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BFH 20.02.2013 - X E 8/12
BFH 20.02.2013 - X E 8/12 - Erinnerung gegen die Kostenrechnung im Entschädigungsklageverfahren - Zuständigkeit des Berichterstatters - Begriff des "vorbereitenden Verfahrens" - Umdeutung eines Antrags auf "Aussetzung der Vollziehung" einer Kostenrechnung - Berechnung des vorläufigen Streitwerts bei mehreren Entschädigungsklagen
Normen
§ 198 GVG, § 201 Abs 2 S 2 GVG, § 6 Abs 1 FGO, § 79a Abs 1 Nr 5 FGO, § 79a Abs 4 FGO, § 155 S 2 FGO, § 12 Abs 1 S 1 GKG, § 12a GKG, § 66 Abs 1 GKG, § 66 Abs 7 S 2 GKG, § 73 FGO, Art 19 Abs 4 GG
Leitsatz
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NV: Für die Entscheidung über eine Erinnerung in einem Verfahren der Entschädigungsklage nach § 198 GVG wie den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist auch beim BFH der Berichterstatter gemäß § 79a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 FGO zuständig .
Tatbestand
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I. Mit Schreiben vom 13. Juli 2012 erhob die Prozessbevollmächtigte des Kostenschuldners und Erinnerungsführers (Kostenschuldner) eine Entschädigungsklage gemäß § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) i.V.m. § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim Bundesfinanzhof (BFH) und verwies auf die mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2011 angebrachten Verzögerungsrügen, die ausweislich der beigefügten Anlage 7 u.a. das Klageverfahren beim Finanzgericht (FG) Hamburg unter dem dortigen Aktenzeichen 7 K … betrafen. Die Prozessbevollmächtigte wurde mit Schreiben der Geschäftsstelle des angerufenen Senats vom 30. Juli 2012 um Angabe des Wertes des Streitgegenstandes (Streitwert) gebeten, wobei darauf hingewiesen wurde, dass es sich beim Streitwert im vorliegenden Verfahren um die Höhe des vom Kostenschuldner erstrebten Entschädigungsbetrages handele. Sie gab daraufhin mit Schreiben vom 20. August 2012 einen Entschädigungsbetrag von 5.200 € an, wobei sie allerdings neben dem Klageverfahren mit dem Aktenzeichen 7 K … auch auf die Entschädigungsklage in Bezug auf das Klageverfahren mit dem Aktenzeichen 3 K … verwies. Die Angaben erfolgten unter dem Aktenzeichen X K 6/12. Auf telefonische Nachfrage teilte die Prozessbevollmächtigte in Bezug auf die Entschädigungsklage wegen der unangemessenen Dauer des Klageverfahrens beim FG Hamburg und unter Nennung des Aktenzeichens 7 K … --sowie unter Bezugnahme auf X K 4/12-- mit Schreiben vom 14. September 2012 einen Streitwert von 36.000 € mit. Den materiellen Schaden bezifferte sie in diesem Schreiben mit 40.000 € und den immateriellen Schaden mit 5.000 €.
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Unter dem Briefkopf der Geschäftsstelle des X. Senats forderte daraufhin die Kostenstelle mit Rechnung vom 25. September 2012 … (X K 4/12) unter Hinweis auf die Vorschriften der §§ 12a, 12 des Gerichtskostengesetzes (GKG) die Entrichtung der nach §§ 3 Abs. 2, 34 GKG i.V.m. Nr. 6112 des Kostenverzeichnisses zum GKG fälligen Verfahrensgebühr in Höhe von 1.990 € vom Kostenschuldner ein. Dabei legte sie einen Streitwert von 36.000 € zugrunde.
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Am 28. September 2012 teilte die Prozessbevollmächtigte mit, dass der Streitwert nur vorläufig sei, da die Verfahren noch nicht beendet seien und deshalb die Kostenrechnung aufzuheben sei. Die Kostenstelle des BFH wertete dieses Schreiben als Erinnerung. Am 5. Dezember 2012 berichtigte die Kostenstelle des BFH die Rechnung vom 25. September 2012 … (X K 4/12) insoweit, als sie diese erneut, diesmal unter ihrem Briefkopf, an die Prozessbevollmächtigte des Kostenschuldners übersandte. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 verlangte die Prozessbevollmächtigte u.a. erneut die Aufhebung aller Kostenrechnungen sowie nun auch "AdV hinsichtlich aller Kostenfestsetzungen". Diesen Antrag wiederholte sie in den Schreiben vom 14. Januar 2013 und 12. Februar 2013. Mit Schreiben vom 12. Februar 2013 beantragte die Prozessbevollmächtigte auch Prozesskostenhilfe (PKH) und die Reduzierung des Streitwertes auf die gesetzlichen Jahrespauschalen. Ebenfalls in diesem Schreiben wie auch in einem Schreiben vom 14. Februar 2013 beantragte sie "Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses".
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Der Kostenschuldner beantragt sinngemäß,
1. die Kostenrechnung des BFH –Kostenstelle– vom 5. Dezember 2012 … (X K 4/12) aufzuheben,
2. die aufschiebende Wirkung der Erinnerung anzuordnen.
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Die Vertreterin der Staatskasse (Kostengläubigerin und Erinnerungsgegnerin) beantragt,
die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Der Antrag des Kostenschuldners im Schreiben vom 28. September 2012, die Kostenfestsetzungen, und damit auch die nunmehr geltende berichtigte Kostenrechnung vom 5. Dezember 2012 … (X K 4/12) aufzuheben, ist --mangels anderer einschlägiger Rechtsbehelfe-- als Erinnerung i.S. des § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG anzusehen. Diese hat keinen Erfolg. Keinen Erfolg hat auch der im Schreiben vom 21. Dezember 2012 gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung i.S. des § 66 Abs. 7 Satz 2 GKG.
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1. Für die Entscheidung über eine Erinnerung i.S. des § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG wie auch über einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Erinnerung (§ 66 Abs. 7 Satz 2 GKG) ist gemäß § 79a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 FGO der Berichterstatter zuständig.
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a) Die Anwendung des § 79a FGO ist anders als die Entscheidung durch den Einzelrichter (so § 201 Abs. 2 Satz 2 GVG) in Entschädigungsklageverfahren beim BFH nicht ausgeschlossen.
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aa) Die FGO unterscheidet zwischen dem Einzelrichter i.S. des § 6 Abs. 1 FGO und dem nach dem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan zuständigen Berichterstatter (vgl. hinsichtlich der Unterscheidung BFH-Beschluss vom 23. November 2011 IV B 7/10, BFH/NV 2012, 429). Dieser tritt gemäß § 79a Abs. 4 FGO als gesetzlicher Richter i.S. von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes bei den in § 79a Abs. 1 FGO genannten Entscheidungen im "vorbereitenden Verfahren" an die Stelle des Senats bzw. des Vorsitzenden (Thürmer in Hübschmann/Hepp/ Spitaler --HHSp--, § 79a FGO Rz 38, m.w.N.). Anders als der Einzelrichter i.S. des § 6 FGO ist der Berichterstatter in Entschädigungsklagen nicht ausgeschlossen. Ein für das Revisionsverfahren in § 121 Satz 2 FGO geregelter Ausschluss des § 79a FGO findet sich in § 155 Satz 2 FGO, der die Entschädigungsklagen beim BFH betrifft, nicht. Durch ausdrücklichen Hinweis auf die Parallelvorschrift des § 87a der Verwaltungsgerichtsordnung in der Gesetzesbegründung (BTDrucks 17/7217, 28) wird deutlich, dass der Gesetzgeber eine solche Entscheidungsbefugnis des Berichterstatters gewollt hat.
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bb) Über die vorliegende Erinnerung wird im "vorbereitenden Verfahren" entschieden. Zwar ist der Begriff des "vorbereitenden Verfahrens" weder in § 79a Abs. 1 FGO noch sonst in der FGO definiert, doch ist angesichts der in § 79 FGO --den der § 79a FGO ergänzt-- aufgezählten Maßnahmen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass hierunter der Zeitraum ab Eingang der Klage bei Gericht bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung fällt (Thürmer in HHSp, § 79a FGO Rz 50, m.w.N.).
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cc) Zu den Entscheidungen im vorbereitenden Verfahren gehört auch die Entscheidung über eine die Kostenfrage betreffende Erinnerung i.S. des § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG. Sie ist eine Entscheidung über Kosten gemäß § 79a Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 4 FGO. In Verfahren wegen überlanger Gerichtsverfahren soll die Klage erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zugestellt werden (§ 12a i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG). Sowohl die Erstellung der entsprechenden Kostenrechnung wie auch die hiergegen mögliche Erinnerung betreffen folglich das vorbereitende Verfahren. Die Erinnerung gegen die Kostenrechnung i.S. der §§ 12 Abs. 1 Satz 1, 12a GKG ist eine Kostenentscheidung. Sie unterscheidet sich insoweit nicht von einer Kostenerinnerungsentscheidung, die von einem Vorsitzenden bzw. Berichterstatter im Anschluss an eine Kostengrundentscheidung getroffen wird. In diesem Fall ist nach der herrschenden Meinung der Senat nur zuständig, wenn die Kostenentscheidung nicht im vorbereitenden Verfahren ergeht (vgl. nur FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. Dezember 2011 3 KO 965/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1312; auch FG Münster, Beschluss vom 7. Juni 2010 9 Ko 647/10 KFB, EFG 2010, 2021, unter Rz 8 und 11, jeweils m.w.N.). Das hier vorliegende Erinnerungsverfahren kann nicht als eigenständiges Neben- oder Folgeverfahren aufgefasst werden, welches durch die Erinnerungsentscheidung beendet wird. Anders als einer der Kostengrundentscheidung des Berichterstatters nachgehenden Kostenerinnerung fehlt es bei einer auf §§ 12 Abs. 1 Satz 1, 12a GKG beruhenden Kostenrechnung an einem vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gefassten Kostenfestsetzungsbeschluss, der womöglich außerhalb des "vorbereitenden Verfahrens" ergeht (zu dieser Problematik vgl. nur FG-Beschluss in EFG 2012, 1312, unter II. 1. b cc (1), m.w.N.). Vielmehr überprüft der Berichterstatter im Erinnerungsverfahren gegen die Kostenrechnung nach §§ 12 Abs. 1 Satz 1, 12a GKG lediglich deren Richtigkeit und fördert damit den Fortgang des vorbereitenden Verfahrens.
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b) Aus den gleichen Gründen ist der Berichterstatter gemäß § 79a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 FGO auch für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Erinnerung gemäß § 66 Abs. 7 Satz 2 GKG funktionell zuständig. Ein solcher Antrag ist --im Wege rechtsschutzgewährender Auslegung-- zugunsten des Kostenschuldners aufgrund des Schreibens der Prozessbevollmächtigten vom 21. Dezember 2012 anzunehmen, auch wenn diese dort ausdrücklich die --in Kostensachen nicht vorgesehene-- "Aussetzung der Vollziehung" der Kostenrechnung verlangt hat.
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2. In der Sache hat die Erinnerung keinen Erfolg. Die Kostenrechnung vom 5. Dezember 2012 … (X K 4/12), die die Kostenrechnung vom 25. September 2012 … (X K 4/12) ersetzt, ist nicht fehlerhaft.
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a) Der vom Kostenbeamten in der Kostenrechnung vom 5. Dezember 2012 … (X K 4/12) berechnete vorläufige Streitwert ist zumindest in dieser Höhe ansetzbar. Aufgrund der Angaben der Prozessbevollmächtigten im Schreiben vom 14. September 2012 zum materiellen und immateriellen Schaden von insgesamt 45.000 € konnte der vorläufige Streitwert mit 36.000 € angesetzt werden. Der vorläufige Streitwert ist für jedes eingereichte Verfahren gesondert zu berechnen. Hieran änderte auch eine --im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stehende-- Verbindung der verschiedenen Entschädigungsklagen gemäß § 73 FGO nichts. Eine Reduzierung des vorläufigen Streitwertes aufgrund des Schreibens vom 12. Februar 2013 ist nach § 40 GKG nicht möglich.
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Die Gebühr ist nach dem vom Kostenbeamten angesetzten vorläufigen Streitwert von 36.000 € gemäß §§ 3 Abs. 2, 34 GKG i.V.m. Nr. 6112 des Kostenverzeichnisses zum GKG mit 1.990 € richtig berechnet und vom Erinnerungsführer als Kostenschuldner zu entrichten.
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b) Die Anordnung des Vorschusses in dieser Rechnung ergibt sich aus §§ 12a, 12 Abs. 1 Satz 1 GKG. Ohne Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen ist die vorliegende Entschädigungsklage nicht zuzustellen.
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c) Die Vorauszahlungspflicht besteht fort, da PKH bislang nicht bewilligt worden ist (§ 14 Nr. 1 GKG). Sie wurde zwar beantragt, eine Entscheidung über die Bewilligung kann aber mangels Einreichung der Unterlagen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen noch nicht erfolgen.
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3. Soweit die Prozessbevollmächtigte in ihrem Schreiben vom 21. Dezember 2012 und sinngemäß in den Schreiben vom 12. und 14. Februar 2013 erneut die Aufhebung aller Kostenrechnungen verlangt, wiederholt sie lediglich ihr bereits im Schreiben vom 28. September 2012 erklärtes Begehren. Gesonderte Rechtsbehelfe werden nicht geltend gemacht.
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4. Mangels Erfolg der Erinnerung ist der Antrag des Kostenschuldners auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung i.S. des § 66 Abs. 7 Satz 2 GKG ebenfalls zurückzuweisen.
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5. Die Entscheidungen des Gerichts ergehen gerichtskostenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).
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