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Kinder

In welchem Alter verkraften Kinder eine Trennung am besten?

Veröffentlicht am:15.02.2023

8 Minuten Lesedauer

Aktualisiert am: 25.04.2024

Eine Trennung oder Scheidung der Eltern ist für Kinder meist ein einschneidendes Ereignis. Eltern machen sich häufig Sorgen, dass die angespannte Situation dem Nachwuchs schadet. Wie Verständnis und eine gemeinsame Linie Kindern helfen.

Vater und Mutter wollen eine Trennung und besprechen das in Ruhe mit ihren Kindern auf dem Sofa.

© iStock / kupicoo

Porträt von Prof. Dr. Svenja Taubner

© privat

Prof. Dr. Svenja Taubner ist Direktorin des Instituts für Psychosoziale Prävention am Universitätsklinikum Heidelberg. Im Interview erklärt sie, worauf Eltern bei einer Trennung achten können.

Warum ist ein Zusammenbleiben zum Wohl der Kinder oft nicht das Richtige?

Paare mit einem Trennungswunsch können ihre Kinder häufig nicht so begleiten, wie sie es gerne möchten. Das kann daran liegen, dass sie für die Konflikte mit dem Partner oder der Partnerin viel Kraft aufwenden müssen und sich auf ihre eigenen Probleme konzentrieren. Die Aufmerksamkeit liegt dann vielleicht nicht mehr im gewohnten Maße bei dem Nachwuchs. Es kann beispielsweise sein, dass Elternteile weniger Motivation verspüren, etwas im Familienverbund zu unternehmen – das ist aber natürlich nicht bei allen Paaren so. Durch Konflikte in der Beziehung sind die Elternteile außerdem meist angespannt – die fehlende Harmonie merken auch die Kinder. Sie haben sehr feine Antennen und spüren, wenn sich die Eltern nicht gut verstehen. Ausschließlich zum Wohl der Kinder zusammenzubleiben, ist daher meist keine gute Idee – gerade, weil Eltern eine wichtige Vorbildfunktion haben. Eltern gehen im besten Fall mit einem positiven Beispiel voran und vermitteln ihrem Nachwuchs, wie eine intakte Beziehung aussieht.

Besonders problematisch ist es, wenn das Kind mitbekommt, dass sich ein Elternteil sichtlich unwohl fühlt oder traurig ist – das kann auch den Nachwuchs schwer belasten. Manchmal kommt es vor, dass Betroffene ihren Kindern einen Vorwurf daraus machen, dass sie mit dem Partner oder der Partnerin ihnen zuliebe zusammen geblieben sind: „Nur deinetwegen habe ich die Beziehung so lange ausgehalten“. Durch solche Aussagen kann der Nachwuchs ausgeprägte Schuldgefühle entwickeln. In dem Fall fühlen sich die Kinder gewissermaßen für das Leid der Eltern verantwortlich. Eine Trennung kann eine Beziehung entlasten. Eltern gelingt es so manchmal besser, an einem Strang zu ziehen und die gemeinschaftliche Aufgabe, sich um das Kind zu kümmern, zu erfüllen.

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Kinder neigen bei einer Trennung zu Schuldgefühlen

Was geht in Kindern vor, wenn sich die Eltern scheiden lassen?

Kinder neigen dazu, sich selbst die Schuld zu geben, wenn etwas nicht gut läuft. Das trifft insbesondere auf Kinder zu, die noch nicht die Pubertät erreicht haben. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass sie in dem Alter eine Trennung nicht verstehen. Kinder schreiben sich dann selbst die Verantwortung für die Beziehungsprobleme zu. Vielleicht auch deshalb, weil Kinder im Vergleich zu einem Erwachsenen naturgemäß ein recht egozentrisches Weltbild besitzen. Das bedeutet, dass der Nachwuchs der Ansicht ist, dass sich alles um ihn dreht. Beispielsweise kann das Kind fest davon ausgehen, dass die Eltern nur deswegen zusammen sind, weil sie ein Kind haben.

Natürlich beobachten Kinder auch, was in ihrem Umfeld passiert. So stellen sie fest, dass sich nicht alle Eltern trennen. Dadurch können sich Gedanken einschleichen wie: „Die Eltern von Jonas haben sich nicht getrennt, wahrscheinlich hat er sich einfach besser benommen“. Eine Trennung oder Scheidung mit Kindern ist auch deswegen kompliziert, weil durch den vorübergehenden oder anhaltenden Verlust einer Bezugsperson das Bindungsverhalten erschüttert wird. Kinder bauen mit den Jahren schließlich eine feste Bindung zu den Elternteilen auf. Ein anhaltender Verlust wäre dann gegeben, wenn das Kind die Mutter oder den Vater gar nicht mehr sehen darf. Beispielsweise, weil die Beziehung sehr zerrüttet ist. Ein solcher Verlust lässt sich nicht ohne Weiteres ausgleichen. Genau aus diesem Grund ist eine möglichst einvernehmliche Trennung wichtig.

„Eine Trennung oder Scheidung mit Kindern ist auch deswegen kompliziert, weil durch den vorübergehenden oder anhaltenden Verlust einer Bezugsperson das Bindungsverhalten erschüttert wird.“

Prof. Dr. Svenja Taubner
Direktorin des Instituts für Psychosoziale Prävention am Universitätsklinikum Heidelberg

Kann eine Trennung die kindliche Entwicklung negativ beeinflussen?

Eine Trennung oder Scheidung der Eltern kann die Entwicklung tatsächlich beeinflussen und sie sogar ein Stückweit zurückwerfen. Viele Kinder koten oder nässen sich nach dem kritischen Ereignis wieder ein, obwohl sie eigentlich schon „trocken“ sind. Damit reagiert der kindliche Körper auf den durch die Trennung entstandenen Stress. Außerdem können bei Kindern Depressionssymptome wie Niedergeschlagenheit oder Motivationslosigkeit entstehen. Manchmal fällt beim Nachwuchs auch auf, dass er sich in der Schule weniger konzentrieren kann. Das Risiko für psychosozialen Stress beziehungsweise körperliche oder psychische Symptome ist größer, wenn das Kind psychisch überfordert ist. Insbesondere konfliktreiche Trennungen, bei denen es zu lautstarken Streitereien oder gegenseitigen Beschuldigungen kommt, setzen dem Nachwuchs zu.

Eltern wollen sich trennen und streiten sich vor ihrem Sohn, der traurig guckt.

© iStock / Nastasic

Wenn Eltern vor einer Trennung stehen, ist es wichtig, dass Streitigkeiten und Konflikte nicht vor dem Kind ausgetragen werden.

In welchem Alter ist eine Trennung der Eltern am schlimmsten?

Gehen Eltern zukünftig getrennte Wege, ist das für alle Kinder zunächst ein kritisches Lebensereignis. Allerdings spielt das kindliche Alter zum Trennungszeitpunkt tatsächlich eine wichtige Rolle. Wenn der Nachwuchs unter drei Jahre alt ist, hinterlässt die Trennung bei dem Kind oft nicht so deutliche Spuren. Das liegt ganz einfach daran, dass Kinder in dem Alter noch kein ausgeprägtes autobiographisches Gedächtnis aufgebaut haben und Bindungspersonen dadurch einfacher ersetzen können. So kann beispielsweise der neue Partner der Mutter zukünftig eine wichtige Rolle im Leben des Kindes spielen. Ein weiterer Grund für die einfachere Verarbeitung ist, dass recht kleine Kinder die Trennung nicht so bewusst wahrnehmen wie ältere Kinder. Eine Trennung der Eltern im Kleinkindalter ist also deutlich einfacher.

Am problematischsten ist wohl die Zeit zwischen dem dritten und zwölften Lebensjahr – jetzt ist die Bindung zu den Elternteilen sehr stark, allerdings können die Kinder die Trennung nicht verstehen. Anders sieht es im Teenageralter aus. Jugendliche sind dann so weit entwickelt, dass sie verstehen, dass sich die Welt nicht nur um sie dreht – Schuldgefühle entstehen bei der Trennung der Eltern seltener. Insgesamt sind Jugendliche verständiger und haben vielleicht schon selbst Erfahrungen mit einer verlorenen Liebe und Liebeskummer gemacht. Eine Trennung der Eltern ist für Teenager also einfacher als im Schulkindalter.

Das können die ersten Schritte bei der Trennung mit Kindern sein

Wie gehen Eltern bei einer Scheidung mit Kindern am besten vor?

Einer der ersten Schritte bei einer Trennung mit Kindern ist ein Gespräch zwischen den Elternteilen. Um die Trennung für das Kind einfacher zu machen, einigen sie sich am besten bereits jetzt auf die Rahmenbedingungen. Wohnen wir vorübergehend weiterhin zusammen? Wann sprechen wir mit unserem Sohn oder unserer Tochter darüber? Welche Begründung teilen wir unserem Kind mit? All das sind wichtige Fragen, die Eltern am besten vorab klären. Danach folgt das Gespräch mit dem Kind – optimalerweise setzen sich beide Elternteile mit dem Nachwuchs in Ruhe zusammen und erklären die Situation. Das könnte folgendermaßen aussehen: „Mama und Papa haben ein Problem, unsere Lösung sieht so aus, dass wir uns trennen. Auch wenn wir kein Paar mehr sind, haben wir dich immer lieb und sind für dich da. Du bist an nichts schuld.“

Eltern signalisieren ihrem Kind am besten, dass es mit Fragen jederzeit zu ihnen kommen kann und auch das Recht hat, mit der Trennung nicht einverstanden zu sein. Ganz wichtig ist, das Kind nicht in die Einzelheiten des Trennungsprozesses mit einzubinden: „Dein Vater ist unmöglich, deshalb packe ich jetzt meine Koffer“ – diese Art von Sätzen sind höchst verunsichernd. Bestenfalls konzentrieren sich Eltern bei den entsprechenden Gesprächen mit ihrem Kind auf entscheidende Eckpunkte, zum Beispiel den Auszugstermin und die Besuchstermine.

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Warum ist es wichtig, die Besuchszeiten frühzeitig zu klären?

Für Kinder verändert sich nach einer Trennung der Eltern vieles. Besonders einschneidend ist natürlich der Auszug eines Elternteils aus der gemeinsamen Wohnung. Für das Kind bedeutet das, dass Mama oder Papa nun nicht mehr so verfügbar ist wie sonst. Klären Eltern die Besuchszeiten früh, können sie ihrem Kind das genaue Vorgehen vermitteln. Weiß der Nachwuchs, dass er jedes zweite Wochenende zur Mama oder zum Papa geht, gibt ihm das Sicherheit. Das Umgangsrecht thematisieren Eltern bestenfalls schon beim Trennungsgespräch. So bleibt genügend Zeit, eine Lösung zu finden, die für alle passt.

Das tun Eltern bei einer Trennung bestenfalls nicht und hier erhalten sie Hilfe

Worauf können Eltern nach einer Scheidung bei Kindern achten?

Eltern tun gut daran, sich nicht gegenseitig abzuwerten, insbesondere vor dem Kind. Gegenseitige Beleidigungen oder Schuldzuweisungen führen zu nichts und belasten den Nachwuchs nachhaltig. Häufig kommt es vor, dass Elternteile in einem vertrauten Gespräch mit dem Kind schlecht über den Expartner oder die Expartnerin reden – auch das macht den Nachwuchs traurig und sollte deswegen tabu sein. Außerdem werden Kinder im besten Fall nicht zu Geheimnisträgern. Geheimnisse, die Mama oder Papa nicht erfahren dürfen, sind eine große Bürde für Kinder. Grundsätzlich haben alle Beteiligten das Recht auf ihre Gefühle. Wut, Enttäuschung oder Traurigkeit – all das spielt bei vielen Paaren im Trennungsprozess und bei ihren Kindern eine Rolle. Elternteile leben diese Gefühle aber bestenfalls zurückhaltend vor dem Kind aus.

Ein Vater, der wütend seine Koffer packt oder eine Mutter, die die Hochzeitsbilder zerstört – genau solche Szenarien können Kinder meist nicht gut verarbeiten. Kinder und Jugendliche können ihre Gefühle häufig noch nicht so gut zurückhalten. Eltern sollten sie deshalb in keinem Fall für kränkende Aussagen wie: „Du bist schuld, dass sich Papa von dir trennt“ bestrafen, sondern das Gespräch anbieten. Bestenfalls versuchen Eltern, sich in das Kind hineinzuversetzen und ihre Perspektive einzunehmen. Ein weiterer Tipp ist, den Expartner oder die Expartnerin nicht über das Kind auszuhorchen, denn dadurch kommt der Nachwuchs in einen Gewissens- und Loyalitätskonflikt.

„Außerdem werden Kinder im besten Fall nicht zu Geheimnisträgern. Geheimnisse, die Mama oder Papa nicht erfahren dürfen, sind eine große Bürde für Kinder.“

Prof. Dr. Svenja Taubner
Direktorin des Instituts für Psychosoziale Prävention am Universitätsklinikum Heidelberg

Was können Eltern tun, wenn das Kind nach der Trennung verhaltensauffällig ist?

Eine mögliche Anlaufstelle ist eine Praxis für Kinder- und Jugendtherapie. Es muss aber nicht jedes Kind direkt in Therapie, wenn es nach der Trennung beispielsweise wieder einnässt oder Probleme in der Schule hat. Häufig hilft schon ein Besuch in der Erziehungsberatungsstelle, die von Städten angeboten werden. Natürlich ist auch der Kinderarzt oder die Kinderärztin eine wertvolle Unterstützung. Sie können gegebenenfalls vorliegende medizinische Ursachen ausschließen und weitere Hilfsangebote koordinieren. Spezielle Programme wie das Projekt „Kinder im Blick“ unterstützen Eltern während und nach der Trennung mit Kursangeboten und Informationen. Außerdem ist es wichtig, weiterhin mit dem Kind über Probleme zu reden oder Gespräche mit anderen Menschen wie Onkel oder Tante zu ermöglichen – vielen Kindern tut es gut, über die belastende Situation zu sprechen.

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