J1: Wichtiger Rundum-Check für Jugendliche
Nicht nur bei Kindern ist eine Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung wichtig, sondern auch bei Jugendlichen. Dabei müssen die Erziehungsberechtigten nicht zwingend dabei sein.
Während Eltern die Früherkennungsuntersuchungen U1 bis U9 ihrer Kinder meist im Blick haben und nutzen, wird die Jugendgesundheitsuntersuchung J1 oft vergessen. Dabei wird das Leben für Jugendliche mit Beginn der Pubertät komplizierter und birgt mehr Risiken. Ein guter Zeitpunkt für einen Rundum-Check, bei dem die Ärztin oder der Arzt den jungen Menschen nicht nur körperlich untersucht, sondern auch in vielen anderen Fragen beraten kann. Was die J1 alles bietet, erklärt Anja Debrodt, Ärztin im AOK-Bundesverband.
Stress in der Clique oder Schule, erster Liebeskummer, Menstruation, Drogen, Pickel oder Pille - "peinliche" Themen, die Jugendliche beschäftigen und über die sie nicht unbedingt mit ihren Eltern reden. Aber vielleicht vertrauen sie sich einem Außenstehenden an, zum Beispiel der Ärztin oder dem Arzt im Rahmen der Jugendgesundheitsuntersuchung. „Bei der Vorsorgeuntersuchung J1 geht es nicht nur um körperliche Untersuchungen und eine Auffrischung von Impfungen, sondern auch um seelische und soziale Themen zu Beginn einer äußerst sensiblen Phase, nämlich der Pubertät“, betont Ärztin Debrodt. "Die Jugendlichen können, wenn sie möchten, ohne Eltern zum Termin kommen und alles vertraulich besprechen. Die Untersuchung unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht, auch wenn die Jugendlichen unter 18 sind."
Radio O-Töne von Anja Debrodt, Ärztin im AOK-Bundesverband
Für Jugendliche zwischen 12 und 14 Jahren
Die J1 ist für Jugendliche im Alter zwischen 12 und 14 Jahren vorgesehen und wird von allen gesetzlichen Krankenkassen als Regelleistung übernommen. Doch während die U1- bis U9-Untersuchungen bei den allermeisten Babys und (Klein-)Kindern erfolgen, wird die J1 nur von höchstens jedem zweiten Jugendlichen wahrgenommen. Das zeigen beispielsweise Daten der AOK PLUS sowie des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL Bayern).
Hauptgrund, so die Studie der LGL Bayern: Eltern und Jugendlichen ist die J1 häufig unbekannt. "Dabei nehmen mit dem Eintritt ins Jugendalter Probleme wie Übergewicht, psychische Beschwerden, Alkohol-, aber auch Drogenkonsum sowie gesundheitsgefährdendes Verhalten zu", sagt Medizinerin Debrodt. Umso wichtiger, dass sich die Jugendlichen beraten und durchchecken lassen, zumal die letzte Kinderuntersuchung, die U9, etwa sieben Jahre her ist.
Check von Kopf bis Fuß
Die J1 hat die Früherkennung von Erkrankungen, Entwicklungs- und Verhaltensstörungen zum Ziel, soll gesundheitsschädigendes Verhalten frühzeitig erkennen und bietet dementsprechende Diagnostik, Beratung und, falls erforderlich, eine rechtzeitige Behandlung an. Die Ärztin oder der Arzt misst Körpergröße, Gewicht und Blutdruck und lässt sich eine Urinprobe geben. So werden unter anderem Schilddrüse, Herz, Lunge sowie Bauchorgane und das Skelettsystem untersucht. Auch die Pubertätsentwicklung steht im Zentrum der Untersuchung.
Der Impfstatus wird überprüft. Die Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Kinderlähmung müssen aufgefrischt, fehlende Impfungen, etwa gegen Hepatitis B, Masern, Mumps, Röteln, Windpocken, Meningokokken können nachgeholt werden. Vor Beginn der sexuellen Aktivität sollten die Mädchen und Jungen auch gegen humane Papillomaviren (HPV) geimpft werden, denn diese Viren können neben Genitalwarzen auch Gebärmutterhalskrebs, Penis- und Analkrebs sowie Krebserkrankungen der Mundhöhle und des Rachens auslösen. Für die Impfungen braucht die Ärztin oder der Arzt allerdings das Einverständnis der Eltern.
Schule, Sucht und Sexualität: keine Tabus
Doch neben diesen medizinischen Bereichen interessiert sich die Ärztin oder der Arzt auch für die seelische und soziale Entwicklung der Jugendlichen. Dabei kann ein standardisierter Fragebogen, den sie vorher ausfüllen, auf Probleme hinweisen. Dort wird beispielsweise danach gefragt, ob die oder der Jugendliche gut einschlafen kann, Angst davor hat, dick zu werden, von anderen öfter gehänselt wird, mit den Eltern oft Streit hat oder Zigaretten oder Alkohol konsumiert. Außerdem sollen Sätze vervollständigt werden, wie "Manchmal träume ich ...", "Ich kann nicht ...", "Meine größte Sorge ..." oder "Ganz im Geheimen ...". Was die Jugendlichen nicht beantworten wollen, dürfen sie selbstverständlich auslassen. Doch die Antworten können helfen, miteinander ins Gespräch zu kommen.
"Für die Jugendlichen ist dieser Arztbesuch auch eine große Chance, denn sie dürfen alles fragen, was ihnen unter den Nägeln brennt", betont Debrodt. "Und wenn sie allein kommen, trauen sie sich das vielleicht auch eher." Manchem Jugendlichen fällt der Arztbesuch aber womöglich leichter, wenn die Eltern oder eine andere Bezugsperson mitkommen, etwa eine Freundin oder ein Freund. Ob in Begleitung oder nicht, das sollte die oder der Jugendliche frei entscheiden dürfen. Medizinerin Debrodt: "Vielleicht ist die J1 der erste Arztbesuch, den das Kind allein unternimmt, und damit ein erster Schritt hin zum Erwachsenwerden."