Beziehung
Wie viel Kommunikation braucht eine Beziehung?
Veröffentlicht am:29.06.2021
8 Minuten Lesedauer
Kommunikation ist elementar für eine glückliche Partnerschaft – vor allem dann, wenn Konflikte auftreten. Aber wie kommunizieren Paare richtig? Welches Maß an Kommunikation ist gesund? Gibt es Regeln, mit denen sich Streit vermeiden lässt? Und muss man wirklich über alles reden? Die Paartherapeutin Micaela Peter erklärt, welche Sprache glückliche Paare sprechen und wie sich Kommunikationsprobleme lösen lassen.
Inhalte im Überblick
Dipl.-Psych. Micaela Peter ist Psychologische Psychotherapeutin für Paar-, Familien-, Trauma und Verhaltenstherapie. In ihrer Praxis in Hamburg arbeitet sie therapeutisch mit Paaren und Einzelpersonen.
Zuletzt erschien von ihr und Ulrike Peter der Paar-Ratgeber „Zweisam, dreisam, einsam – Wie Partnerschaft auch mit Kindern lebendig bleibt“ (Kösel).
Frau Peter, ist Kommunikation die Basis einer glücklichen Beziehung?
Ich würde nicht sagen, dass Kommunikation die eine Basis ist, das sind eher Liebe und Anziehung, aber sie ist fundamental wichtig für das Gelingen einer Beziehung und die Zufriedenheit in einer Langzeitbeziehung.
Jeder Mensch bringt persönliche, schwierige Themen mit in eine Partnerschaft. Es macht uns aus, dass wir Defizite und Fehler haben. Das kann beispielsweise sein, dass jemand sehr eifersüchtig oder stark auf die Karriere fixiert ist. In der Beziehung kann das zu wunden Punkten führen. Denn natürlich schaffen es nicht immer beide Partner, souverän und wohlwollend zu bleiben.
Entscheidend ist dann die Kommunikationskultur! Kann ich mein Verhalten reflektieren? Kann ich Fehler wieder gut machen? Kann ich mich nach einem Streit verständlich machen und so eine Versöhnung herbeiführen?
Wie Paare kommunizieren, entscheidet darüber, ob Streitigkeiten entgleisen und zu Konflikten führen, die die Beziehung langfristig belasten und sogar zerstören können. Denn in einer Beziehung geht es ja auch ganz wesentlich darum, auf die Schwachstellen des Partners Rücksicht zu nehmen und wohlwollend zu sein.
„Wir kommunizieren nicht nur mit Worten, sondern auch über die Mimik, Gestik und über unser Verhalten. Tatsächlich drücken wir uns zu 70 Prozent nonverbal aus.“
Dipl.-Psych. Micaela Peter
Psychologische Psychotherapeutin für Paar-, Familien-, Trauma- und Verhaltenstherapie
Ist mit Kommunikation immer das Gespräch gemeint?
Nein, wir kommunizieren nicht nur mit Worten, sondern auch über die Mimik, Gestik und über unser Verhalten. Tatsächlich drücken wir uns zu 70 Prozent nonverbal aus.
Auch in einer Paarbeziehung läuft die Kommunikation also über verschiedene Wege ab. Nach dem amerikanischen Paar- und Beziehungsberater Gary Chapman gibt es fünf Sprachen der Liebe:
- Lob und Anerkennung
- Zweisamkeit
- Geschenke/Aufmerksamkeiten, die von Herzen kommen
- Hilfsbereitschaft
- Zärtlichkeit
Paare, die weniger gesprächig sind, müssen sich keine Sorgen machen. Denn es gibt auch ein Einvernehmen ohne verbale Kommunikation, wenn das Grundvertrauen stimmt.
Ein drastisches Beispiel: Ein Paar verliert sein Kind. Beide sind sprachlos, haben aber eine ähnliche Art damit umzugehen. Sie liegen gemeinsam wochenlang mit Körperkontakt im Bett und weinen zusammen. Sie kommunizieren nonverbal. Würden sie das jedoch nicht tun und keine gemeinsame Sprache finden, könnten sie sich gegenseitig nicht unterstützen und würden sich voneinander distanzieren.
Auch in weniger schlimmen Situationen ist es entscheidend, eine gemeinsame Sprache zu finden. Nur mit Kommunikation können Konflikte gelöst und die Nähe zueinander bewahrt werden.
1. Kommunizieren Sie mit „Ich-Botschaften“
Eine der wichtigsten Regeln für das Kommunizieren in Partnerschaften betrifft die „Ich-Botschaften“. Sie sollten zu Ihrem Partner etwa nicht sagen: „Du bist unzuverlässig, weil du immer unpünktlich bist“, sondern „Ich bin traurig, weil ich mir viel Mühe mit dem Abendessen gemacht habe“. Der Unterschied ist: Die „Du bist-Aussage“ führt den anderen immer dazu, eine Verteidigungshaltung einzunehmen und einen Gegenangriff zu starten. Das liegt in der Natur des Menschen. Mit einer „Ich-Botschaft“ hingegen offenbart man seine Bedürfnisse, die Aussage wird für den anderen annehmbar.
2. Generalisieren Sie nicht
Sie sollten Wörter wie „immer“, „nichts“, „nur“ oder „alles“ aus Ihrem Wortschatz streichen. Denn Sätze wie „Nie hörst du mir zu“, „Du bist immer unpünktlich“ oder „Alles andere ist immer wichtiger“ führen ebenfalls dazu, dass der Angesprochene in eine Verteidigungshaltung wechselt. Konzentrieren Sie sich besser auf die Fakten, sagen Sie also etwa „Du bist im letzten Monat dreimal zu spät gekommen und ich habe mit dem Essen auf dich gewartet“. Der Partner hat so die Möglichkeit, sich mit dem Vorgefallenen auseinanderzusetzen. Wenn er hingegen vorgeworfen bekommt, immer zu spät zu kommen, ist das eine Charakterkritik, die ihm schlechte Eigenschaften zuschreibt.
3. Sprechen Sie so selbstoffenbarend wie möglich
In einer Beziehung ist es essentiell, den Partner darüber zu informieren, welche Wünsche und Bedürfnisse man hat. Vielen Menschen fällt das allerdings schwer, weil sie von den eigenen Bedürfnissen entfernt sind oder sie gar nicht benennen können.
Sie fühlen ein Unwohlsein, eine Anspannung, Sie wissen aber nicht, wie Sie sie ausdrücken sollen? Es hilft, zu reflektieren und sich die Frage zu stellen: Welches Bedürfnis ist es, das gerade unerfüllt ist? Werde ich zum Beispiel nicht gehört und gesehen, mangelt es mir also an Anerkennung? Indem Sie sich mit den eigenen Gefühlen auseinandersetzen, übernehmen Sie Verantwortung für sich selbst, Sie betreiben damit Selbstfürsorge.
4. Nutzen Sie die Vergangenheit nicht als Waffe
Es ist verlockend, im Streit vergangene Verfehlungen auf den Tisch zu bringen. Das Problem ist: Das löst bei dem beschuldigten Partner Ohnmachts- und Schuldgefühle aus. Idealerweise nehmen Sie sich Zeit für das, was in der Vergangenheit passiert ist, reden darüber und räumen es endgültig aus der Welt. Dabei kann man als Paar gemeinsam hinterfragen, was man aus der Vergangenheit lernen kann. Was war positiv, was war negativ und was können sie zusammen aus diesen Erfahrungen machen.
5. Stellen Sie keine Mutmaßungen auf
Sie nehmen Ihren Partner nicht beim Wort, weil Sie vermuten, er könnte etwas anderes meinen, als das, was er sagt? Solche Mutmaßungen führen oft zum Konflikt. Nutzen Sie die Rückversicherung und fragen Sie nach, ob er das, was Sie verstanden haben, auch tatsächlich so gemeint hat. So räumen Sie Missverständnisse aus dem Weg. Gesten wie rollende Augen oder ein genervtes Stöhnen gehören zur nonverbalen Kommunikation. Auch diese können natürlich irritierend sein. In diesem Fall sollten Sie einfach noch einmal nachfragen, um nichts Falsches hineinzuinterpretieren.
„In Langzeitbeziehungen, in denen Wertschätzung gelebt wird, haben die Partner eine deutlich höhere Zufriedenheit.“
Dipl.-Psych. Micaela Peter
Psychologische Psychotherapeutin für Paar-, Familien-, Trauma- und Verhaltenstherapie
Gibt es ein grundlegendes Kommunikationsgeheimnis glücklicher Paare?
Forschungsergebnisse zeigen eindeutig, dass der gelebten Wertschätzung, dem gegenseitigen Respekt die entscheidende Rolle zukommt. In Langzeitbeziehungen, in denen Wertschätzung gelebt wird, haben die Partner eine deutlich höhere Zufriedenheit.
Für den Alltag bedeutet das:
- Die Partner machen sich Komplimente.
- Sie bedanken sich, auch für Kleinigkeiten.
- Sie sprechen sich gegenseitig Lob aus.
Sie erkennen also beide, was ihr Partner Gutes für sie oder die gemeinsamen Kinder tut und drücken das auch aus. Jeder Mensch hat ein Grundbedürfnis nach Anerkennung. Wenn dieses Bedürfnis von einem Partner nicht erfüllt wird, ist das ein Defizit, mit dem er sich gezielt auseinandersetzen sollte.
Nehmen Sie sich jeden Tag eine Minute Zeit und überlegen Sie sich, was heute mit Ihrem Partner schön war, wofür Sie dankbar sind – und geben ihm oder ihr täglich ein positives Feedback. Zum Beispiel „Danke, dass du daran gedacht hast, mir mein Lieblingsbrot mitzubringen“ oder „Danke, dass du mir für das Homeoffice den Raum mit dem besseren Internet überlässt“. Es ist wichtig, diese kleinen Dinge auch wirklich auszusprechen und sie nicht nur im stillen Kämmerlein zu denken. Je positiver die Kommunikation, desto zufriedener sind beide Partner.
Man darf in einer Beziehung aber auch Negatives ansprechen?
Werden Bedürfnisse in der Beziehung nicht erfüllt oder bestehen Sorgen oder Ängste, sollten diese natürlich angesprochen werden – idealerweise nach den oben genannten Kommunikationsregeln.
Wenn dafür wenig Zeit im Alltag bleibt, sollten sich Paare unbedingt feste Termine reservieren, um über Probleme zu sprechen. Aber Vorsicht: Diese sollten nicht mit Dates zusammenfallen. Haben Sie etwa geplant, gemeinsam zu kochen und eine schöne Zeit zu zweit zu verbringen, sollte das nicht mit einem Problemgespräch zusammenfallen. Sonst entwickelt der Partner, dem das Sprechen über Beziehungsprobleme eventuell schwerfällt, einen Widerwillen gegen die Dates.
Diese exklusive Zeit zu zweit ist aber absolut essentiell! Wenn sie nicht mehr möglich ist, weil ein oder beide Partner etwa viel arbeiten, kann das belastend oder sogar zerstörerisch für die Beziehung sein.
Mein Tipp: Reservieren Sie einen Tag pro Woche und räumen Sie Ihrer Beziehung diese Priorität ein, egal wie viel Sie zu tun haben. Ob Sie zusammen kochen oder ein Bad nehmen, es ist wichtig ist, dass Sie regelmäßig intimen Kontakt haben, mit dem Sie die Akkus wieder auffüllen und der das Herz bewegt. Damit ist keine Sexualität, sondern Nähe gemeint. Wer diese gemeinsame Zeit vernachlässigt, riskiert, dass die Beziehung in eine Schieflage gerät.
„Exklusive Zeit zu zweit ist absolut essentiell. Mein Tipp: Reservieren Sie einen Tag pro Woche und räumen Sie Ihrer Beziehung diese Priorität ein, egal wie viel Sie zu tun haben.“
Dipl.-Psych. Micaela Peter
Psychologische Psychotherapeutin für Paar-, Familien-, Trauma- und Verhaltenstherapie
Kann das auch passieren, wenn ich meinen Partner mit meinem Stress belaste?
Für viele Menschen bedeutet eine Partnerschaft, dass sie Rückhalt und Unterstützung haben, Trost und Gehör finden. Sie erzählen ihren Partnern, was sie im Alltag belastet, wie stressig der Arbeitstag wieder war etc. – und das ist auch in Ordnung so.
Man sollte aber auf das Maß achten und den Partner fragen, wie er damit klarkommt. Etwa so: „Mir tut es gut, wenn ich dir abends erzählen kann, was im Job gerade alles schiefläuft, belastet dich das eigentlich?“. Wenn der Partner nun sagt „Überhaupt nicht, es ist doch selbstverständlich, dass wir darüber reden“ ist alles gut. Wenn er sagt „Ich finde das ok, würde es aber gerne auf eine Viertelstunde begrenzen und den Rest des Abends eine schöne Zeit mit dir verbringen“, sollte man diesen Wunsch respektieren. Man sollte grundsätzlich Interesse haben und dies auch bekunden, also fragen, ob es dem Partner gut geht und ob er zufrieden ist.
Müssen Partner denn über alles reden?
Es ist in einer Beziehung natürlich erlaubt, Geheimnisse zu haben. Es gibt keine Pflicht, seine Gedanken zu teilen. Das ist sehr vom Charakter abhängig: Manche Menschen tragen ihr Herz auf der Zunge, andere sind zurückhaltend, weil sie nicht so viel Grundvertrauen haben. Partner sollten sich gegenseitig akzeptieren, so wie sie sind.
Wenn jemand sehr viel Offenheit und Transparenz braucht, ist er vermutlich unzufrieden mit einem Partner, der wenig offenbart. Wenn möglich sollte man bei der Partnerwahl beachten, dass man sich hier charakterlich auf einer Wellenlänge befindet.
Wenn die Beziehung bereits besteht, darf der transparentere Part nicht vergessen: In einer Beziehung lernt man sich ja immer weiter kennen, dieser Prozess ist nie abgeschlossen. Der zurückhaltende Part kann sich somit im Laufe der Zeit aus seiner Komfortzone herausbewegen, so dass zunehmend mehr Nähe und Intimität entstehen.
Letztlich geht es immer darum, aneinander interessiert zu bleiben. Der zurückhaltendere Partner kann etwa fragen „Reicht dir das, was ich dir von meinem Leben, meinen Gefühlen und Gedanken erzähle oder möchtest du über etwas Bestimmtes mehr wissen?“.
Über gemeinsame Ziele sollten Paare aber auf jeden Fall sprechen, oder?
Ja, es ist ganz entscheidend, die eigenen Träume und Visionen mit dem Partner zu besprechen. Das kann man einerseits nicht früh genug tun, andererseits entwickeln sich Menschen ihr Leben lang weiter – das heißt: Wir sollten immer wieder über wichtige Themen reden. Sonst besteht die Gefahr, dass man irgendwann feststellt, dass unterschiedliche Ziele im Leben bestehen, zum Beispiel dass, nur einer von beiden einen Kinderwunsch hat oder auf dem Land leben will.