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BFH 17.12.2010 - III B 145/09
BFH 17.12.2010 - III B 145/09 - Ansatz des Kindergeldes im Rahmen der Günstigerprüfung bei Übertragung des Kinderfreibetrages des anderen Elternteils - Grundsätzliche Bedeutung bei ausgelaufenem Recht
Normen
§ 31 S 5 EStG 2002, § 32 Abs 6 S 6 EStG 2002, § 36 Abs 2 S 1 EStG 2002, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, Art 1 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 28. Mai 2009, Az: 6 K 9/05, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Auch nach den bis VZ 2003 geltenden Fassungen des § 31 Satz 5 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG war bei Abzug eines doppelten Kinderfreibetrages bzw. der Übertragung des Kinderfreibetrages des anderen Elternteils (§ 32 Abs. 6 Satz 6 EStG) das Kindergeld in voller Höhe hinzuzurechnen .
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2. NV: Das BVerfG hat inzwischen auch entschieden, dass die Hinzurechnung des Kindergeldes zur Steuerschuld auch bei Nichtanrechnung auf den Unterhalt mit dem Gebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums vereinbar ist .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist als Steuerberaterin selbständig tätig. In den Streitjahren 2002 und 2003 lebte ihre 1987 geborene Tochter (T) bei ihr. Die Klägerin erhielt 154 € Kindergeld monatlich ausbezahlt (Jahresbetrag 1.848 €). Der Vater von T kam seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nach. Für ihn trat das Jugendamt in Vorleistung und überwies der Klägerin monatlich 162,59 € als Lebensunterhalt für T (Jahresbetrag 1.951,08 €).
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In den Einkommensteuererklärungen beantragte die Klägerin, bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens den Abzug eines Hauhaltsfreibetrags nach § 32 Abs. 7 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die dem Vater für das Kind zustehenden Freibeträge von zusammen jeweils 2.904 € (= 1.824 € Kinderfreibetrag und 1.080 € Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) nach § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG auf sie zu übertragen. Die Klägerin begehrte ferner, das ihr ausgezahlte Kindergeld der festzusetzenden Einkommensteuer nur zur Hälfte (= 924 €) hinzuzurechnen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) rechnete indes das volle Kindergeld hinzu. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet ab. Die gebotene steuerliche Freistellung bei der Klägerin sei durch das Kindergeld bereits in vollem Umfange bewirkt worden. Dies zeige die Günstigerprüfung. Dabei werde die Höhe des während des Kalenderjahres gezahlten Kindergelds mit der Steuerminderung verglichen, die sich bei Abzug der Freibeträge ergeben habe. Da das Kindergeld höher sei als die Steuerminderung aufgrund der Freibeträge, komme deren Abzug bei der Klägerin nach § 31 Satz 4 EStG nicht in Betracht. Es sei nicht möglich, die Günstigerprüfung in der Weise durchzuführen, dass einerseits die vollen Freibeträge für Kinder von 5.808 € vom Einkommen abgezogen würden, dafür aber das ausgezahlte Kindergeld nur zur Hälfte, also mit 924 € einbezogen werde, wie dies die Klägerin begehre. Dies ergebe sich eindeutig aus § 31 Satz 5 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung. Die Formulierung in § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG "im entsprechenden Umfang" im sprachlichen Zusammenhang mit § 32 Abs. 6 EStG sei so zu verstehen, dass bei Abzug nur eines einfachen Kinderfreibetrages gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG das Kindergeld zur Hälfte und bei Abzug eines doppelten Kinderfreibetrages (§ 32 Abs. 6 Sätze 2 und 3 EStG) bzw. der Übertragung des Kinderfreibetrages des anderen Elternteils (§ 32 Abs. 6 Satz 6 EStG) das Kindergeld in voller Höhe hinzuzurechnen sei. Die Hinzurechnung nach § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG hänge nicht davon ab, ob und wie das Kindergeld auf den Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern anzurechnen sei.
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Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung begehrt. Die konsequente Anwendung von § 31 Satz 5 EStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung führe bei ihr im Ergebnis zu einem erheblichen Nachteil, welcher sich auf die Sicherung des Existenzminimums der Tochter in negativer Weise auswirke. Durch die doppelte Berücksichtigung sowohl der Kinderfreibeträge als auch des vollen Kindergeldes würden ihr (der Klägerin) die Vorteile, welche ihr die Übertragung der Freibeträge hätten einräumen sollen, wieder genommen und darüber hinaus noch ins Negative verkehrt. Die doppelte Berücksichtigung des Kindergeldes führe dazu, dass ihr (der Klägerin) der Teil des Kindergeldes des Vaters zweifach in Abzug gebracht werde. Zum einen wirke es sich bereits auf den Unterhalt in der Weise aus, dass der eigentliche Unterhalt gemindert um das Kindergeld gezahlt werde. Zum anderen werde ihr durch die direkte Zahlung des gesamten Kindergeldes und die Übertragung der Freibeträge auf der anderen Seite das gesamte Kindergeld in Anrechnung gebracht. Solle die beabsichtigte Besserstellung des Alleinerziehenden im Falle der Nichtleistung des Unterhalts durch den anderen Teil nicht konterkariert werden, so dürfe bei der durchzuführenden Günstigerprüfung in diesem speziellen Falle der den nicht zahlenden Vater bereits begünstigende Teil des Kindergeldes nicht nochmals bei der alleinerziehenden Mutter Berücksichtigung finden. Im vorliegenden Falle handele es sich genau um den passenden Pendant-Fall zu dem vom Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen VIII R 51/03 dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter dem Aktenzeichen 2 BvL 3/05 vorgelegten Fall.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Die von der Klägerin vorgetragene grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) liegt nicht vor.
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Die Zulassung der Revision scheitert schon daran, dass die zu klärende Rechtsfrage der Auslegung des § 31 Satz 5 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG in den in den Streitjahren geltenden Fassungen ausgelaufenes Recht betrifft und die Klägerin einen dennoch bestehenden Bedarf, die im Streitfall zu beurteilende Frage zu klären, nicht substantiiert dargelegt hat. Nach ständiger Rechtsprechung müssen nämlich, soweit die Rechtsfrage ausgelaufenes Recht betrifft, in der Beschwerdebegründung besondere Gründe geltend gemacht werden, die ausnahmsweise eine Abweichung von der Regel rechtfertigen, wonach Rechtsfragen, die solches Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt (BFH-Beschluss vom 17. März 2009 X B 34/08, BFH/NV 2009, 1141). Ab Veranlagungszeitraum 2004 hat der Gesetzgeber in § 31 Satz 4 2. Halbsatz EStG nunmehr eindeutig geregelt, dass bei nicht zusammenveranlagten Eltern der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrages angesetzt wird.
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Im Übrigen weist die Klägerin selbst darauf hin, dass auch nach der Rechtsprechung des BFH zu den in den Streitjahren geltenden Fassungen im Rahmen der sog. Günstigerprüfung bei Übertragung des halben Kinderfreibetrages wegen einer Unterhaltspflichtverletzung des barunterhaltspflichtigen Elternteils auch das volle Kindergeld hinzuzurechnen war (BFH-Urteil vom 16. März 2004 VIII R 88/98, BFHE 205, 465, BStBl II 2005, 594). Der BFH hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es zu einer mit dem Zweck des Familienleistungsausgleichs unvereinbaren Mehrfachbegünstigung käme, wenn bei der Vergleichsrechnung dem vollen Kinderfreibetrag nur das hälftige Kindergeld gegenübergestellt würde. Denn in diesem Fall wäre nicht nur ein Einkommensbetrag in Höhe des Existenzminimums des Kindes von der Einkommensteuer freigestellt, sondern die Klägerin könnte darüber hinaus das hälftige Kindergeld anrechnungsfrei vereinnahmen. Das Existenzminimum eines Kindes, für dessen Unterhalt ein Elternteil alleine aufkomme, dürfe nicht höher angesetzt werden, als dasjenige eines Kindes, dessen Unterhalt von zusammenveranlagten Eltern getragen werde (vgl. auch BFH-Urteil vom 25. September 2008 III R 45/06, BFH/NV 2009, 556).
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Außerdem hat das BVerfG, auf dessen bisher anhängiges Verfahren 2 BvL 3/05 die Klägerin Bezug genommen hat, inzwischen entschieden, dass die Hinzurechnung des Kindergeldes zur Steuerschuld gemäß § 31 Satz 5 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG auch bei Nichtanrechnung auf den Unterhalt mit dem Gebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums vereinbar ist (BVerfG-Beschluss vom 13. Oktober 2009 2 BvL 3/05, BVerfGE 124, 282).
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