Gehirn & Nerven
MS und Sport: Wie Bewegung Menschen mit Multipler Sklerose helfen kann
Veröffentlicht am:19.04.2024
30 Minuten Lesedauer
Beschwerden lindern und am Leben teilhaben: Sport kann für Menschen mit Multipler Sklerose (MS) eine wichtige Rolle spielen. Welche Sportarten kommen in Frage und was sollten Betroffene beachten?
Warum Sport für MS-Betroffene wichtig ist
Menschen mit Multipler Sklerose (MS) sind in ihrem Alltag oft eingeschränkt. Die in Schüben verlaufende, chronisch-entzündliche Erkrankung des Nervensystems wirkt sich nicht nur oft auf Körperfunktionen wie Sehen, Sprechen, Muskelkraft und Koordination aus. Die körperlichen Beschwerden können auch die soziale Teilhabe der Betroffenen einschränken.
Sport – vor allem Mannschaftssport – kann Menschen mit MS aus ihrer Isolation holen und ihre Gesundheit verbessern. Allerdings wurde Menschen mit MS lang von körperlicher Betätigung abgeraten. Sie könne sich negativ auf den Krankheitsverlauf auswirken, so die Annahme. Und tatsächlich kann eine erhöhte Körpertemperatur, wie sie bei Bewegung entstehen kann, MS-Beschwerden wie Erschöpfung oder Lähmungen verschlimmern. Diese Reaktion wird auch als Uhthoff-Phänomen bezeichnet. Heute gehen Forschende jedoch davon aus, dass dieses Phänomen nur vorübergehend auftritt und keinerlei negative Effekte auf die MS-Schubrate hat. Im Gegenteil: Bei körperlicher Betätigung werden unter anderem entzündungshemmende Botenstoffe freigesetzt. Dies kann sich für Menschen mit MS günstig auswirken.
Sport und Bewegung können zudem Schwindelgefühl, Gleichgewichts- oder Koordinationsstörungen lindern und die Mobilität von Menschen mit MS deutlich verbessern. Sie sind deshalb eine sinnvolle unterstützende Therapie für betroffene Personen.
Darüber hinaus verringert Sport das Risiko von Begleiterkrankungen wie Fettleibigkeit, Herz-Kreislauferkrankungen, Typ-2-Diabetes, Krebs, Arthritis, Osteoporose und Depressionen.
Sport bei MS – Vorteile im Überblick
Multiple Sklerose wird oft auch als „Krankheit mit tausend Gesichtern“ bezeichnet, weil sie sich in ihrem Verlauf und ihrer Symptomatik von Person zu Person stark unterscheiden kann. Mögliche positive Auswirkungen von Sport auf Menschen mit MS sind:
- Verbesserung der Muskelkraft
- Steigerung der Mobilität
- Stärkung des Gleichgewichts und der Körperstabilität
- Förderung des Selbstvertrauens
- Steigerung der Lebensqualität
Die individuelle Symptomatik sollte bei der Auswahl der Übungen und der Sportarten immer berücksichtigt werden, damit Kraft, Ausdauer, Gleichgewicht und Koordination bei Menschen mit MS optimal verbessert werden. Lassen Sie sich bei Ihrem Facharzt oder Ihrer Fachärztin beraten und einen entsprechenden Trainingsplan erstellen.
Welcher Sport eignet sich für Menschen mit MS?
Betroffene sollten sich grundsätzlich individuell beraten lassen. Allgemein scheint für die meisten MS-Patientinnen und -Patienten eine Kombination aus Kraft- und Ausdauertraining gepaart mit Beweglichkeits- und Koordinationsübungen empfehlenswert. Bei Sportarten wie Laufen, Walken, Schwimmen oder Radfahren werden Herz und Kreislauf über den Trainingszeitraum hinweg gleichmäßig und moderat belastet.
Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit MS bereits nach vier Wochen Trainingserfolge erzielen konnten – so hatte sich etwa ihre Beweglichkeit verbessert und Müdigkeitssymptome (Fatigue) waren zurückgegangen. Mit Krafttraining im Fitnessstudio oder bei der Wassergymnastik können Erkrankte zusätzlich dem Abbau der Muskeln – vor allem in den unteren Extremitäten – und der Verringerung der Knochendichte entgegenwirken. Flexibilitäts-, Gleichgewichts- und Dehnungsübungen, wie sie zum Beispiel beim Yoga oder Pilates vorkommen, machen Muskeln und Gelenke stark und geschmeidig. Schmerzende Muskelkrämpfe lassen sich so verringern. Auch Stürzen können Betroffene so vorbeugen.
Welche Sportarten ist bei MS empfehlenswert?
- Wassergymnastik: stabilisiert die Mobilität und unterstützt das Herz-Kreislauf-System. Besonders gut geeignet bei spastischen MS-Symptomen (nicht kontrollierbare Muskelspannungen), weil der Körper aktiv und passiv bewegt wird.
- Outdoor-Sportarten wie Nordic Walking: verbessern Bewegungsabläufe, Koordination sowie Lungenfunktion und können Fatigue-Beschwerden lindern.
- Tai Chi und Qi Gong: Rhythmische und langsame Bewegungen helfen besonders bei Ataxie, also bei Störungen in der Bewegungskoordination.
- Kanufahren oder Stand-up-Paddling: trainieren den ganzen Körper, fördern den Gleichgewichtssinn sowie Bewegungsabläufe. Je nach Schwere der Erkrankung kann Stand-up-Paddling aber auch zum Sit-up-Paddling werden. Das heißt: man sitzt oder kniet auf dem Board, statt zu stehen.
Je nach Schweregrad der MS-Erkrankung kommen unterschiedliche Aktivitäten in Frage – auch, um unnötige Verletzungen zu vermeiden. Nicht vergessen: Selbstüberschätzung kann auch für kerngesunde Menschen schnell gefährlich werden. Wenn Sie also überlegen, eine bestimmte Sportart auszuprobieren, sprechen Sie vorher am besten mit Ihrem behandelnden Arzt oder Ihrer Ärztin.
Rollstuhlsport für Menschen mit MS
© iStock / SeventyFour
Auch für Menschen mit MS, die im Rollstuhl sitzen, gibt es zahlreiche Sportangebote. Der Deutsche Rollstuhl-Sportverband e.V. (DRS) listet mehr als 30 Sportarten auf, die für Menschen mit Mobilitätseinschränkung geeignet sind.
Das Rollstuhlsport-Angebot reicht grundsätzlich von Badminton und Tennis über Hockey und Tanzen bis hin zu Kampfkünsten und Sportschießen. Der Fokus liegt dabei nicht nur auf der Erhaltung der Leistungskraft und Stärkung des Körpers – es geht ebenso darum, die Lebensqualität, Selbstbestimmung und die sozialen Kontakte zu fördern. Welche Sportart für MS-Betroffene individuell am besten passt, sollte immer mit den behandelnden Fachpersonen abgesprochen werden.
MS und Sport: Das sollten Sie generell beachten
Ganz wichtig: Sprechen Sie mit Ihrer behandelnden Fachperson, stecken Sie sich realistische Ziele und trainieren Sie regelmäßig.
Menschen mit MS profitieren in der Regel zusätzlich von folgenden Tipps:
- Achten Sie gut auf Ihre Grenzen.
- Starten Sie langsam und steigern Sie immer zuerst die Dauer der körperlichen Aktivität, dann die Häufigkeit und schließlich die Intensität.
- Achten Sie dabei auf Ihren Körper und unterbrechen Sie bei auftretenden Symptomen wie Müdigkeit oder Gleichgewichtsproblemen das Training.
- Vermeiden Sie Überhitzung. Tragen Sie atmungsaktive Sportkleidung und haben Sie immer etwas zur Kühlung dabei – zum Beispiel eine Flasche mit kaltem Wasser oder einen Mini-Ventilator.
- Trainieren Sie nicht an heißen Tagen.
- Trainieren Sie nicht während eines akuten Schubes und sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin, ehe Sie nach einem Schub wieder mit dem Training beginnen.
- Wärmen Sie sich gut auf und dehnen Sie sich ausgiebig nach dem Sport. Das beugt Versteifungen und Spastiken vor. Allerdings sollten Sie hier vorab einen Physiotherapeuten oder eine Physiotherapeutin mit MS-Kenntnis zu Rate ziehen.
Passende Angebote der AOK
AOK-Clarimedis – Medizinische Informationen am Telefon
Ob Gesundheitsthemen oder Fragen zu Diagnosen: Bei der AOK-Clarimedis gibt es an 365 Tagen im Jahr medizinischen Rat.