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BFH 24.03.2010 - VI B 132/09
BFH 24.03.2010 - VI B 132/09 - Verletzung rechtlichen Gehörs bei Überprüfung eines Lohnsteuerhaftungsbescheids - kein Verfahrensmangel bei unzutreffendem Schätzungsergebnis - Zulassung zur Revision aufgrund Verstoßes gegen Denkgesetze bei Schätzungen
Normen
§ 116 Abs 3 S 3 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 96 Abs 2 FGO, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 28. August 2009, Az: 11 K 528/07, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Mit der Rüge, das FG habe die Frage der Rechtmäßigkeit des Auswahlermessens rechtsfehlerhaft nicht geprüft und der Klägerin dadurch rechtliches Gehör versagt, wird kein die Revision eröffnender Gehörsverstoß geltend gemacht, sondern die materielle Richtigkeit der finanzgerichtlichen Entscheidung angegriffen.
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2. NV: Ein unzutreffendes Schätzungsergebnis begründet in der Regel ebenfalls keinen Verfahrensmangel.
Gründe
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Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuerhaftungsbescheids gegen den Arbeitgeber der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin).
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil entspricht ihre Begründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); im Übrigen liegen die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.
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a) Die geltend gemachten Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind nicht gegeben.
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aa) Soweit die Klägerin rügt, dass das Finanzgericht (FG) die Frage der Rechtmäßigkeit des Auswahlermessens rechtsfehlerhaft nicht geprüft und der Klägerin dadurch rechtliches Gehör versagt habe, verkennt sie den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
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Zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) obliegt es dem Gericht u.a., den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben und ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch, der von den Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Oktober 2009 IX B 86/09, BFH/NV 2010, 222).
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Die --vor dem FG fachkundig vertretene-- Klägerin hatte in der mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit, zur Problematik des Auswahlermessens Stellung zu nehmen; dazu ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll, dass die Beteiligten das Wort erhielten und mit ihnen die Sach- und Rechtslage erörtert wurde. Darüber hinaus ist nicht dargetan, wozu die Klägerin sich im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht habe äußern können, was sie bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch (zusätzlich) vorgetragen hätte und dass dieser Vortrag --auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG-- zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Mai 2007 VI B 119/06, BFH/NV 2007, 1697, m.w.N.). Im Übrigen hat sich das FG in den Entscheidungsgründen mit der Frage des Auswahlermessens befasst. Damit wendet sich die Klägerin mit der Gehörsrüge letztlich gegen die materielle Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die Rüge der falschen Rechtsanwendung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren jedoch grundsätzlich unbeachtlich.
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bb) Der Einwand der Klägerin, die angefochtene Entscheidung beruhe auf fehlerhaften Tatsachenfeststellungen, weil das FG bei der Schätzung der an die Klägerin geleisteten Lohnzahlungen und damit bei der Bemessung der Haftungsschuld nicht berücksichtigt habe, dass sie im Haftungszeitraum von November 1993 an wegen einer Bandscheibenoperation krankheitsbedingt mehrere Monate nicht gearbeitet habe, begründet ebenfalls keinen Verfahrensmangel.
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Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gehört zu den vom FG zu treffenden Tatsachenfeststellungen. Diese erfassen auch die Schätzungsmethode. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang vorträgt, das FG sei von unzutreffenden Annahmen ausgegangen, macht sie materielle Rechtsfehler geltend, die nach dem abschließenden Katalog des § 115 Abs. 2 FGO nicht zu einer Zulassung der Revision führen können. Ein unzutreffendes Schätzungsergebnis, sollte es im Streitfall vorliegen, ist somit kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 9. August 2005 V B 56/05, BFH/NV 2005, 2230). Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalles durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für Einwände gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler, vgl. beispielsweise BFH-Beschluss vom 4. März 2009 X B 38/08, nicht veröffentlicht).
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Ein Verstoß gegen Denkgesetze führt bei Schätzungen erst zur Zulassung der Revision, wenn das Schätzungsergebnis des FG wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 69, m.w.N.). Ein offensichtlich realitätsfremdes Ergebnis der Schätzung, das als willkürlich falsche Rechtsanwendung zu beurteilen wäre, ist im Streitfall jedoch nicht ersichtlich. Das FG hat vielmehr ausweislich der Entscheidungsgründe die Erkrankung der Klägerin zu Beginn des Jahres 1994 berücksichtigt.
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b) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist (BFH-Beschluss vom 25. August 2006 VIII B 13/06, BFH/NV 2006, 2122).
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Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin hat zwar die Rechtsfrage aufgeworfen, ob sie als Nichtadressat des Haftungsbescheids hinsichtlich der Ausübung des Auswahlermessens beschwert sei. Eine Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung dieser konkreten Rechtsfrage ist jedoch unterblieben. Insbesondere hat die Klägerin nicht im Einzelnen erläutert, welche Gründe dafür sprechen, die Rechtsfrage anders zu beantworten als dies das FG im Streitfall getan hat. Allein die Behauptung, eine höchstrichterliche Entscheidung zu der aufgeworfenen Rechtsfrage fehle, genügt den Darlegungsanforderungen jedenfalls nicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. April 2005 II B 98/04, BFH/NV 2005, 1310, und vom 31. März 2009 XI B 94/08, BFH/NV 2009, 1134).
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