Kein gutes Bauchgefühl: Wie Morbus Crohn das Leben Betroffener einschränkt
Wässrige oder schleimige Durchfälle, die über Wochen anhalten können, krampfartige Bauchschmerzen vor allem im rechten Unterbauch – das sind typische Symptome eines Morbus Crohn. Die chronisch-entzündliche Darmerkrankung verläuft klassischerweise in Schüben, der Krankheitsverlauf ist je nach Patient oder Patientin ganz unterschiedlich. Belastend ist die Erkrankung in jedem Fall.
Angst, Not, Scham
Neben der Angst vor dem nächsten Krankheitsschub oder einer möglicherweise notwendigen Operation spielen für Betroffene oft ganz praktische Nöte eine Rolle: beispielsweise fehlende Toiletten im öffentlichen Raum, Sorgen um den Verlust der Arbeitsfähigkeit, aber auch Scham gegenüber dem Freundeskreis, dem Partner oder der Partnerin. „Ein Morbus Crohn kann zwar nicht geheilt werden. Die richtige Behandlung kann die Beschwerden aber lindern und Entzündungsprozesse abmildern“, sagt Anja Debrodt, Ärztin im AOK-Bundesverband.
Ursache nicht eindeutig geklärt
Etwa 120 bis 200 Menschen pro 100.000 Einwohner leiden in Deutschland – nach Angaben des Berufsverbandes Deutscher Internistinnen und Internisten e. V. – an einem Morbus Crohn. Bei den meisten Betroffenen zeigt sich die Krankheit zum ersten Mal zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. „Die Ursache für die Erkrankung ist nicht eindeutig geklärt“, so Medizinerin Debrodt. „Es ist aber bekannt, dass Morbus Crohn zum Teil erblich bedingt ist.“ Vererbbare Faktoren erhöhen das Risiko für eine Fehlregulation des Immunsystems, die zu dieser Art der Entzündung der Darmschleimhaut führt. Daneben spielen vermutlich Umweltfaktoren eine wichtige Rolle. So ist das Risiko, an Morbus Crohn zu erkranken, bei rauchenden Menschen höher und bei ihnen ist auch der Krankheitsverlauf schwerer als bei Nichtraucherinnen und Nichtrauchern. In jedem Fall sollten Betroffene das Rauchen aufgeben.
O-Ton von Anja Debrodt, Ärztin im AOK-Bundeverband
Diagnose schwierig zu stellen
„Die Krankheit beginnt meist schleichend mit Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfällen, eventuell begleitet von einer Temperaturerhöhung und einem Gewichtsverlust. Viele Betroffene fühlen sich müde und abgeschlagen“, sagt Ärztin Debrodt. „Häufig ist der Schmerz im rechten Unterbauch am stärksten – dort sitzt der Übergang vom Dünndarm zum Dickdarm.“ Grundsätzlich kann aber die Schleimhaut des gesamten Verdauungstraktes betroffen sein – vom Mund bis zum After. Oft ist es zu Beginn der Erkrankung nicht ganz einfach, die Symptome richtig zu deuten. Das ist der Grund, warum die Diagnosestellung schwierig sein kann und bis dahin manchmal Zeit vergeht.
Erkrankung verläuft in Schüben
Typischerweise verläuft die Krankheit in Schüben, das heißt, es wechseln Phasen mit hoher Krankheitsaktivität, begleitet von entsprechenden Beschwerden, mit Zeiten, in denen die Betroffenen nahezu beschwerdefrei sind. Im Verlauf der Erkrankung können Komplikationen auftreten, zum Beispiel Stenosen (Verengungen des Darms), Fisteln (Verbindungsgänge zwischen Darm und anderen Organen oder der Hautoberfläche), Abszesse (Eiteransammlungen) oder Fissuren (kleine Einrisse in der Darmschleimhaut), meist im After-Bereich. Neben dem Verdauungstrakt können auch andere Organe betroffen sein, etwa Haut, Augen und Gelenke.
Behandlung
Da Morbus Crohn nicht heilbar ist, geht es bei der Therapie vor allem darum, den Entzündungsprozess zu hemmen. „Bei einem akuten Schub werden Medikamente wie Kortison oder spezielle Entzündungshemmer gegeben“, so Debrodt. Nach einem akuten Schub versucht man, die Phasen relativer Beschwerdefreiheit möglichst lange aufrechtzuerhalten. Auch dafür stehen verschiedene Gruppen von entzündungshemmenden Medikamenten bereit, die allein oder in einer Kombinationstherapie gegeben werden können. Da das Immunsystem im Rahmen der Behandlung unterdrückt wird, ist es angeraten, alle empfohlenen Impfungen wahrzunehmen, um Infektionen möglichst zu vermeiden. Menschen mit Morbus Crohn sollten außerdem regelmäßig eine Darmkrebsfrüherkennung wahrnehmen, denn sie haben ein erhöhtes Risiko, an Darmkrebs zu erkranken.
In vielen Fällen kommen die Erkrankten dennoch nicht um eine Operation herum: Rund 70 Prozent der Patientinnen und Patienten müssen innerhalb von 15 Jahren nach Diagnosestellung operiert werden. Mögliche Gründe sind Fisteln, Engstellen oder Abszesse. Bei einer solchen Operation werden die erkrankten Teile des Darms entfernt. Um die Funktionsfähigkeit des Darmes zu erhalten, geht man dabei möglichst „sparsam“ vor (darmerhaltende Minimalchirurgie).
Starke seelische Belastung
Wie bei anderen chronischen Erkrankungen können zu den körperlichen Beschwerden auch seelische Störungen hinzukommen. Durch die häufigen Durchfälle, Komplikationen oder auch Krankenhausaufenthalte fühlen sich die Patientinnen und Patienten oft sehr eingeschränkt. Hier können eine Psycho- oder Gesprächstherapie sowie Entspannungsübungen helfen, mit der Erkrankung besser zurechtzukommen und die Lebensqualität zu steigern. Auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe kann hilfreich sein.
Ernährung bei Morbus Crohn
Für Morbus-Crohn-Erkrankte ist ein gutes Ernährungskonzept wichtig, welches mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin abgestimmt sein sollte. Wegen der gestörten Darmfunktion kann der Körper nämlich nicht genügend Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente aufnehmen. Betroffene können beispielsweise als Folge eines Eisen-, Folsäure- oder Vitamin-B12-Mangels eine Blutarmut (Anämie) entwickeln. Die entsprechenden Nährstoffe sollten dann gezielt zugeführt werden. Eine spezielle Morbus-Crohn-Diät für Erwachsene gibt es aber nicht. Einige Erkrankte vertragen zudem keine Milch oder Milchprodukte. Grundsätzlich ist es ratsam, Speisen zu meiden, die nicht gut vertragen werden (Eliminationsdiät). Mithilfe einer Ernährungsberatung können sich Betroffene dabei unterstützen lassen.