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BFH 08.11.2011 - X B 55/11
BFH 08.11.2011 - X B 55/11 - (Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO)
Normen
§ 173 Abs 1 Nr 1 AO, § 173 Abs 1 Nr 2 AO
Vorinstanz
vorgehend FG Nürnberg, 25. Februar 2011, Az: 7 K 984/2008, Urteil
Leitsatz
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NV: Verletzt das FA seine Aufklärungspflicht und der Steuerpflichtige die ihm obliegende Mitwirkungspflicht, dann steht einer Änderung des Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO der Grundsatz von Treu und Glauben nur dann entgegen, wenn der Verstoß des FA die Mitwirkungspflichtverletzung durch den Steuerpflichtigen deutlich überwiegt.
Gründe
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Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Zulassungsgrunds i.S. des § 115 Abs. 2 FGO.
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1. Wird geltend gemacht, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), dann ist schlüssig darzulegen, dass die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Hierzu ist darzustellen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage zweifelhaft und strittig ist. Dies erfordert, dass sich die Beschwerdebegründung mit den in der Literatur und der Rechtsprechung zu dieser Frage vertretenen Auffassungen auseinandersetzt. Hat der Bundesfinanzhof (BFH) über die Rechtsfrage bereits früher entschieden, muss zudem ausgeführt werden, inwiefern und aus welchen Gründen die höchstrichterlich beantwortete Frage weiterhin umstritten ist und es daher einer erneuten Entscheidung des BFH bedarf (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 32 f., m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
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Diese vorstehend dargestellten Anforderungen gelten auch, soweit geltend macht wird, die Revisionszulassung sei zur Fortbildung des Rechts notwendig (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO). Denn bei diesem Zulassungsgrund handelt es sich um einen speziellen Tatbestand der Grundsatzrevision (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 38).
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2. Der Kläger hat nicht in der erforderlichen Weise die grundsätzliche Bedeutung und das Erfordernis der Zulassung aus Gründen der Rechtsfortbildung dargelegt.
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a) Er macht geltend, es bedürfe der höchstrichterlichen Klärung, ob § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) auch dann anwendbar sei, wenn die Finanzbehörde interne Anweisungen zur Steuerüberwachung nicht beachte.
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Der Kläger hat nicht begründet, weshalb die von ihm angesprochene Frage klärungsbedürftig sei. Insbesondere fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der hierzu vorhandenen Rechtsprechung und Literatur. Der bloße Hinweis des Klägers, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der BFH neue Kriterien entwickele, die im Rahmen von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu prüfen seien, wenn die Finanzbehörde bestehende Verwaltungsanweisungen nicht beachte, ist nicht ausreichend.
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Der Kläger setzt sich insbesondere nicht mit der ständigen Rechtsprechung des BFH zu § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO auseinander, nach der die Änderung eines Steuerbescheids wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben ausgeschlossen sein kann. Voraussetzung ist hier, dass das Finanzamt (FA) bei Erlass des ursprünglichen Bescheids offenkundigen Zweifelsfragen, Unklarheiten oder Zweifeln, die sich ohne weiteres aufdrängen, nicht nachgeht und Ermittlungsmöglichkeiten nicht nutzt, deren Ergiebigkeit sich ihm hätten aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 7. Juli 2004 XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911, und vom 12. Juli 2001 VII R 68/00, BFHE 196, 317, BStBl II 2002, 44).
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Erfüllt allerdings, wovon das Finanzgericht (FG) im Streitfall ausgegangen ist, der Steuerpflichtige seinerseits nicht in zumutbarer Weise die ihm obliegende Mitwirkungspflicht zur vollständigen und richtigen Mitteilung des relevanten Sachverhalts, dann bedarf es im Falle der Verletzung der Ermittlungspflicht durch das FA einer Abwägung der jeweiligen Pflichtverletzungen. Eine solche Abwägung hat regelmäßig zur Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (Senatsurteil vom 16. Juni 2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502).
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Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verstoß des FA gegen seine Ermittlungspflicht den Verstoß des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflicht deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585). Ob das der Fall ist, bestimmt sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls (BFH-Beschluss vom 10. November 2009 VI B 54/09, BFH/NV 2010, 602). Maßgeblich ist die Würdigung und Gewichtung der jeweiligen Pflichtverletzung durch das FG. Abstrakte Grundsätze, wie im Rahmen von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO Fälle zu beurteilen sind, in denen das FA Verwaltungsvorschriften nicht beachtet hat, lassen sich daher nicht aufstellen.
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b) Auch soweit der Kläger die Frage formuliert, ob ein (im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung) zu berücksichtigendes Verschulden des Steuerpflichtigen gegeben sei, wenn sich die neue Tatsache auf einen Vorgang stütze, nach dem in der Steuererklärung nicht ausdrücklich gefragt worden sei, fehlt es an Ausführungen des Klägers zur Klärungsbedürftigkeit dieser Frage in grundsätzlicher Hinsicht.
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Das vom Kläger angesprochene, beim beschließenden Senat anhängige Verfahren X R 53/09 ist nicht einschlägig. Es bezieht sich auf das in § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO genannte Tatbestandsmerkmal des groben Verschuldens. Im Streitfall ist hingegen die Anwendbarkeit von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu beurteilen. Danach kommt es auf ein Verschulden grundsätzlich nicht an.
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