"Im Falle der Klägerin ist das allgemeine Grundbedürfnis der 'Bewegungsfreiheit' betroffen, das bei Gesunden durch die Fähigkeit des Gehens, Laufens, Stehens usw sichergestellt wird … . Ist diese Fähigkeit durch eine Behinderung beeinträchtigt, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht … . Darum geht es hier allerdings nicht, denn die Klägerin kann … den Nahbereich der Wohnung, wenn auch mit Hilfe einer Person und mit dem bereits vorhandenen Faltrollstuhl, erreichen, sodass das begehrte Fahrzeug keinen Gebrauchsvorteil in quantitativer Hinsicht bietet. Zudem bleibt die Klägerin in dem einen wie in dem anderen Fall bei der Erschließung des Nahbereichs der Wohnung von der Hilfe durch eine andere Person abhängig, nämlich beim Faltrollstuhl von der Hilfe Familienfremder (Pflegekräfte, Zivildienstleistende, sonstige Personen) und beim begehrten Fahrzeug von der Hilfe ihres Ehemannes. Dies schließt den Versorgungsanspruch nach § 33 SGB V jedoch nicht aus. Denn durch das begehrte zweisitzige Elektrofahrzeug wird der persönliche Freiraum der Klägerin immerhin qualitativ erweitert. Es ist ein wesentliches Ziel der Hilfsmittelversorgung, dass behinderte Menschen nach Möglichkeit von der Hilfe anderer Menschen unabhängig, zumindest aber deutlich weniger abhängig werden. Hier liegt der ausschlaggebende Gebrauchsvorteil des Hilfsmittels darin, dass die Klägerin nicht mehr von der Hilfe fremder Personen abhängig ist, sondern auf die Hilfe des Ehepartners oder eines sonstigen Haushaltsangehörigen zurückgreifen kann, die in der Regel in der Wohnung anwesend sind, sodass die selbstständige Lebensführung und die zeitliche Dispositionsfreiheit im weit größerem Maße gesichert ist, als wenn sie auf die Hilfe fremder Personen warten müsste, die - wie hier - nur zu bestimmten Zeiten (zB Pflegedienst) anwesend sind oder erst, teilweise lange Zeit im Voraus (zB Fahrdienst), gerufen werden müssen.
Die spezielle Pflicht der Krankenkassen, behinderten Menschen durch eine angemessene Hilfsmittelversorgung eine möglichst selbstständige Lebensführung zu erhalten, ergibt sich zunächst aus der allgemeinen Pflicht der Sozialversicherungsträger, in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich die sozialen Rechte der Versicherten und Leistungsberechtigten zu sichern. … Der Bereich der Hilfsmittelversorgung durch die Krankenkassen ist speziell in § 4 Abs 2 Nr 1 SGB I angesprochen, wonach Versicherte im Rahmen der GKV ein Recht auf die notwendigen Maßnahmen zum Schutz, zur Erhaltung, zur Besserung und zur Wiederherstellung der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit haben. … Bei der Wahl zwischen mehreren geeigneten Hilfsmitteln ist darüber hinaus § 33 SGB I zu beachten: 'Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art oder Umfang nicht im Einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind.' An diese Regelung knüpft auch das 'Wunsch- und Wahlrecht' behinderter Menschen bei der Rehabilitation und der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft an, das in § 9 Abs 1 SGB IX niedergelegt ist, wobei Leistungsempfänger, die ein geeignetes Hilfsmittel in einer aufwändigeren Ausführung als notwendig wählen, nur die Mehrkosten selbst zu tragen haben (§ 31 Abs 3 SGB IX).
Nach diesen Grundsätzen ist die Versorgung der Klägerin mit dem zweisitzigen Elektrofahrzeug gerechtfertigt, weil sie dem Ziel einer möglichst selbstständigen Lebensführung eines behinderten Menschen dient, dessen Bewegungsspielraum im Nahbereich der Wohnung spürbar erweitert wird. Es geht nicht lediglich um die Erhöhung der Bequemlichkeit der Klägerin oder die Förderung der ehelichen Partnerschaft, was einen Versorgungsanspruch nicht rechtfertigen könnte …, sondern um eine qualitative Erweiterung des persönlichen Freiraums und des Umfangs der selbstständigen Lebensführung." |