH 14.09.2016 - V B 30/16
BFH 14.09.2016 - V B 30/16 - (Vorsteuerkorrektur bei nachträglicher Berufung auf unionsrechtliche Steuerbefreiung - Etwaige Rückwirkung der Regelung in § 15a UStG verfassungsrechtlich unbedenklich)
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 15a Abs 1 S 1 UStG 1993, § 15 Abs 4 UStG 1993, § 15a Abs 1 S 1 UStG 1999, § 15 Abs 4 UStG 1999
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 7. Januar 2016, Az: 5 K 3499/13 U, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Es ist geklärt, dass sich die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse ändern, wenn sich der Steuerpflichtige nachträglich innerhalb des Berichtigungszeitraums auf die Steuerfreiheit seiner Verwendungsumsätze nach dem Unionsrecht beruft.
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2. NV: Eine etwaige rückwirkende Anwendung der Regelung des § 15a UStG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 7. Januar 2016 5 K 3499/13 U wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb in den Jahren 1996 bis 2001 (Streitjahre) Spielhallen und führte dabei u.a. Umsätze mit dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit aus.
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Nachdem die Klägerin ursprünglich diese Umsätze als steuerpflichtig behandelt und den entsprechenden Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hatte, beantragte sie, die streitbefangenen Umsätze im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- (EuGH-Urteil vom 17. Februar 2005 C-453/02, Edith Linneweber, und C-462/02, Savvas Akritides, EU:C:2005:92) von der Steuer zu befreien. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) erließ zuletzt am 23. Mai 2013 geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen er die Umsätze als steuerfrei behandelte, nahm jedoch für die streitbefangenen Zeiträume (1996 bis 1999) Vorsteuerkorrekturen nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vor und kürzte bisher gewährte Vorsteuern aus Nebenleistungen für 2000 und 2001. Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Klägerin weiterhin jeweils den vollen Vorsteuerabzug begehrte, ab.
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Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, mit der diese sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 und das Erfordernis der Sicherung einheitlicher Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beruft.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet.
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1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die von der Klägerin herausgehobenen Fragen zur Anwendbarkeit des § 15a UStG sind geklärt.
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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass sich die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG ändern, wenn sich der Steuerpflichtige nachträglich innerhalb des Berichtigungszeitraums auf die Steuerfreiheit seiner Verwendungsumsätze entsprechend dem Unionsrecht beruft, weil ein Vorsteuerabzug aus Aufwendungen für Eingangsleistungen, die in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit steuerfreien Ausgangsumsätzen stehen, von vornherein nicht in Betracht kommt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Oktober 2011 XI R 16/09, BFHE 235, 532, BStBl II 2012, 371, Rz 22, m.w.N.); dabei ist eine etwaige rückwirkende Anwendung der Regelung des § 15a UStG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BFH-Urteile vom 7. Juli 2005 V R 32/04, BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907; vom 24. September 2009 V R 6/08, BFHE 227, 506, BStBl II 2010, 315; vom 16. September 2010 V R 57/09, BFHE 230, 504, BStBl II 2011, 151; vom 15. September 2011 V R 8/11, BFHE 235, 516, BStBl II 2012, 368, Rz 17; in BFHE 235, 532, BStBl II 2012, 371, und vom 5. September 2013 XI R 4/10, BFHE 243, 60, BStBl II 2014, 95).
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Das Vorbringen der Klägerin rechtfertigt keinen weiteren Klärungsbedarf. Dies gilt insbesondere, soweit die Klägerin sich auf die Rechtsprechung des BFH beruft, wonach ein im Jahr der Umsatzsteuerfestsetzung nach § 15 Abs. 4 UStG angewandter sachgerechter Aufteilungsmaßstab für die gemischte Vermietung eines Objekts auch für nachfolgende Kalenderjahre bindend sei (BFH-Urteil vom 2. März 2006 V R 49/05, BFHE 213, 249, BStBl II 2006, 729). Denn diese Rechtsprechung hat ersichtlich keinen hinreichenden Bezug zu der bereits geklärten entscheidungserheblichen Rechtsfrage.
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Mit ihrer Rüge, das FG habe den eigentlichen Sachverhalt des Streitfalls "verkannt" und damit unzutreffend beurteilt, wendet sich die Klägerin im Kern gegen die materielle Rechtmäßigkeit des FG-Urteils, was die Zulassung der Revision jenseits der nicht gegebenen Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO rechtfertigt.
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2. Die von der Klägerin formulierte Frage zur Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens durch den BFH rechtfertigt gleichfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die Klägerin hält insoweit folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
"Geht bei nachträglicher Berufung auf das Unionsrecht der Anspruch auf Vorsteuerabzug verloren, wenn nach den Vorgaben der USt-Richtlinie 77/388/EWG und deren Auslegung durch den EuGH dieses Recht bereits endgültig erworben war?"
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Indessen genügt ihr Vorbringen in diesem Zusammenhang nicht den genannten Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO (vgl. zum behaupteten Verstoß gegen Unionsrecht z.B. BFH-Beschluss vom 9. November 2007 IV B 169/06, BFH/NV 2008, 390, Rz 5, m.w.N.). Denn die Klägerin befasst sich in diesem Zusammenhang in keiner Weise mit der vom FG in seiner Entscheidung zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Frage, unter welchen verfahrensrechtlichen Bedingungen ein Steuerbescheid bei einem nachträglich erkannten Verstoß gegen das Unionsrecht geändert werden kann und ob diese Voraussetzungen im Streitfall vorgelegen haben (BFH-Urteile vom 16. September 2010 V R 57/09, BFHE 230, 504, BStBl II 2011, 151, und vom 1. Dezember 2010 XI R 39/09, BFH/NV 2011, 411), was das FG bejaht hat. Einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung hätte es insbesondere deshalb bedurft, weil auch nach Auffassung des EuGH die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats sind (vgl. EuGH-Urteil vom 15. März 2007 C-35/05, Reemtsma Cigarettenfabriken, EU:C:2007:167, Rz 40, m.w.N.).
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3. Die Revision ist nicht wegen Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen. Denn die Klägerin hat diesen Zulassungsgrund schon nicht hinreichend dargelegt i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
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a) Zur Darlegung einer Divergenz ist erforderlich, dass sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, in welcher konkreten Rechtsfrage das FG in der angefochtenen Entscheidung nach Ansicht des Beschwerdeführers von der Rechtsprechung anderer Gerichte abgewichen ist. Er hat rechtserhebliche abstrakte Rechtssätze im angefochtenen Urteil und in den von ihm angeführten Divergenzentscheidungen so genau zu bezeichnen, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2013 XI B 116/12, BFH/NV 2013, 1640, Rz 24, m.w.N.). Ferner ist darzulegen, dass es sich im Streitfall um einen gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt handelt, so dass sich in der angefochtenen und in der Divergenzentscheidung dieselbe Rechtsfrage stellt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 2. Juni 2016 IX B 10/16, BFH/NV 2016, 1448, Rz 9).
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b) Daran mangelt es im Streitfall. Denn die Klägerin behauptet mit ihrem Vorbringen zwar, das FG-Urteil verstoße gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot (BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, BVerfGE 127, 31 bis 60 u.a.), des EuGH (EuGH-Urteil vom 8. Juni 2000 C-396/98, Schloßstraße, EU:C:2000:303) sowie des BFH (BFH-Urteil in BFHE 213, 249, BStBl II 2006, 729) und macht hierzu auch umfangreiche Ausführungen. Ihr Vorbringen genügt aber schon deshalb nicht den aufgezeigten Darlegungsanforderungen, weil die Klägerin nicht aufzeigt, dass es sich beim Streitfall und bei den behaupteten Divergenzentscheidungen um vergleichbare Sachverhalte handeln würde. Da das Erbringen steuerpflichtiger Leistungen und der Vorsteuerabzug sowohl nach innerstaatlichem Recht als auch nach Unionsrecht untrennbar zusammenhängen, entzieht nicht der Gesetzgeber durch eine unzulässige Rückwirkung den Vorsteuerabzug die Grundlage, sondern die Ausübung des Wahlrechts durch Bezug auf das Unionsrecht, die zur Steuerfreiheit der Umsätze führt.
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4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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