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BFH 07.06.2010 - VIII B 24/10
BFH 07.06.2010 - VIII B 24/10 - Rechtliches Gehör - Wahrnehmung eigener Interessen
Normen
§ 160a Abs 2 S 2 ZPO, § 329 Abs 2 S 1 ZPO, § 94 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 155 FGO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 14. Dezember 2009, Az: 10 K 2140/08, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Das angefochtene Urteil beruht nicht auf dem Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, wenn der benachteiligte Verfahrensbeteiligte die vorhandenen prozessualen Möglichkeiten, sich das rechtliche Gehör zu verschaffen, nicht ausgeschöpft hat.
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2. NV: Hat das FG den Klägern die prozessleitende Ladung einer Zeugin verfahrensfehlerhaft nicht mitgeteilt, beruht das Urteil nicht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, wenn sich die Kläger auf die Einvernahme der Zeugin einlassen, anstatt zur ausreichenden eigenen Vorbereitung die Vertagung der Beweisaufnahme zu beantragen.
Gründe
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Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
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1. Im Ausgangspunkt zu Recht rügen die Kläger, dass ihnen die zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung vom Finanzgericht (FG) von Amts wegen erlassenen Beschlüsse vom 13. November 2009 und 30. November 2009 betreffend die Zeugin X sowie die Ladung der Zeugin vom FG nicht mitgeteilt worden sind. Verfügungen und Beschlüsse des Gerichts, die nicht förmlich zugestellt werden müssen, sind den Beteiligten zumindest formlos mitzuteilen (§ 155 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 329 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Die Mitteilungspflicht dient auch der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs. Gleichwohl begründet der darin liegende Verstoß im Streitfall keinen zur Zulassung der Revision führenden Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Kläger machen zwar geltend, dass sie sich auf die Vernehmung der Zeugin X infolge der unterbliebenen Mitteilung nicht ausreichend hätten vorbereiten können. Dieser Einwand greift im Streitfall jedoch nicht durch, weil nicht festgestellt werden kann, dass das Urteil auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Daran fehlt es, wenn der Verfahrensbeteiligte die vorhandenen prozessualen Möglichkeiten, sich das rechtliche Gehör zu verschaffen, nicht ausgeschöpft hat (vgl. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Mai 1956 1 BvR 53/54, BVerfGE 5, 9). Das ist hier der Fall. In der mündlichen Verhandlung vor dem FG haben die Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift nur gerügt, dass sie den Beweisbeschluss betreffend die Zeugin X nicht erhalten hätten. Diesen Umstand hätten sie jedoch ggf. zum Anlass nehmen müssen, um in der mündlichen Verhandlung wegen fehlender Möglichkeit zur Vorbereitung auf eine Vertagung der Beweisaufnahme hinzuwirken. Dadurch hätte eine Gehörsverletzung in dieser Phase des Verfahrens noch vermieden werden können. Auf die unwiderlegliche Kausalitätsvermutung des § 119 Nr. 3 FGO können sich die Kläger nicht berufen, da sie nicht von der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen waren und ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens nicht vorliegt (vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 3. September 2001 GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802).
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2. Soweit die Kläger geltend machen, das FG habe für sie günstige Elemente der Aussagen beider Zeuginnen übergangen, ist ihr Vortrag nicht genau genug (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Da die Beweiswürdigung revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen ist, führt der Einwand fehlerhafter Beweiswürdigung regelmäßig nicht zur Zulassung der Revision (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 82, m.w.N.). Einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), der auch darin liegen kann, dass das FG eindeutige Aussagen von Zeugen übergeht, haben die Kläger nicht ausreichend dargelegt. Dazu hätten sie konkret darstellen müssen, welche Aussagen der Zeuginnen im Urteil unberücksichtigt geblieben sind. An der Geltendmachung dieses Verfahrensmangels waren die Kläger nicht dadurch gehindert, dass das FG gemäß § 94 FGO i.V.m. § 160a Abs. 2 Satz 2 ZPO in Bezug auf die Aussagen der Zeuginnen von der Herstellung des Protokolls abgesehen hat. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die Auffassung des FG Baden-Württemberg zutrifft, wonach eine Ergänzung des Protokolls (§ 160a Abs. 2 Satz 3 ZPO) von den Beteiligten nur gefordert werden kann, wenn die Revision zugelassen worden ist (FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Januar 2001 5 K 84/99, Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 583). Eine förmliche Ergänzung des Protokolls haben die Kläger nicht beantragt. Den Klägern ist aber Akteneinsicht gewährt worden durch Übersendung des Datenträgers, auf dem die Sitzungsniederschrift vorläufig aufgezeichnet worden ist. Danach hatten sie mutmaßlich Zugriff auf den vollständigen Wortlaut der Aufzeichnungen und waren in der Lage, sämtliche Aussageteile, deren Übergehung gerügt werden sollte, so genau zu bezeichnen, dass eine Feststellung durch das Revisionsgericht ermöglicht wird. Daran fehlt es.
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3. Ohne Erfolg rügen die Kläger schließlich eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO). Für das Vorliegen eines Verfahrensmangels kommt es auf den materiell-rechtlichen Standpunkt des FG an (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 96). Das FG ist --anders als die Kläger-- in rechtlicher Hinsicht nicht davon ausgegangen, dass es für die Frage der "Leichtfertigkeit" i.S. von § 169 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung darauf ankommt, wie häufig der im Streitfall festgestellte Buchungsfehler bei anderen Steuerberatern ebenfalls vorgekommen ist. Es hat lediglich darauf abgestellt, dass die Zeugin Y aufgrund ihrer Ausbildung, ihrer langjährigen Berufserfahrung und der von DATEV zur Verfügung gestellten Hinweise hätte wissen können und müssen, welche Buchungen erforderlich waren, um von einer Buchführung mit Forderungskonten zu einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes überzugehen. Dem Umstand, ob und ggf. wie häufig andere Steuerberater den nämlichen Fehler ebenfalls begangen haben, hat das FG für die Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs ersichtlich keine Bedeutung beigemessen. Es hat deshalb von seinem Standpunkt aus zu Recht von weiterer Sachaufklärung insoweit abgesehen.
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