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BFH 16.03.2010 - VIII R 48/07
BFH 16.03.2010 - VIII R 48/07 - Wohnungskosten bei doppelter Haushaltsführung eines Selbstständigen - Obergrenze des notwendigen Mehrbedarfs - Fiktive Mietkosten nur ausnahmsweise anzusetzen
Normen
§ 4 Abs 4 EStG 2002, § 4 Abs 5 S 1 Nr 7 EStG 2002, § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 S 1 EStG 2002 vom 15.12.2003, § 52 Abs 12 S 4 EStG 2002 vom 30.07.2004, § 18 Abs 1 EStG 2002, § 15 EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend FG München, 27. Juni 2007, Az: 1 K 621/05, Urteil
Leitsatz
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NV: Bei doppelter Haushaltsführung eines selbstständig Tätigen beschränken sich die abzugsfähigen Mietkosten für die Wohnung am Arbeitsort --zumindest für die betreffenden Jahre im Anwendungsbereich der bis 2002 geltenden Übergangsregelung-- auf den durchschnittlichen Mietzins für eine 60 qm-Wohnung.
Tatbestand
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I. Im Streit ist, in welchem Umfang die Aufwendungen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) für eine Zweitwohnung im Rahmen einer beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung steuerlich zu berücksichtigen sind.
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Der verheiratete Kläger erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Teilhaber einer Rechtsanwaltssozietät in X (Beigeladene). Im Rahmen des Einkünftefeststellungsverfahrens für das Streitjahr (2001) erklärte die Beigeladene Sonderbetriebsausgaben des Klägers wegen Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung, von denen 36.452 DM auf die Miete einer 120 m² großen Wohnung in X entfielen und weitere 4.800 DM auf deren Reinigung (Haushaltshilfe). Nach seinen Angaben unterhält der Kläger einen gemeinsamen Hausstand mit seiner Ehefrau in einer ca. 140 km von X entfernten Gemeinde.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte die Aufwendungen für Familienheimfahrten an, die Aufwendungen für die Wohnung in X einschließlich der für die Haushaltshilfe aber nur zur Hälfte, weil diese nur in der anerkannten Höhe --dem Aufwand für eine 60 m²-Wohnung-- angemessen bzw. notwendig seien.
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Einspruch und Klage blieben erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) hat entschieden, dass nach der für das Streitjahr (2001) maßgeblichen Gesetzeslage nur der notwendige Aufwand für eine doppelte Haushaltsführung als Betriebsausgabe zu berücksichtigen ist und damit nur der Aufwand für eine 60 m² große Zweitwohnung am Ort der Berufsausübung.
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Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Nach seiner Auffassung ist der Abzug von Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur insoweit nicht zulässig, als sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind. Die Legaldefinition der Betriebsausgabe in § 4 Abs. 4 EStG kenne keine Beschränkung auf "notwendige" Aufwendungen.
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Der Kläger beantragt, das FG-Urteil vom 27. Juni 2007 1 K 621/05 aufzuheben und abweichend von dem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung vom 13. November 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2005 den Gewinn unter Berücksichtigung weiterer Sonderbetriebsausgaben des Klägers in Höhe 20.626 DM (= 10.545,91 €) festzustellen.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG für die Anerkennung von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung seien nach allgemeiner Auffassung bei den Gewinneinkünften entsprechend anwendbar. Für eine Unterscheidung bestehe kein sachlicher Grund.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen materielles Recht. Wegen der gesetzlichen Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs auf die notwendigen Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung kann im Streitjahr kein höherer Aufwand für Miete und Reinigung der Wohnung in X des Klägers berücksichtigt werden als bereits anerkannt.
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1. Betriebsausgaben sind die durch den Betrieb veranlassten Aufwendungen (§ 4 Abs. 4 EStG). Zu den Betriebsausgaben gehören auch die Kosten einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung des Unternehmers oder Mitunternehmers. Eine doppelte Haushaltsführung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beruflich tätig ist und auch am Ort der beruflichen Tätigkeit wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. August 2007 VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger im Streitjahr die Voraussetzungen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung erfüllt hat.
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a) Abziehbar sind nur die notwendigen Aufwendungen, die wegen der doppelten Haushaltsführung entstehen. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG. Die Vorschrift betrifft ihrem Wortlaut und ihrer Stellung im Gesetz nach zwar nur Werbungskosten. Sie ist jedoch im Streitjahr jedenfalls gemäß § 52 Abs. 12 Satz 4 EStG unmittelbar auch auf den Abzug von Betriebsausgaben anwendbar.
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b) Bis 1995 einschließlich enthielt das EStG eine ausdrückliche Regelung der doppelten Haushaltsführung nur in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5. Erst durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) fand eine ausdrückliche Regelung zur doppelten Haushaltsführung Eingang in § 4 EStG. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6a EStG sollte ein Abzugsverbot gelten für "Mehraufwendungen wegen einer aus betrieblichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung, soweit die doppelte Haushaltsführung über die Dauer von zwei Jahren beibehalten wird". Eine entsprechende zeitliche Beschränkung fand sich auch in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG.
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Im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98 und 1735/00 (BStBl II 2003, 534) beseitigte der Gesetzgeber das Abzugsverbot für über die Zweijahresfrist hinausreichende Aufwendungen wieder, und zwar generell und rückwirkend für alle noch änderbaren Vorjahresveranlagungen (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 29. Aufl., § 4 Rz 588). § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6a EStG wurde mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2003 aufgehoben (§ 52 Abs. 12 Satz 3 EStG --jetzt Satz 4--). Für noch nicht formell bestandskräftige oder hinsichtlich einer betrieblich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorläufige Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume bis 2002 ordnete § 52 Abs. 12 Satz 4 EStG --jetzt Satz 5-- die Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2003 (Art. 1 des Gesetzes vom 15. Dezember 2003, BGBl I 2003, 2645, BStBl I 2003, 710) an. Dort heißt es, dass Werbungskosten "auch notwendige Mehraufwendungen (sind), die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird".
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Damit ist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG jedenfalls im Streitjahr unmittelbar auf die betrieblich veranlasste doppelte Haushaltsführung anzuwenden und beschränkt den Abzug von Betriebsausgaben insoweit auf die berufsbedingten notwendigen Mehraufwendungen.
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c) Aus der Fortgeltung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6a EStG für noch offene Einkommensteuerveranlagungen der Zeiträume vor 2003 kann schon deshalb nichts anderes hergeleitet werden, weil in dieser Vorschrift lediglich eine Regelung zur zeitlichen Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs auf zwei Jahre getroffen war und im Falle des Klägers wegen der schon lange zuvor bestehenden doppelten Haushaltsführung nach dieser Vorschrift ein Abzug von Betriebsausgaben schon dem Grunde nach nicht mehr in Betracht gekommen wäre. Insoweit wird in Fällen wie denen des Klägers die Übergangsvorschrift des § 52 Abs. 12 Satz 3 EStG a.F. (jetzt § 52 Abs. 12 Satz 4 EStG) durch die des nachfolgenden Satzes verdrängt.
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d) Eine Anlegung unterschiedlicher Maßstäbe beim Abzug von Erwerbsaufwendungen für doppelte Haushaltsführung je nach Einkunftsart, wie es der Auffassung des Klägers entsprechen würde, ist damit im Streitfall jedenfalls aufgrund der Übergangsregelung in § 52 Abs. 12 Satz 4 EStG --jetzt Satz 5-- ausgeschlossen. Im Übrigen spricht auch das Gebot einer gleichmäßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dafür, die Abzugsfähigkeit gleichartiger Erwerbsaufwendungen bei den verschiedenen Einkunftsarten wegen fehlender sachlicher Differenzierungsgründe auch (nur) im gleichen Umfang zuzulassen.
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2. Das FG hat den danach als Betriebsausgabe abzugsfähigen Aufwand zutreffend bestimmt. Zu den notwendigen Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung gehören insbesondere Kosten der Wohnung am Arbeitsort. Zu Recht ist das FG im Streitfall davon ausgegangen, dass sich der notwendige Aufwand insoweit auf die Anmietung einer Wohnung von 60 m² mit einem Durchschnittsmietzins beschränkt.
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Als Unterkunftskosten am Beschäftigungsort sind grundsätzlich die tatsächlich angefallenen Aufwendungen als Erwerbsaufwand anzusetzen. Die Ermittlung fiktiver (Miet-)Kosten ist allerdings dann geboten, wenn die tatsächlichen Kosten so hoch sind, dass es sich beim Gesamtbetrag nach objektiven Maßstäben nicht mehr um notwendige Mehraufwendungen für die Unterkunft i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG handelt (BFH-Urteil in BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820, m.w.N.).
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Da im Rahmen der doppelten Haushaltsführung nur die zu den Wohnungsaufwendungen des Familienhausstands hinzukommenden Wohnkosten abziehbar sind, hat sich das Merkmal "notwendig" am Abzugszweck der Berücksichtigung eines zusätzlichen Wohnbedarfs des Steuerpflichtigen am Beschäftigungsort zu orientieren. Es geht also darum, welcher Wohnungszuschnitt für einen Steuerpflichtigen als Einzelperson objektiv angemessen ist, der von dort seiner Arbeit nachgeht, aber an einem anderen Ort seinen Haupthausstand beibehalten hat.
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In seiner Entscheidung in BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820 hat der VI. Senat des BFH in diesem Zusammenhang als Obergrenze notwendiger Mehraufwendungen die Kosten angesehen, die sich für eine Wohnung mit einer Wohnfläche bis zu 60 m² bei einem ortsüblichen Mietzins je Quadratmeter für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung ergeben (ebenso BFH-Urteil vom 9. August 2007 VI R 23/05, BFHE 218, 376, BStBl II 2009, 722). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.
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Das angefochtene Urteil des FG weicht von dieser Rechtsprechung zur Höhe notwendiger Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nicht ab. Einwendungen gegen die vom FG angewandte Schätzungsmethode sind nicht erhoben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die flächenanteilige Umrechnung der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung in X auf eine Wohnung von nur 60 m² zu einer zulasten des Klägers ausschlagenden unzutreffenden Bestimmung des erforderlichen Bedarfs und damit der notwendigen Mehraufwendungen geführt hätte.
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