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BFH 19.10.2011 - IV B 24/10
BFH 19.10.2011 - IV B 24/10 - (Zuständigkeit eines Finanzamts für Konzernbetriebsprüfung für landwirtschaftliche Betriebe aller Größenordnungen - Fehlende Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage - Verfassungsmäßigkeit von § 165 Abs. 2 Satz 1 AO und § 171 Abs. 8 Satz 1 AO)
Normen
§ 76 Abs 1 S 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 165 Abs 2 S 1 AO, § 171 Abs 8 S 1 AO, § 195 S 1 AO, § 18 AO, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 21. Januar 2010, Az: 11 K 2971/08 AO, Urteil
Leitsatz
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NV: Eine Regelung, wonach ein FA auch für solche Wirtschaftsabschnitte, Wirtschaftsgruppen, Wirtschaftsklassen und Wirtschaftsunterklassen zuständig ist, die "nicht zu einem Konzern im Oberfinanzbezirk ... gehören", kann nur dahingehend verstanden werden, dass auch solche landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Wirtschaftsabschnitte, Wirtschaftsgruppen, Wirtschaftsklassen und Wirtschaftsunterklassen erfasst werden, die keine Konzerngröße erreichen .
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet. Gründe, welche die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtfertigen könnten, liegen, soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) sie überhaupt in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt hat, nicht vor.
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1. Soweit sich die Klägerin mit Blick auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO darauf beruft, das Finanzgericht (FG) habe dadurch gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, dass es keine weiteren Ermittlungen über die Größenordnung ihres landwirtschaftlichen Betriebes angestellt habe, fehlt es bereits an der Rechtserheblichkeit eines solchen Verfahrensmangels. Das angefochtene Urteil des FG könnte nach dem insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Standpunkt des FG nämlich nur dann auf einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht beruhen, wenn die Möglichkeit bestünde, dass es bei richtigem Verfahren anders ausgefallen wäre (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 29. Oktober 2009 IV B 5/09, BFH/NV 2010, 445).
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a) Dies ist allerdings nicht der Fall. Zwar hat die Klägerin zu Recht darauf hingewiesen, dass das FG zunächst mit Blick auf die Größenordnung ihres Betriebes die sachliche Zuständigkeit des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) als Konzern- und Großbetriebsprüfungsamt hinterfragt hat. Nachdem das FA das FG allerdings auf den Erlass des Finanzministeriums des Landes X (Anmerkung des Dokumentars: ein Bundesland) zur Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter des Landes X hingewiesen hatte, hat das FG diese Frage in seinem Urteil zu Recht nicht mehr aufgeworfen.
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b) Nach dem vorgenannten Erlass berücksichtigt die Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter des Landes X die Neuordnung der Aufbauorganisation der Betriebsprüfung im Land X. Dazu wird wiederum in der Anlage klargestellt, dass das FA bei Betrieben aller Größenklassen nicht nur für "Konzerne im Oberfinanzbezirk A der Wirtschaftsabschnitte 'Land- und Forstwirtschaft', 'Fischerei und Fischzucht' einschließlich landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Dienstleistungen" (Abschn. 3.3.c aa), sondern auch für solche der unter Abschn. 3.3.c aa aufgeführten Wirtschaftsabschnitte, -gruppen, -klassen und -unterklassen, soweit sie "nicht zu einem Konzern im Oberfinanzbezirk A gehören", zuständig ist (Abschn. 3.3.c bb). Die letztgenannte Regelung kann mit dem FA nur dahingehend verstanden werden, dass auch solche land- und forstwirtschaftlichen Wirtschaftsabschnitte, -gruppen, -klassen und -unterklassen der Zuständigkeit des FA unterfallen, die keine Konzerngröße erreichen. Dies folgt schon aus der unter Abschn. 3.3.c der Einzelaufzählung der betroffenen Betriebe vorangestellten Formulierung "bei Betrieben aller Größenklassen".
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2. Auch soweit die Klägerin rügt, das Urteil des FG beruhe insoweit auf einem Aufklärungsfehler, als es die Umstände der örtlichen Zuständigkeit des FA nicht weiter aufgeklärt habe, gilt nichts anderes. Die örtliche Zuständigkeit folgt bereits aus den unter 1. genannten Bestimmungen. Die Klägerin kann sich wegen § 18 i.V.m. § 195 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) auch nicht auf ihren eigenen Umzug nach Y (Anmerkung des Dokumentars: ein anderes Bundesland) berufen. Danach richtet sich die örtliche Zuständigkeit für Außenprüfungen bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft nach der Lage des Betriebes und nicht dem Wohnort des Betriebsinhabers.
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3. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob § 171 Abs. 8 AO deshalb verfassungswidrig sein könnte, weil er keine Begrenzung der Möglichkeit der Änderung vorläufiger Bescheide auf nicht festsetzungsverjährte Veranlagungszeiträume enthalte, ist nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO klärungsbedürftig, weil sie durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bereits geklärt ist und die Klägerin keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen hat, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen würden (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Juli 2008 VIII B 179/07, BFH/NV 2008, 1874).
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a) In seinem Urteil vom 26. Oktober 2005 II R 9/01 (BFH/NV 2006, 478) hat der BFH ausgeführt, der Rechtmäßigkeit eines auf § 171 Abs. 8 AO gestützten Änderungsbescheides stehe es nicht entgegen, dass er erst nahezu 14 Jahre nach Erlass desjenigen Bescheides ergangen sei, mit dem die Vorläufigkeit angeordnet worden sei. Ein solcher Zeitraum begründe schon deshalb keinen Verstoß gegen das Wertungs- und Normensystem der AO, weil § 165 AO in zeitlicher Hinsicht keine Begrenzung der Vorläufigkeit vorsehe und der Gesetzgeber den Beginn und den Ablauf der Verjährungsfristen durch zahlreiche Hemmungstatbestände und auch durch § 171 Abs. 8 AO hinausgeschoben habe. Insbesondere hat der BFH deutlich gemacht, dass er § 165 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 171 Abs. 8 Satz 1 AO auch für verfassungsgemäß hält, soweit sich aus diesen Vorschriften keine zeitliche Begrenzung der Änderungsbefugnis des FA ergibt. Dies wiederum folgt daraus, dass den möglichen Widerstreit zwischen der materiellen Gerechtigkeit einerseits und den mit dem Institut der Verjährung verwirklichten Belangen der Rechtssicherheit andererseits in erster Linie der Gesetzgeber zu entscheiden hat. Solange der Gesetzgeber dabei ohne Willkür handele, könne die von ihm gewählte Regelung weder unter dem Blickwinkel des Rechtsstaatsprinzips noch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes beanstandet werden.
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b) Der Spielraum des Gesetzgebers endet nach der vorgenannten Rechtsprechung erst dort, wo ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Regelung fehlt. § 165 Abs. 2 Satz 1 und § 171 Abs. 8 Satz 1 AO beruhen aber auf sachlich einleuchtenden und willkürfreien Gründen, denn durch sie soll die Steuerfestsetzung wegen der Ungewissheit einzelner Besteuerungsgrundlagen offengehalten werden.
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c) Soweit die Klägerin dagegen ausführt, danach könne das FA im Nachhinein ohne zeitliche Begrenzung über das Lebenswerk eines Menschen entscheiden, ist dem nicht zu folgen. Insoweit hat der BFH in seinem Urteil in BFH/NV 2006, 478 bereits darauf hingewiesen, dass der Steuerpflichtige --abgesehen von der Möglichkeit, durch eigene Mitteilung die Voraussetzungen für die Beendigung der Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 8 AO herbeizuführen-- bei Entfallen der Ungewissheit i.S. des § 165 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO die Endgültigkeitserklärung des Steuerbescheids beantragen und dieses Begehren ggf. durch Rechtsbehelfe durchsetzen kann. Auch ist danach zu berücksichtigen, dass ein auf § 165 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 171 Abs. 8 AO beruhender Ausschluss der Verjährung durch das Rechtsinstitut der Verwirkung abgemildert wird.
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d) Soweit die Klägerin im Übrigen ausführt, das FG habe die angesprochene Problematik bezogen auf den Streitfall nicht erkannt, wird nur die materielle Richtigkeit des FG-Urteils angegriffen. Dies reicht aber nicht aus, um einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO darzulegen (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Mai 2007 V B 104/05, BFH/NV 2007, 1724; auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 24, m.w.N.).
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