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BFH 24.01.2012 - IX R 20/11
BFH 24.01.2012 - IX R 20/11 - Keine gesonderte Feststellung eines Verlustvortrags nach Ablauf der Festsetzungsfrist für die Vortragjahre
Normen
§ 10d Abs 1 EStG 1990, § 10d Abs 2 EStG 1990, § 169 Abs 2 AO, § 170 Abs 2 AO, § 171 Abs 3 AO, § 181 Abs 1 AO, § 181 Abs 2 AO, § 181 Abs 5 AO
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 4. November 2010, Az: 16 K 4643/09 F, Urteil
Leitsatz
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NV: Ein verbleibender Verlustabzug kann nach Ablauf der Feststellungsfrist nicht mehr gesondert festgestellt werden, wenn der Steuerpflichtige in den bereits festsetzungsverjährten Veranlagungszeiträumen, in die der Verlust nach § 10d Abs. 2 EStG hätte vorgetragen werden müssen, über zur Verlustkompensation ausreichende Gesamtbeträge der Einkünfte verfügt (Anschluss an BFH-Urteil vom 29. Juni 2011 IX R 38/10, BFHE 233, 326, BStBl II 2011, 963).
Tatbestand
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I. Dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) entstanden in den Streitjahren (1995, 1996) im Zusammenhang mit seiner Ausbildung zum Piloten Aufwendungen in Höhe von 20.725 DM (1995) und 86.738 DM (1996). Diese Aufwendungen erklärte er erstmals mit den am 5. Mai 2004 eingereichten Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs jeweils zum 31. Dezember der Streitjahre. Für das Jahr 1997 hatte der Kläger fristgerecht eine Einkommensteuererklärung abgegeben. In dem daraufhin ergangenen Einkommensteuerbescheid wurden die positiven Einkünfte, die der Kläger aus der nach der Ausbildung aufgenommenen Tätigkeit als Pilot erzielte (4.433 DM) mit den als Werbungskosten qualifizierten weiteren Ausbildungsaufwendungen (44.078 DM) verrechnet. Der verbleibende Verlustabzug zum 31. Dezember 1997 wurde gesondert festgestellt und mit den positiven Einkünften des Folgejahres 1998 von 61.774 DM verrechnet. Die Einkünfte des Jahres 1999 betrugen 98.253,85 DM; es war zu keiner Einkommensteuerveranlagung gekommen, da eine Einkommensteuererklärung zur Durchführung der Antragsveranlagung nicht eingereicht wurde.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte es ab, Verlustfeststellungen für die Streitjahre zu erlassen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1696 veröffentlichten Urteil aus: Die Feststellungsfristen für die Streitjahre seien ohne Hemmung abgelaufen gewesen. § 181 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) i.d.F. der Streitjahre rechtfertige keine gesonderte Feststellung; denn es sei wegen des Prinzips des "Soll-Verlustabzugs" für die Jahre 1997 bis 1999 kein vortragsfähiger Verlust mehr verblieben; denn die geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse seien mit positiven Einkünften bis einschließlich 1999 der Höhe nach vollständig verrechenbar gewesen. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO komme nicht in Betracht.
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Hiergegen richtet sich die auf Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Klägers. Der Ablauf der Feststellungsfristen sei gehemmt gewesen. Der festzustellende verbleibende Verlustabzug habe bis zum vollständigen Verbrauch des Verlusts Bedeutung für die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs künftiger Veranlagungszeiträume. Die Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 AO lägen deshalb vor. Dessen Wortlaut ergebe ausdrücklich, dass Verluste festzustellen seien, soweit sie noch eine (mittelbare) Bedeutung hätten. Gegenüber der Steuerfestsetzung sei das Verfahren der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs verselbständigt.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 12. Juli 2004 und der Einspruchsentscheidung von 15. Dezember 2009 zu verpflichten, den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 1995 in Höhe von 20.725 DM und auf den 31. Dezember 1996 in Höhe von 86.738 DM unter Erteilung des Hinweises nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO festzustellen.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zutreffend hat es das FG abgelehnt, verbleibende Verlustabzüge jeweils zum 31. Dezember der Streitjahre wegen Ablaufs der Feststellungsfrist gesondert festzustellen. Der Ablehnungsbescheid des FA vom 12. Juli 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
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1. Da der Kläger für die Streitjahre zunächst keine Steuererklärungen abgegeben hatte, endeten die Feststellungsfristen nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 181 Abs. 1 AO für das Streitjahr 1995 mit Ablauf des 31. Dezember 2002 und für das Streitjahr 1996 mit Ablauf des 31. Dezember 2003. Eine Ablaufhemmung für die gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Streitjahre --EStG-- (entspricht § 10d Abs. 4 EStG i.d.F. ab 1999) kommt nicht in Betracht. Die Voraussetzungen der § 171 Abs. 3 und § 181 Abs. 1 AO liegen nicht vor, schon deshalb nicht, weil der Kläger den Antrag auf Verlustfeststellung am 5. Mai 2004 nicht vor Ablauf der Feststellungsfristen gestellt hat. Außerdem ist die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Feststellungserklärung kein Antrag i.S. von § 171 Abs. 3, § 181 Abs. 1 AO (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Juni 2011 IX R 38/10, BFHE 233, 326, BStBl II 2011, 963, m.w.N.).
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Die jeweils am Schluss der Streitjahre verbleibenden Verlustabzüge sind auch nicht nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfristen nach § 181 Abs. 5 AO gesondert festzustellen. Die Voraussetzungen dieser Norm sind im Streitfall nicht erfüllt. Wie der BFH in seinem Grundsatzurteil in BFHE 233, 326, BStBl II 2011, 963 entschieden hat, kann ein verbleibender Verlustabzug nach Ablauf der Feststellungsfrist nicht mehr gesondert festgestellt werden, wenn der Steuerpflichtige in den bereits festsetzungsverjährten Veranlagungszeiträumen, in die der Verlust nach § 10d Abs. 2 EStG hätte vorgetragen werden müssen, über zur Verlustkompensation ausreichende Gesamtbeträge der Einkünfte verfügt hat. Zur weiteren Begründung verweist der BFH --um Wiederholungen zu vermeiden-- auf sein Urteil in BFHE 233, 326, BStBl II 2011, 963.
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2. Nach diesen Maßstäben ist die Revision zurückzuweisen. Eine gesonderte Feststellung des Verlustabzugs durfte nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO nicht mehr erfolgen. Der Verlust konnte nach § 10d Abs. 2 Satz 2 EStG nur in die Jahre bis einschließlich 1999 vorgetragen werden. In diesen Jahren stand nach den das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG ein ausreichender Gesamtbetrag der Einkünfte zur Verfügung, um den Verlust insgesamt zu kompensieren. Deshalb sind die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1999 diejenigen, für die --allein-- eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs von Bedeutung ist.
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Für die Festsetzungen dieser Jahre --also der Veranlagungszeiträume 1997 bis 1999-- war aber jeweils bereits die Festsetzungsfrist abgelaufen, als das FA den Ablehnungsbescheid erließ. Deshalb ist dieser Ablehnungsbescheid rechtmäßig. Denn es kommt nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO darauf an, ob die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war. § 171 Abs. 10 AO ist unanwendbar. Da § 169 Abs. 1 Satz 3 AO sinngemäß gilt, ist die Frist nur gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist der Feststellungsbescheid den Bereich des FA verlassen hat. Das ist hier auch in Bezug auf das Jahr 1999 nicht geschehen, da die Festsetzungsverjährung für das Jahr 1999 bereits zum 31. Dezember 2003 eingetreten war (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Eine Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO kommt hier nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 14. April 2011 VI R 53/10, BFHE 233, 311, BStBl II 2011, 746).
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