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BFH 26.01.2011 - IX R 20/10
BFH 26.01.2011 - IX R 20/10 - Außerordentliche Einkünfte aus Entschädigungen
Normen
§ 34 Abs 1 EStG 2002, § 34 Abs 2 Nr 2 EStG 2002, § 24 Nr 1 EStG 2002, § 3 Abs 9 EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 9. März 2010, Az: 8 K 972/08, Urteil
Leitsatz
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Zu außerordentlichen Einkünften führen nur solche Entschädigungen, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen führt.
Tatbestand
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I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammenveranlagte Ehegatten. Der Kläger, im Streitjahr 2006 47 Jahre alt, war bei der K AG (AG) nichtselbständig beschäftigt. Am 31. Mai 2005 wurde zwischen ihm und der AG folgender Aufhebungsvertrag abgeschlossen:
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"1. Die vertragsschließenden Parteien kommen überein, dass das bestehende Arbeitsverhältnis im Zusammenhang mit der Restrukturierungsphase II gemäß dem Interessenausgleich vom 14.03.2005 aus betrieblichen Gründen mit Ablauf des 31.12.2005 einvernehmlich endet. ...
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2. Herr ... (der Kläger) erhält für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung in Höhe von 77.788 € brutto gemäß § 8 des Sozialplanes vom 14.03.2005. Die vorgenannte Abfindung wird unter Berücksichtigung der §§ 9, 10 KSchG und § 3 Nr. 9 EStG gezahlt und wird in einer ersten Rate in Höhe von brutto 10.000 € Ende Juni 2005 und einem Restbetrag in Höhe von brutto 67.788 € Ende Januar 2006 fällig. Darüber hinaus erklärt das Unternehmen seine Bereitschaft, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Gabelstapler- bzw. Lkw-Führerscheines entstehenden Aufwendungen bis zu einer Gesamthöhe von 2.000 € zu übernehmen. ...
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4. Die Parteien kommen überein, dass mit der Vereinbarung der Sozialplan vom 14.03.2005 erfüllt ist und alle weiteren wechselseitigen Ansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis ausgeglichen und abgegolten sind und keine Tatsachen vorliegen, die weitergehende Ansprüche rechtfertigen können. ..."
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Zur Vorlage beim Finanzamt bescheinigte die AG dem Kläger:
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" ... dass sein mit uns bestehendes Arbeitsverhältnis im Zuge der AG-Restrukturierungsphase II am 31.12.2005 endete. Nach dem für diese Restrukturierung mit dem Betriebsrat geschlossenen Sozialplan hatte Herr ... (der Kläger) einen Gesamtabfindungsanspruch in Höhe von 77.788 €. Im Zuge unserer Fürsorgepflicht und mit Blick auf die von Herrn ... (dem Kläger) eingeleiteten existenzsichernden Maßnahmen wurde ihm auf seine grundsätzlich nach Arbeitsvertragsende fällig werdenden Zahlung eine Vorauszahlung in Höhe von 10.000 € Ende Juni 2005 gewährt."
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Mit Einkommensteuererklärung 2005 erklärte der Kläger eine Zahlung von 2.800 € als Entschädigung. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) besteuerte mit Einkommensteuerbescheid 2005 einen Betrag in Höhe von 3.000 € gemäß § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
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Lt. Entgeltabrechnung der AG vom 20. Februar 2006 und Lohnsteuerbescheinigung 2006 flossen dem Kläger im Streitjahr 2006 70.664,53 € Bruttoentgelte zu. Hierin enthalten war lt. Entgeltberechnung ein Abfindungsbetrag über 67.788 €. Entsprechend der Abmachung vom 31. Mai 2005 übernahm die AG von den Führerscheinkosten des Klägers in Höhe von 2.469,41 € den Betrag von 2.000 €, der in der Entgeltabrechnung als geldwerter Vorteil berücksichtigt wurde und in den Bruttoarbeitslohn lt. Lohnsteuerbescheinigung 2006 einfloss. Mit Einkommensteuererklärung 2006 erklärte der Kläger Entschädigungsleistungen in Höhe von 70.385 €.
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Im Einkommensteuerbescheid 2006 ging das FA von einem Bruttoarbeitslohn des Klägers in Höhe von 70.674 € aus. Die Rechtsprechung habe zwar die Verteilung der Zahlung der Abfindungssumme auf zwei Veranlagungszeiträume als unschädlich angesehen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien. Diese lägen bei dem Kläger nicht vor.
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Nach erfolglosem Einspruch hat das Finanzgericht (FG) der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1018 veröffentlichten Urteil stattgegeben und entschieden, die dem Kläger im Streitjahr 2006 zugeflossene Abfindungszahlung sei nach § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG ermäßigt zu besteuern.
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Der Kläger habe eine Abfindung in Höhe von insgesamt 77.788 € gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für den weiteren Bezug seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der AG erhalten. Eine für die ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG erforderliche Zusammenballung der Entschädigungszahlung liege in Gestalt der im Streitjahr bezogenen Hauptentschädigungsleistung in Höhe von 67.788 € unabhängig davon vor, dass der Kläger im Vorjahr eine Teilleistung in Höhe von 10.000 € erhalten habe. Dabei gehe das FG von einer Bagatellgrenze von 5 % aus, bis zu der eine steuerpflichtige Teilleistung in einem Veranlagungszeitraum im Verhältnis zur steuerpflichtigen Gesamtleistung für die Steuerbegünstigung der in einem weiteren Veranlagungszeitraum zufließenden steuerpflichtigen Hauptleistung unbeachtlich sei. Der steuerpflichtige, dem Kläger im Jahr 2005 zugeflossene Betrag von 2.800 € liege unter dieser Bagatellgrenze (2.800 € zu 70.588 €).
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Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung materiellen Rechts rügt. Insbesondere folge die vom FG angenommene Bagatellgrenze weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck des Gesetzes, sie widerspreche höherrangigem Recht.
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Das FA beantragt,
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das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Revision zurückzuweisen.
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Die Teilzahlung des Jahres 2005 sei nicht geeignet, den Zusammenballungscharakter der Hauptentschädigungsleistung im Streitjahr in Frage zu stellen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Zu Recht hat das FG entschieden, dass die dem Kläger im Streitjahr zugeflossene Abfindungszahlung nach § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG ermäßigt zu besteuern ist.
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1. Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen in Betracht, die gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.
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a) Eine Entschädigung liegt vor, wenn die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. September 2003 XI R 9/02, BFHE 204, 65, BStBl II 2004, 349, m.w.N.).
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b) Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG werden in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen (BFH-Urteil vom 9. Oktober 2008 IX R 85/07, BFH/NV 2009, 558). Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehreren verschiedenen Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835, m.w.N.).
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Gleichwohl ist der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum nach dem Wortlaut von § 34 EStG kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Nach seinem Zweck ist § 34 Abs. 1 EStG trotz Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen auch dann anwendbar, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag ausgezahlt wird. Wollte man in derartigen Fällen an einem ausnahmslosen Erfordernis eines zusammengeballten Zuflusses der außerordentlichen Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum festhalten, so würden über den Gesetzeswortlaut des § 34 Abs. 1 EStG hinaus die Voraussetzungen der Tarifermäßigung ohne sachlichen Grund verschärft und die ratio legis verfehlt (BFH-Urteil vom 25. August 2009 IX R 11/09, BFHE 226, 265, BStBl II 2011, 27).
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Der unbestimmte Rechtsbegriff der außerordentlichen Einkünfte ist im Wege der Auslegung nach Maßgabe der ratio legis zu konkretisieren. Danach sind außerordentliche Einkünfte solche, deren Zufluss in einem Veranlagungszeitraum zu einer für den jeweiligen Steuerpflichtigen im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führen. Diese abzumildern ist der Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG (vgl. die ständige Rechtsprechung, BFH-Urteil vom 4. März 1998 XI R 46/97, BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787, m.w.N.). Diese --veranlagungszeitraumbezogen betrachtet-- begünstigende Behandlung von zusammengeballt zugeflossenen Einnahmen, deren Zufluss sich beim jeweiligen Steuerpflichtigen nach dessen regelmäßiger Einkünftesituation normalerweise auf mehrere Jahre verteilt hätte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787), verwirklicht --veranlagungszeitraumübergreifend betrachtet-- eine gleichmäßige progressive Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dementsprechend sind solche Entschädigungen als außerordentliche Einkünfte zu behandeln, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung des jeweiligen Steuerpflichtigen führt. Zwar liegt sie typischerweise nicht vor, wenn eine einheitliche Entschädigungsleistung in mehreren Veranlagungszeiträumen zufließt; indes kann eine nur geringfügige Teilleistung in dem dem Zuflussjahr der Hauptentschädigungsleistung vorangegangenen Veranlagungszeitraum dieser Ausnahmesituation mit ihrem Bedarf nach der von § 34 EStG bezweckten Progressionsabmilderung entsprechen.
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Wann von einer solchen unschädlichen geringfügigen Teilleistung auszugehen ist, bestimmt sich nach dem Vorliegen einer Ausnahmesituation in der individuellen Steuerbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen. Eine starre Prozentgrenze sieht das Gesetz weder vor noch kann eine solche die gesetzlich geforderte Prüfung der Außerordentlichkeit im Einzelfall ersetzen.
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2. Nach diesen Grundsätzen ist die vom Kläger im Streitjahr bezogene Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gemäß § 34 Abs. 1 EStG tarifbegünstigt zu besteuern.
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Der Kläger erhielt die Abfindung als Ersatz für den weiteren Bezug seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
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Eine für die ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG erforderliche Zusammenballung der Entschädigungszahlung liegt in Gestalt der im Streitjahr bezogenen Hauptentschädigungsleistung unabhängig davon vor, dass der Kläger bereits im Jahr zuvor 2.800 € als steuerpflichtige Teilleistung der Entschädigung erhalten hat. Soweit die Teilleistung nach § 3 Nr. 9 EStG in der im Jahr 2005 geltenden Fassung in Höhe von 7.200 € steuerfrei ist, ist sie außer Betracht zu lassen, da sie ohnehin keine Progressionsbelastung bewirken kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835). Da im Streitfall keine besonderen tatsächlichen Umstände erkennbar sind, die die Teilleistung bedingen oder prägen, ist die Frage, ob die Teilleistung der Außerordentlichkeit der Hauptentschädigungszahlung im Jahr 2006 entgegensteht, alleine ausgehend von der Höhe der Teilleistung zu beurteilen. Insoweit bewirkt die Teilleistung von 2.800 € im Hinblick auf einen Bruttoarbeitslohn des Klägers für das Jahr 2005 von ca. 42.000 € und eine Hauptentschädigungszahlung im Jahr 2006 von knapp 68.000 € keine relevante Progressionsverschiebung im Jahr 2005, die geeignet wäre, die Ausnahmesituation des Klägers hinsichtlich seiner Progressionsbelastung im Streitjahr zu beeinflussen.
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