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Unter Strom: So funktioniert elektrische Muskelstimulation

Veröffentlicht am:23.06.2022

5 Minuten Lesedauer

Eine breite Brust und starke Arme mit nur 20 Minuten Training pro Woche. So zumindest lautet das Versprechen der elektrischen Muskelstimulation, kurz EMS. Was sich hinter dem Training verbirgt und ob es halten kann, was es verspricht, lesen Sie hier.

Frau beim EMS-Training.

© iStock / Group4 Studio

Was ist EMS?

Mit Elektromyostimulation (EMS), besser bekannt als elektrische Muskelstimulation, werden über Elektroden elektrische Impulse an den Körper geleitet, um die Muskeln zu stimulieren. Die Trainingsform hat ihren Ursprung in der Physiotherapie, wo sie nach Verletzungen oder Operationen für die gezielten Muskelansteuerung eingesetzt wird. Profisportlerinnen und Profisportler adaptierten diese Methode, um ihr Ganzkörpertraining zu verbessern.

Die Bilder von Sporttreibenden, die mit Elektroden übersät an eine Maschine angeschlossen sind, als wären sie in einem Versuchslabor, gehören aber der Vergangenheit an. Die Elektroden sind heute in Gurten oder einer Weste verbaut, die am Körper angebracht werden. So kann elektrische Muskelstimulation zu Hause oder in speziellen Fitnessstudios ausgeübt werden.

Doch auch wenn die Elektroden nicht mehr sichtbar sind, ihre Funktion ist die gleiche: Sie leiten Strom in den Körper. Hört sich gefährlich an, kann aber tatsächlich zu einem muskulöseren Körper beitragen.

Was bringt elektrische Muskelstimulation?

Das EMS-Ganzkörpertraining basiert auf einem Prinzip, dass im Körper ohnehin stattfindet. Bei körperlichen Bewegungen – egal ob wir sprinten oder nur mit den Augen zwinkern – sendet das Gehirn elektrische Impulse. Diese gelangen über Nervenbahnen im Rückenmark bis zu den entsprechenden Muskeln – die sich dann zusammenziehen. Die Frequenz, also die Anzahl von Impulsen pro Sekunde, beeinflusst die Geschwindigkeit und die Kraft der Muskelkontraktion.

Bei einem EMS-Training werden Übungen wie Liegestütze, Kniebeugen oder Planks ausgeführt. Zusätzlich werden Impulse an die Muskeln gesendet – dadurch verstärkt sich die Kontraktion. Die Impulse werden in kurzen Intervallen gesendet, beispielsweise vier Sekunden Anspannung, vier Sekunden Pause.

So sorgt der Strom dafür, dass die Muskeln in den Kontraktionsphasen noch stärker beansprucht werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch die Elektroden alle großen Muskelgruppen gleichzeitig stimuliert werden. Darum versprechen Anbietende, dass bereits 20 Minuten Training pro Woche ausreichend sind. Doch ist EMS-Training wirklich so effektiv?

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EMS-Training für Muskelauf- und Fettabbau

Um die Effizienz von EMS-Training zu untersuchen, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg die Methode mit High-Intensity-Training, kurz HIT, verglichen. Dafür trainierten 23 gesunde, untrainierte Männer zwischen 30 und 50 Jahren in jeweils einer der beiden Trainingsgruppen. Nach 16 Wochen kamen sie zu folgendem Ergebnis: Beide Trainingsgruppen konnten ihre Masse (ohne Fettanteil) um etwa ein Kilogramm erhöhen. Auch die Maximalkraft stieg signifikant an. Gleichzeitig nahm die Körperfettmasse um etwa ein Kilogramm ab. Während die HIT-Gruppe aber 3-mal die Woche 30 Minuten trainierte, wurde das EMS-Training nur eineinhalbmal die Woche (3-mal in 2 Wochen) für 20 Minuten durchgeführt. Untrainierte Personen können also ein gutes Ergebnis in Bezug auf die Muskelmasse mit verhältnismäßig geringem Zeitaufwand erzielen.

EMS-Training gegen Rückenschmerzen

Das Ganzkörpertraining kann aber nicht nur helfen, schlank und muskulös zu werden, sondern scheint potenziell auch Rückenschmerzen zu lindern. Darauf deuten mehrere Studien hin, unter anderem eine Untersuchung, die ebenfalls von Forschenden der Universität in Erlangen-Nürnberg durchgeführt wurde. Dafür untersuchten sie die Daten von Teilnehmenden aus vier ähnlich durchgeführten Studien. Der Fokus lag auf untrainierten Männern und Frauen über 60 Jahre mit häufigen Schmerzen im unteren Rücken. Die Ergebnisse zeigen, dass ein EMS-Ganzkörpertraining diese Schmerzen reduzieren kann. Vermutlich, weil durch die verstärkte Kontraktion auch die kleinen Muskelfasern, die für die Stabilität der Wirbelsäule sorgen, angesprochen werden. Sie sind bei vielen Menschen geschwächt und können deshalb Rückenschmerzen hervorrufen. Ob es allerdings einen größeren Einfluss hat als ein gewöhnliches Rückentraining, muss in weiteren Untersuchungen geklärt werden.

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Kann EMS Sport ersetzen?

Elektrische Muskelstimulation hat also seine Berechtigung, sowohl in der Physiotherapie, wo sie gezielt bestimmte Muskeln ansprechen soll, als auch im Sport in Form eines Ganzkörpertrainings – und das bei einem vergleichsweise zeitlich geringen Aufwand. Allerdings aktiviert sie nur einen Teilbereich der körperlichen Fitness. Auf das Herz-Kreislauf-System hat EMS nur bedingt Einfluss, daher muss die Ausdauer separat trainiert werden, etwa durch Joggen oder Radfahren.

Auch die Koordination wird durch das Training kaum gestärkt. Ein Boxer kann noch so große Muskeln haben, wenn er aber die sportartspezifischen Bewegungsabläufe nicht trainiert, weiß er sie nicht einzusetzen. Ein ganzheitliches Training bestehend aus den Komponenten Ausdauer, Kraft und Koordination kann EMS also nicht ersetzen. Sie ist als ergänzende Methode im Krafttraining zu sehen.

Personal Trainer unterstützt Sportler beim EMS-Training.

© iStock / Group4 Studio

Bei EMS kann es schnell zu einer Überforderung der Muskeln kommen, darum sollte das Ganzkörpertraining von ausgebildetem Personal überwacht werden.

Kann EMS schädlich sein?

Ein weiterer Vorteil neben der Effizienz ist, dass EMS-Training keine zusätzlichen Gewichte benötigt – und dadurch sehr gelenkschonend ist. Generell fühlt es sich für den Körper trotz hoher Intensität nicht sehr belastend an. Darin liegt aber auch eine Gefahr.

Vor allem zu Beginn muss sich die Muskulatur an das Training gewöhnen. Durch die geringe Bewegung unterschätzen Anfängerinnen und Anfänger oft, wie intensiv das Training ist. Sie übertreiben es, ohne es zu merken. Das kann die Muskeln zu sehr überfordern. Die Sporthochschule Köln betont in einer Studie, dass die Konzentration von Creatin-Kinase (CK) im Blut beim EMS-Training deutlich höher sein kann als bei klassischem Krafttraining, da es besonders intensiv ist und wesentlich mehr Muskelfasern beteiligt sind.

CK ist ein im Muskel enthaltenes Enzym und dort für die Bereitstellung von Energie wichtig. Durch Krafttraining werden die beanspruchten Muskeln beschädigt und das Enzym gelangt ins Blut. Je mehr Muskelfasern beschädigt sind, desto mehr CK tritt aus. Der Körper baut es dann über die Nieren wieder ab. Bei stark erhöhten Werten können die Nieren so sehr belastet werden, dass es auf Dauer zu einer Schädigung dieser Organe kommen kann.

Was muss beim EMS-Training beachtet werden?

Elektrische Muskelstimulation ist für zu Hause nicht zu empfehlen, sie sollte in einem spezialisierten Fitnessstudio mit einer ausgebildeten Trainingsleitung durchgeführt werden. Studios, die sich an der offiziellen DIN-Norm orientieren, dürfen in den ersten elf Wochen nur ein Training pro Woche anbieten. Gleichzeitig darf eine Trainerin oder ein Trainer maximal zwei Personen gleichzeitig betreuen. Nach elf Trainingswochen reicht es dann aus, wenn mindestens vier Tage zwischen den Einheiten liegen. Das richtige Studio erkennen Sie an der Zertifizierung des TÜV Rheinlands.

Auch wenn das Risiko von EMS durch professionelle Trainerinnen und Trainer minimiert werden kann, ist es für bestimmte Personengruppen eher ungeeignet, dazu gehören Menschen mit einem Herzschrittmacher oder anderen elektrischen Implantaten, da die elektrischen Impulse zu einer Störung der Geräte führen können. Auch bei Schwangeren können Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen werden. Die Wirkung auf das ungeborene Kind wurde aus ethischen Gründen noch nicht untersucht. Darüber hinaus sollte bei bestimmten Erkrankungen vorher mit einer Ärztin oder einem Arzt Rücksprache gehalten werden, um mögliche gesundheitliche Risiken abzuklären, dazu gehören:

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