Endometriose – die unterschätzte Krankheit
Sie ist eine der häufigsten gynäkologischen Erkrankungen, aber wenig bekannt: Endometriose. Es dauert oft Jahre, bis die Krankheit diagnostiziert wird. Dabei ist sie häufig mit starken Schmerzen, vor allem während der Regelblutung, und einem langen Leidensweg der betroffenen Frauen verbunden. Was ist eine Endometriose überhaupt und welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Das erklärt Anja Debrodt, Ärztin im AOK-Bundesverband.
Endometriose-Herde im Bauchraum
Bei der Endometriose siedelt sich Gewebe, das der Schleimhaut der Gebärmutter ähnelt, außerhalb der Gebärmutterhöhle an. „Endometriose-Herde können sich in der Gebärmuttermuskulatur, in der Eileiterwand oder auch im Bereich des kleinen Beckens ansiedeln, zum Beispiel an den Eileitern, Eierstöcken oder im Douglas-Raum. Das ist der Raum zwischen Gebärmutter und Enddarm. Selten findet man sie auch in der Blase, im Darm oder in der Lunge. Wie es dazu kommt, ist nicht geklärt“, sagt Medizinerin Debrodt. Wie die Schleimhaut der Gebärmutter – Endometrium genannt – baut sich auch die Schleimhaut der Endometriose-Herde im Monatszyklus auf und wieder ab. Das abgelöste Gewebe kann aber nicht wie bei der normalen Regelblutung über die Vagina abfließen, sondern verbleibt im Bauchraum, was zu Entzündungen und in der Folge zu Narben, Verwachsungen und Zysten führen kann.
„Wie ein Messer im Bauch“
Manche Frauen spüren tatsächlich gar nichts von ihren Endometriose-Herden, eventuell, weil der Körper es schafft, Blut und Gewebereste abzubauen. Andere Frauen dagegen haben starke, krampfartige, manchmal brennende Schmerzen vor und während der Menstruation. „Wie wenn mir jemand ein Messer in den Bauch sticht“, so beschreibt es eine stark betroffene Frau. Die Stärke der Symptome hängt nicht unbedingt davon ab, wie ausgeprägt die Endometriose ist. Die Schmerzen müssen auch nicht auf die Menstruation beschränkt sein, sondern können auch zwischendurch auftreten, zum Beispiel beim Geschlechtsverkehr, oder dauerhaft präsent sein. Die Schmerzen sind auch nicht immer nur im Bauch lokalisiert, sie strahlen teilweise in den Rücken und die Beine aus. Sind auch Darm oder Blase befallen, kann es zu Beschwerden beim Stuhlgang oder Urinieren kommen, zu Blähungen und Völlegefühl. Durch die regelmäßigen Schmerzen fühlen sich viele Frauen erschöpft und nicht so leistungsfähig. Ein weiteres Problem kommt hinzu: Sitzen Herde auf Eileiter oder Eierstöcken, kann das die Fruchtbarkeit der Frauen beeinträchtigen.
O-Töne von Anja Debrodt, Ärztin im AOK-Bundesverband
Gutartige Erkrankung
Die Diagnose Endometriose bedeutet für viele der betroffenen Frauen eine Entlastung. „Die Krankheit kann man zwar in der Regel nicht heilen, aber die Beschwerden deutlich lindern, so dass die Frauen damit besser leben können“, sagt Ärztin Debrodt. Zudem ist mit der Diagnose klar: Die Erkrankung ist gutartig, es steckt keine bösartige Krankheit hinter den Beschwerden.
Behandlungsmöglichkeiten
Für die Behandlung gibt es grundsätzlich zwei Strategien, die individuell abgewogen werden müssen: Medikamente und/oder Operation. Schmerzmittel können die Schmerzen verringern, therapieren aber nicht die eigentliche Erkrankung und sollten nicht dauerhaft eingenommen werden. Hormonpräparate unterdrücken die körpereigene Hormonproduktion und damit auch die Monatsblutung. So wird auch das Wachstum der Endometriose-Herde gebremst und Schmerzen reduziert. Allerdings müssen die Frauen dafür einige Nebenwirkungen in Kauf nehmen – so können sie unter Hormontherapie zum Beispiel nicht schwanger werden.
Für Frauen mit Kinderwunsch kommt eine Bauchspiegelung infrage, bei der Endometriose-Herde sowie Verwachsungen entfernt werden. Der Eingriff wird in der Regel unter Vollnarkose minimalinvasiv vorgenommen, hinterlässt also nur kleine Narben. „Bei einem Teil der Frauen bilden sich danach im Laufe der Jahre allerdings wieder neue Endometriose-Herde“, so Debrodt. Es gibt Hinweise darauf, dass die Anwendung bestimmter Hormonpräparate nach einer Operation das Risiko der Neubildung von Endometriose-Herden senken kann. Wenn die Erkrankung das Leben sehr beeinträchtigt und kein Kinderwunsch besteht, kommt möglicherweise auch in Betracht, die Gebärmutter samt Eierstöcken und Eileitern entfernen zu lassen. Das sollte jedoch sorgsam abgewogen und die Folgen mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin besprochen werden. Denn eine solche Operation führt zu einem abrupten Einsetzen der Wechseljahre.
Zertifizierte Einrichtungen
Erste Anlaufstelle bei starken Unterleibsbeschwerden ist für Frauen die gynäkologische Praxis. Außerdem können sich Betroffene an zertifizierte Endometriosezentren wenden. Unterstützend kann zudem der Austausch in einer Selbsthilfegruppe sein. Wichtig ist auch, in der Partnerschaft offen über die Erkrankung und die damit verbundenen Beschwerden zu sprechen. Einen Trost gebe es für alle Betroffenen, so Medizinerin Debrodt: „Mit den Wechseljahren, mit dem Ausbleiben der Menstruation kommt die Erkrankung in der Regel zur Ruhe.“