Ausbildung und erste Berufsjahre im Krankenhaus
Viele junge Pflegekräfte fühlen sich am Arbeitsplatz bedroht. Wenn in der Pflegeausbildung Führungskräfte und Pflegeschulen Hand in Hand zu Gewaltprävention arbeiten und das Wissen auch in der Praxis ankommt, können Gewaltereignisse reduziert werden.
Ausbildung und erste Berufsjahre im Krankenhaus
Sabine B. (Name geändert) ist seit kurzem in einem bayerischen Krankenhaus Krankenhäuser sind Einrichtungen der stationären Versorgung, deren Kern die Akut- beziehungsweise… examinierte Gesundheits- und Krankenpflegekraft. In ihrer praktischen Ausbildungszeit durchlief sie viele Fachbereiche und musste bereits als junge Schülerin einschneidende Gewalterlebnisse verarbeiten lernen. Als Auszubildende hatte sie sexuelle Anzüglichkeiten und auch Tätlichkeiten von überwiegend männlichen Patienten auszuhalten – oft war sie allein in der Pflegesituation. Brenzlige Situationen entstehen oft beim Waschen. „Ich habe versucht, darüber hinwegzulachen und zu verdrängen, es als Sprüche abzutun, aber ich wurde auch bedroht und am Bett festgehalten. Einmal konnte ich mich nur mit einem Ablenkungsmanöver aus dem festen Handgriff befreien und zügig aus dem Zimmer gehen. Das kann man dann nicht mehr für sich bagatellisieren“, erzählt Sabine B.. Als junge Schülerin bekam sie nicht nur Angst, sondern hatte plötzlich auch Selbstzweifel, dachte, dass der Beruf nichts für sie sei. „Wir Azubis hatten selten Hilfe in solchen Situationen, auch nicht von unserer Vorgesetzten. Oft wurde abgewunken, man nahm uns nicht ernst. Letztlich waren wir ohnmächtig und fühlten uns alleingelassen.“
Viele junge Pflegende fühlen sich am Arbeitsplatz bedroht
Das, was Sabine B. erlebt hat, ist kein Einzelfall. Das Zentrum für Qualität ist ein zentrales Versorgungsziel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Im Rahmen der… in der Pflege Kann die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden, besteht Anspruch auf… (ZQP) und die Deutsche Hochschule der Polizei haben mit Ihrem Projekt SeGEL Wissen und Daten zum Thema sexualisierte Gewalt in der stationären Langzeitpflege in Deutschland zusammengetragen. Ziel war es, Vorfälle sexualisierter Gewalt in Pflegeheimen zu erheben: einerseits gegen Bewohnerinnen und Bewohner und andererseits gegen Mitarbeitende. Kernergebnis ist: Junge weibliche Pflegepersonen haben vornehmlich in der Intimpflege von Altenheimbewohnern ein besonderes Risiko, sexuell belästigt zu werden. Detaillierte Ergebnisse werden ab März 2023 erwartet.
Eine bereits 2006 durchgeführte Umfrage von rund 400 Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflege in Deutschland und Österreich zeigte die allgemeine Gefahrenlage: 44 Prozent gaben an, sich während ihrer Praxisausbildung einmal oder mehrmals bedroht gefühlt zu haben; 75 Prozent hatten einen verbalen Angriff, etwa wüste Beschimpfungen, erlebt und rund ein Drittel wurden ein- oder mehrmals im Pflegealltag tätlich angegriffen.
In der Pflegeausbildung: Führungskräfte und Pflegeschule Hand in Hand in der Gewaltprävention
Sabine B. lernte noch nach altem Ausbildungsrecht, weil sie ihre Ausbildung 2018 begonnen hatte. Aus ihrer Ausbildungszeit in der Pflegeschule erinnert sich Sabine B. zwar an Unterrichtsstunden zu gewaltfreier Kommunikation und auch an einige Unterrichtseinheiten zu Gewalt in der Pflege, aber die Lernenden bekamen keine hilfreichen Handlungsstrategien oder Tipps zum Umgang mit Gewaltvorfällen am Pflegearbeitsplatz.
Was kommt in der Praxis an? Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) befragte 2017 hat mit der B. Braun-Stiftung 402 Pflegefachpersonen und Auszubildende zu ihren persönlichen Gewalterfahrungen in der Pflege befragt: Nur knapp 30 Prozent bestätigten, dass Wissen zur Entstehung von Gewalt am Pflegearbeitsplatz in der Ausbildung vermittelt worden sei – über 50 Prozent der Befragten meinten, dass dies ungenügend gelehrt wurde. Hier gibt es einen auffallenden Widerspruch zwischen dem verbreiteten Vorkommen von Gewalt in der Pflege und der Vermittlung dieses Themas in der Pflegeausbildung.
Seit dem 1. Januar 2020 ist die Pflegeausbildung auf Grundlage des Pflegeberufegesetzes organisiert. Seitdem gibt es bundeseinheitliche Lehrrichtlinien für die Pflegeausbildungen. Sie haben empfehlenden Charakter und können von den Ländern zur Entwicklung ihrer Lehrpläne und von den Trägern der praktischen Ausbildung für ihre Ausbildungspläne herangezogen werden.
In den Rahmenlehrplänen des Bundesinstituts für Berufsbildung (bibb) für den theoretischen und praktischen Unterricht ist das Thema Gewalt in der Pflege in den drei Ausbildungsjahren in verschiedenen Settings präsent. Die Lehrpläne berücksichtigen sowohl Wissensgrundlagen zu Prävention Prävention bezeichnet gesundheitspolitische Strategien und Maßnahmen, die darauf abzielen,… und Haftung, beschreiben die Handlungsanlässe und das mögliche Erleben, Deuten und Verarbeiten bei Gewaltvorfällen in der Pflegepraxis. Es sei, so ist in den Rahmenlehrplänen zu lesen, bei der Bearbeitung von Gewaltphänomenen sinnvoll, theoretisches und aus der Praxis erwachsenes Wissen zu verbinden. Mittels gelehrtem abstrakten Wissen könne die Pflegeperson zu den Vorfällen eine analytische Distanz gewinnen. Aktuelle Studien und berufsübergreifende Diskurse zum Phänomen „Gewalt in der Pflege“ seien in die Ausbildung zu integrieren.
Sabine B. wünscht sich für alle Auszubildenden in der Pflege vor dem ersten Praxiseinsatz im ersten Ausbildungsjahr eine offene Kommunikation zum Thema Gewalt in der Pflege. „Denn das kann jedem und jeder im Pflegeberuf begegnen. Junge Pflegende brauchen eine Art Vorwarnung und erste praktikable Handlungsanleitungen dazu." Azubis und neue Mitarbeitende sollten immer genau wissen, wen man bei Bedarf im Team ansprechen könne. „Wir brauchen engagierte Führungskräfte, die das Thema auf dem Schirm haben und auch regelmäßig Schulungen dazu anbieten.“
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