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BFH 14.02.2012 - VII R 27/10
BFH 14.02.2012 - VII R 27/10 - Keine nachträgliche Überprüfung bestandskräftiger unionsrechtswidriger Bescheide ohne vorherige Ausschöpfung des Rechtswegs - Inhalt einer Ruhensvereinbarung im Hinblick auf ein Musterverfahren - Rechtsinstitut der Bestandskraft
Normen
§ 48 Abs 1 VwVfG, § 5 AO, Art 10 EG, § 363 Abs 2 AO
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 15. April 2009, Az: 4 K 396/07, Urteil
Leitsatz
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Eine Überprüfung bestandskräftiger, nachträglich als unionsrechtswidrig erkannter Entscheidungen nach dem Ermessen der Verwaltungsbehörde ist nicht auch dann geboten, wenn der betreffende Bescheid wegen vermeintlich geklärter Rechtslage nicht zur Überprüfung des in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts gestellt worden ist. Weder § 48 VwVfG noch das Unionsrecht verbieten es der Verwaltungsbehörde, eine nachträgliche Änderung eines solchen Bescheides deshalb abzulehnen, weil der Betroffene diesen habe bestandskräftig werden lassen, ohne die Entscheidung des letztinstanzlich entscheidenden nationalen Gerichts einzuholen .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat vom Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt --HZA--) Ausfuhrerstattung für einen Rindfleischexport erhalten. 1994 hat das HZA die Erstattung jedoch zurückgefordert, weil die Vermarktung der Ware im Bestimmungsland nicht nachgewiesen worden sei. Das aufgrund des Einspruchs der Klägerin eingeleitete Rechtsbehelfsverfahren wurde auf Anregung des HZA einvernehmlich zum Ruhen gebracht, weil bei dem Finanzgericht (FG) bereits ein Klageverfahren wegen einer ähnlich gelagerten Streitsache anhängig war. Nachdem die Klage in diesem Verfahren abgewiesen und die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das betreffende Urteil des FG von dem erkennenden Senat zurückgewiesen worden war (Beschluss vom 10. Dezember 2002 VII B 139/02, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2003, 163), hat das HZA im Mai 2003 über den Einspruch der Klägerin entschieden. Da die Klägerin dessen Entscheidung hingenommen hat, sind die Rückforderungsbescheide bestandskräftig geworden.
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Auf Vorabentscheidungsersuchen des FG Hamburg vom November 2003 hat inzwischen der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eine Entscheidung gefällt (Urteil vom 21. Juli 2005 C-515/03 --Eichsfelder Schlachtbetrieb--, Slg. 2005, I-7355), aufgrund derer die Klägerin meint, die Rückforderungsbescheide des HZA seien rechtswidrig gewesen. Unter Bezugnahme auf dieses Urteil hat sie im Juni 2006 beim HZA beantragt, die Rückforderungsbescheide zurückzunehmen. Das HZA hat diesen Antrag abgelehnt, im Wesentlichen mit der Begründung, eine Korrektur bestandskräftiger Entscheidungen, die im Widerspruch zum Unionsrecht stehen, komme nur in Betracht, wenn der Betroffene --anders als die Klägerin im Streitfall-- den Rechtsweg ausgeschöpft hat.
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Die daraufhin von der Klägerin erhobene Klage hatte mit dem Ergebnis Erfolg, dass das FG das HZA verpflichtet hat, den Rücknahmeantrag der Klägerin erneut zu bescheiden. Die weitergehende, auf Verpflichtung zur Aufhebung der Rückforderungsbescheide gerichtete Klage hat das FG abgewiesen.
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Es urteilte, nach der Rechtsprechung des EuGH bestehe kein Rechtsanspruch auf Rücknahme der Rückforderungsbescheide. Denn die Klägerin habe die Möglichkeit ungenutzt gelassen, gegen die Rückforderungsbescheide Klage zu erheben, und damit nicht, wie es der EuGH verlangt habe, den Rechtsweg ausgeschöpft. Das dem HZA durch § 48 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) eröffnete Rücknahmeermessen sei auch nicht deshalb im Streitfall dahin eingeschränkt, dass nur eine Korrektur der Rückforderungsbescheide in Frage komme, weil deren Aufrechterhaltung schlechthin unerträglich wäre. Denn diese seien nicht offensichtlich rechtswidrig und die Klägerin auch nicht gehindert gewesen, nach Zurückweisung ihres Einspruches Klage zu erheben und für ihre Rechtsauffassung in einem Gerichtsverfahren zu werben.
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Das HZA habe jedoch über ihren Rücknahmeantrag ermessensfehlerhaft entschieden. Denn es habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin unter dem Eindruck der Gerichtsentscheidungen in dem einvernehmlich bestimmten Musterverfahren davon abgesehen habe, Klage zu erheben. Ferner, dass ihr Einspruchsverfahren auf Initiative des HZA zum Ruhen gebracht worden sei und sie aller Wahrscheinlichkeit nach Klage erhoben hätte, wenn über ihren Einspruch zeitnah entschieden worden wäre. Drittens werde das HZA bei erneuter Ausübung seines Ermessens zu berücksichtigen haben, dass die Klägerin darauf vertraut habe, dass ihr durch die Ruhensabsprache keine rechtlichen Nachteile erwachsen; dieses Vertrauen beziehe sich auch darauf, dass das HZA sich nicht darauf berufen werde, sie habe es versäumt, die nach Abschluss des Musterverfahrens ergangene Einspruchsentscheidung anzufechten.
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Gegen dieses Urteil richtete sich die Revision des HZA, zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen wird:
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Es könne vom HZA nicht verlangt werden, bei seiner Ermessensentscheidung Spekulationen darüber anzustellen, warum die Klägerin keine Klage erhoben hat oder ob sie bei einem früheren Ergehen der Einspruchsentscheidung Klage erhoben hätte. Überdies stehe auch nicht fest, dass eine solche Klageerhebung zu einer Aufhebung der strittigen Rückforderungsbescheide geführt hätte. Aus der Ruhensanordnung könne kein Vertrauensschutz im Hinblick auf künftige Änderungen der Rechtsprechung abgeleitet werden.
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Die Klägerin meint sinngemäß, das FG habe im Spannungsfeld von Rechtssicherheit und Effektivität des Unionsrechts sowie materieller Gerechtigkeit mit Recht eine "vermittelnde Entscheidung" getroffen, indem es dem HZA vergleichbare Pflichten auferlegt habe wie der EuGH in dem Urteil vom 13. Januar 2004 C-453/00 --Kühne & Heitz-- (Slg. 2004, I-837). Es bedürfe jedenfalls der Klärung durch den EuGH, ob nicht die von diesem in der Entscheidung Kühne & Heitz postulierte Verpflichtung der nationalen Behörde, eine gemeinschaftsrechtswidrige bestandskräftige Entscheidung zu überprüfen, auch im Streitfall bestehe, auch wenn sich dieser von dem jener Entscheidung zu Grunde liegenden Fall dadurch unterscheide, dass die Klägerin die betreffende Entscheidung nicht unter Ausschöpfung des Rechtsweges angegriffen, sondern hingenommen habe. Die Vergleichbarkeit ihres Falles werde dadurch hergestellt, dass sie die gegen sie ergangene Entscheidung erst habe bestandskräftig werden lassen, nachdem in einem in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht völlig gleichliegenden Fall der Bundesfinanzhof die rechtliche Würdigung des HZA für rechtmäßig erklärt habe. Ferner möchte die Klägerin in die Vorabentscheidungsfrage den Hinweis darauf einbezogen wissen, dass jener Fall auf Vorschlag der Behörde als gleichliegend zum Musterverfahren bestimmt worden sei, woraus sie folgern will, sie müsse nunmehr die gleichen Rechte haben bzw. die gleiche Behandlung seitens der Behörde erfahren wie der Kläger des Musterverfahrens.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des HZA ist begründet und führt zur Änderung des Urteils des FG und zur Abweisung der Klage in vollem Umfang (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO) und ist hinsichtlich der Verpflichtung des HZA zu erneuter Ermessensausübung auch nicht im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO).
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1. Hat die Behörde eine Ermessensentscheidung zu treffen --wie es das FG hier aufgrund des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG angenommen hat-- so kann das Gericht nur prüfen, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten hat oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 102 Satz 1 FGO), ob die Behörde also § 5 der Abgabenordnung (AO) beachtet hat.
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Die Erwägungen, aufgrund derer das FG im Streitfall § 5 AO verletzt sieht, halten indes einer rechtlichen Überprüfung offensichtlich nicht stand.
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a) Es mag dahinstehen, ob das HZA in tatsächlicher Hinsicht davon ausgehen musste, dass die Klägerin, wie das FG meint, "allein unter dem Eindruck der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 10.12.2002 (VII B 139/02)" --also der Entscheidung über die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision in dem zu dem einvernehmlich bestimmten Musterverfahren ergangenen Urteil des FG-- davon abgesehen hat, gegen die Rückforderungsbescheide des HZA Klage zu erheben (was allerdings als naheliegend mag angesehen werden können). Denn selbst wenn das unterstellt wird, ist nicht erkennbar und vom FG in seinem Urteil auch nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb es deshalb die Grenzen des dem HZA eröffneten Ermessens überschreitet oder einen zweckwidrigen Gebrauch des Ermessens darstellt, dem Antrag der Klägerin auf Rücknahme der Rückforderungsbescheide nicht zu entsprechen. Sollte das FG darin einen Ermessensgebrauch gesehen haben, der dem Zweck der Ermessensermächtigung widerspricht, so würde das verkennen, dass dieser Zweck --soweit er hier als missachtet überhaupt in Betracht kommen kann-- darin besteht, der Behörde die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen in außergewöhnlichen Ausnahmefällen zu ermöglichen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass es den Betroffenen nicht möglich oder schlechthin unzumutbar war, die von der Rechtsordnung zur Verteidigung ihrer Rechte zur Verfügung gestellten Mittel zu nutzen, also gegen einen für rechtswidrig gehaltenen Bescheid Klage zu erheben (vgl. schon Urteil des Senats vom 26. März 1991 VII R 15/89, BFHE 164, 215, BStBl II 1991, 552, sowie u.a. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2009 1 C 26.08, BVerwGE 135, 137). Dass ein Betroffener davon absieht, weil er den Bescheid nicht für rechtswidrig hält, sondern sich z.B. durch Rechtsprechung oder Schrifttum von seiner Rechtmäßigkeit hat überzeugen lassen oder jedenfalls angesichts deren Erkenntnisse seine abweichende Rechtsansicht für nicht durchsetzbar hält, wird nicht dadurch zu einem außergewöhnlichen Umstand, dass eine später ergehende Entscheidung, z.B. des EuGH, die ursprüngliche Rechtsauffassung des Betreffenden als richtig bestätigt und den Bescheid somit erst im Nachhinein als rechtswidrig erscheinen lässt. Folglich konnte dieser Umstand bei der Anwendung des § 48 Abs. 1 VwVfG nicht zu Gunsten der Klägerin in die Waagschale fallen, ganz abgesehen davon, dass nicht recht erkennbar ist, woraus das FG herleiten will, dass das HZA sich nicht bewusst gewesen sein soll, dass die Klägerin wegen vermeintlich fehlender Erfolgsaussichten den Rechtsweg nicht ausgeschöpft hat, und das HZA also --unterstellt, der vorgenannte Umstand wäre abwägungserheblich-- durch unvollständige Berücksichtigung der ermessensrelevanten Gesichtspunkte § 5 AO verletzt hätte.
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Dass im Übrigen das HZA auch nicht bei seiner Ermessensausübung zu Gunsten der Klägerin davon ausgehen musste, dass es zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führte, wenn die Rückforderungsbescheide bestehen blieben, hat das FG zutreffend erkannt. Denn es kann keine Rede davon sein, dass diese offensichtlich rechtswidrig waren, nachdem sowohl das mit drei Berufsrichtern besetzte FG wie der erkennende Senat (in Beschlussbesetzung) die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Rechtsfragen zu Lasten der Klägerin bzw. des Klägers des vorgenannten Musterverfahrens beantwortet haben. Auch der EuGH ist zu einem abweichenden Entscheidungsergebnis übrigens nicht etwa deshalb gelangt, weil er die dem zu Grunde liegende Auslegung der einschlägigen marktordnungsrechtlichen Vorschriften für unzutreffend, sondern weil er es im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit für fragwürdig hält, dass ein Anspruch auf Ausfuhrerstattung aufgrund von Ereignissen und wirtschaftlichen Verhaltensweisen entfallen solle, ohne dass sich der erstattungsberechtigte Exporteur an einem diesbezüglichen missbräuchlichen Verhalten beteiligt habe (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-7355). Im Übrigen ist auch insofern nicht erkennbar, dass das HZA bei der von ihm getroffenen Ablehnungsentscheidung nicht davon ausgegangen ist, dass die Rückforderungsbescheide rechtswidrig gewesen sind; die Klägerin selbst bezeichnet dies vielmehr als offenkundig und nicht strittig.
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b) Durch Rechtsirrtum bestimmt ist auch die Erwägung des FG, das HZA habe berücksichtigen müssen, dass die Klägerin ohne die von ihm angeregte Ruhensvereinbarung wahrscheinlich gegen eine (dann mutmaßlich früher ergangene) Einspruchsentscheidung Klage erhoben (und im Weiteren --möglicherweise-- die in der Rechtsprechung des EuGH für eine Rücknahme bestandskräftiger, jedoch unionsrechtswidriger Bescheide aufgestellten Voraussetzungen erfüllt) hätte. Abgesehen davon, dass ein solcher Geschehensablauf nicht feststeht und sich auch nicht --weil hypothetisch-- feststellen lässt, worauf das HZA mit Recht hinweist, ist es nicht Zweck der der Behörde von § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG erteilten Ermessensermächtigung, die Korrektur bestandskräftiger Entscheidungen zu ermöglichen, weil diese bei einer nachdrücklicheren Rechtsverteidigung des Betroffenen im Rechtsbehelfsverfahren korrigiert worden wären oder jedenfalls nunmehr nach Maßgabe der Rechtsprechung des EuGH zur Korrektur bestandskräftiger unionsrechtswidriger Entscheidungen korrigiert werden könnten, obgleich die in dieser Rechtsprechung dafür aufgestellten Voraussetzungen, wie noch dazulegen ist, gar nicht vorliegen.
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c) Es ist für den erkennenden Senat schließlich schlechterdings nicht nachvollziehbar, woraus das FG ableiten will, dass das HZA bei seiner Ermessensentscheidung soll berücksichtigen müssen, dass die Klägerin --aufgrund der Ruhensvereinbarung-- keine rechtlichen Nachteile --im Verhältnis zu welchen anderen Marktteilnehmern?-- erleiden und dass sich das HZA nicht auf die Bestandskraft seiner Rückforderungsbescheide künftig berufen dürfe.
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Aus der Ruhensvereinbarung lässt sich allenfalls die stillschweigende Abrede entnehmen, dass die Klägerin nicht anders behandelt werde, als der Kläger des Musterverfahrens aufgrund der dort erwarteten gerichtlichen Entscheidungen betreffs seiner Klage gegen den Rückforderungsbescheid des HZA zu behandeln sein werde. Die Klägerin ist jedoch nicht anders als der Kläger des Musterverfahrens behandelt worden, welcher ebenfalls seinen Erstattungsanspruch nicht hat verteidigen können. Woraus eine weitergehende Gleichbehandlungszusage --deren Bestehen das FG an anderer Stelle auch selbst ausdrücklich verneint-- bei sinnentsprechender Auslegung der Ruhensvereinbarung sollte gefolgert werden können, ist unerfindlich. Es wäre auch mit dem Rechtsinstitut der Bestandskraft, das nicht zur Disposition des HZA steht, schwerlich vereinbar gewesen, der Klägerin etwa zuzusichern, dass sie nicht schlechter behandelt werde als irgendwelche anderen Marktteilnehmer, die in irgendwelchen künftigen gerichtlichen Verfahren Rechtssätze erstreiten, an denen gemessen die gegen die Klägerin ergangenen Bescheide möglicherweise rechtswidrig erscheinen werden.
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Die Zusage, die Klägerin bei einer etwaigen späteren ihr günstigen Entscheidung des EuGH in einem dann etwa gebotenen Verfahren nach § 48 VwVfG genauso zu behandeln wie den Kläger des sog. Musterverfahrens, kann der Ruhensvereinbarung schon deshalb schwerlich entnommen werden, weil diese lange vor Ergehen der EuGH-Entscheidung in Slg. 2004, I-837 getroffen worden ist, in welcher erstmals --unter bestimmten Voraussetzungen, welche die Klägerin nicht erfüllt-- eine Verpflichtung zur Prüfung einer Rücknahme bestandskräftiger, jedoch inzwischen als unionsrechtswidrig erkannter Bescheide ausgesprochen worden ist. Erst recht nicht kann davon ausgegangen werden, dass die Beteiligten der Ruhensvereinbarung eine dahin gehende Entscheidung des EuGH vorausgesehen oder sonst eine solche Verpflichtung in Betracht gezogen hätten.
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2. Das Urteil des FG ist auch nicht deshalb im Ergebnis richtig, weil das HZA bei seiner Entscheidung --wohlwissend, dass die Rückforderungsbescheide nach § 48 VwVfG nicht unabänderlich sind-- sonstige entscheidungserhebliche Gesichtspunkte übersehen oder die betroffenen Belange in rechtlich zu beanstandender Weise gewichtet hätte. Es ist insbesondere eine rechtlich aus der Sicht des § 5 AO nicht zu beanstandende (Ermessens-)Entscheidung, dem Umstand den Ausschlag zu geben, dass die Klägerin ihre Rechte nicht unter Ausschöpfung des Rechtswegs verteidigt hat. Dass § 48 Abs. 2 VwVfG dies der Behörde nicht verwehrt, bedarf nach dem oben Gesagten keiner nochmaligen Ausführung. Aber auch mit dem Unionsrecht, so wie es der EuGH ausgelegt hat, ist dies vereinbar. Auch dieses verwehrt der nationalen Behörde nicht, bei einer durch das nationale Recht eröffneten Möglichkeit, bestandskräftige Entscheidungen nach ihrem Ermessen zu ändern, als ausschlaggebend zu berücksichtigen, ob der Betroffene die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschöpft hat.
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Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. insbesondere EuGH-Urteil Kühne & Heitz in Slg. 2004, I-837) ist nämlich eine Behörde zwar verpflichtet, bei Bestehen einer nationalen Vorschrift, die eine Änderung bestandskräftiger, jedoch aus späterer Sicht mit dem Unionsrecht nicht vereinbarer Bescheide ermöglicht, deren Änderung zu prüfen. Entsprechend dem Grundsatz der Rechtssicherheit verlange, so hat der EuGH dort ausgeführt, das Unionsrecht allerdings grundsätzlich nicht, dass die Verwaltungsbehörde eine Verwaltungsentscheidung zurücknehme, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig geworden sei. Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, dürften nämlich nicht unbegrenzt in Frage gestellt werden. Nur in bestimmten Fällen bestehe eine Schranke für diesen Grundsatz. In Randnummer 28 des Urteils Kühne & Heitz hat der EuGH diese besonderen Fälle, bei denen die für den Erlass einer Verwaltungsentscheidung zuständige Behörde nach dem in Art. 10 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit verpflichtet sei, ihre Entscheidung zu überprüfen und eventuell zurückzunehmen, vier Voraussetzungen aufgestellt, deren hier nur näher zu erörternde zweite darin besteht, dass die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden ist. In seinem Urteil vom 19. September 2006 C-392/04 --i-21 Germany und Arcor-- (Slg. 2006, I-8559) hat der EuGH die Bedeutung dieser Voraussetzung bekräftigt und der dortigen Klägerin einen Überprüfungsanspruch versagt, weil sich ihr Fall "von der Rechtssache Kühne & Heitz ... völlig [unterscheide]"; die Kühne & Heitz NV habe nämlich sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausgeschöpft, während i-21 Germany und Arcor von ihrem Recht, die an sie gerichteten Bescheide anzufechten, nicht Gebrauch gemacht hätten (vgl. daselbst Rz 53).
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Diese Rechtsprechung ist klar und eindeutig (vgl. auch EuGH-Urteil vom 12. Februar 2008 C-2/06 --Kempter--, Slg. 2008, I-411). Eine --von vornherein nur ausnahmsweise zulässige-- Durchbrechung des Grundsatzes der Rechtssicherheit und der Bestandskraft von Behördenbescheiden auch in den Fällen, in denen der Betroffene von einer Ausschöpfung des Rechtswegs absieht, weil er von der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung überzeugt ist oder sich jedenfalls keine Erfolgschancen ausrechnet, diese mit einem Rechtsbehelf zu Fall zu bringen, hat der EuGH in keiner seiner in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen in Betracht gezogen, obwohl insbesondere das Urteil in Slg. 2006, I-8559 dazu Gelegenheit oder sogar Anlass gegeben hat.
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Das Postulat der Überprüfung bestandskräftiger, nachträglich als unionsrechtswidrig erkannter Entscheidungen auch auf solche Bescheide auszudehnen, die wegen der vermeintlich geklärten Rechtslage nicht zur Überprüfung des in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts gestellt worden sind, würde das Institut der Bestandskraft --welches der EuGH mit Recht ausdrücklich als im Interesse der Rechtssicherheit unverzichtbar kennzeichnet-- weitgehend aushöhlen. Dabei begreift sich, dass eine solche Erstreckung der Prüfungspflicht weder zeitlich noch --wie die Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zur Diskussion gestellt hat-- auf Fälle beschränkt werden könnte, die --wie angeblich im Streitfall-- in tatsächlicher Hinsicht dem ("Muster"-)Fall völlig gleichen, der Gegenstand der Rechtserkenntnis jenes Gerichts war; sie nötigte folglich zu einer der Rechtssicherheit abträglichen nachträglichen Prüfung, ob die ohne Ausschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig gewordene Verwaltungsentscheidung ausschließlich auf den gleichen Rechtssätzen beruht wie die Entscheidung in dem angeblichen Musterfall. Diese Beurteilung könnte schwerlich den Beteiligten überlassen bzw. durch Bezugnahme auf eine von diesen getroffene Ruhensabrede ersetzt werden, wie sie im Streitfall bestand, welche, wie ausgeführt, eine stillschweigende Zusage einer Gleichbehandlung bei einer etwaigen Überprüfung des Musterfalls nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens nicht enthielt und deshalb auch in Verbindung mit der angeblichen Übereinstimmung zwischen dem Streitfall und dem vorgenannten Musterfall eine Erstreckung der Prüfungspflicht auf jenen nicht rechtfertigen kann.
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Es mag nach alledem dahinstehen, ob es der Klägerin, wie die Revision offenbar meint, "unzumutbar" war, unbeschadet der nicht zu ihren Gunsten ergangenen Entscheidungen in dem Musterverfahren ihre Rechtsansicht unter Ausschöpfung des Rechtswegs geltend zu machen (so offenbar Hummel, Rücknahmepflicht unionsrechtswidriger Steuerbescheide trotz fehlender (höchstpersönlicher) Ausschöpfung aller Rechtsmittel, Deutsche Steuer-Zeitung 2011, 832). Sie musste allerdings gewahr sein, dass Fragen des Unionsrechts inmitten liegen, zu denen der EuGH möglicherweise eine andere Auffassung vertreten könnte als der erkennende Senat in seiner in jenem Musterverfahren ergangenen Entscheidung zu der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, in welcher Entscheidung entsprechend § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nur die rechtlichen Gesichtspunkte zu erörtern waren, die von der Beschwerde substantiiert dargelegt worden waren. Wenn also die Klägerin durch die Rückforderung der ihr gewährten Ausfuhrerstattung das Unionsrecht verletzt sah oder diesbezüglich zumindest eine Vorabentscheidung des EuGH für geboten hielt, hätte es --nachdem der Senat aufgrund des Vorbringens der Beschwerde in dem sog. Musterverfahren diese einzuholen keinen Anlass gesehen hatte--- nahegelegen, den Rechtsweg zu beschreiten, um eine solche Prüfung der Rechtslage durch den EuGH herbeizuführen.
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3. Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH in diesem Verfahren ist nicht nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union geboten. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen waren bereits Gegenstand mehrerer Entscheidungen des EuGH, aus denen der erkennende Senat verlässliche Antworten für die Entscheidung des Streitfalls gewinnen konnte. Besonderheiten eines Einzelfalls --wie die, auf die sich die Revision beruft-- rechtfertigen kein Vorabentscheidungsersuchen, weil sie nicht eine (erneute) Auslegung des Unionsrechts erfordern, sondern dessen dem nationalen Gericht obliegende Anwendung desselben unter Berücksichtigung der einschlägigen Auslegungsentscheidungen des EuGH.
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