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BFH 01.09.2011 - II R 16/10
BFH 01.09.2011 - II R 16/10 - Grunderwerbsteuerbefreiung bei Verkauf eines Kirchengrundstücks an eine andere Religionsgemeinschaft
Normen
§ 4 Nr 1 GrEStG 1997
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 5. November 2009, Az: 3 K 71/09, Urteil
Leitsatz
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Der Verkauf eines Kirchengrundstücks durch eine Religionsgemeinschaft an eine andere konfessionsverschiedene Religionsgemeinschaft ist nicht wegen der fortgesetzten Grundstücksnutzung für sakrale Zwecke nach § 4 Nr. 1 GrEStG steuerbefreit.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Religionsgemeinschaft orthodoxer Konfession. Sie hat den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.
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Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 9. März 2005 kaufte die Klägerin von einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde (Beigeladene) "für Zwecke des Gottesdienstes und der Seelsorge" ein mit einer Kirche und einem Pastorat bebautes Grundstück. Dieses befindet sich in einem Ortsteil, in dem ursprünglich mehrere evangelisch-lutherische Kirchengemeinden ansässig waren, die jeweils über eigene Kirchen verfügten. Vor dem Verkauf des Grundstücks wurden diese Kirchengemeinden zu einer Kirchengemeinde, der Beigeladenen, zusammengelegt.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) beurteilte den Erwerb des Grundstücks nicht als steuerfrei nach § 4 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes in der ab 1. Januar 1999 gültigen Fassung (GrEStG) und setzte zuletzt mit Bescheid vom 9. Mai 2006 die Grunderwerbsteuer auf 46.983 € fest.
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Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, der Erwerb des Grundstücks sei nach § 4 Nr. 1 GrEStG steuerfrei. Die Nutzung des Grundstücks für Gottesdienst und Seelsorge sowie die Verwaltung der auf dem Grundstück befindlichen Kirche seien öffentlich-rechtliche, auf das Grundstück bezogene Aufgaben, die von der Beigeladenen auf die Klägerin übergegangen seien. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 1154 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 4 Nr. 1 GrEStG. Die Beigeladene habe auch nach Übertragung des Grundstücks auf die Klägerin die gleichen gottesdienstlichen und seelsorgerischen Aufgaben. Sie biete diese weiterhin, lediglich an anderer Stelle innerhalb des Gemeindegebiets, an.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Die Beigeladene hat keinen eigenen Sachantrag gestellt.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Zu Unrecht hat das FG angenommen, dass der Erwerb des Grundstücks durch die Klägerin nach § 4 Nr. 1 GrEStG steuerfrei sei. Entgegen der Ansicht des FG sind im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb keine öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Beigeladenen auf die Klägerin übergegangen.
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a) Gemäß § 4 Nr. 1 GrEStG ist der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts von der Besteuerung u.a. ausgenommen, wenn das Grundstück aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben von der einen auf die andere juristische Person übergeht und nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient.
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Nach seinem aus dem Wortlaut ersichtlichen Sinn und Zweck soll § 4 Nr. 1 GrEStG den Wechsel des Trägers einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe von Grunderwerbsteuer freihalten, sofern mit diesem Trägerwechsel auch ein (rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher) Übergang des Eigentums an Grundstücken verbunden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Mai 1989 II R 98/86, BFH/NV 1990, 263, m.w.N.). Ein "Übergang" von Aufgaben liegt nur vor, wenn die übernehmende juristische Person des öffentlichen Rechts eben die Funktionen wahrnimmt, welche bisher die übergebende juristische Person wahrgenommen hat (Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 4 Rz 14; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 4 Rz 9, jeweils m.w.N.). Kein Übergang öffentlich-rechtlicher Aufgaben liegt daher vor, wenn juristische Personen des öffentlichen Rechts ihre Tätigkeiten aufeinander abstimmen, aber nach wie vor dieselben Aufgaben haben (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 263).
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b) Diese Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 GrEStG sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Klägerin hat das Grundstück nicht "aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben" der Beigeladenen auf die Klägerin erworben.
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Die Beigeladene und die Klägerin nehmen als (konfessionsverschiedene) Religionsgemeinschaften je ihre eigenen Angelegenheiten (vgl. auch Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 140 des Grundgesetzes i.V.m. Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung) wahr. Dazu gehören auch und gerade die ihren jeweiligen konfessionellen Grundsätzen entsprechende Abhaltung von Gottesdiensten sowie die Seelsorge.
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Demgemäß ergibt sich im Streitfall allein dadurch, dass das Kirchengrundstück nunmehr anstelle der Beigeladenen von der Klägerin für Zwecke des Gottesdienstes und der Seelsorge genutzt wird, kein Übergang von öffentlich-rechtlichen Aufgaben. Die Aufgabe der Beigeladenen zur (konfessionsgebundenen) Abhaltung von Gottesdiensten und zur seelsorgerischen Betätigung ist in vollem Umfang bei ihr verblieben und ist weder ganz noch teilweise auf die Klägerin übergegangen. Allein der hier mit dem Grundstücksgeschäft verfolgte Zweck, den sakralen Charakter des Kirchengebäudes durch eine weitere --wenn auch nunmehr konfessionsverschiedene-- Nutzung für religiöse Zwecke zu bewahren, begründet keinen Übergang einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe.
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Dass der Klägerin nach dem Grundstückserwerb die Unterhaltung des Grundstücks einschließlich der darauf befindlichen Gebäude obliegt, ist Folge und nicht Anlass des Grundstückserwerbs und kann schon deshalb die Anwendung des § 4 Nr. 1 GrEStG nicht begründen.
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Die Klägerin wird entgegen ihrer Auffassung durch die Versagung der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 GrEStG nicht diskriminiert oder im Verhältnis zu evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden ungleich behandelt. Denn der Grundstückserwerb durch die Klägerin ist nicht deshalb steuerpflichtig, weil die Klägerin und die Beigeladene Religionsgemeinschaften verschiedener Glaubensrichtungen sind. Für die Versagung der Steuerbefreiung aus § 4 Nr. 1 GrEStG ist vielmehr entscheidend, dass die Beigeladene ihre öffentlich-rechtlichen Aufgaben weiterhin selbst wahrnimmt.
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2. Die Vorentscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar. Der Erwerb des Grundstücks ist insbesondere nicht nach § 4 Nr. 3 GrEStG steuerbefreit.
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Nach dieser Vorschrift ist von der Besteuerung ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks durch einen ausländischen Staat oder eine ausländische kulturelle Einrichtung, wenn das Grundstück für kulturelle Zwecke bestimmt ist und Gegenseitigkeit gewährleistet wird. Dieser Tatbestand ist schon deshalb nicht erfüllt, weil es sich bei der Klägerin nicht um einen ausländischen Staat oder eine ausländische kulturelle Einrichtung, sondern um eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts handelt (vgl. auch Urteil des FG Köln vom 31. Mai 1989 11 K 1026/87, EFG 1989, 647; Viskorf, a.a.O., § 4 Rz 36; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 4 Rz 7).
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3. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war abzuweisen.
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