Lebensmittel
Vorsicht bei Fencheltee
Veröffentlicht am:04.12.2024
5 Minuten Lesedauer
Wenn der Bauch schmerzt und Blähungen den Tag beschwerlich machen, verspricht Fencheltee Linderung – vor allem Eltern von Säuglingen und Kleinkindern, aber auch Schwangere greifen darauf zurück. Doch Experten und Expertinnen raten zur Vorsicht.
Fenchel ist ein traditionsreiches Gewächs
Fencheltee hat seinen festen Platz in den Teeregalen der Supermärkte – solo oder beispielsweise in Kombination mit Anis und Kümmel. Das traditionsreiche Gewächs Fenchel galt im alten Griechenland als Mittel zur Schärfung des Verstands und der Konzentration. Auch die Benediktinermönche waren vom Fenchel überzeugt und beschrieben ihn in ihren Kräuterbüchern als hilfreiches Mittel gegen Blähungen und Verstopfung. Drei Fenchelarten sind besonders verbreitet: Der bittere Fenchel, der süße Fenchel und der Gemüsefenchel. Die Knollen des Gemüsefenchels finden vor allem in der Herbst- und Winterküche Anwendung – eine Rezeptidee ist gebackener Fenchel mit gerösteten Mandeln. Der bittere Fenchel und der süße Fenchel dienen als Phytotherapeutikum, also als Bestandteil pflanzlicher Arzneimittel. Die Samen des süßen Fenchels sind zudem ein hervorragendes Gewürz, um beispielsweise Brot, Gebäck oder eingemachten Früchten ein einzigartiges, süßliches Aroma zu verleihen. Auch der Tee schmeckt aromatisch – Hersteller verarbeiten dafür sowohl süßen als auch bitteren Fenchel.
Welche Inhaltsstoffe enthält Fencheltee?
Für Fencheltee werden die getrockneten Früchte der Fenchelpflanze, die Fenchelsamen, verwendet. Die Früchte stellen fettes Öl, Proteine und die sekundären Pflanzenstoffe Flavonoide und Phytosterole bereit. Außerdem enthalten sie vier bis sechs Prozent ätherische Öle, die genaue Zusammensetzung hängt von der Fenchelvariante ab. Das ätherische Öl beim bitteren Fenchel besitzt 50 bis 70 Prozent Anethol, das für das typische anisartige Aroma sorgt. Hinzu kommen das bitter schmeckende Fenchon und das anisähnlich riechende Estragol. Das ätherische Öl beim süßen Fenchel enthält hingegen bis zu 95 Prozent Anethol, dafür aber weniger Fenchon und Estragol. Fencheltee lindert aufgrund der ätherischen Öle wie Anethol und Fenchon Übelkeit, Blähungen und Magen-Darm-Beschwerden.
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Problemstoff Estragol – ist Fencheltee ungesund?
Estragol zählt zu den natürlichen Bestandteilen vieler Pflanzen – es ist nicht nur im ätherischen Öl des Fenchels, sondern auch in Anis, Basilikum und süßem Kreuzkümmel enthalten. Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass Estragol schädlich für den Menschen sein könnte. Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur, kurz EMA, mahnte bereits im Jahr 2007 zur Vorsicht. Eine aktuelle Richtlinie der EMA berücksichtigt die neuesten Erkenntnisse aus Tierversuchen, die nahelegen, dass hohe Dosen Estragol bei Nagetieren das Erbgut verändern und Leberkrebs verursachen. Diese negativen Folgen sind laut Ansicht der Experten und Expertinnen auf den Menschen übertragbar.
Der Estragolgehalt schwankt bei Fencheltee stark
Wenn über mögliche Gefahren von Estragol berichtet wird, geht es oft um Fencheltee. Das liegt daran, dass besonders sensible Menschen, wie Kinder bis zum vierten Lebensjahr und Frauen in der Stillzeit, oft Fencheltee zur Beschwerdelinderung nutzen. Zudem kann Fencheltee einen besonders hohen Estragolgehalt aufweisen. Auf dem österreichischen Markt beispielsweise schwankt dieser je nach Produkt zwischen 78 und 4.633,5 Mikrogramm pro Liter – Säuglinge wären somit Tagesdosen zwischen 0,008 und 20,78 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht ausgesetzt. Einen genauen Grenzwert gibt es übrigens nicht, denn dafür sollte feststehen, wie viel Estragol Personen über andere Lebensmittel aufnehmen. Außerdem müssen dafür weitere Daten vorliegen, die Estragol bei Menschen mit krebsauslösenden und erbgutverändernden Effekten in Verbindung bringen.
Eltern haben oft viele Fragen rund um die Gesundheit ihres Babys
AOK-Baby-Telefon: medizinische Elternberatung
Kinderärzte und Kinderärztinnen, Gynäkologen und Gynäkologinnen und Hebammen stehen werdenden und jungen Eltern beim Baby-Telefon mit medizinischem Rat zur Seite. Versicherte können sich hier z.B. zu Kinderkrankheiten, Impfungen oder Diagnosen erkundigen.
Empfehlungen zur Estragolaufnahme für Kinder und Erwachsene
Eltern, die ihrem Kind Fencheltee zu trinken gegeben oder Frauen, die in der Schwangerschaft und Stillzeit dazu gegriffen haben, müssen sich nicht übermäßig sorgen oder sich gar Vorwürfe machen. Die Empfehlungen zur Beschränkung der Estragolaufnahme dienen zur Vorsicht. Inwiefern Fencheltee tatsächlich mit Bedacht genossen werden muss, klärt die Forschung nun abschließend. Bis dahin gibt die Europäische Arzneimittelagentur folgende Empfehlungen:
- Menschen sollten möglichst wenig Estragol über pflanzliche Mittel wie Fencheltee aufnehmen – ein Richtwert zur Maximaldosis könnte bei Jugendlichen und Erwachsenen bei 0,05 Milligramm Estragol pro Person und Tag liegen.
- Die Anwendungsdauer von Fencheltee sollte sich auf 14 Tage beschränken, auch deshalb, weil nach längerem Konsum die Wirkung des Fencheltees verloren geht.
- Estragolhaltige Kräuter und Gewürze wie Basilikum können gelegentlich in der Küche verwendet werden.
- Kinder unter vier Jahren sollten keinen Fencheltee erhalten und Kinder unter elf Jahren trinken besser nur wenig davon.
- Schwangere und Stillende sollten den Richtwert von 0,05 Milligramm Estragol pro Person und Tag nicht überschreiten. Da eine genaue Dosierung aufgrund des unübersichtlichen Gehalts in Fencheltee nicht möglich ist, verzichten sie besser ganz darauf.
Tipps für Eltern mit bauchschmerzgeplagten Kindern
Viele Eltern nutzen Fencheltee, um beim Nachwuchs Ruhe in den Bauch zu bekommen. Gerade Babys mit anhaltenden Schreiepisoden, sogenannte Schreibabys, erhielten oft Fencheltee als beruhigendes Mittel. Mit der Diskussion rund um Estragol weichen Eltern besser auf folgende Tipps aus:
- Wärme anbieten: Wärme tut bei Unwohlsein im Bauch gut und lindert Krämpfe – bei Babys und Kindern können Eltern eine Wärmflasche oder ein erwärmtes Kirschkernkissen nutzen.
- Für Ablenkung sorgen: Zuwendung kann das Wohlbefinden bei Bauchschmerzen steigern. Wie wäre es mit ausgiebigen Kuscheleinheiten oder dem gemeinsamen Ansehen eines Bilderbuchs?
- Bewegung einplanen: Spaziergänge regen die Verdauung an und können Bauchschmerzen reduzieren. Bei Babys bietet sich eine wohltuende Bauchmassage oder der sogenannte Fliegergriff an, bei dem das Baby mit Bauch und Kopf auf dem Arm der Trageperson ruht – aufgestaute Luft, die zu Blähungen führt, kann so leichter entweichen.
- Hilfe annehmen: Eltern nehmen oft an, dass ihr Baby aufgrund von Bauchschmerzen weint, dahinter kann aber auch eine Regulationsstörung stecken, Säuglinge können sich dabei nicht selbst beruhigen. Schreibabys schreien aus unerklärlichen Gründen und sind kaum zu beruhigen – sie weinen täglich über drei Stunden hinweg oder länger, und das an mehr als drei Tagen pro Woche und länger als drei Wochen. Eltern können sich dann vertrauensvoll an ihre Praxis für Kinder- und Jugendheilkunde wenden.